125 Martin Jensen. Foto: obs/Peter Jensen GmbH/Angerer, Krafft
Preisgleitklauseln bei Fern- und Nahwärmepreisen

Preisgleitklauseln bei Fern- und Nahwärmepreisen

Aus welchen Komponenten bestehen Fernwärmepreise? Worauf sind Preiserhöhungen zurückzuführen? Welche Anforderungen bestehen aus Verbrauchersicht an die Preisgestaltung der Versorger?
Von Peter Hennig, Arbeitsgruppe Energie, Berlin

(12. Juni 2004)

Die Heizkostenabrechnung verteilt die Heizkosten entsprechend dem Verbrauch auf die Mieter eines Gebäudes. Aber wie kommen die Heizkosten zustande? Wird die Wärme von außen ins Gebäude geliefert, spricht man von Fern- oder Nahwärme.

Peter Hennig

Im Wärmeliefervertrag zwischen Wärmelieferanten und Gebäudeeigentümer wird der Wärmepreis und dessen Änderung in einer Preisformel festgelegt. Diesen Vertrag bekommen Mieter nur selten zu sehen. Im Folgenden wollen wir Ihnen häufige Preisformeln für Fernwärme und deren Konsequenzen auf die Wärmepreise darstellen.

Fernwärmepreise bestehen in der Regel aus drei Komponenten: dem Arbeits-, Grund- und Messpreis

Der Arbeitspreis ist für die verbrauchte Wärmemenge zu entrichten. Die verbrauchte Wärmemenge wird in Cent je Kilowattstunde, früher häufig auch in Euro je Megawattstunde (das sind 1.000 Kilowattstunden) oder Euro je Gigajoule (das sind 278 Kilowattstunden), abgerechnet. Die Spannweite der Arbeitspreise liegt heute bei Fernwärme zwischen 1,5 und etwa sechs Cent je Kilowattstunde. Bei Nahwärme liegen die Preise um etwa 20 -30 Prozent über den Preisen für die eingesetzten Brennstoffe Heizöl und Erdgas.

Dieser Abstand wird von den Umwandlungsverlusten bei der Wärmeerzeugung bestimmt. Der Grundpreis hängt meist von der bestellten Anschlussleistung (beziehungsweise dem Anschlusswert) ab. Dann wird er in Euro je Kilowatt und Jahr, aber auch in Euro je Liter beziehungsweise Kubikmeter Heizwasserdurchfluss je Stunde und Jahr abgerechnet. Grundpreise, die sich auf Liter und Kubikmeter beziehen, kann man in Kilowatt umrechnen.

Derzeit liegt die Spannweite der auf das Kilowatt Anschlussleistung bezogenen Grundpreise zwischen sieben und 65 Euro je Kilowatt und Jahr. Bei der Nahwärmeversorgung wird der Grundpreis oft in Euro je Quadratmeter Wohnfläche und Jahr beziehungsweise Monat abgerechnet. Ein typischer Grundpreis bei der Nahwärmeversorgung eines größeren Mehrfamilienhauses beträgt derzeit etwa fünf Euro je Quadratmeter Wohnfläche und Jahr. Der Messpreis ist ein fixer Betrag in Euro je Monat beziehungsweise Jahr, der für den Zähler und die Abrechnung der Wärme zu entrichten ist. Er beträgt für ein Mehrfamilienhaus etwa 100 bis 200 Euro je Jahr.

Anteil der Kostenarten

Wenn Sie die Heizkosten eines fernbeheizten Mehrfamilienhauses mit durchschnittlichem Verbrauch (150 kWh/m2 und Jahr) und 1.000 Quadratmeter Wohnfläche betrachten, entfallen davon 70 Prozent auf die Verbrauchskosten (Arbeit), 28 Prozent auf Grundkosten und etwa zwei Prozent auf Messkosten. Dieses Verhältnis bezieht sich auf den Mittelwert von etwa 50 bundesdeutschen Fernwärmeversorgern, deren Preise die Arbeitsgruppe Energie für die Aktualisierung des Fernwärmepreistests auf www.heizspiegel.de regelmäßig erhebt.

