Lebens(t)raum mit Zusatzrente
Tausche Keller gegen Energie zum Nulltarif:
Nie wieder Öl- oder Gasrechnungen im Briefkasten - für viele Menschen ist das ein Traum. Das muss nicht so bleiben: Moderne Energiespar-Technologien sind mittlerweile für jedermann erschwinglich. Das stellte auch eine Familie beim Bau ihres Hauses in Thüringen erfreut fest.
Von Oliver Stens
(14. März 2008) - Das Ehepaar Franke aus Ruhla hatte eine Idee: Statt ihr Häuschen so zu bauen, wie der Architekt es vorschlug, wollten sie ein Gebäude, das keine Energiekosten verursacht. Da der Traum vom Eigenheim dennoch bezahlbar bleiben sollte, analysierte das Paar die Kalkulation und beschloss, auf den Keller zu verzichten. Denn vor allem die unterirdischen Räume verteuern ein Gebäude. Das gesparte Geld wollten sie so anlegen, dass sie möglichst wenig Energie verbrauchen und selbst Strom und Wärme produzieren.
Dagmar und Hubert Franke bauten zukunftssicher.
Wie anfangen?
Zunächst machte sich das Ehepaar kundig, mit welchen Maßnahmen sie ihr Ziel erreichen können - und standen vor der Qual der Wahl: Sollten sie in Solarenergieerzeugung investieren oder auf eine wirksame Umwandlung setzen? Wieviel Geld sollten sie für Energiespeicherung und Wärmedämmung ausgeben? In jedem dieser Bereiche kann man beliebig viel Geld einsetzen, um seinem Ziel noch ein Stückchen näher zu kommen. Doch die Frankes gelangten schon bald zu der Erkenntnis: Von allem ein bisschen ist am wirtschaftlichsten.
Strom und Wärme von der Sonne
Gleich zwei Anlagen zur solaren Erzeugung von Strom und Wärme stellen die Energie für das Häuschen der Frankes bereit. Von April bis Ende Oktober erwirtschaften sie einen Überschuss. Das Überangebot an Wärme bleibt im Sommer ungenutzt, den überschüssigen Strom speisen sie ins Netz ein.
Vernünftige Umwandlung
Erfahrungsgemäß sind die Heizkosten der größte Energieposten im Haus. Trotz guter Isolierung reicht die Leistung der Solaranlagen an frostigen Wintertagen alleine nicht aus, um für wohlige Wärme zu sorgen. Statt eine Holz- oder Pelletsheizung einzubauen, setzten die Frankes auf eine kleine Wärmepumpe. Zwar gibt es viele gute Argumente gegen diese Form der Energiegewinnung (mehr...). Doch an dieser Stelle war diese Lösung angebracht. Denn die Frankes haben dank guter Dämmung auch an kalten Tagen nur einen äußerst geringen Wärmebedarf auf niedrigem Temperaturniveau. Solche Energiemengen können Wärmepumpen rentabel erbringen. Statt der üblichen Versorgungsleitungen oder Brennstofflager reicht eine einfache Stromleitung. Und der Bau eines Schornsteins ist auch überflüssig.
Speicher für zwei Tage
Wer das gesamte Wärmeangebot vom heißen Sommer in den kühlen Winter retten möchte, bräuchte riesige Wärmespeicher. Frankes setzten auf eine andere Erfahrung: Auf mehrere trübe Tage folgt irgendwann Sonnenschein. Die Energie muss also nur ein paar Tage gespeichert werden. Dazu wählten sie einen 1.000- Liter-Warmwasserspeicher und einen Betonspeicher. Die dort konservierte Wärmeenergie eines sonnigen Tages reicht für ein bis zwei Tage Heizen. Erst wenn es noch länger bewölkt bleibt, springt die Wärmepumpe mit Strom aus dem Netz an.
