ED 03/14 Der Preis des Holzes (S.16/17)

Erntereste in den Tank

Bevölkerungsexplosion und Energiekrise scheinen ursächlich verknüpft zu sein. Letztlich sind es aber nur Dummheit, Habgier und soziale Inkompetenz, die dieses Dilemma unlösbar machen. Ein technischer Ausweg liegt in der Gewinnung von Biokraftstoffen aus Ernteresten, die bisher ungenutzt vergammelten.

(5. Juli 2008) - Wenn eine Pflanze wächst, dann wandelt sie das Sonnenlicht teilweise in leicht verwertbare Zucker um wie Früchte. Beim Rapsanbau werden nur diese Früchte als Öl gepresst und verwertet. Den größeren Teil der Sonnenenergie wandelt die Pflanze in schwer aufschließbare Biomasse um, etwa Blätter, Stamm und Wurzeln. Nutzt man nur das Pflanzenöl, dann bleibt der größte Teil der von der Pflanze durch Sonnenlicht erzeugten Biomasse-Energie ungenutzt. Bei Biokraftstoffen der zweiten Generation verwertet man die gesamte Pflanze einschließlich der bisher als ungenutzten Teile. Dadurch löst man das Dilemma zwischen der Nutzung der Pflanze als Nahrungsmittel und als Energielieferant: Das Korn dient als Nahrungsmittel, die restliche Pflanze als Energierohstoff.

Was sich so ideal und leicht anhört, ist leider derzeit noch reine Utopie. Denn die Techniken zur Umwandlung von Pflanzenabfällen in Kraftstoff stecken noch in den Kinderschuhen. Im Wesentlichen gibt es zwei Verfahren: Die Vergasung und die Vergärung.

2166 Strohballen

Erntereste sind nur schwer zu nutzen

Vergasung

Das Biomass-to-Liquid-Verfahren trocknet den organischen Stoff und vergast ihn anschließend. Das Gas wird dann in flüssigen Treibstoff umgewandelt. Bereits in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts hat man mit dem sogenannten Fischer-Tropsch-Verfahren aus Kohle Benzin hergestellt. Bei der thermischen Umwandlung gehen 30 bis 60 Prozent der in der Pflanze gespeicherten Energie verloren. Eine erste Testanlage hat 100 Millionen Euro gekostet und wurde hoch subventioniert. Sie geht derzeit im sächsischen Freiberg ans Netz und soll den Kraftstoffbedarf für 15.000 PKW erzeugen. Die Choren Industries vermarktet den Treibstoff als "Sunfuel", ein eingetragenes Markenzeichen von VW. Mit von der Partie sind Daimler und Shell. Pro Hektar landwirtschaftlicher Fläche will man zwischen 2.300 und 4.000 Liter Kraftstoff gewinnen. Verwertet man nur die Pflanzenfrüchte, dann ergeben sich rund 1.500 Liter pro Hektar. In der Testanlage werden aus fünf bis zehn Kilo Holz ein Liter Treibstoff erzeugt.

Vergärung

In den USA arbeiten Wissenschaftler und Ingenieure intensiv daran, Pflanzenabfälle durch Vergärung in Treibstoff umzuwandeln. Dabei setzt man auf gentechnisch verbesserte Turbo-Hefezellen. In der traditionellen Ethanol-Produktion werden ausschließlich Hefen verwendet, die auch zur Herstellung von Brot, Bier und Wein dienen. Ihr großer Nachteil ist jedoch, dass sie nur die C6-Zucker (Hexosen genannt) vergären, nicht aber die C5-Zucker (Pentosen). Diese machen jedoch einen Großteil der pflanzlichen Reststoffe aus.

Verschiedene Forschergruppen aus Europa und den USA haben in den letzten Jahren Hefestämme züchten können, die auch C5-Zucker zu Ethanol vergären. Aus dem Erbmaterial der Hefe lässt sich ablesen, dass diese früher in der Lage war, C5-Zucker zu verwerten. Sie hat diese Eigenschaft allerdings im Laufe ihrer Evolution wieder verloren. Mit Hilfe moderner biologischer Verfahren gelang es jedoch, den Hefezellen diese Eigenschaft wieder zu verleihen beziehungsweise sie sogar deutlich zu verbessern. Dabei sind Hefezellen entstanden, die sowohl C6- als auch C5-Zucker vergären können.

In den USA will die Regierung bis 2022 etwa ein Viertel des heutigen Kraftstoffverbrauch des Landes aus Biokraftstoffen produzieren. "Fortschrittliche Biokraftstoffe" - Ethanol aus Zellulose - soll mehr als die Hälfte dazu beitragen. Deshalb wird eine halbe Milliarde Dollar allein in kleinere Versuchsanlagen investiert. Man will die Kosten von derzeit 2,65 Dollar pro Gallone (3,8 Liter) auf etwa einen Dollar je Gallone senken.

letzte Änderung: 23.03.2015