Wärmedämmung 3.0
Was bedeutet eine zeitgemäße Dämmung heute? Was vor 15 Jahren noch als fortschrittlich galt, ist heute Minimalstandard. Eine aktuelle Studie des Instituts für Wohnen und Umwelt zeigt für verschiedene Gebäudetypen, welche Dämmung der heutigen Zeit entspricht.
(23. September 2015) Wer heute ein Haus saniert, steht vor einer Reihe von schwierigen Entscheidungen. Soll das Gebäude konventionell saniert werden, daher entsprechend den geltenden Vorschriften? Oder wird ein zukunftsweisender Dämmstandard angestrebt, orientiert am geltenden Dämmstandard von Passivhäusern? Eine ausgezeichnete Hilfestellung bei der Entscheidung bietet eine aktuelle Forschungsarbeit des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU). Sie zeigt die Auswirkungen unterschiedlichen Dämmniveaus für verschiedene Haustypen.
U-Wert
Der U-Wert gibt an, wieviel Watt durch ein Bauteil mit einem Quadratmeter Größe je Grad Temperaturdifferenz zwischen Innen und Außen verloren gehen. Bei einem U-Wert von 1,6 W/(m²K), das ist die übliche Ziegelwand aus der Kaiserzeit, die wir heute sanieren, verliert eine Wand mit zehn Quadratmetern bei 20 Grad Temperaturdifferenz 1,6 x 10 x 20 = 320 Watt, also in zehn Stunden 320 x 10 = 3.200 Wattstunden oder 3,2 kWh. Wird die Wand mit 12 cm Dämmung auf einen U-Wert von 0,24 W/(m²K) verbessert, wären es nur noch 0,48 kWh. Bis 1977 lag der mittlere U-Wert von Außenbauteilen noch über 1,2 W/(m²K). Nach der Wärmeschutzverordnung von 1995 ist für Außenwände ein maximaler U-Wert von 0,5 W/(m²K) vorgeschrieben. Für Niedrigenergiehäuser ist ein U-Wert von 0,25 W/(m²K) angesagt. Für ein Passivhaus liegt er sogar bei 0,1.
Die Gebäudetypologie
Der Bericht basiert auf einer „Gebäudetypologie“. Dem liegt folgender Gedanke zugrunde: Die meisten Gebäude werden so gebaut, wie dies im Errichtungsjahr allgemein üblich ist (DIN 4108, WschVO). Kennt man also das Baujahr eines Gebäudes und den Gebäudetyp (Einfamilienhaus, Reihenhaus, Mehrfamilienhaus, Hochhaus usw.), so findet man häufig ähnliche Wand- und Deckenaufbauten und kennt damit die Wärmedämmwerte eines konkreten Gebäudes, ohne ein teures Gutachten in Auftrag geben zu müssen.
Wie genau stimmt die Typologie?
Die energetischen Kennwerte für ein bestimmtes Gebäude aufgrund der Gebäudetypologie stimmen nicht immer mit den exakten Gebäudewerten überein. Sie nähern sich den tatsächlichen Gegebenheiten jedoch erstaunlich gut an. Die Studienergebnisse lassen sich einfach von jedermann nutzen, um wärmetechnische Informationen über ein konkretes Gebäude zu erhalten. Wer es noch genauer wissen will, für den stellt das IWU ein kostenloses Excel-Rechenprogramm zur Verfügung, mit dem die Ergebnisse genauer auf ein konkretes Gebäude angepasst werden können (EnEV-XL).
Kosten und Nutzen
Die Kosten einer Wärmedämmung sind ausführlich untersucht worden auf Basis tatsächlicher Sanierungsfälle. Sie liegen bei 130 Euro/qm bei einer Dämmstärke von zwölf Zentimeter und bei 155 Euro bei 20 cm Dämmung bei Betrachtung der Gesamtkosten einschließlich Montage und Mehrwertsteuer. Die Untersuchung hat auch ergeben, dass die Kosten von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sind und nicht nur von der gewählten Dämmstärke abhängen. Eine 16-cm-Dämmung kann man für 90 und auch für 190 Euro/qm haben. Die Heizkosteneinsparungen hängen sehr deutlich vom Dämmniveau ab (siehe Grafik) und von der künftigen Entwicklung der Brennstoffpreise.
Konventionell oder zukunftsweisend?
Das IWU hat für die verschiedenen Gebäudetypen berechnet, was eine konventionelle und was eine zukunftsgerichtete Sanierung bedeuten würde. Die Ergebnisse zeigen konkret die zu erwartenden Einsparungen. Darüber hinaus zeigt sich in einer Fülle von Beispielen, worin sich eine konventionelle von einer progressiven Sanierung unterscheidet.
Für die Außenwand ist eine zwölf Zentimeter dicke Außenwanddämmung heute guter Standard (U= 0,24 W/(m²K)). Eine Dämmung auf Passivhausniveau erfordert eine Dämmstoffstärke von 24 cm (U=0,1 W/(m²K)). Mit einer acht Zentimeter Innendämmung erreicht man knapp das konventionelle Niveau. Eine zukunftsweisende Dämmung ist folglich allein mit einer Innendämmung nicht zu erreichen. Diese kann aber eine gute Ergänzung zur Außendämmung sein.
Beim Fenstertausch bedeutet eine konventionelle Sanierung einen U-Wert von 1,1 bis 1,3 W/(m²K). Für das Passivhausniveau sind 0,7 bis 0,95 zielführend.
