ED 03/14 Der Preis des Holzes (S.16/17)
Gaswende: Bio-Gas als europaweiter Erdgasersatz Erdgas kann in Europa bis 2020 vollständig durch Biogas ersetzt werden. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion und der Stadtwerke Aachen.

Gaswende: Bio-Gas als europaweiter Erdgasersatz

Erdgas kann in Europa bis 2020 vollständig durch Biogas ersetzt werden. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion und der Stadtwerke Aachen. Angesichts der unmittelbar bevorstehenden Gasverknappung gehört dieses Thema auf Platz eins der europäischen Energieagenda. Die Studie hat gezeigt, dass eine europäische Bio-Gas-Einspeisungsstrategie möglich ist. Jetzt geht es darum, die Gaswende anzupacken!
Von Carsten Pfeiffer

1090 Carsten Pfeiffer

Carsten Pfeiffer, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Hans-Josef Fell MdB

(10. März 2007) - Bis vor kurzem dachten wir, Erdgas sei der fossile Energieträger der Zukunft und über Erdgasvorkommen müsse man sich keine Gedanken machen. Es gab zwar einige warnende Außenseiter, die einen Förderpeak für die USA und Großbritannien gleich zum Anfang des Jahrhunderts vorausgesagt hatten. Geglaubt hat es ihnen niemand.

Gasförderpeak verdrängt

Doch der Peak kam - in Nordamerika ebenso wie im Vereinigten Königreich. Alle Erdgaskraftwerke, die gerade gebaut wurden, mussten binnen kurzer Zeit mehrfach verteuertes Erdgas einkaufen. Wo es möglich war, wurde zum Teil wieder auf andere Rohstoffe umgestellt. In Festlandeuropa wurde das nicht wahrgenommen. Hier werden weiter Erdgaskraftwerke geplant und gebaut. Zusätzlich sollen auch Autos mit Erdgas fahren. Die Warner werden wenig ernst genommen. Doch wo soll das Erdgas herkommen? Diese Frage hat sich zugespitzt, seitdem Russland Anfang 2006 zunächst der Ukraine und Georgien den Erdgashahn abdrehte, Weißrussland für 2007 damit drohte und kurz darauf beim Erdöl sogar den Hahn zudrehte. Katar ist vorläufig ausverkauft und die Größe des gigantischen Erdgasfeldes mittlerweile fraglich. Turkmenistan? Die Pipeline führt durch Russland und die Russen brauchen das turkmenische Erdgas zum Teil schon für ihren eigenen Bedarf, da sie ihr Gas größtenteils nach Europa liefern und der Rest nicht mehr für den eigenen Verbrauch reicht! Und der Iran? Der beliefert Indien und China und braucht immer mehr Erdgas, um seine Erdölförderung aufrechterhalten zu können! Und Erdgas, das irgendwo auf den Weltmärkten zusätzlich auf den Markt kommt, weckt sogleich Bedürfnisse in den USA und China.

Prinzip Hoffnung als Strategie

Wenn die globale Nachfrage zukünftig das Angebot übertrifft, werden die Preise deutlich steigen. Der Traum vieler Verbraucher vom günstigen Erdgas wird sich nicht mehr erfüllen - selbst wenn die hohen inländischen Monopolgewinne der Erdgasanbieter abgeschöpft werden sollten. Die sogenannte Erdgas-Diversifizierungsstrategie der EU und der Bundesregierung ist nichts anderes als ein hilfloser Versuch, das Prinzip Hoffnung zur Strategie zu erklären.

Richtig: Sparen und Ersetzen

Eine richtige Strategie muss andere Wege einschlagen: Erdgas einsparen und ersetzen. Einsparen ist dabei am einfachsten, da Erdgas überwiegend zum Heizen dient. Hier gibt es sowohl in der EU als auch in GUS-Ländern sehr große Einsparpotenziale. Daneben kann die Wärme auch sehr gut über erneuerbare Energien wie zum Beispiel Sonnenkollektoren oder Holzpellets erzeugt werden. Ein Umstieg auf andere fossile Energieträger wäre nicht zu verantworten, da deren Energiebilanz noch schlechter ist als die von Erdgas.

Biogas ersetzt Erdgas

Dabei braucht niemand Erdgas! Benötigt wird der Brennstoff Methan, der Hauptbestandteil des Erdgases. Methan gibt es auch in anderen Gasen: vor allem Biogas und in verschiedenen Gasen, die aus Biomasse entweder anaerobisch oder thermochemisch erzeugt werden. Das Biomethan muss lediglich an das Niveau der heutigen Erdgasqualität angepasst werden, da sämtliche Parameter auf Erdgasverbrauchs-Geräte eingestellt sind. Technisch ist das alles kein Problem. In Schweden und in der Schweiz gibt es schon seit Jahren Biogasanlagen, die in das Erdgasnetz einspeisen. In Folge des Erneuerbare- Energien-Gesetzes erhielten jüngst in Deutschland die beiden ersten Biogasanlagen Anschluss ans Erdgasnetz.

