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Photovoltaikanlagen verbrauchen nachts nur sehr wenig oder keinen Strom. Einige Versorger wollen die Betreiber trotzdem mit unverhältnismäßig hohen Gebühren belasten.

Überteuerter Minimalstrombezug bei PV-Anlagen

Photovoltaikanlagen verbrauchen nachts nur sehr wenig oder keinen Strom. Einige Versorger wollen die Betreiber trotzdem mit unverhältnismäßig hohen Gebühren belasten und schüchtern Anlagenbetreiber mit Mahnschreiben und Abschalt-Drohungen ein. Doch Gegenwehr lohnt sich, meint Thomas Seltmann.

(19. September 2014) Immer häufiger erhalten die Photovoltaikbetreiber Post von ihrem Netzbetreiber oder Energieversorger mit Rechnungen für den Strombezug der PV-Anlage. Betroffen sind ältere Anlagen ohne Eigenversorgung, sogenannte Anlagen mit „Volleinspeisung“.

Für einen Verbrauch von teilweise 0 kWh oder eine geringe Anzahl von Kilowattstunden sollen die Betreiber plötzlich monatliche Grundgebühren bezahlen. Wohlgemerkt für Strom, den die PV-Anlage nicht oder nur in nicht einwandfrei messbaren Mengen aus dem Netz bezieht und verbraucht – was zuvor jahrelang kein Thema war. Bei neueren Anlagen, die für Eigenversorgung und Überschusseinspeisung angeschlossen sind, ergibt sich die Problematik hingegen nicht, da der Strombezug der PV-Anlage im Rahmen des Strombezuges des versorgten Verbrauchsstromkreises berücksichtigt wird.

Viele Wechselrichter in Photovoltaikanlagen schalten sich nachts ganz ab und haben einen Stand-by-Verbrauch von Null. Manche Geräte haben aber einen minimalen Strombezug, um die Einspeisebereitschaft aufrechtzuerhalten oder Daten an einem Display ablesbar zu machen. In manchen Anlagen sind auch Überwachungsgeräte eingebaut, die über ein eigenes Netzteil geringfügig Strom verbrauchen. Auch diese Geräte dienen der Betriebs- und Einspeisebereitschaft der PV-Anlage.

Weniger als zehn kWh jährlich

Bei einer kleinen Anlage summiert sich der Strombezug höchstens auf weniger als zehn Kilowattstunden pro Jahr. In vielen Anlagen zeigen die Zähler sogar einen Verbrauch von Null. Dennoch wollen einige Verteilnetzbetreiber den Anlagenbetreibern für tatsächlichen oder auch nur theoretisch möglichen Strombezug einen Versorgungsvertrag abnötigen und verlangen darüber hinaus eine monatliche Grundgebühr für die Messung und den Messstellenbetrieb des Bezugszählwerkes. Diese Kosten summieren sich im Jahr schnell auf hunderte Euro.

Voraussetzung dafür ist, dass der Strombezug der PV-Anlage überhaupt gemessen wird. Das ist bei Volleinspeisung nur dann möglich, wenn zusätzlich zum Einspeisezähler auch ein Bezugszähler für die PV-Anlage angeschlossen wird, oder ein 2-Richtungs-Zähler mit Bezugszählwerk installiert ist. Häufig geschieht das auf Veranlassung des Netzbetreibers, indem ein vorhandener 1-Richtungs-Einspeisezähler durch einen 2-Richtungs-Zähler ersetzt wird. Monate später kommt dann plötzlich der Brief des Stromversorgers mit absurden Forderungen.

Keine zulässige Messung

Louis-F. Stahl, Herausgeber der BHKW-Infothek, stellt diese Messung prinzipiell in Frage: „Nach herrschender Meinung wird bei PV-Anlagen bis 30 kWp der Bezugsstrom im Stand-by grundsätzlich als geringfügig angenommen (Clearingstelle EEG, Az. 2011/2/2). Und selbst bei größeren Anlagen ist der Stand-by-Stromverbrauch der Wechselrichter in den meisten Fällen so gering, das die Mindeststromstärke für eine normkonforme Messung nie erreicht wird. Deshalb erfolgt mit gewöhnlichen 2-Richtungs-Zählern keine geeignete Erfassung dieser Strommengen und ist abzulehnen.“

Selbst bei einer gemessenen Bezugsstrommenge von 0 kWh sind die Netzbetreiber kaum von ihrer Forderung abzubringen, horrende Grundgebühren zu kassieren, obwohl – wie bereits zuvor die Clearingstelle EEG – auch die Schlichtungsstelle Energie für diesen Fall im März 2013 eine eindeutig ablehnende Ansicht vertreten hat.

Betroffene Anlagenbetreiber sollten sich in diesem Fall energisch wehren und ein eigenes Verfahren bei der Schlichtungsstelle anstrengen.

Forderung rechtswidrig

Kniffliger wird es, wenn der Zähler tatsächlich einige Kilowattstunden Strombezug anzeigt. Für den Solarenergie-Förderverein (SFV) hat Rechtsanwalt Dr. Patrick Schweisthal die Rechtslage sehr ausführlich analysiert. Demnach spricht viel dafür, dass die Forderungen der Versorger nach überteuerten Strombezugsverträgen für den minimalen Verbrauch von PV-Anlagen rechtswidrig sind. Klärungsversuche mit Hilfe der Clearingstelle EEG oder der Bundesnetzagentur haben jedoch bisher nur wenig geholfen, da sich keine der Stellen für diese Frage so richtig zuständig erklärt. Damit bleibt den Betreibern nur eine Zahlungsverweigerung und der Ausweg über die Schlichtungsstelle Energie oder eine andere pragmatische Lösung.

Auch einfache Ein-Richtungs-Einspeisezähler ohne Rücklaufsperre sind zulässig und können das ganze Abrechnungsproblem lösen. In vielen Anlagen wurde ursprünglich auch so verfahren. Betroffene Anlagenbetreiber sollten darauf bestehen, diesen Tausch rückgängig zu machen. Sie können zudem damit drohen, andernfalls die Messung und Abrechnung der Einspeisung künftig mit einem eigenen Zähler selbst durchzuführen und den Zähler des Netzbetreibers durch einen Elektriker entfernen zu lassen. Auch das ist nämlich zulässig, sofern der Verbraucher des „Lesens- und Schreibens“ kundig ist (Clearingstelle EEG, Az. 2008/20 und 2012/7). Gleichwohl mag auch dieser Punkt von den Netzbetreibern teilweise anders gesehen werden.

Weitere Hintergrundinformationen finden sich in diesen Veröffentlichungen der Clearingstelle EEG

letzte Änderung: 01.05.2025