ED 01/12 Wärmedämmung - Zweitmauer gegen die Kälte (S.7)

Passivhaus oder Sonnenhaus?

Sonnig wohnen mit Komfort: Das Sonnenhaus gleicht viele Schwächen des Passivhauses aus. Dennoch ist es bislang kaum bekannt. Zwei zukunftsfähige Gebäudekonzepte stehen in der Praxis im Wettstreit miteinander - obwohl es aus energetischer und wirtschaftlicher Sicht einen klaren Sieger gibt.

(9. Januar 2010) Ein „Passiv"haus ist so gut gedämmt, dass die passive Sonnenenergie, die durch die Fenster einstrahlt, und innere Wärmequellen ausreichen, um wohlige Wärme für die Bewohner zu erzeugen. Dazu sind Dämmstoffstärken von etwa 30 Zentimetern, dicke, optimierte „Superfenster" und eine wärmebrückenfreie, luftdichte Baukonstruktion notwendig. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung gleicht die Wärmeverluste aus. Dazu führt ein Rohrnetz durch alle Räume. Häufig ergänzt ein Erdreichwärmetauscher die Anlage und wärmt die Luft im Winter vor, während er im Sommer zur Kühlung dient.

Passivhaus verbraucht viel Strom für die Heizung

Dennoch hält ein Passivhaus in der Praxis längst nicht immer, was es verspricht: Meist kommt es nicht ganz ohne aktive Zuführung von Heizenergie aus, zumal, wenn die Temperatur in den Wohnräumen und im Bad mehr als 20 Grad Celsius betragen soll. Auch reicht in den meisten Fällen der Wärmeträger Luft allein nicht zur Beheizung aus: In den Räumen müssen stellenweise entweder wasserführende Heizflächen oder Elektroheizkörper stehen. Darüber hinaus gilt es, den Energiebedarf für die Warmwasserbereitung zu decken.

Stromfressendes Passivhaus

Dabei stellt sich die Frage nach einem wirtschaftlich vertretbaren Investitionsaufwand für das Heizsystem. Jeder handelsübliche Heizkessel wäre für die äußerst geringe Heizlast von zwei Kilowatt überdimensioniert. Deshalb nutzen viele Passivhäuser Wärmepumpen. Das lässt jedoch den Stromverbrauch steigen: So bescheinigen Messungen aus dem Jahr 2002 den Passivhäusern einen Jahresstromverbrauch von 15,9 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Das entspricht 48 Kilowattstunden pro Quadratmeter Primärenergie, obwohl bei den meisten betrachteten Gebäuden zusätzlich eine Solaranlage vorgesehen war. Für Passivhäuser mit Erdreichwärmepumpe lag der Stromverbrauch noch höher, nämlich im Schnitt jährlich bei 18,7 Kilowattstunden je Quadratmeter.

Sonnenhaus heizt 100 Prozent regenerativ

Auch ein sogenanntes Sonnenhaus ist hervorragend gedämmt. Im Unterschied zum Passivhaus nutzt ein Sonnenhaus ausschließlich regenerative Heizenergie. Überwiegend ist es die Sonne selbst, die das Gebäude wärmt. Ergänzend deckt Biomasse als gespeicherte Sonnenenergie den Wärmebedarf. Riesige Wärmespeicher konservieren die Wärmeenergie von großflächigen Sonnenkollektoren über Tage und Wochen. Nur wenige Male im Jahr muss der Holzkessel anspringen, um den Wärmespeicher nachzuladen. Elektrische Energie für die Heizung ist kaum nötig.

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Große Kollektorflächen und Speichervolumen erlauben zusammen mit einem Holzheizkessel eine ausschließlich regenerative Beheizung des Sonnenhauses.

Solarbeheiztes Passivhaus

Die extrem gute Dämmung des Passivhauses und das solare Heizkonzept mit großem Wärmespeicher sind zwei Seiten der gleichen Medaille: Es ist heute möglich, solar beheizte Passivhäuser zu bauen. Angesichts weiter steigender Energiepreise rechnet sich das schon sehr bald auch aus wirtschaftlicher Sicht.

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Im Neubau lassen sich große Speicher gut einplanen.

Vom (K)Altbau zum Sonnenhaus

Wer mit niedrigen Heizkosten komfortabel wohnen und mit Sonnenenergie unabhängig heizen will, muss deshalb nicht gleich neu bauen. Die Mehrzahl bestehender Wohngebäude ließe sich zu vollwertigen Sonnenhäusern umrüsten. Das Ziel sollte sein, den Heizenergiebedarf durch Dämmmaßnahmen und Einbau neuer Fenster um mindestens die Hälfte zu reduzieren und 50 Prozent des verbleibenden Gesamtwärmebedarfes mit einer Solaranlage zu decken. Die hierfür notwendigen Investitionen können für ein Einfamilienhaus eine Größenordnung von etwa 150.000 Euro erreichen.

