ED 04/12 Eine Welt ohne Öl (S.30-31)
Kohle selbst erzeugen, statt sie zu verbrennen

Kohle zu verbrennen setzt CO2 frei, Kohle zu erzeugen bindet CO2.

Kohle selbst erzeugen, statt sie zu verbrennen

Kohle zu verbrennen setzt CO2 frei, Kohle zu erzeugen bindet CO2. Das Weltklima nötigt uns, dass wir uns von der Kohleverbrennung verabschieden und stattdessen CO2 aus der Atmosphäre in Kohle binden. Die Umwandlung von Pflanzenresten zu Pflanzenkohle mittels Pyrolyse ist im eigenen Garten ganz einfach zu bewerkstelligen.
Von Dr. Aribert Peters

(24. Februar 2021) Ohne Kohlenstoffsenken, die auch als Negativemissionen bezeichnet werden, sind Klimaneutralität und damit die Klimaziele von Paris nicht zu erreichen. Um den Klimawandel abzumildern, müssen die bereits von den Menschen emittierten Treibhausgase wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. Man spricht von Kohlenstoffsenken, die mittels Negativemissionstechnologien (NET) realisiert werden können. Die mit Abstand wirksamste und zugleich günstigste Negativemission ist die Verminderung der Emissionen, die noch immer Jahr für Jahr durch den Menschen erfolgen – genauso, wie die Energieeinsparung die günstigste Energiequelle ist. Im 1,5-Grad-Sonderbericht des Weltklimarates IPCC beinhalten alle Szenarien, die eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 °C darstellen, den Einsatz von wirklichen CO2-Senken.

2712 glühende Holzkohle / Foto: GCapture / stock.adobe.com

Kohlenstoffsenken

Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten von Negativemissionen, darunter Aufforstung, Pyrolyse, Meeresdüngung und die kaum bekannte Pflanzenkohle. Die Kosten und Möglichkeiten der verschiedenen Negativemissionen unterscheiden sich stark voneinander. Neben exotischen Techniken stehen Möglichkeiten, die seit Langem bekannt und erprobt sind. Neben Verfahren mit kritischen oder unbekannten Nebenwirkungen stehen Verfahren mit positiven Nebeneffekten. Die frei zugängliche und aktuelle Studie „Negative emissions: Costs, potentials and side effects“ gibt einen Überblick über Kosten und Potenziale.

Lösung: Biokohle

Die weltweiten Potenziale liegen der Studie zu Folge für viele Techniken zwischen jährlich 0,5 und 5 Gigatonnen CO2. Zum Vergleich: Deutschland darf, entsprechend seinem Weltbevölkerungsanteil, in Zukunft nicht mehr als 4,2 Gigatonnen CO2 emittieren. Die Studie warnt davor, sich durch überzogene Erwartungen an Negativemissionen reichzurechnen und sich in der trügerischen Sicherheit zu wiegen, Negativemissionen könnten Emissionsminderungen ersetzen oder gar überflüssig machen.

2712 Köhler-Erdgrube / Foto: www. ithaka-institut.org

Pflanzenkohle lässt sich einfach, kostenfrei und ohne technische Gerätschaften herstellen: Dieses Beispiel zeigt die Oberfläche eines mit einer Schaufel rund 90 cm tief in die Erde gegrabenen Trichters zur Pflanzenkohleherstellung.

Drei Kohlenstoffsenken erscheinen besonders erfolgversprechend: Aufforstung von Wäldern, Pflanzenkohle und Humusaufbau: Alle drei Techniken haben großes Potenzial, geringe Kosten, geringes Risiko und sind gut erprobt. Und alle drei Techniken haben positive Umweltwirkungen, über die CO2-Bindung hinaus. Deshalb handelt es sich um sogenannte no-regret-Techniken, bei denen man nichts falsch macht.

Kohle-Emissionen-Kohle

Auch die fossile Kohle ist aus Pflanzenresten entstanden. Vor vielen Millionen Jahren wurde pflanzlicher Kohlenstoff unter Luftabschluss gebunden und im Boden als Kohle gespeichert. Wenn wir diese Kohle ausgraben und verbrennen, wird das vor Millionen Jahren der Atmosphäre entzogene CO2 wieder freigesetzt. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt an. Und die Erde erwärmt sich in der Folge.

Um das Klima zu stabilisieren, müssen wir, statt fossile Kohle zu verbrennen, das CO2 aus der Atmosphäre in Pflanzenkohle verwandeln. Die gute Nachricht ist: Die Natur hilft uns dabei! Pflanzen wachsen, indem sie der Atmosphäre CO2 entziehen. Werden diese Pflanzen unter Luftabschluss zersetzt, dann entsteht Pflanzenkohle. Pflanzenkohle ist umso dauerhafter, je höher der Druck und die Temperaturen sind, unter denen sie entsteht. Wenn wir Pflanzenmaterial in Pflanzenkohle umwandeln, entziehen wir es dem Zugriff der Mikroorganismen, die auf dem Komposthaufen oder im Waldboden durch Zersetzungsprozesse wieder CO2 oder Methan erzeugen. Zwei Drittel der durch Fotosynthese akkumulierten Energie wird in der entstehenden Pflanzenkohle gespeichert. Sie ist sehr porös und hat dadurch eine gewaltige Oberfläche, in der sich Nährstoffe und Mineralien einlagern können. Wird diese Pflanzenkohle zur Düngung in landwirtschaftliche Böden eingearbeitet, bleibt ein Anteil von über 80 Prozent des Kohlenstoffes für mehr als 1000 Jahre stabil gebunden. Diese Düngung nennt sich „Terra Preta“.