Die Solarstromanlage speist überschüssigen Strom vor allem im Sommer ins Netz. Dafür entnehmen die Frankes im Winter Strom für die Wärmpumpe. Das Stromnetz dient in diesem Fall als Energiepuffer. Über das Jahr gesehen, speisen die Frankes ein Viertel mehr Strom ein, als sie entnehmen. Dabei benötigen sie erstaunlich wenig - das Häuschen kommt mit jährlich etwa 1.100 Kilowattstunden Strom für Heizung, Warmwasser, Lüftungsanlage und Wärmeverteilung in der Fußbodenheizung aus. Das ist so wenig wie für ein Passivhaus und ein Zehntel eines Neubaus heutigen Standards: Neun kWh/qm.
Gut Dämmen
Eine gute Wärmedämmung muss nicht sichtbar sein: Statt dickem Mauerwerk und Wärmedämmputz setzten die Frankes auf dünnere Steine mit dicker Styroporschicht. Im nicht sichtbaren Bereich, also unterm Dach und an der Bodenplatte, verstärkten sie die Isolierung zusätzlich.
Wie extrem gut das Haus isoliert ist, zeigte sich im Winter 2006: Während draußen mit zehn Grad minus klirrende Kälte herrschte, schalteten die Frankes aus Versehen die Wärmepumpe ab. Erst nach zwei Tagen bemerkten sie ihren Fehler - da hatte sich die Raumtemperatur gerade mal um zwei Grad abgekühlt.
Dichte Fenster
Die beste Thermojacke hält nicht warm, wenn sie Löcher hat - so ist es auch mit einer guten Dämmung, wenn die Fenster keinen hohen Dämmwert haben. Dabei kosten Scheiben mit einer Dreifachverglasung nur 25 Euro zusätzlich pro Quadratmeter.
Frische Luft
Will man in so einem Haus frische Luft ohne Energie zu verschwenden, so ist eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (WRG) notwendig. In den Wintermonaten sorgt die Lüftungsanlage für angenehmes Raumklima, im Sommer kippen die Frankes die Fenster.
Ursprünglich sollte es mal ein ganz normales Haus werden. Dann kam den Frankes die Idee zum Nullenergieverbrauch. Die Bauleitung stimmte zu, obwohl sie keinerlei Erfahrung im Bau von Niedrigenergiehäusern hatte. Gemessen daran ist hier doch etwas Besonderes entstanden: Der Beweis, dass man Häuser zu erschwinglichen Preisen bauen kann, die fast keine Energie verbrauchen. Dabei reicht die Fläche von Dach und Garten aus, um nahezu den gesamten Energiebedarf über Solaranlagen abzudecken.
Schon seit drei Jahren wohnen die Frankes in ihrem Häuschen und freuen sich über die niedrige Stromrechnung. Würden die beiden etwas anders machen, wenn sie erneut bauen würden? Klar - sie würden das Gebäude so anlegen, dass es ganz ohne öffentliches Netz auskommt.
Passivhäuser stehen zu Unrecht im Ruf schlechter Wohn- und Lebensqualität.
Wohlig-warmer Lebens(t)raum mit Zusatzrente
Passivhäuser stehen zu Unrecht im Ruf schlechter Wohn- und Lebensqualität. Das zeigt Familie Bauer aus Wilhelmsdorf. Kinder spielen immer gerne dort, wo es heimelig und gut temperiert ist.
Von Hans-Jürgen Bauer
(4. Juni 2006) - Es ist wirklich schön anzuschauen, wie unsere Kinder sich in dem wohl temperierten Haus zum Spielen auf dem Fußboden ausbreiten. Ihre kleinen Autos flitzen durch den ganzen Raum, und oft wird dann in Bauchlage die detaillierte Unfallszene nachempfunden.
Wir Eltern werden dann und wann auf unsere Fußbodenheizung angesprochen, die es gar nicht gibt. Wir haben lediglich auch den Fußboden so gut gedämmt, dass die Körperwärme nicht abfließt. Deshalb bekommt man bei uns keine kalten Füße. Auch die dreifach verglasten Fensterscheiben sind im Winter innen nicht kalt. Zum Staunen der Kinder finden sich, nach so mancher kalter Winternacht die von unserer Oma beschriebenen Eisblumen wieder. Aber eben nur auf der Außenseite, denn die Wärme, welche innen geblieben ist, hat das Kunstwerk der Natur nicht abgetaut und uns unserer morgendlich bestaunten "Ice-Art" beraubt. Die Fenster reichen im Erdgeschoss passivhaus-typisch meist bis an den Fußboden, was unseren "Kurzen" einen Ausblick aus dem Fenster ermöglicht.
