Heizung unter Kontrolle
Die Industrie redet viel vom „Smart Home“. Doch während einige Verbraucher mit smarten Steckdosen erste Gehversuche unternehmen, wird selbst im Neubau zur Heizungssteuerung oft nur ein einfacher Heizkurvenregler verbaut. Dabei werden Effizienzpotentiale verschenkt. Wie sich selbst alte Heizungen kostengünstig nachrüsten lassen, zeigt ein Beitrag von Louis-F. Stahl.
(28. September 2014) Im März 2014 zeigten die führenden Heiztechnikhersteller auf der „SHK Essen 2014“, was heute Stand der Technik im Bereich hocheffizienter Wärmeerzeugung sein soll. Neben den eigentlichen Brennwertgeräten wurden an vielen Ständen Apps für Smartphones gezeigt, die mühsames Rechnen bei der Planung abnehmen sollen, aber auch Heizungssteuerungen, die selbstständig regeln, analysieren sowie optimieren und noch dazu über einen Webzugang oder ein Smartphone durch Verbraucher einfach bedienbar sind.
Louis-F. Stahl ist Herausgeber des BHKW-Branchenportals www.bhkw-infothek.de und Vorsitzender der Betreibervereinigung BHKW-Forum e. V.
Stand der Technik?
Die Praxis sieht freilich ganz anders aus: Für die Modernisierung der Heizzentrale eines Mehrfamilienhauses mit 30 Wohnungen forderte ich im Juli 2014 von Planern und Heizungsbauern diese moderne Technik, mit der sich Wärmeverluste aufspüren und unnötige Wärmeproduktion vermeiden lassen sollen. Heraus kam als Spitzenmodell ein einfacher Heizkurvenregler, der als Sonderausstattung eine serielle Schnittstelle besitzt. Mit dieser aus den 1960er Jahren stammenden Schnittstelle kann man einen Computer verbinden – theoretisch zumindest. Mein Laptop von 2011 hat eine solche Schnittstelle natürlich nicht mehr. Und selbst wenn ich einen Adapter kaufen würde, könnte ich auf dem Bildschirm nur sehen, was die Heizung im gleichen Moment tut, wenn ich davor stehe. Eine Datenaufzeichnung zur Analyse gibt es nicht. Resigniert rief ich beim Hersteller des Heizsystems Buderus an, ob das wirklich alles wäre, was die Speerspitze deutscher Ingenieurskunst für eine neue Heizzentrale zu bieten habe: Das neue „KM300“ mit „Auswertung, Grafik, App und Internet“ sei zwar seit über einem Jahr angekündigt, aber leider noch nicht erhältlich, wurde mir mitgeteilt. Aber man könne mir immerhin ein 56k-Modem anbieten – ich lehnte dankend ab.
Auswirkungen fehlender Regelung
Ob Heizungen von 1990 oder 2014: Fehlende Regelungstechnik sorgt dafür, dass teure Wärme sprichwörtlich durch den Schornstein gejagt wird oder unnötig den Keller heizt. Erzeugt beispielsweise der Kessel immer einen heißen Vorlauf, weil der Warmwasserbereiter Wärme brauchen könnte, entstehen Bereitstellungsverluste. Diese Verluste fallen auch an, wenn es in einem thermisch trägen Gebäude noch warm ist, aber die Heizung aufgrund kalter Temperaturen draußen kräftig einheizt. Schlimmer noch: Geht der Gaskessel an, obwohl wenige Stunden später die Sonne Wärme über eine Solarthermie kostenfrei Wärme liefern würde, entsteht noch mehr unnötiger Verbrauch. Aber auch bei einer profanen Trinkwassererwärmung kann durch Optimierung der Wasserzirkulation und bedarfsgerechter Regelung der Pumpen einfach Energie gespart werden.
Es geht einfach und günstig
Vor etwa fünf Jahren stieß ich bei dem Versuch, eine Solarthermieanlage endlich nicht nur mit einem simplen thermischen Ein/Aus-Thermostat laufen zu lassen, sondern die Pumpe bedarfsgerecht und drehzahlgeregelt zu steuern, auf eine Internetseite über das Haus eines anderen Mitglieds im Bund der Energieverbraucher e.V. im bayrischen Veitsbronn. Dort funktionierte nicht nur das, sondern die ganze Heizung wurde smart geregelt – mit einer fertigen Steuerung von der Stange (siehe Kasten). Übergeordnete Steuerungen unabhängig vom Hersteller der Anlage sind nicht sehr bekannt, aber eine ausgezeichnete Lösung alte Anlagen zu modernisieren, berichtete mir der Hausbesitzer und Steuerungsexperte Thomas Reger. Im Fall der Solarthermieanlage war die Lösung sehr einfach: Für 140 Euro einen Regler mit Fühlern bestellt, in bester Heimwerkermanier an die Wand geschraubt und die Fühler angeklemmt – fertig!
Energiewunderhaus von Tomas Reger: Vier PV-Anlagen, ein Heizkessel, zwei Solarthermieanlagen, ein Blockheizkraftwerk und eine Wärmepumpe arbeiten dank einer übergeordneten Steuerung optimal zusammen. Livedaten und historische Entwicklungen sind unter www.online-bhkw.de abrufbar.