Bei einem Versorger mit extrem hohen Grundpreis (über 50 Euro je Kilowatt) betragen die Grundkosten knapp 50 Prozent der insgesamt abgerechneten Kosten (HEW Hamburg). Bei der Nahwärme können solche allgemeinen Aussagen nicht getroffen werden. Tendenziell ist der Grundkostenanteil hier um so höher, je kleiner das Gebäude ist.

Preisgleitklauseln für Arbeitspreis

Der Arbeitspreis hängt vom Preis der für die Wärmeerzeugung eingesetzten Energieträger ab. Bei Nahwärme hängt der Arbeitspreis (Ap) in der Regel nur vom Preis eines Brennstoffs (B) ab.

Hierbei ist Ap0 der Basisarbeitspreis, der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültig war. Mit "0" sind die Basispreise der eingesetzten Energieträger gekennzeichnet, die ebenfalls zu diesem Zeitpunkt galten. Die Basispreise für Heizöl, Erdgas und Kohle beziehen sich oft auf die Daten des Statistischen Bundesamts (Fachserie 17, Reihe 2). B ist der Preis des Brennstoffs im Jahr vor der Abrechnung.

Bei der Fernwärmeversorgung (Beispiel 2) hängt der Arbeitspreis oft auch vom Preis mehrerer Energieträger ab:

Der Arbeitspreis in Beispiel 2 ist zu 50 Prozent fest, zu 25 Prozent vom Kohlepreis (K), zu 20 Prozent vom Gaspreis (EG) und zu fünf Prozent vom Heizölpreis (HEL) abhängig. Die Summe der Gewichtungsfaktoren einer Preisgleitkausel muss 1 betragen, im Beispiel: 0,5 + 0,25 + 0,2 + 0,05 = 1. Die Klausel in Beispiel 2 ist zwar kompliziert, hat aber den Vorteil, dass die Festpreiskomponente hoch ist und der Preis zudem noch zu einem relativ hohen Anteil vom Kohlepreis abhängt.

Der Kohlepreis ist in den letzten Jahren im Gegensatz zum Preis von Erdgas und Heizöl nicht gestiegen. Vergleicht man die Wirkung der Preisgleitkauseln aus den Beispielen 1 und 2 im Zeitverlauf der Jahre 1999 bis heute, hätte sich der Arbeitspreis für einen Nahwärmekunden inzwischen verdoppelt. Ein Fernwärmekunde hätte hingegen nur moderate Preissteigerungen von etwa 20 bis 30 Prozent hinnehmen müssen.

Preisgleitklauseln für Grundpreise

Und so sieht eine typische Grundpreisgleitkausel bei Fern- beziehungsweise Nahwärme aus:

Der Grundpreis ist zu neun Prozent fest, zu 55 Prozent vom Investitionsgüterindex (I), ebenfalls vom Statistischen Bundesamt erhoben, und zu 36 Prozent vom Monatslohn (L) eines Facharbeiters in einer entsprechenden Tarifgruppe (auch vertraglich festgelegt) abhängig. Die Grundpreise sind in den letzten Jahren nicht wesentlich gestiegen, weil sich Löhne und Investitionsgüterpreise nur geringfügig verändert haben.

Preisgleitklauseln wirken zeitversetzt, weil sie sich auf zurückliegende Preisänderungen beziehen. Ein Beispiel: Der Arbeitspreis des Jahres 2004 bezieht sich auf den mittleren Heizölpreis des Jahres 2003 (Monatswerte für leichtes Heizöl nach Fachserie 17, Reihe 2 für eine Abnahmemenge vom 50 hl (Hektoliter) für den Standort Berlin).

Wann sind Preiserhöhungen zulässig?