Schwäbische Häuslebauer sparen - aber nicht am falschen Fleck
Sie lieben sie vielleicht wegen des guten Geschmacks oder wegen der vielen Geschmacksrichtungen und Zutaten: Die aus dem Schwäbischen stammende Schokolade mit dem Slogan: quadratisch, praktisch, gut. Nach diesem Prinzip haben wir unser Haus geplant und gebaut. Zugegeben: Wir haben auf der Zubehörliste so manches gestrichen, was uns lieb (und teuer) geworden wäre. Aber das Streben nach Unabhängigkeit haben wir verknüpft mit dem Ziel, uns frei zu machen vom Monopol der Energielieferanten. Ganz gelungen ist das nicht, doch sind wir frei von der Preistreiberei der Öl- und Gaslieferanten und brauchen nur für 130 Euro im Jahr Pellets zu kaufen: Für Warmwasser und Heizung. Das ganze Jahr. Das ganze Haus. Das hat uns in der Bauphase etwa acht Prozent Mehrkosten verursacht - oder anders: 100 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche mehr gegenüber einem Niedrigenergiehaus. Das sind unsere Extras.
Kurioserweise warten wir ab und zu zu lange mit dem Nachheizen mit Pellets. Die Sonne könnte ja kommen und wir könnten ja da und dort doch noch einige Cent sparen. Da kommt dann der Schwabe durch.
Wir haben keinen Keller und keine Sauna. Aber auf jeden Fall genügend Abstellraum für die nötigen Dinge für das Leben im Jahreskreis und darüber hinaus: Kartoffeln und Äpfel kaufen wir beim Bauer direkt. Ein Fahrradraum und ein Vorratsraum sind im Carport integriert. Zudem haben wir Abstellräume im Haus - und die wollen auch alle aufgeräumt und gepflegt werden. Der ausreichend kleine Grundriss und die geringen Unterhaltskosten nehmen uns die Sorge um die prickelnde Rentenauszahlung in der dritten Lebensphase.
Selbst wenn der Wiederverkauf zur Debatte stünde, wäre ein zukunftsfähiges Bauwerk eher an den Mann/Frau zu bringen, als ein Energiefresserchen, gebaut in der Neuzeit nach Richtlinien der Vergangenheit.
Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung: ein Gewinn für das ganze Haus
Sie dürfen sich das mal vorstellen: Sie stehen aus dem mit Sommerdecken bestückten Bett auf und Ihr Schlafzimmer ist bereits gelüftet. Die Dämpfe beim Duschen werden abgezogen und der sonst typische Badgeruch ist nach kurzer Zeit verschwunden. So auch die Alltagsgerüche menschlichen Seins - selbstverständlich meine ich das Kochen: nachdem die Lieblingsspeise angerichtet und verzehrt wurde, ist nur noch kurz ein Hauch des wohlriechenden Gerichts zu erhaschen - bis dann auch dieser abgezogen ist. Und sollten Sie nach einem Arbeitstag nach Hause kommen, können Sie getrost ins T-Shirt wechseln. Die fast immerwährend herrschenden 21 Grad Celsius lassen auch im Winter Sommergefühle wach werden.
Aber Lüftungsanlagen sind ja nichts Neues. Wir begegnen solchen Systemen im Kino, im Tanzlokal und natürlich im Auto. Dort drehen wir im Winter alle an der Gebläsekurbel und lassen das Fenster geschlossen. Apropos Fenster: Auf unseren Fenstersimsen können die Blumen das ganze Jahr über stehen bleiben und müssen nicht bei jeder Stoßlüftung abgeräumt werden!
