Heizungsaustausch vor oder nach Gebäudesanierung?
Häufig wird behauptet, der Austausch einer alten Heizungsanlage sei eine weitaus lohnendere Maßnahme als eine umfassende energetische Sanierung eines Gebäudes, und dass man diesen deswegen zuerst vornehmen sollte. Anderswo hört man aber genau das Gegenteil – was stimmt nun? Dr. Rüdiger Paschotta gibt Antworten.
(16. Juni 2016) Richtig ist zunächst einmal, dass die Amortisationszeit bei einem Heizungsaustausch meistens deutlich kürzer ist als bei der Ausstattung eines Gebäudes mit einer Wärmedämmung oder auch mit neuen Fenstern. Von daher erscheint es vernünftig, diese Maßnahme als erstes zu ergreifen.
Andererseits genügt der Heizungsaustausch allein bei vielen alten Gebäuden auf Dauer nie und nimmer. Auch wenn man damit beispielsweise 30 Prozent Heizenergie einspart, sind die verbleibenden 70 Prozent häufig immer noch viel zu viel. Wenn beispielsweise ein älteres Einfamilienhaus 50 000 kWh Heizwärme pro Jahr benötigt und diese mit Erdgas erzeugt wird, wird auch der beste Heizkessel pro Jahr nicht weniger als 50 000 kWh Erdgas verbrauchen und somit übrigens auch mindestens zehn Tonnen klimaschädliches CO2 ausstoßen.
Momentan sind Heizöl und Erdgas relativ preisgünstig. Aber allzu lange dürfte diese Situation nicht anhalten, und dann werden einem steigende Heizkosten wieder jedes Jahr gründlich zusetzen – und dies mit einer kaum absehbaren Kostenentwicklung. Wenn das Gebäude nun aber noch für viele Jahrzehnte genutzt werden soll, wird man früher oder später ohnehin nicht um eine grundlegende energetische Sanierung herumkommen. Es ist nun einmal so, dass ein Gebäude alle paar Jahrzehnte erhebliche Investitionen braucht, um in gutem Zustand zu bleiben und den sich allmählich ändernden Anforderungen weiterhin zu genügen.
Was gewinnt man durch langes Hinauszögern?
Wenn man dies einmal verstanden hat, wird man sich überlegen, welchen Sinn es hat, die Sanierung noch möglichst lange hinauszuzögern. Schließlich reduziert man damit nur den Nutzen, den man in der restlichen Betriebszeit des Gebäudes erzielen kann, aber kaum die Kosten. Wenn beispielsweise ein Gebäude noch 50 Jahre genutzt werden soll und sich eine energetische Sanierung bei heutigen Energiepreisen innerhalb von 20 Jahren amortisiert (und danach 30 Jahre richtig Gewinn abwirft), wäre es töricht, diese Maßnahme erst 25 Jahre später durchzuführen. Anders wäre es, wenn man mit sinkenden Energiepreisen durch neue Wundertechnologien rechnen könnte – das wird jedoch gerade im Brennstoffbereich wenig realistisch sein. Übrigens erleichtern die derzeit sehr niedrigen Zinsen natürlich jede Investition. Ob das in zehn oder zwanzig Jahren noch so sein wird, wissen wir nicht.
Sinnvoll koordinierte Maßnahmen durchführen!
Wenn nun aber eine energetische Sanierung in absehbarer Zeit erfolgen soll, ist es anzuraten, den Heizungstausch als einen Teil davon zu betrachten und die verschiedenen Maßnahmen klug aufeinander abzustimmen. Je nach konkretem Fall können unterschiedliche Aspekte relevant sein – hier einige Beispiele:
- Oft wird es erst durch eine gute Wärmedämmung möglich und sinnvoll, eine Wärmepumpenheizung einzusetzen. Da wäre es doch schade, einige Jahre vorher noch Geld für einen neuen Gasheizkessel auszugeben.
- Wenn zukünftig ein Teil der Wärme für Heizung und Warmwasser mit Sonnenenergie erzeugt werden soll, kommt es wiederum günstiger, gleich eine Heizungsanlage mit Solarnutzung einzubauen, anstatt erst einen neuen Heizkessel mit Warmwasserspeicher zu installieren und erst später die benötigten zusätzlichen Komponenten – dann womöglich mit Ersatz des dann nicht mehr verwendbaren Warmwasserspeichers ohne Solartauscher.
- Wenn eine gründliche energetische Sanierung nach Einbau einer neuen Heizungsanlage erfolgt, ist letztere danach oft stark überdimensioniert. Das ist jedoch im Falle eines Brennwertkessels meist kein besonderes Problem, da diese Geräte dank einer – je nach Modell unterschiedlich guten – Modulationsfähigkeit auch im Teillastbetrieb effizient arbeiten können. Wenn es dagegen ein Heizkessel für Holzpellets wäre, würde man einiges an Effizienz verlieren und womöglich auch unnötig viel für den Heizkessel und das Pelletlager zahlen.
In jedem Fall ist sehr zu raten, die Lage gründlich von einem kompetenten Energieberater analysieren zu lassen, bevor man erheblich Geld für Umbauten ausgibt. Wenn man an der falschen Stelle spart, wird es nämlich am Ende oft unnötig teuer.
Mein Fazit: Die Meinung, der Heizungstausch bringe das beste Verhältnis von Kosten und Nutzen und solle deswegen zuerst durchgeführt werden, ist durchaus nicht unbegründet. Es ist aber trotzdem sinnvoll, erst einmal über die weitere Zukunft des Hauses nachzudenken. Sollte eine umfassende energetische Sanierung ohnehin kommen müssen, sollte diese besser früher als später und in Form eines durchdachten Gesamtpakets realisiert werden.
Quelle: Erschienen am 7. April 2016 im RP-Energie-Blog. Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics Consulting GmbH