Versteckter Lobbyismus?
Landauf, landab versuchen Anti-Windkraft-Initiativen den Bau von Anlagen zu verhindern. Handelt es sich wirklich um einfache Bürger in Sorge? Die Spur führt schnell zu vernetzten Vereinen mit einflussreichen Akteuren. Welches sind die wahren Interessen?
Von Angelika Lange-Etzel
(24. Juni 2015) Wer Vorträge über „Windenergie“ hält, muss mit Mahnwachen und Störungen rechnen. Dazu bekennen sich lokale „Vernunftkraft“-Gruppen, die „das Ende der antisozialen und umweltschädlichen Energiewende sowie die Abschaffung des EEG“ fordern.
Angelika Lange-Etzel, geb. 1948. Arbeitete als Dipl.-Bibliothekarin in Hannover und Rüsselsheim. Seit 2009 Rentnerin. Engagierte sich für den Naturschutz und schloss sich 2010 der „Initiative Atomausstieg Groß-Gerau“ an. Organisiert seither Veranstaltungen und schreibt Hintergrundinformationen zur Energiewende und zum Klimawandel.
Im „Bundesverband Vernunftkraft“ vernetzt
„Vernunftkraft“ nennt sich auch der politisch aktive Bundesverband, der die Basis mit vorgeblich „vernünftigen“ Argumenten und mit Rednern, wie dem Präsidenten des IFO-Instituts Dr. Hans-Werner Sinn, versorgt. Vehement werden angebliche Gesundheitsgefahren durch unhörbaren „Infraschall“ ausgehend von Windrädern angeprangert.
„Vernunftkraft“ fährt zudem einen Frontalkurs gegen die Energiewende, die laut dem Vorsitzenden Dr. Nikolai Ziegler „von einem stimmungsgetriebenen Ausstieg aus einer umstrittenen, aber zuverlässigen und grundlast-fähigen Technologie“ geprägt sei. Erneuerbare Energien brandmarkt er als naturzerstörerisch und unnötig, und er behauptet, das EEG verhindere die Rentabilität der Gaskraftwerke.
Prominenter Unterstützer ist Freiherr Enoch zu Guttenberg mit großem Familien-Waldbesitz, Vater des ehemaligen Verteidigungsministers. Als Retter der deutschen Natur- und Kulturlandschaften geißelt er die „Geldgier“ der „subventionierten Windkraftindustrie“, ohne jedoch ein Wort zu Radioaktivität oder den Braunkohletagebau zu verschwenden, durch den ganze Landstriche verschwinden.
Verdeckter Lobbyismus im „Bundesverband Landschaftsschutz“ (BLS)
Der BLS ist Mitglied bei „Vernunftkraft“ und verfolgt seit 1994 „Konflikte um Windkraftwerke“. Vorsitzender Ferdinand Fürst zu Hohenlohe-Bartenstein, Waldbesitzer, charakterisiert die Anhänger der Energiewende als „schlecht informierte Gutmenschen und ideologiegesteuerte Umweltretter“.
Die Fachautorin Claudia Peters berichtet, dass Antiwind-Gruppen von BLS-Referenten, wie dem Rechtsanwalt Thomas Mock, „trainiert“ würden. Mock wurde 1998 vom Journalisten Michael Franken und 2004 vom Monitor-Journalisten Sascha Adamek als Vertreter der energieintensiven Aluminium-Industrie enttarnt. Folglich ordnet Peters den BLS als „industriegesponserte Gruppe“ ein. Sascha Adamek beschreibt im Buch „Die Atomlüge“ (2011), wie er Mock als Infraschall-Protestler antraf: “Seit Jahren fällt auf, dass Windkraftgegner mit teils abstrusen Thesen die körperliche Gefährdung durch Windanlagen beschwören und in ihren wirtschaftlichen Argumenten eins zu eins die Argumente der großen Energiekonzerne übernehmen“.
„Europäisches Institut für Klima und Energie e. V.“ (EIKE)
Für EIKE, dem deutschen Ableger der US-Klimaleugner, ist Energiewende Planwirtschaft und Ökodiktatur: „Nicht das Klima ist bedroht, sondern unsere Freiheit“. Der Präsident von EIKE, Eike Thuss ist auch Gründer von CFACT Europa. CFACT ist eine US-amerikanische Nichtregierungsorganisation mit einem spendenbasierten Umsatz von etwa 2,5 Millionen Dollar pro Jahr. Von 1998 bis 2007 erhielt CFACT etwa 600.000 Dollar vom Ölkonzern ExxonMobil.
EIKE richtet Kongresse aus, gibt sich unabhängig, wissenschaftlich, aggressiv. Die Angst vor Radioaktivität sei Aberglaube, die Gefahren der Fracking-Methode reine Mythen. Hingegen: „Windräder machen krank durch Infraschall“, auch zu lesen auf esoterisch-verschwörungstheoretischen Websites.
Eike unterstützt „Vernunftkraft“, BLS und andere Gruppen, so 2013 beim „Odenwälder Klimagipfel“. Die geladenen Fachreferenten halten an Kernenergie und dem Abbau von Steinkohle fest. Kein Wunder, im Fachbeirat sitzen unter anderem die Professoren und Manager Dr. Dieter Ameling (einst Stahlindustrie und BDI) oder Dr.-Ing. Helmut Alt (1975-2006 bei RWE/BV Düren), Befürworter der Atomenergie. Mitarbeiter ist Fritz Vahrenholt (Shell, später RWE, auch zuständig für Windkraft-Anlagen). Im Buch „Die kalte Sonne“ (2012) macht er nicht den Menschen für Klimaveränderungen verantwortlich, sondern die Sonne.