Biogas statt Erdgas importieren

Doch wie groß ist das Biogaspotenzial in Deutschland und wie viel Erdgas kann hier ersetzt werden? Eine frühere Studie im Auftrag des Bundesverbandes Gas- und Wasserwirtschaft und des Fachverbands Biogas ergab ein Potenzial von rund zehn Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs. Dies entspricht rund einem Viertel der russischen Erdgasimporte oder der Hälfte der rückläufigen hiesigen Erdgaserzeugung. Erdgas wird also zum überwiegenden Teil importiert. Was spricht dagegen stattdessen Biogas zu importieren? In Osteuropa gibt es gigantische große landwirtschaftliche Flächen, die oft nur schlecht genutzt werden und in Gesamteuropa große landwirtschaftliche Überschüsse, die vielen Landwirten die Preise und die wirtschaftliche Existenz ruinieren. Und es gibt in Osteuropa die Gaspipelines! Diese können aufbereitetes Biomethan aufnehmen und transportieren.

Karte Europa Gasnetze für Biogastransporte nutzen

Gas selbst herstellen

So entstand die Idee, dass die europäischen Länder in großem Umfang das Gas, das sie verbrauchen, auch selbst erzeugen können. Dieser Gedanke hat eine Vielzahl von Vorteilen: Die Länder wären unabhängig von Importen und der Politik der Exportländer. Die ländlichen Räume Europas könnten ihre Wertschöpfung deutlich erhöhen. Klimagase könnten in großem Umfang eingespart werden. Und das alles über Jahre, Jahrhunderte, Jahrtausende hinweg, da das Biomethan jedes Jahr "nachwächst". Doch in welchem Umfang lässt sich Biomethan in Osteuropa erzeugen und in die Pipelines einspeisen? Und warum sollte man die Betrachtung auf Osteuropa konzentrieren, wo doch auch in West- und Mitteleuropa große Erzeugungspotenziale brachliegen und Regionen mit großem Verbrauch vorhanden sind? Was kostet das alles? Wie viele Arbeitsplätze könnten entstehen, und wie viel CO2 kann eingespart werden?

Studie beauftragt

Auf Anregung des Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell gab die Grüne Bundestagsfraktion unter Beteiligung der Stadtwerke Aachen und des Fachverbands Biogas eine umfassende Studie in Auftrag. Wissenschaftler des Instituts für Energetik und Umwelt in Leipzig und des Ökoinstituts in Darmstadt trugen über Monate hinweg Daten zusammen, analysierten und fassten die Ergebnisse zusammen. Das Ergebnis ist erstaunlich:

Potenzial entspricht Verbrauch

Das europäische Biomethanpotenzial liegt bei rund 500 Milliarden Kubikmetern jährlich, was etwa dem Gasverbrauch der heutigen EU entspricht. Sogar der Erdgasverbrauch Gesamt-Europas bis hin zum Ural könnte durch Biomethan ersetzt werden! Wie? Indem man Erdgas spart und zusätzlich andere erneuerbare Energien wie Sonnenkollektoren Erdgas ersetzen. Durch den Ersatz von 500 Milliarden Kubikmetern klimaschädigendem Erdgas durch klimaneutrales Biogas können in der EU die Emissionen von Treibhausgasen um 15 Prozent gesenkt werden. Eine europäische Biogaseinspeisungsstrategie kann somit ein zentraler Baustein europäischer Klimaschutzpolitik werden. Gas-Versorgungssicherheit und Klimaschutz gehen Hand in Hand.

2,7 Millionen neue Arbeitsplätze

Mehr noch: Ersetzt man das zentral geförderte Erdgas durch das dezentral erschlossene Biogas, können bis 2020 europaweit 2,7 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen - vor allem in der Landwirtschaft, im Anlagenbau und im Anlagenbetrieb.

Biogas in 15 Jahren wettbewerbsfähig

Noch liegen die Kosten für Biomethan über dem für Erdgas. Aber mit fortschreitender Entwicklung der Technologie auf der einen Seite und zu erwartenden stark steigenden Erdgaspreisen innerhalb der nächsten 15 Jahre auf der anderen Seite, dürfte Biomethan schon mittelfristig in großem Umfang wettbewerbsfähig sein. Bis dahin macht es Sinn, die günstigsten Potenziale zu erschließen und die Technik soweit voranzutreiben, dass Biomethan die Erdgasverknappungen entspannt. Der Einstieg sollte deshalb schon heute beginnen.

Was ist erforderlich?

Wir benötigen ein Biogaseinspeisungsgesetz, das wirksame Anreize zur Einspeisung von Biogas in das Gasnetz liefert, mit einer festgelegten Einspeisungsvergütung. Zudem muss die vorrangige Aufnahme und Durchleitung von Biogas festgeschrieben werden. Als Vorbild sollte das Erneuerbare-Energien-Gesetz des Strombereiches dienen. Möglichst parallel sollte eine europäische Bio-Gas-Einspeisungsstrategie initiiert und vorangetrieben werden. Dies ist eine immense Aufgabe, der sich sowohl die aktuell der EU vorsitzende Bundesregierung als auch die EU-Kommission widmen sollte. Dieses Projekt könnte Europa weiter zusammenwachsen lassen und europäische Konflikte um Erdgas verhindern.

 Download Teilbericht I Möglichkeiten einer europäischen Biogaseinspeisungsstrategie (1,42 MB)

 Download Teilbericht II Möglichkeiten einer europäischen Biogaseinspeisungsstrategie 

letzte Änderung: 02.05.2024