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Wer zuhause Strom erzeugt und einspeist oder verkauft, wird plötzlich mit vielen Rechtsfragen konfrontiert.

Photovoltaik im Irrgarten der Paragrafen

Wer zuhause Strom erzeugt und einspeist oder verkauft, wird plötzlich mit vielen Rechtsfragen konfrontiert, mit denen er als Verbraucher sonst nichts zu tun hat. PV-Experte Thomas Seltmann gibt einen Überblick über die verschiedenen Rechtsthemen und eine erste Orientierung im Irrgarten der Paragrafen.

(4. Juli 2014) Der Rundgang beginnt mit dem Baurecht: Die Frage, ob für die Installation einer Solaranlage auf dem Gebäude eine Genehmigung erforderlich ist, wird oft verneint. Ein förmliches Baugenehmigungsverfahren braucht man in den meisten Fällen nicht zu durchlaufen. Das spart Zeit und Geld, ist aber nicht zu verwechseln mit gestalterischer Narrenfreiheit. Übersehen wird dabei nämlich teilweise, dass sich der Bauherr trotzdem an die baurechtlichen Vorschriften halten muss – in den meisten Fällen, ohne sie im Detail zu kennen.

Baurecht beachten

Zum Baurecht gehört auch der Brandschutz des Gebäudes. Trennwände und Abstände, die ein Übergreifen von Feuer verhindern sollen, dürfen auch mit Photovoltaikanlagen nicht überbaut werden. Kabel müssen so verlegt werden, dass auch sie das Feuer nicht durchlassen und Rettungskräfte im Brandfall nicht gefährden.

Steuerrecht und Gewerbe

Steuerlich werden PV-Betreiber Unternehmer, wenn sie Strom ins Netz einspeisen oder an Dritte wie beispielsweise Mieter oder Nachbarn vor Ort verkaufen. Oft wird geraten ein Gewerbe anzumelden, um die Umsatzsteuer des Anlagenkaufs vom Finanzamt erstattet zu bekommen. Eine Gewerbeanmeldung beim Ordnungsamt ist dazu allerdings nicht notwendig, wenn die Anlage auf dem eigenen Dach installiert wird, sagt der Bund-Länder-Ausschuss Gewerberecht. Sie kann sogar Nachteile bringen, wie beispielsweise höhere Müllgebühren.

Stattdessen meldet man die PV-Anlage lediglich beim Finanzamt an. Wer bereits selbständig tätig ist, jedoch von der Umsatzbesteuerung befreit war, muss die Photovoltaikanlage finanziell und buchhalterisch separat führen. Sonst besteht „Abfärbegefahr“ und im ungünstigsten Fall unterliegt plötzlich die gesamte berufliche Tätigkeit ebenfalls der Umsatzsteuer. Für Landwirte, Ärzte, Architekten und andere Freiberufler kann das relevant sein.

IHK-Mitgliedschaft

Die steuerliche Einordnung als Gewerbebetrieb hat zur Folge, dass der Betreiber gesetzliches Pflichtmitglied in der regionalen Industrie- und Handelskammer (IHK) wird – auch wenn der Betrieb einer PV-Anlage rein praktisch nichts mit Handels- oder gar Industriebetrieben gemein hat. Er kann dort Leistungen in Anspruch nehmen wie rechtliche Beratung, an der Wahl zur IHK-Vollversammlung teilnehmen und sich wählen lassen. Viele IHKen kümmern sich bisher nicht um die PV-Betreiber, weil nur wenige die gesetzliche Gewinngrenze überschreiten, ab der IHK-Beiträge zu zahlen sind.