Bei einem Steildach führt eine zwölf Zentimeter dicke Zwischensparrendämmung auf ein konventionelles Niveau (U = 0,34 W/(m²K)). Das Passivhausniveau lässt sich mit einer Zwischensparrendämmung nicht erreichen. Dafür ist eine Aufsparrendämmung von 30 Zentimetern notwendig, also eine Dämmung zwischen Sparren und Dachziegeln. Ebenfalls möglich sind Kombinationen von Zwischensparrendämmung, Untersparren- oder Aufsparrendämmung mit insgesamt 30 Zentimeter Dämmdicke. Bei unbewohnten Dachböden liegt die Dämmung auf der obersten Geschossdecke. Für eine konventionelle Dämmung reichen zwölf Zentimeter, für eine zukunftsweisende Dämmung sind 30 Zentimeter erforderlich. Dies gilt auch für die Dämmung von Flachdächern.
Die Kellerdecke braucht hingegen bei konventionellem Niveau eine Dämmstärke von sechs Zentimetern, für eine zukunftsweisende Dämmung sollten es schon zwölf bis 25 Zentimeter sein.
Energieeinsparung durch verschiedene Sanierungsgrade
Die Haustechnik
Eine konventionell sanierte Heizanlage ist eine Gasbrennwertheizung. Als Kenngröße für die Effizienz des Wärmeversorgungssystems dient die Endenergieaufwandszahl. Sie besagt, wieviel Kilowattstunden (kWh) des betreffenden Energieträgers erforderlich sind, um eine Kilowattstunde Nutzwärme zu erzeugen. Für die konventionell sanierte Heizung beträgt diese Kennzahl 1,12. Für die Warmwassererzeugung hingegen 2,5, so dass insgesamt 1,5 erreicht werden. Für eine zukunftsweisende Sanierung wird die Heizung ergänzt durch eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung und eine solare Warmwasserbereitung. Damit lässt sich die Energieaufwandszahl schnell auf 1,1 senken.
Praktischer Nutzen
Wie können Sie praktischen Nutzen aus der Studie und der Gebäudetypologie ziehen? Holen Sie sich den IWU-Bericht kostenlos auf Ihren Rechner. In der Gebäudetypologie finden Sie sicher ein Haus, das Ihrem Haus sehr ähnlich ist. Nun haben Sie auf einmal eine Menge Informationen über Ihr Gebäude, die Ihnen zeigen, welche U-Werte und Verbräuche Ihr Gebäude unsaniert, mit konventioneller Sanierung und mit progressiver Sanierung erzielt. Wenn Sie bereits mehr über Ihr Gebäude wissen oder eine Teilsanierung erfolgte, können Sie ein Excel-Tool kostenlos installieren und dort den exakten Zustand Ihres Gebäudes eingeben einschließlich der Flächen (EnEV-XL). Der Aufwand ist minimal und Sie erhalten sehr rasch gute Informationen über Ihr Gebäude.
Beispiel Einfamilienhaus
Für ein kleines Einfamilienhaus der sechziger Jahre mit 110 Quadratmetern (qm) Wohnfläche lässt sich der Energieverbrauch vor und nach der Sanierung errechnen. Das unsanierte Haus hat einen Verbrauch von circa 270 kWh/qm. Die konventionelle Sanierung senkt diesen Verbrauch auf circa 170 kWh/qm, die progressive Sanierung kommt auf circa 70 kWh/qm. Der Primärenergiebedarf kann durch die Sanierung um 34 Prozent bis 67 Prozent gesenkt werden. In Heizöl ausgedrückt kann der Verbrauch von 3.000 auf 750 Liter gesenkt werden. Die jährlichen Energiekosten reduzieren sich von 23 auf 15 bis neun Euro je Quadratmeter.
Die Ergebnisse für alle Gebäudetypen sind im Forschungsbericht übersichtlich dargestellt. Dort können sich auch jene Architekturprofessoren informieren, die bisher in Fernsehsendungen behaupteten, die Wärmeverluste deutscher Außenwände lägen stets bei 14 Prozent. Besonders erfreulich ist, dass auch sämtliche Parameter der Berechnung wie Fläche und U-Werte einzelner Bauteile aufgeführt sind. Dadurch lässt sich bei eigenen Berechnungen mit dem IWU-Excel-Tool einfach auf den Werten aufsetzen.
Sanierungsfahrplan
Der Weg zu einem Passivhaus führt über Zwischenschritte, die zeitlich sinnvoll aufeinander abgestimmt werden sollten. Denn nicht nur die Außenwände, sondern auch die Heizanlagen der meisten Gebäude werden in den kommenden 30 bis 50 Jahren erneuert. Diese Abstimmung der Einzelmaßnahmen ist zum Modebegriff avanciert: dem „Sanierungsfahrplan“. Kritiker, wie zum Beispiel die Hessische Energiespar-Aktion zweifeln dagegen an, dass ein Berater die einzelnen Energiesparmaßnahmen auf der Zeitachse sinnvoll ordnen kann und dies eine Bedeutung für den Hauseigentümer und seine Entscheidungen hat.
Für die Reihenfolge der Sanierungsschritte gilt ein biblisches Prinzip: Ein jegliches hat seine Zeit, den Instandsetzungszeitpunkt von Heizanlage oder Außenbauteilen nämlich, der die Energiespartechnik kostenoptimal mit ohnehin anstehenden Baumaßnahmen verbindet. Wer die Wände dämmt, muss nicht gleichzeitig auch das Dach dämmen. Die Wärmeverluste durchs Dach ändern sich durch die Dämmung der Wände nicht. Es sei denn, es wird dann mehr geheizt – was tatsächlich oft der Fall ist. So verhält es sich auch mit allen anderen Maßnahmen.
Es gilt jedoch: Jede einzelne Dämmung bringt einen Beitrag zur Einsparung. Für eine Dämmung des gesamten Gebäudes zu einem Zeitpunkt sprechen aber oft praktische Erwägungen: Wenn ein Gerüst einmal steht, kann man sowohl die Wände als auch das Dach dämmen.