Klimaklagen: Klimastreit vor Gericht
Von Louis-F. Stahl
(15. November 2021) In den vergangenen Monaten haben weltweit Gerichte Unternehmen und Staaten zu mehr Klimaschutz verurteilt. Das Bezirksgericht von Den Haag verurteilte im Mai 2021 den niederländischen Ölkonzern Shell dazu, seinen CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 nahezu zu halbieren und damit sofort beginnen zu müssen. Geklagt hatten sieben Umweltschutzorganisationen. Ziel der Klage: Nicht nur Staaten, auch Unternehmen sollten verpflichtet werden, die Klimaschutzziele des Abkommens von Paris umzusetzen. Zuvor hatte im Dezember 2019 bereits das oberste Gericht der Niederlande den niederländischen Staat zur Einhaltung strengerer Klimaschutzziele verurteilt sowie im April 2021 das deutsche Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung (siehe „Grundrecht auf Klimaschutz“). Einen weiteren Sieg konnten auf Umwelt- und Klimaschutz klagende BürgerInnen im September 2021 in Indonesien verzeichnen. Die indonesische Regierung sowie die drei Provinzgouverneure der Metropolregion Jakarta wurden verurteilt, die Qualität der Luft zukünftig messtechnisch zu erfassen und durch Regularien sowie Verwaltungshandlungen insbesondere auch Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, die Luftqualität zu verbessern.
In Deutschland haben derweil die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Greenpeace Anfang September 2021 Klagen gegen BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen und Wintershall Dea sowie Verfassungsbeschwerden gegen die Bundesländer Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt eingereicht. Die Unternehmen sollen gerichtlich zur Einstellung der Öl- und Gasförderung sowie zur Unterlassung der Herstellung von Verbrennungsmotorfahrzeugen in Deutschland verpflichtet werden. Den Bundesländern wirft die DUH vor, keine mit dem Grundgesetz sowie mit den vom Bundesverfassungsgericht festgelegten grundrechtlichen Klimaschutzanforderungen genügenden Klimaschutzgesetze zu besitzen. Gegen drei weitere Landesregierungen von Bayern, Brandenburg sowie Nordrhein-Westfalen wurden bereits im Juli 2021 Verfassungsbeschwerden eingereicht. Nachdem Klagen zur Luftreinhaltung gegen Städte und Kommunen seit Jahren erfolgreich sind, rücken damit in Deutschland nun zunehmend Unternehmen und Bundesländer in den Fokus von Klimaklagen.