Bestehende Heizungen nachrüsten
Wenn die Anlage komplexer wird, beispielsweise zu einem Öl- oder Gas-Heizkessel eine Solarthermieanlage oder ein Stückholzkessel hinzukommt und auch die Heizkreise sowie Warmwasserbereitung geregelt werden sollen, wird das Vorhaben wesentlich komplexer. Besonders bei Heizkesseln kommt es ganz auf das Modell an, wie eine effizienzsteigernde externe Ansteuerung angeschlossen werden muss. Eine solche völlig frei programmierbare Komplettregelung UVR1611 kostet vom Hersteller „Technische Alternative“ etwa 490 Euro. Wer sich die Programmierung dieser Steuerung zutraut, kann dies mit einfach bedienbaren Tools am PC selbst erledigen. Wer es hingegen komfortabel mag, lässt sich die Steuerung für etwa 200 Euro Aufpreis von einem Profi planen, individuell programmieren, mit passendem Anschlussplan für die vorhandene Heizung zusenden und beauftragt dann einen örtlichen Elektriker mit der Installation.
Heizung beobachten und optimieren
Merkt man beim eigenen Auto schnell, wenn die eigene Fahrweise den Verbrauch in die Höhe treibt, bleiben die genannten Auswirkungen schlechter oder fehlender Regelung der Heizung meist verborgen. Wer stellt sich schon für Stunden vor den Heizungsregler und beobachtet den Verlauf von Temperaturen und ob der Kessel in ineffizienten Ein/Aus-Taktzyklen festhängt, statt effektiv in langen Intervallen zu heizen? Auch hierfür gibt es Lösungen: Die UVR1611 kann über ein kleines Modul namens C.M.I. über Wochen alle Werte aufzeichnen. Mit einem Computer oder Tablet lassen sich diese Aufzeichnungen als Trendkurven darstellen, so dass sich Fehler und energieverschwendende Einstellungen leicht ausmerzen lassen. Freilich kann man über diesen Weg auch vom Smartphone aus oder mit einem Touchscreen an der Wand Einstellungen ändern und den aktuellen Status kontrollieren.
Über die eigene Programmierung und den Einbau der univer-sellen Regelung UVR1611 berichtet auch Frank Töllen aus Magstadt sehr ausführlich auf seiner Webseite www.toellen.de
Kleine Maßnahme, große Einsparung
Nicht nur bei bestehenden Heizungen, sondern wie das eingangs erwähnte Beispiel der Wohnanlage mit neuer Heizzentrale zeigt, kann eine übergeordnete Steuerung wie die UVR1611 unabhängig vom Kesselhersteller und Alter der Anlage eine gute Lösung für eine effiziente Regelung, Überwachung und damit Optimierung der Heizung darstellen. Diese unerwartete Konkurrenz durch die „Technische Alternative“ und andere Anbieter wie Tado oder Controme erkennen zum Glück auch die Heiztechnikhersteller und bieten mittlerweile neue Modelle gegen Aufpreis teilweise mit entsprechenden Lösungen an. Bei einer neuen Heizung sollten Verbraucher unbedingt auf eine gute Regelung und Überwachung Wert legen und auch bei alten Heizungen lässt sich mit geringen Kosten viel erreichen, wenn man sich mit der Technik im Keller näher befasst – es lohnt sich.
Das Heizungswunderhaus von Veitsbronn
Angefangen hat es mit einer Ausbildung zum „Schlitzeklopfer und Doseneingipser“ sagt Thomas Reger lachend. Nach einer Fortbildung zum staatlich geprüften Techniker arbeitet Reger seit 1994 im Bereich der Gebäudeautomation großer Büro- und Kongressgebäude sowie im industriellen Umfeld.
Wie ein Zertifikat im Heizungskeller seines Hauses in Veitsbronn stolz bezeugt, bestellte er als Mitglied im Bund der Energieverbraucher 1998 im Rahmen des Phönix-Projektes eine 4,5 m²-Solarthermieanlage, die bis heute zuverlässig arbeitet. Als im Jahr 2001 ein kleines Blockheizkraftwerk zur Solaranlage und dem alten Ölkessel stieß, kamen sich die drei Wärmeerzeuger gegenseitig in die Quere. Damals war an multifunktionale Heizungssteuerungen für Einfamilienhäuser nicht zu denken, weshalb ein aus der Heizzentrale eines Krankenhauses ausgemusterter MSR-Schaltschrank bei den Regers in die Abstellkammer einzog. Jahr für Jahr wurde erweitert: Insgesamt vier PV-Anlagen mit 7,6 kWp, zwei Solarthermieanlagen mit 7,6 m², ein Ölkessel, ein Mikro-BHKW sowie eine ausschließlich mit selbst erzeugtem Strom arbeitende Wärmepumpe versorgen heute zusammen optimal gesteuert das Haus.
Der Mangel an Technik und Know-how hinsichtlich günstiger aber smarter Regelungslösungen für kleine Häuser brachte Thomas Reger 2005 schließlich auf die Idee, von der österreichischen Firma „Technische Alternative“ UVR1611 Steuerungen zu importieren, diese als Fachmann individuell für Hausbesitzer zu programmieren und zusammen mit einer selbst entwickelten Visualisierung in einem Webshop unter www.energietec.eu anzubieten.
Neben einer Auszeichnung mit dem Umweltpreis Veitsbronn wurde Reger vor drei Jahren auch mit dem EnergyAward der Renexpo ausgezeichnet. Kurze Fragen zum Thema Heizungsregelung beantwortet Thomas Reger anderen Mitgliedern des Bundes der Energieverbraucher werktags ab 18 Uhr telefonisch unter 0911-7530290.