Wann ein Versorger seine Preise erhöhen darf, ist im Wärmeliefervertrag festgelegt. Arbeitspreise bei Nahwärme vollziehen meist jede Änderung (und damit auch Reduzierungen) des eingesetzten Primärenergieträgerpreises zu 100 Prozent zeitverzögert nach. Fernwärmeversorger vereinbaren oft Schwellenwerte beim Grund- und Arbeitspreis, die überschritten werden müssen, damit eine Preisänderung wirksam wird.

Beispiel: Eine Arbeitspreiserhöhung wird erst dann an den Abnehmer weitergegeben, wenn die daraus resultierende Preiserhöhung 0,5 Cent je Kilowattstunde übersteigt. Oft wird zudem vereinbart, dass der Versorger auf Preiserhöhungen verzichten kann, der Kunde im gleichen Maße dann aber auch auf Preisminderungen.

Solche Regelungen waren in den 90-er Jahren üblich, als sich Öl- und Gaspreise über die Jahre nur wenig änderten. Aber auch eine vertraglich vereinbarte Preiserhöhung kann unzulässig sein, wenn sie zum Beispiel gegen die guten Sitten verstößt, also erheblich höher ausfällt als vergleichbare Wärmepreise anderswo. Hier finden Sie weitere Informationen zur rechtlichen Zulässigkeit von Preiserhöhungen .

Verbraucherfreundliche Preisänderungsklauseln

Zu unterscheiden ist zwischen dem Anteil der Grund- und Arbeitskosten an den Gesamtkosten und der Preisanpassungsformel bei jeder dieser Komponenten. Bei Tarifen mit hohem Grundpreisanteil hängen die Wärmekosten nur wenig vom Verbrauch ab. Wird bei einem Grundpreisanteil von 50 Prozent der Wärmeverbrauch halbiert, dann vermindern sich die Wärmekosten nur um 25 Prozent.

Dagegen motivieren Preissysteme mit geringem Grundkostenanteil Endverbraucher zum Energiesparen. Bisher bieten nur wenige Versorger Preise ohne Grundkosten an. Positive Beispiele sind die Stadtwerke Kiel und Lemgo sowie die Energieversorgung Oberhausen. Dabei hat der Grundpreisanteil keinerlei Einfluss auf die Höhe der Preise oder darauf, wie sich die Preise mit den Brennstoffkosten ändern (vergleiche Abbildung).

Alle Kombinationen von Arbeits- und Grundpreis unter der roten Linie führen für den Versorger zum gleichen Ergebnis, wenn man davon ausgeht, dass der Gesamtumsatz des Versorgers konstant bleiben soll. Umsatzerlöse = Arbeitspreis x Verbrauch + Grundpreis x Anschlussleistung = konstant

Beispiel: Ein Preissystem mit einem Grundpreis von 50 Euro je Kilowatt und einem Arbeitspreis von drei Cent je Kilowattstunde kann ergebnisneutral auf ein Preissystem ohne Grundpreis mit einem Arbeitspreis von 5,5 Cent je Kilowattstunde umgestellt werden.

Faire Preisgleitklauseln sollten sich an der tatsächlichen Kostenstruktur der Fernwärmeversorger orientieren und diese möglichst genau abbilden. Nur so ist gewährleistet, dass der Versorger nur dann die Preise erhöhen kann, wenn seine Kosten beim Einkauf von Energie, bei Löhnen und Industriepreisen tatsächlich steigen.

Gleichzeitig sollten Preisgleitklauseln aber auch einfach gestaltet sein, damit sie für den Abnehmer und auch für interessierte Bewohner nachvollziehbar sind. Zumindest aber muss die Rechnung verständlich sein und "die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen". Das schreibt die AVBFernwärmeV zwingend vor (§26).

Es liegt in der Natur der Sache, dass sich beide Forderungen nur sehr schwer gleichzeitig erfüllen lassen. Wenn ein EVU mehr Mühe auf eine transparentere Darstellung der Klauseln verwenden würde, wäre schon viel gewonnen.

letzte Änderung: 20.06.2023