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Seit kurzem wird intensiv über kleine PV-Systeme für den Balkon diskutiert. Ist das eine PV-Guerilla-Energiewende oder ein Traum von Romantikern, die nicht rechnen können? Weniger Sicherheit, geringere Kosten und dadurch mehr Absatz – ist das der richtige Weg?

Photovoltaik für die Steckdose?

Seit kurzem wird intensiv über kleine PV-Systeme für den Balkon diskutiert. Ist das eine PV-Guerilla-Energiewende oder ein Traum von Romantikern, die nicht rechnen können? Weniger Sicherheit, geringere Kosten und dadurch mehr Absatz – ist das der richtige Weg?
Von Louis-F. Stahl

(20. März 2017) Die Idee hat Charme: An der Rückseite eines PV-Moduls wird ein kleiner Wechselrichter montiert, Kabel und Stecker dran – fertig ist eine PV-Anlage für die Terrasse oder den Balkon. Ganz so einfach ist die Sache aber leider nicht! Es gilt, technische Sicherheitsvorschriften sowie geltende Gesetze einzuhalten – sonst ist der Betrieb schlicht illegal.

1813 PV-Modul / Foto: Fotolia.com/xiaoliangge

Sicherheit ist keine Verhandlungssache!

Wenn das Stromnetz für Wartungen ohne Spannung ist, dann muss das auch eine PV-Anlage erkennen und darf keinen Strom ins Netz speisen. Deshalb fordert die VDE-AR-N 4105 einen sogenannten NA-Schutz. Viele der angebotenen Anlagen haben diesen Schutz aber nicht, selbst wenn die Anlagen als „VDE-AR-N 4105 konform“ beworben werden. Häufig wird die NA-Schutzschaltung im Kleingedruckten als „externe“ Voraussetzung deklariert.

Der Hintergrund ist, dass in Billigimporten für „Guerilla-Anlagen“ die wenige Euro teuren NA-Schutzschaltungen nicht enthalten sind. Geringfügig teurere Kleinstwechselrichter, beispielsweise von AEconversion (INV250-45) oder Letrika (SMI260), für den europäischen Markt sind hingegen ab Werk mit einem „integrierten NA-Schutz“ ausgestattet.

Stecker oder kein Stecker?

Der Stecker eines PV-Moduls muss natürlich kindersicher sein, muss also mit der Hand anfassbar sein, auch wenn die PV-Anlage unter Dampf steht, solange der Stecker nicht in eine Steckdose eingesteckt ist. Diese Anforderung erfüllen leider normale Schuko-Stecker nicht. Aber es gibt sichere Alternativen: Stecker mit Berührungsschutz, wie den Wieland „RSTi“.

Eine Initiative der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie versucht, im Dialog mit dem VDE, einfachere Lösungen zu normieren.

Passender Stromkreis

Ob der aufnehmende Stromkreis nachträglich mit einem Fehlerstromschutzschalter ausgestattet werden muss, wenn ein solcher noch nicht im Sicherungskasten installiert ist, kann im Einzelfall nur eine Elektrofachkraft feststellen. Sinnvoll ist dieser Schutzschalter in jedem Fall! Er schützt Menschen im Fehlerfall vor lebensgefährlichen Stromschlägen und sollte bei Steckdosen in Feuchträumen und im Außenbereich immer vorhanden sein. Die Überlastung der eigentlichen Sicherung ist hingegen bei einem oder maximal zwei Modulen mit insgesamt 500 bis 600 Watt in der Regel kein Problem, weshalb hierfür in Österreich und der Schweiz Ausnahmen bestehen. In Deutschland besteht eine solche generelle Ausnahme nicht.

EEG – ja bitte!

„Wenn Sie die Anlage nicht nach dem EEG betreiben, können Sie das Modul ohne Anmeldung einstecken“, behaupten manche Verkäufer. Richtig ist: Auch kleinste Anlagen unterfallen dem EEG und man hat einen Vergütungsanspruch. Auf diesen sollte man verzichten, sonst interessiert sich das Finanzamt für die Einnahmen und es fallen jährliche Mess- sowie Abrechnungsentgelte an. Eine Anmeldung beim Netzbetreiber mit Verzichtserklärung für die Vergütung sowie die Anmeldung beim Register der Bundesnetzagentur genügen und der bisherige Stromzähler wird gegen ein Modell mit Rücklaufsperre getauscht: Die Anlage kann dann ohne großen Aufwand legal betrieben werden.

Andernfalls würde ein Stromzähler rückwärts zählen, was rechtlich gesehen eine strafbare Manipulation darstellt.

Wirtschaftlichkeit

Das etwa 600 Euro teure Balkonmodul Simon liefert zum Beispiel circa 120 Kilowattstunden im Jahr (150 Watt Leistung), die eigene Stromrechnung wird um rund 36 Euro vermindert.

Fazit

Aufgrund hoher Anschaffungskosten von günstigstenfalls rund 500 Euro mit Versand für sichere 255-Watt-Anlagen mit NA-Schutz zzgl. Prüfung des Stromkreises durch einen Elektriker, Nachrüstung passender Anschlüsse und gegebenenfalls von Schutzschaltern im Sicherungskasten sowie dem Zählertausch ist die Wirtschaftlichkeit von Stecker-PV-Anlagen sehr fraglich.

Ein begrüßenswerter Beitrag und ein sichtbares Statement für die Energiewende sind fachgerecht installierte PV-Kleinstanlagen aber in jedem Fall!

www.pvplug.de

letzte Änderung: 18.11.2024