Transition-Town: Wir verändern die Welt
Es sind nicht Maschinen, sondern Ideen, die die Welt verändern, schrieb Victor Hugo. Und die Idee, selbst in der Region etwas zu verändern, gewinnt an Kraft. Auch im Willy-Brandt-Städtchen Unkel am Rhein fand sich eine Gruppe engagierter Bürger zusammen, die etwas bewegen will.
Von Aribert Peters
(23. Juli 2018) Viele spüren, dass es an der Zeit ist, eigenverantwortlich mit der Zukunft und der Umwelt umzugehen und aktiv zu werden. Statt auf eine „Lösung von oben“ zu warten, versuchen immer mehr Menschen eigenverantwortlich den Wandel voranzutreiben und organisieren sich weltweit in sogenannten „Transition-Town-Gruppen“ (übersetzt etwa „Stadt im Wandel“). Die meisten Gruppen streben einen Übergang in eine postfossile gemeinschaftlich organisierte Gesellschaft mit starken sozialen Bindungen durch die Verwirklichung von Gemeinschaftsprojekten an.
Unkel gerät in Bewegung
Angeregt durch die öffentliche Vorführung des Films „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“ im Januar 2018 hat sich auch in Unkel eine Gruppe von Menschen zusammengefunden, die gemeinsam und emanzipiert eine positive Gegenströmung zu den gemeinhin angenommenen negativen und fremdbestimmten Zukunftsszenarien bilden. Die Macher sind engagierte Bürger jeden Alters aus Unkel und Umgebung, die mitgestalten und mitentscheiden möchten, wie nachhaltig, sozial, unabhängig und zukunftsfähig wir leben und miteinander umgehen.
Die ersten Themenfelder sind gemeinschaftlich gefunden worden und können als Anregung für die Bildung weiterer Gruppen in anderen Orten dienen:
- Ernährung und Grün: Umwelt, Subsistenz, regionale Versorgung
- Energie: nachhaltige autarke Energieversorgung der Region
- Alternative Technik und Krisensicherheit: Möglichkeiten und Lösungen finden
- Gemeinschaft: Stärkung der sozialen Gemeinschaft und Vernetzung miteinander
- Praktisches Wissen: Vernetzung und Vermittlung von Fähigkeiten und Wissen in einer offenen Manufakturbegegnungsstätte mit Wissenstransfer und Repair Cafés
- Alternatives Geld: Unabhängigkeit von globalen Finanzschwankungen mit Stärkung der Region
- Bildungszukunft: Bildung für alle mit kultureller Teilhabe und neuen Wegen in der Bildung
Jeder ist willkommen mitzumachen. Die ersten konkreten Aktionen waren eine Pflanzen- und Saatguttauschbörse sowie Entwicklung, Bau und Demonstration eines Solarkochers.
Transition-Town-Bewegung
Ähnlich wie jetzt in Unkel wollten bereits im Jahr 2007 Bürger im Städtchen Totnes in der Nähe von Plymouth ihre Geschicke in die eigene Hand nehmen. Sie wollten einen Wandel (englisch: transition) herbeiführen. Dort entstand die „Transition-Town-Bewegung“. In Totnes entwickelte der Permakultur-Dozent Rob Hopkins gemeinsam mit anderen Aktivisten ein Konzept, um seine Heimatstadt zukunftsfähig zu machen. Kerngedanke war die Beobachtung, dass die Politik nicht auf die Herausforderungen des Klimawandels und das Ende des Ölzeitalters reagiert. Es liege daher an den Bürgern und Kommunen von sich aus auf knapper werdende Roh- und Treibstoffe zu reagieren. Typische Transition-Town-Projekte sind daher beispielsweise der eigene Anbau von Lebensmitteln und die Durchführung von Energiesparaktionen.
Inspiration überall auf der Welt
Mittlerweile gibt es weltweit schätzungsweise 4.000 Transition-Town-Initiativen, die sich auf ungefähr 50 Länder auffächern. Im deutschsprachigen Raum gibt es derzeit etwa 120 lokale Initiativen. Und es werden immer mehr.