Vorsicht bei Rente und Krankenversicherung

Es gibt aber auch Fallstricke in der Sozialversicherung: Ein Frührentner wandte sich vor einiger Zeit an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Seine Rente war empfindlich gekürzt worden, weil er außer einem Nebenverdienst auch noch Solarstrom an den Netzbetreiber verkaufte. Beide Einkünfte zusammen hatten den Maximalbetrag von 400 Euro monatlich überschritten, den Vorruheständler oder Erwerbsminderungsrentner bis zur Regelaltersgrenze neben ihrer Rente verdienen dürfen. Der Petitionsausschuss konnte lediglich bestätigen, dass die erheblich Kürzung rechtens war und für PV-Betreiber hier keine Ausnahmen gemacht werden.

Ähnlich verhält es sich mit der beitragsfreien Krankenversicherung für Familienmitglieder. Wenn beispielsweise die mit ihrem berufstätigen Mann verheiratete Ehefrau eine PV-Anlage (steuerlich) betreibt und zusätzlich eine Teilzeitbeschäftigung ausübt, dürfen die monatlichen Einkünfte maximal 395 bis 450 Euro (Minijob) betragen. Als Einkommen gilt bei Photovoltaikanlagen der Gewinn. Daher die Einnahmen aus der Einspeisung zuzüglich des privaten Eigenverbrauchs abzüglich Kosten und Abschreibung.

Solarbetreiber sind Verbraucher

Im Gegensatz zum Steuerrecht bleiben die meisten PV-Betreiber zivilrechtlich Verbraucher, sagen viele Juristen. Das könnte sogar bei größeren PV-Anlagen der Fall sein, wenn es sich beim Betreiber um eine Einzelperson handelt und nicht um eine Betreibergesellschaft. „Zivilrechtlich“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass beispielsweise beim Kauf der Anlage die im Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegten Verbraucherrechte gelten.

Unterschreibt ein Betreiber den Kaufvertrag für die Anlage bei sich zuhause im Wohnzimmer oder auf elektronischem Weg, ist der Auftrag ein „Haustürgeschäft“. Bei solchen haben Verbraucher ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Heikel für Installateure: Die Frist beginnt erst mit einer rechtlich formal korrekt ausgeführten Belehrung über dieses Widerrufsrecht oder ein alternatives  Rückgaberecht.

Außerdem führt die Verbrauchereigenschaft dazu, dass viele private Rechtsschutzversicherungen auch im Zusammenhang mit der Photovoltaikanlage in Anspruch genommen werden können, Stichwort „Vermögensverwaltung“. Wer Auseinandersetzungen mit dem Netzbetreiber, dem Installateur oder Modulhersteller scheut, sollte also zuerst prüfen, ob nicht die eigene Rechtsschutzversicherung zu Hilfe kommt.

Praktische Hilfe

Wer sich im Irrgarten der Paragrafen zurechtfinden will, findet aber auch ein vielfältiges Angebot zur Orientierung. In vielen Fragen um das EEG liefert die unabhängige Clearingstelle EEG auf ihrer umfangreichen Internetseite sehr gut aufbereitete Informationen und zahlreiche Beispielfälle (www.clearingstelle-eeg.de). Die Clearingstelle selbst kann auch als Schlichter bei Streit mit dem Netzbetreiber fungieren. Solarverbände wie DGS, SFV und BSW bieten ebenfalls viele Informationen zu Einzelfragen. Der Deutsche Solarbetreiber-Club DSC plant sogar eine Rechtsberatung für seine Mitglieder.

Neben den Verbraucherzentralen sind für Betreiber natürlich auch die IHKen ansprechbar. Schließlich sind sie dort Zwangsmitglied. Steuerberater und Anwälte beraten in Einzelfragen und liefern schnell hilfreiche Lösungen, oft für weniger Geld als man gemeinhin fürchtet. Fragen Sie unbedingt vor einer Beratung nach, ob der Fachmann sich in Sachen Photovoltaik auskennt und bereits Erfahrungen mit der Materie hat oder lassen Sie sich jemanden von einem Solarverband empfehlen. Ansonsten gilt die alte Erfahrung: „Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand“.

letzte Änderung: 01.05.2025