  1. Gebäudesanierung
    Nur ein erheblich verbesserter Dämmstandard kann mit vertretbarem Aufwand einen solaren Deckungsgrad über 50 Prozent erzielen.
  2. Ausrichtung der Kollektoren
    Wie beim Neubau darf die Kollektorfläche bis zu 30 Grad nach Westen oder Osten abweichen. Eine Neigung von mindestens 35 Grad, möglichst 45 bis 60 Grad hilft dabei, die tief stehende Wintersonne optimal zu nutzen und zu hohe Temperaturen im Sommer zu vermeiden. Wenn das Dach diese Voraussetzungen nicht erfüllt, gibt es die Möglichkeit, Kollektoren mithilfe von Ständern anzubringen, etwa an einer verschattungsfreien Südfassade oder auf einem Nebengebäude.
  3. Einbau eines Pufferspeichers
    Zur Speicherung der Sonnenwärme wird ein möglichst großer Solartank gebraucht. Dem setzen im Altbau meist die gegebenen Platzverhältnisse (Raumhöhe, Türbreiten) Grenzen. Abhilfe schaffen Pufferspeicher, die in Einzelteilen angeliefert und vor Ort zusammengeschweißt werden. Alternativ können auch mehrere kleinere Speicher aneinandergereiht werden. Die Einbaugröße des Pufferspeichers bestimmt die mögliche Dimensionierung der Solaranlage.
  4. Niedertemperaturheizung
    Je niedriger die Heiztemperatur, umso höher der Solarertrag! Ideal für Wohnkomfort und Solarertrag sind Flächenheizungen wie Wand- oder Fußbodenheizungen. Bereits vorhandene Heizkörper können dank nachträglicher Wärmedämmung der Außenhaut und dem Einbau neuer Fenster auf niedrigeren Temperaturniveau betrieben werden.
  5. Nachheizung mit Biomasse
    Eine vollautomatisch betriebene Holzpellets-Zentralheizung kann die bestehende Anlage zur Nachheizung des Pufferspeichers ersetzen. Der bisherige Tankraum kann als Brennstofflager dienen. Alternativ bietet sich auch ein Holzvergaserkessel an. Bei gutem Dämmstandard kommen durchaus auch wohnraumbeheizte Pellets- oder Stückholzöfen mit Wassereinsatz in Betracht.
Sonniger Sieger: Diplomarbeit vergleicht

Das Passivhaus-Institut und das Sonnenhaus-Institut bieten umsetzbare Konzepte der Minimalenergiebauweise für Wohngebäude an. Katrin Koch von der Fachhochschule Esslingen hat in ihrer Diplomarbeit die beiden Bauweisen analysiert und verglichen.

Zur Veranschaulichung der Ergebnisse dient ein gewöhnliches Gebäude, das die aktuellen Standards und Vorschriften an Wohngebäude erfüllt.

Das Ergebnis ist beeindruckend: Beide Varianten bieten eine deutliche Verbesserung gegenüber der Standardbauweise. Jedoch geht als klarer „Testsieger" das Sonnenhaus hervor: Es stellt sowohl in der Energiebilanz als auch aus wirtschaftlicher Sicht das Passivhaus buchstäblich in den Schatten.

Erstaunlicherweise hat sich jedoch das Passivhaus auf dem Markt bereits gut etabliert, während das Sonnenhaus hingegen noch relativ unbekannt ist. Grund dafür könnte sein, dass sich Industrie und Energieversorger stärker für das Passivhaus-Konzept engagieren. Die notwendige Anlagentechnik ist bereits standardisiert und kann in Masse produziert werden.

Unter dem Deckmantel des „umweltfreundlichen" Einsatzes von Energie (Wärmepumpen nutzen mindestens ein Drittel Stromenergie) können Stromversorger trotzdem auf wachsende Kundschaft setzen. Die Komponenten des Sonnenhauses hingegen sind noch nicht in der Serienproduktion, sondern fristen noch ein Dasein als Nischenprodukte. Da Sonnenhäuser ihren Bedarf an Strom minimiert haben, sind die Stromversorger wohl kaum daran interessiert, das auf Autarkie ausgerichtete Heizkonzept zu fördern.

letzte Änderung: 13.07.2010