Im Herzen der Transition Bewegung stehen Menschen, die anfangen in ihrer Straße, Stadt oder Region den Wandel zu gestalten, den sie sich wünschen.
Erfahrungsschatz in Buchform
Die Gründer der Transition-Bewegung beschreiben jedoch nicht nur ihre Erfolge, sondern auch wertvolle Fehler, von denen andere Gruppen lernen können. So ist mittlerweile ein großer Schatz an Erfahrungen und guten Beispielen entstanden: Dem ersten, auch ins Deutsche übersetzten, „Energiewendehandbuch“ von 2008 folgte im Jahr 2011 der nur in englischer Sprache erhältliche „Transition Companion“ sowie das seit 2014 auch übersetzt erhältliche Buch „Einfach. Jetzt. Machen!“.
Leitfaden für den Wandel
Die 2009 gegründete und in Totnes beheimatete gemeinnützige Organisation „Transition Network“ hat zudem die Erfahrungen der letzten Jahre komprimiert und in Form des frei verfügbaren Leitfadens „The Essential Guide to Doing Transition“ aufbereitet. Es beschreibt nach einem einfachen Schema die sieben wichtigsten Zutaten für die Gestaltung des Wandels:
- Gesunde Gruppen
- Positive Vision
- Deine Umgebung begeistern
- Netzwerke und Kooperationen
- Praktische Projekte
- Teil der großen Bewegung werden
- Nachdenken und Feiern
Deutsche Anlaufstelle
Eine gute Anlaufstelle für Interessierte ist auch der 2014 in Deutschland gegründete Verein Transition Netzwerk. Die Webseite www.transition-initiativen.de informiert über gute Beispiele. Leitfäden helfen Interessierten bei der Bildung eigener Gruppen. Ganz im Sinne der Idee der Bewegung „unterstützt der Verein das Netzwerk, aber ist nicht das Netzwerk“. Werden Sie aktiv – es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt!
- Transition-Town-Bewegung: www.transitionnetwork.org
- TV-Bericht von Arte: bdev.de/artetransition
- Vortrag von Rob Hopkins in Bielefeld: bdev.de/hopkinsbielefeld
- Text über den Film Tomorrow: bdev.de/wikitomorrow
Gemeinsame Grundsätze
Im Rahmen des Netzwerktreffens der deutschen Transition-Town-Bewegungen im August 2015 in Könnern bei Halle haben sich die Teilnehmer auf folgende Punkte verständigt:
- Transition-Selbstverständnis: Die Transition Bewegung ist ein selbstlernendes Netzwerk, das den Wandel zu einer lebensbejahenden, nachhaltigen und gerechten Gesellschaft mit Kopf, Herz und Hand angeht.
- Transition-Werte: Achtsamer Umgang mit der Erde. Achtsamer Umgang mit den Menschen. Gerechtes Teilen.
- Transition-Ziele: Unser Ziel ist eine Gesellschaft, die die Menschenrechte der heutigen und der zukünftigen Generationen achtet, die wertschätzend und friedlich ist. Wir möchten genügsam und klimafreundlich leben, weniger abhängig von nicht erneuerbaren Rohstoffen und resilienter, das heißt widerstandsfähiger und anpassungsfähiger sein. Wir möchten die Menschen dafür begeistern, ermutigen und unterstützen, eine positive Zukunftsvision zu entwickeln und diesen Wandel selbst zu gestalten.
- Transition-Strategien: Sind bedürfnisorientiert, selbstermächtigend, ganzheitlich, achtsam, optimistisch, selbstwirksam, gemeinschaftlich, vielfältig und resilient.
- Transition-Herangehensweise: Ist einladend und inklusiv, eigenverantwortlich, verbindend, tatkräftig, einfühlsam, ermutigend und vertrauensbildend sowie kooperativ. Wir verstehen uns als Teil einer weltweiten Graswurzelbewegung, die sich für Klimagerechtigkeit, Menschenrechte, Ressourcen- und Umweltschutz einsetzt. Gegenüber Parteien und Religionen sind wir neutral.
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