Alte Wärmedämmungen: Verdoppeln statt Abreißen
Viele Wärmedämmungen aus früheren Zeiten sind nur sechs Zentimeter stark. Bei deren Entsorgung gibt es Probleme. Stattdessen kann laut einer neuen Studie aber auch einfach eine zweite Wärmedämmung auf die bestehende Dämmung aufgebracht werden.
(21. März 2017) Wenn Wärmedämmungen zu Abfall werden und entsorgt werden müssen, gibt es ein Problem. Denn die Dämmstoffe enthielten bis Ende 2014 ein Flammschutzmittel namens „HBCD“ (Hexabromcyclododecan), das seit dem 30. März 2016 im europäischen Abfallverzeichnis als gefährlicher Abfall eingestuft ist. Diese müssen schon auf der Baustelle getrennt werden und sind gesondert zu entsorgen. In der Folge nahmen Müllverbrennungsanlagen keine Dämmstoffe mehr an, egal ob sie HBCD-haltig waren oder nicht.
Die Bundesregierung hat am 21. Dezember 2016 reagiert und die Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) so geändert, dass HBCD-haltige Abfälle nicht mehr als gefährlicher Abfall gelten (BGBl I S. 3074). Diese Regelung ist zunächst bis Ende 2017 befristet. Bis dahin müssen alte Wärmedämmungen nicht als gefährliche Abfälle entsorgt werden. Auf der Internetseite www.ivh.de des Industrieverbands Hartschaum kann nachgelesen werden, welche Müllverbrennungsanlagen die Dämmstoffe annehmen.
Von der Menge her handelt es sich bei den belasteten EPS-Dämmstoffen nur um einen geringen Anteil. Im Jahr 2012 waren von den 387.000 Tausend Tonnen Abfall insgesamt lediglich 42 Tausend Tonnen EPS/XPS-Abfall.
Bei den meisten Dämmstoffmengen, die zu entsorgen sind, handelt es sich um Verschnitt, der beim Anbringen neuer Dämmung anfällt. Diese sind ungiftig und können verbrannt oder verwertet werden. Zudem fallen Abfälle aus Rückbau nur in geringer Menge an, da die Wärmedämmungen sehr langlebig sind.
Verstärken statt abreißen
Viele Dämmungen, die mit sechs Zentimeter Dicke vor zwanzig oder dreißig Jahren angebracht wurden, entsprechen nicht dem heutigen Stand der Technik und sind erst recht nicht zukunftssicher. Statt die alte Dämmung zu entfernen und eine neue Dämmung anzubringen, kann auf die schon gedämmte Wand eine zweite Dämmschicht montiert werden. Dadurch erspart man sich Kosten und auch den Ärger mit der Entsorgung der alten Dämmung.
In einem umfangreichen Forschungsprojekt sind jetzt die Techniken, Potenziale und auch die Wirtschaftlichkeit einer Aufdopplung älterer Wärmedämmverbundsysteme untersucht worden. Autor der Studie ist Dr. Klaus-Dieter Clausnitzer, langjähriges Mitglied im Bund der Energieverbraucher e.V.
Wärmedämmungen mit einer Dicke unter zehn Zentimeter mit einem U-Wert der Außenwand über 0,35 sollten so aufgedoppelt werden, dass ein U-Wert von 0,2 erreicht wird. Meist reicht dafür eine Aufdopplung mit einer Dämmschicht von zehn Zentimetern. Dadurch lassen sich 6 bis 12 Prozent der Heizenergie einsparen. Brand- und Feuchteschutz müssen beachtet werden.
Das Potenzial ist gewaltig: 48 Prozent aller gedämmten Außenwände, so die Studie, können wirtschaftlich aufgedoppelt werden. Das betrifft circa 2,2 Millionen Wohngebäude.
Aufdopplung eines bestehenden WDVS im Altbau
Position des Umweltbundesamtes
Selbst HBCD-haltige Dämmstoffe aus der Zeit vor 2015 sind ungefährlich und bei sachgerechter Handhabung ungiftig. HBCD ist fest in die Polymermatrix eingebunden und kann weder ausgewaschen werden oder mechanisch austreten. In einer Information des Umweltbundesamtes dazu heißt es:
„HBCD ist nach der CLP-Verordnung nicht als akut toxisch für den Menschen eingestuft. Das bedeutet, dass nach einmaliger Exposition sogar mit hohen Dosen von HBCD keine unerwünschten akuten Wirkungen zu erwarten sind […].
Auch wer in einem Haus mit HBCD-haltigen Dämmplatten wohnt, muss nach heutigem Kenntnisstand bei fachgerechter Anwendung keine negativen Effekte auf seine Gesundheit befürchten, da in der Nutzungsphase nur wenig HBCD aus den Platten austritt, das über die Luft oder den Hausstaub von den Bewohnern aufgenommen werden könnte […].
Ebenso sind in der unmittelbaren Umgebung kaum akute Umweltwirkungen zu erwarten, da auch bei ungeschützt außen angebrachten Dämmstoffen nur sehr geringe Konzentrationen des wenig wasserlöslichen HBCD durch das Regenwasser ausgewaschen werden.“