Billige Gaspreise
Segment-ID: 6570Streit um richtige Preise
Bei einseitiger Preisfestsetzung schuldet der Verbraucher dem Versorger nur den billigen Preis (§ 315 BGB). Der Verbraucher ist aber kaum in der Lage, diesen abzuschätzen. Welche Preise für Strom und Gas als angemessen gelten können, wird nachfolgend diskutiert.
(9. September 2006) - Ein einseitig bestimmter Preis ist nur verbindlich, wenn er der Billigkeit entspricht. Das hat der Versorger nachzuweisen. Die derzeit geforderten Gas-und Strompreise sind unangemessen hoch, wie der Bund der Energieverbraucher nachfolgend zeigt. Er will damit allen Verbrauchern einen Anhaltspunkt für die Höhe des zu überweisenden Entgelts für Gas und Strom an die Hand geben.
Der angemessene Gaspreis wird hier auf zwei völlig unterschiedlichen Wegen abgeschätzt: Durch einen Zeitvergleich der Jahre 1995 und 2006 einerseits und eine Abschätzung der Zusammensetzung des Gaspreises für 2005 andererseits. Da unternehmensspezifische Daten in der Regel nicht zur Verfügung stehen, gehen wir von bundesweiten Durchschnittswerten aus. Diese Werte stehen vom Statistischen Bundesamt (Haushaltspreise) und vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zur Verfügung (Importpreise).
Zeitvergleich 1995 mit 2006
Wir gehen von einem Zeitpunkt in der Vergangenheit, zum Beispiel 1995 aus. Damals lag der Haushaltsgaspreis im Bundesschnitt bei 3,15 Cent/kWh. Der Importpreis lag bei 0,63 Cent/kWh. Verteilkosten und Marge betrugen 2 Cent/kWh, die Steuer 0,6 Cent/kWh (16 Prozent MWSt + 0,18 Cent/kWh Gassteuer).
Die steuerbereinigte Wertschöpfung von 2 Cent/kWh unterliegt einem generellen sektoralen Produktivitätsfortschritt, der von der Bundesnetzagentur auf jährlich 2,54 Prozent beziffert wird (vgl. 1. Referenzbericht Anreizregulierung der Bundesnetzagentur vom 8. Dezember 2005 "Price Caps …", Rdnr. 124, S. 31). Zwischen 1995 und dem Jahr 2006 gab es somit einen Effizienzgewinn von 32 Prozent. Statt 2 Cent/kWh waren im Jahr 2006 somit nur noch 1,36 Cent/kWh aufzuwenden.
Preis 2006 1,14 Cent/kWh zu hoch
Der Importpreis lag im Jahr 2006 (Januar und Februar) bei 2,05 Cent/kWh. Die Steuer beträgt 1,18 Cent/kWh (Mehrwertsteuer + 0,55 Cent/kWh Erdgassteuer). Daraus ergibt sich, dass der Durchschnittsgaspreis für Haushalte im Januar/Februar 2006 höchstens 2,05 + 1,36 + 1,18 = 4,6 Cent/kWh betragen durfte. Tatsächlich lag der Gaspreis 2006 (Januar, Februar) bei 5,74 Cent/kWh (Stat. Bundesamt). Der bundesdurchschnittliche Gaspreis lag also um 1,14 Cent/kWh über dem Gaspreis, der sich aus dem Gaspreis von 1995 bei angemessener Erhöhung ergeben würde.
Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Abschätzung des Bundes der Energieverbraucher bereits im Juni 2005 (Energiedepesche Juni 2005).
Aus der ständigen Beobachtung der Gaspreisentwicklung zwischen 1987 und 1995 (vgl. Energiedepeschen dieser Jahre) ergibt sich zwingend, dass bereits 1995 die Gaspreise deutlich überhöht waren und damals nicht der Billigkeit entsprachen. Dies blieb bei vorstehender Rechnung unberücksichtigt. Deshalb muss diese Abschätzung als Obergrenze für einen angemessenen Gaspreis verstanden werden, solange nachprüfbare unternehmensspezifische Daten nicht vorliegen.
Bestandteile des Gaspreises
Die zweite Methode schätzt die einzelnen Bestandteile, aus denen sich der Gaspreis zusammensetzt, in ihrer Höhe ab. Dabei ist man vielfach auf Schätzungen angewiesen.