Bewährte Technik

Die Nutzung von Pflanzenresten ist der Menschheit seit mindestens fünf Jahrtausenden bekannt: Schon Ötzi hatte in Pflanzenharz getränkte Pfeile bei sich. Kohlemeiler brannten im Mittelalter in den Wäldern. Die Umwandlung verbraucht noch nicht einmal Energie, sondern liefert die benötigte Prozessenergie sogar selbst. Pflanzenkohle lässt sich auf zwei Wegen herstellen: Durch Pyrolyse oder durch hydrothermale Karbonisierung. Eine Pyrolyse bei Temperaturen ab 400 Grad Celsius ergibt sehr stabile Kohlen. Der Vorteil der Pyrolyse ist, dass sie technisch sehr einfach ist und fast ohne Hilfsmittel auskommt. Der Nachteil ist, dass sie nur funktioniert, wenn das Pflanzenmaterial sehr trocken ist. Wenn der Wasseranteil zu hoch ist, ist sehr viel Energie zur Trocknung erforderlich und die benötigten Temperaturen können nicht erreicht werden. In dem Fall bietet sich das zweite Verfahren an: Die Hydrothermale Karbonisierung (HTC). Dabei arbeitet man unter Zugabe von Wasser unter Drücken von rund 20 bar und Temperaturen von 180 °C.

2712 Köhlerofen KonTiki-Trichter / Foto: www.soehlmetall-shop.de

Kon-Tiki-Trichter aus Edelstahl mit 45 Liter Brennraumvolumen, Grillrost und komfortabel bedienbarem Ablasshahn für das Ablöschwasser sind ab rund 780 Euro in Deutschland erhältlich.

Jedermann-Anlagen

Das Schöne an der Pflanzenkohle: Sie lässt sich auch ohne jede große Investition und allein mit Baumarktmaterialien herstellen. Die wohl ursprünglichste und kostengünstigste „Anlage“ zur Herstellung von Pflanzenkohle ist die Bodengrube – auch „Erd-Kon-Tiki“ genannt. Diese lässt sich in einer Stunde nur mit einer Schaufel und natürlichen Materialien bauen. Wer lieber auf eine fertige Technologie zurückgreifen möchte, kann ab rund 300 Euro eine manuelle Kleinanlage wie die „Pyro – Bene“ Tonne mit 12 Liter Brennraum aus Edelstahl oder etwa viermal so große Kon-Tikis ab etwa 700 Euro erwerben. In einem Kessel wird Biomasse unter Luftausschluss verkohlt und zum richtigen Zeitpunkt abgelöscht – so erhält man hochwertige Pflanzenkohle. Das sauber abbrennende Gas kann gleichzeitig zum Erhitzen von Wasser, Kochen oder Grillen verwendet werden. Der Stahl-Kon-Tiki wurde 2014 von Hans-Peter Schmidt und Paul Taylor entwickelt. Seither hat das Ithaka Institut die Bauanleitung frei zur Verfügung gestellt. Der kostengünstige und robuste Kon-Tiki kann dank seines geringen Gewichts nahezu überall aufgestellt werden. In einem mittelgroßen Modell kann in rund drei Stunden ein knapper Kubikmeter Pflanzenkohle hergestellt werden.

2712 Pyrolyseofen Köhlerofen / Foto: www.soehlmetall-shop.de

Kleine Pyrolyseöfen mit Volumina von 5 bis 15 Liter sind häufig als Holzvergaserofen mit einer Kochplatte gestaltet. Hochwertige Varianten aus Edelstahl sind ab 230 Euro erhältlich.

Natürliche CO2-Reduktion nutzen

(1. Februar 2023) Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen und die globale Erwärmung auf 1,5 bis 2 Grad Celsius zu begrenzen, wird es nicht reichen, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Darüber hinaus wird es wahrscheinlich notwendig, der Atmosphäre bereits emittiertes Kohlendioxid wieder zu entnehmen. Kohlendioxid lässt sich auf natürlichem oder technischem Wege aus der Atmosphäre entziehen.

1235 Baum wird gepflanzt / Foto: Ilham / stock.adobe.com

Die natürliche Reduktion ist schneller umsetzbar und weniger risikoreich als Hightech-Ansätze, von den Kosten ganz zu schweigen. ForscherInnen unter anderem des UFZ-Zentrums haben die vielversprechendsten Ansätze in Deutschland untersucht. Sie zeigen, dass natürliche Senken kurzfristig erweitert werden können, während Hightech-Ansätze Treibhausgase erst mittelfristig reduzieren könnten und potenzielle Risiken bergen. Eine solche CO2-Abscheidung ließe sich auf natürlichem Wege durch die Erweiterung natürlicher Senken wie beispielsweise die Wiederaufforstung von Wäldern erreichen. Auch neue Technologien, die chemische Prozesse zur Kohlenstoffabscheidung nutzen, ließen sich nutzen. Das Potenzial und die Durchführbarkeit dieser so genannten Kohlendioxid-Entnahmemaßnahmen sind jedoch von vielen Variablen abhängig. Dazu gehören unter anderem die Verfügbarkeit von Infrastrukturen und Ressourcen wie Land und Energie.

Ein Beispiel natürlicher CO2-Rückholung ist die vier-Promille-Initiative. Sie wurde 2015 ins Leben gerufen und wird derzeit von mehr als 250 Organisationen (Regierungen, Forschungseinrichtungen, NGOs, Universitäten, Stiftungen, Unternehmen etc.) unterstützt und umfasst 80 Unterzeichnerstaaten, darunter Frankreich und Deutschland. Mit vier Promille mehr organischem Material in landwirtschaftlichen Böden pro Jahr könnte ein Teil der globalen CO2-Emissionen in der Atmosphäre gebunden werden.

letzte Änderung: 01.02.2023