Lebensraum - ein Lebenstraum
Nicht zuletzt wegen der immer frischen Raumluft war es möglich, die Küche, das Esszimmer und das Wohnzimmer in einen "Lebensraum" zu fassen. Ein Raum für alle, in dem alle Bewohner sich für die verschiedensten Dinge des täglichen Tuns und Erlebens aufhalten. Respekt vorausgesetzt. Wussten Sie, dass Krisen auch die Beziehungen untereinander stärken? Räume prägen das Leben der Bewohner. In guter Art und Weise konnten wir in den vergangenen drei Jahren erleben, wie sich dieses Haus mit Wärme und Licht gefüllt hat und wie dieser Funke auf uns Bewohner übergesprungen ist. CO2- neutral, versteht sich.
Das hat auch positive Auswirkungen auf den Alltag. Dass wir dabei auch noch Geld sparen, ist eine enorme Rendite im Bezug auf die Mehrkosten.
Technische Daten
- Einfamilienwohnhaus
- Wohnfläche: 154 m²
- Holzkonstruktion
- Außenwand: U-Wert: 0,116 W/(m²K)
- Bodenplatte: U-Wert: 0,113 W/(m²K)
- Dach: U-Wert: 0,104 W/(m²K)
- Fenster und Türen: Profil: Ultrapur S Holz, Uw = 0,7 W/(m²K), Ug = 0,60 W/(m²K), g = 60%
- Lüftung: Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung und Zuluft-Nachheizung, Luft- Erdwärmetauscher mit erd- verlegtem PE-Rohr, Fabrikat: Heka-therm DN 200
- Heizung: Holzpellet-Kaminofen mit Heizwasser-Wärmetauscher, Verteilung über Zuluft der Lüftungsanlage
- Pelletverbrauch im Winter 2005/ 2006: 850,5 kg x 0,15408 E/kg = 131,05 €. - Der günstige Einkaufspreis der Pellets von brutto 154,08 €/Tonne resultiert aus einer Einkaufsgemeinschaft der Wilhelmsdorfer Pelletverbraucher. Zusätzlich hat mir mein Nachbar Adolf zum Geburtstag zwei Eimer Pellets geschenkt, in denen wiederum vier Flaschen Weizenbier versteckt waren. Diese zusätzliche Menge ist nicht ein- bezogen und somit in obiger Aufstellung nicht enthalten. Trotz des längeren Winters und der tieferen Temperaturen ist kein merklicher Mehrverbrauch entstanden.
- Warmwasser: Solaranlage mit Duospeicher 750 l, Pelletofen mit Heizwasserwärmetauscher, elektr. Heizstab
- Luftdichtheit: 0,37
- Ökologische Aspekte: 8 m² Solaranlage für Warmwasserbereitung
- Heizwärmebedarf: 14,8 kWh/m²a
- Primärenergiebedarf: 81 kWh/m²a
- Baukosten pro m² Wohnfläche: 1.623 Euro
- Planung Grundriss: Martin Wamsler, Freier Architekt, Weinsteige 2, 88677 Markdorf
- Planung der Haustechnik: Ingenieurbüro Gerlach, Arlener Str. 22, 78239 Rielasingen
- Bauzeit: Baubeginn: Mai 2002 Fertigstellung: Dezember 2002
- Weitere Details: http://www.architekt-wamsler.de/
Gütezeichen Passivhaus
Das RAL-Institut vergibt ein Gütesiegel für Niedrigenergiehäuser und Passivhäuser. Damit erhält der Verbraucher Sicherheit, dass er wirklich ein gut geplantes und gebautes Haus erhält. Das RAL-Gütezeichen Niedrigenergie-Bauweise kennzeichnet Gebäude mit besonders niedrigem Heizenergiebedarf. Es bezieht sich auf Planung und Bauausführung. Folgende Anforderungen sind zu erfüllen:
- Einhaltung festgelegter Grenzwerte für den Wärmeschutz
- Vermeidung von Wärmebrücken
- Einhaltung von Grenzwerten für die Luftdichtheit
- Heizanlage mit geringen Verlusten
- Effiziente Lüftungsanlagen
Das Gütesiegel wird durch die Gütegemeinschaft Niedrigenergie-Häuser e. V. vergeben. Planung und Bauausführung werden durch unabhängige Güteprüfer überwacht. Unangemeldete Stichproben finden regelmäßig statt.
Infos: www.guetezeichen-neh.de