Der Gaspreis für Haushaltskunden setzt sich zusammen aus den Kosten des Gasbezugs vom Vorlieferanten, Netzentgelt, Kosten für Vertrieb und Abrechnung, Marge sowie Steuern und Abgaben.
Industrielle Gaskunden mit einer Bezugsmenge, die einem mittleren Stadtwerk entspricht (500 GWh/a), bezogen das Gas im Jahr 2005 laut der britischen Firma Energy Advice im Schnitt für nur 1,49 Cent/kWh, maximal für 1,69 Cent/ kWh. Der Gasimportpreis lag 2005 bei 1,61 Cent/kWh. Daher kann man davon ausgehen, dass der Gasbezugspreis eines Stadtwerks 2005 bei etwa 1,69 Cent/ kWh lag. Er wird nicht wesentlich höher sein als der Preis, für den ein Industrieunternehmen Gas beziehen kann. Diese Zahl wird bestätigt durch Gewinn- und Verlustrechnungen von verschiedenen Gasversorgungsunternehmen.
Die Versorger kalkulieren mit fiktiv überhöhten Netzkosten, die sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung nicht als Kostenpositionen allein ableiten lassen. Das bestätigt sich auch durch die immensen Unterschiede bei den Netzentgelten der verschiedenen Gasversorger. Die Kosten je Leitungskilometer unterscheiden sich nach Auswertungen der Bundesnetzagentur um das Fünfzehnfache!
Die Stadtwerke München und auch E.ON Hanse geben die Netzentgelte mit 1,22 Cent/ kWh basierend auf 1.500 Benutzungsstunden an. Weil sich die Abnahmeprofile von Haushaltskunden miteinander mischen - jeder bezieht das Gas zu unterschiedlichen Zeiten - , kann man jedoch mit mindestens 3.000 Benutzungsstunden rechnen. Daraus ergeben sich Netzkosten von 0,79 Cent/kWh. Diese auf der Verbändevereinbarung II basierenden Preise sind um mindestens 20 Prozent überhöht. Es ergeben sich also Netzentgelte von 0,63 Cent/ kWh. Für Systemdienstleistungen wie Lastverstetigung und Messung sind 0,25 Cent/kWh hinzuzurechnen. Für Vertrieb und Abrechnung rechnet die Thüga mit 0,15 Cent/kWh ("Helga"-Papier). Ein zusätzliche Marge braucht nicht berücksichtigt zu werden, da die obigen Positionen bereits jeweils Margen enthalten.
Die Konzessionsabgabe beträgt bundeseinheitlich 0,03 Cent/ kWh für Gassondervertragskunden. Für Kochgas gelten höhere Sätze. Heizgasverträge sind aber stets Sonderverträge. Die Erdgassteuer beträgt seit dem 1. Januar 2003 0,55 Cent/kWh. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer von 16 Prozent.
Gaspreis um 36 Prozent zu hoch
Damit ergibt sich ein angemessener Gaspreis von 3,83 Cent/kWh.
Der tatsächliche Gaspreis lag im Jahr 2005 bei 5,2 Cent/kWh und war mithin um 1,37 oder um 36 Prozent zu hoch. Setzt man die von den Versorgern beanspruchten höheren Werte für Gasbezug und Netznutzung ein, so erhöht sich der angemessene Gaspreis um 1,18 Cent/ kWh. Die Differenz zum tatsächlichen Gaspreis vermindert sich dadurch praktisch auf Null.
Prüfung der Angemessenheit
Die Prüfung eines Gaspreises muss sich also darauf konzentrieren, ob die tatsächlichen Gasbezugspreise und die Netzentgelte korrekt und vollständig erfasst sind und verursachungsgerecht den Kundengruppen zugeordnet wurden. Ferner ist zu prüfen, ob das Gas nicht auch günstiger zu beschaffen gewesen wäre. Denn die Kosten einer unwirtschaftlichen Betriebsführung sind auf jeden Fall unbillig, so Barbara Ambrosius, Richterin am Bundesgerichtshof.
Die Prüfkriterien der Netzentgeltverordnung Gas, die die Basis für die Bundesnetzagentur bilden, sind kein geeignetes Prüfraster. Diese Verordnungen wurden von der Gaslobby diktiert und enthalten fiktive Kostenbestandteile wie zum Beispiel Steuern, die nie gezahlt wurden und Abschreibung auf Werte, die in keiner Bilanz stehen.
Segment-ID: 5458Wenn die Preise der Gasanbieter unbillig hoch sind, wie hoch sind dann die billigen Gaspreise? weiter lesen