311 Erdgas Brennwerttechnik / Foto: Zukunft Erdgas e.V.

Rohmargen beim Erdgas

Untersuchung: Rohmargen Gas mit 256 Prozent Unterschied

(4. Dezember 2008) Der Bund der Energieverbraucher e.V. hat mit einer heute veröffentlichten Untersuchung belegt, dass die Gasversorger teilweise dramatisch überteuert einkaufen oder völlig überzogene Gewinne abschöpfen. Die Rohmargen unterscheiden sich um bis zu 256 Prozent. Die Zahlen belegen den Preismissbrauch durch zahlreiche Gasversorger.

Die Kartellverfahren gegen die Gasversorger bestätigen diesen Missstand. Sie sind aber angesichts der dramatischen Unterschiede nicht ausreichend.

Die betroffenen Verbraucher können sich auf zivilrechtlichem Weg gegen überhöhte Gaspreise wehren. Das aktuelle Gaspreisurteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 19.11.2008, Az VIII ZR 138/07) führt dazu erfreulicherweise sinngemäß aus: Wenn ein Gasversorger leichtfertig überteuert einkauft, dann verletzt er damit Pflichten gegenüber dem Verbraucher. Der sich daraus ergebende Preis kann dadurch unbillig sein und der Verbraucher ist nicht zur Zahlung verpflichtet.

Die Untersuchungsergebnisse hat der Verein für bundesweit alle Gasversorgungsunternehmen im Internet bereit gestellt.

Die Untersuchung vergleicht die Gaspreise für Haushaltskunden für eine jährliche Gasabnahme von 18.000 Kilowattstunden.

In Leipzig zahlt man für diese Gasmenge 1.807 Euro, in Quickborn dagegen nur 1034 Euro (Stand: September 2008).

Da der Gastransport von der Siedlungsstruktur, der Nähe zu einer Gasleitung und geografischen Gegebenheiten abhängt und dadurch unterschiedlich teuer ist, wurden die Gaspreise um die Netzentgelte und die Steuern und Abgaben bereinigt. Dadurch erhält man die Rohmargen. Das ist der Betrag, der für den Gaseinkauf, den Gasvertrieb und den Gewinn zu zahlen ist.

Die Rohmargen beim Gasverkauf an Haushaltskunden sind extrem unterschiedlich. Sie klaffen um 256 Prozent auseinander. Sie liegen zwischen 2,51 Cent je Kilowattstunde in Beiersbronn und 6,42 Cent je Kilowattstunde in Apolda. Karte Rohmargen Tabelle Rohmargen Die dramatische Gaspreisunterschiede am Markt beweisen, dass viele Gasversorger zu teuer einkaufen und zu üppige Gewinne einfahren.

Tabelle Rohmargen Gas Sep 08(1,68 MB)

Karte Rohmargen Gas Sep 08 hohe Aufl(9,16 MB)

Tarife der Gasgrundversorger ohne Sondertarife und Zu- oder Abschläge,
Preis für 18.000 kWh Gas einschließlich Mehrwertsteuer im September 2008

Karte Deutschland Grundversorgung Gas

Grafik hochauflösend: Download Karte Gaspreise Sep 08

Daten dazu: Download Tabelle Gaspreise Sep 08

Missbrauch am Gashahn

Die dramatische Gaspreisunterschiede am Markt beweisen, dass viele Gasversorger zu teuer einkaufen und zu üppige Gewinne einfahren.

Missbrauch am Gashahn

Die dramatische Gaspreisunterschiede am Markt beweisen, dass viele Gasversorger zu teuer einkaufen und zu üppige Gewinne einfahren. Verbraucher sollten sich gegen die überhöhten Preise wehren.

(27. November 2008) - Deutschland heizt ungerecht: Für den Einkauf und den Vertrieb von 18.000 Kilowattstunden Gas müssen die Verbraucher in Apolda durchschnittlich 1.156 Euro berappen, während die Bürger von Beiersbronn für dieselbe Leistung nur 452 Euro zahlen (Stand 1. September 2008). Die Kosten für den Gasbezug und den Vertrieb unterscheiden sich also regional um rund 250 Prozent. Im Vergleich wurden Netznutzung, Steuern und Abgaben nicht berücksichtigt, denn diese zusätzlichen Kosten fallen für alle Verbraucher an. Gründe für diese großen Unterschiede lassen sich zunächst kaum ausmachen.

Gastank 300 / Foto pixelio.de

Zwar unterscheiden sich die Kosten für die Gasverteilung je nach Abnehmerdichte und örtlichen Gegebenheiten. Aber diese Unterschiede berücksichtigen bereits die genehmigten Netzentgelte. Für den Verbraucher bleibt daher die Frage: Wie kann es sein, dass ein kleines Stadtwerk wie das schwäbische Mühlacker für weniger als den halben Preis Gas einkaufen und verkaufen kann, als zum Beispiel die Mitgas in Leipzig?

Beispiel Mühlacker

Die Stadtwerke Mühlacker konnten die Mehrwertsteuererhöhung 2007 ohne Preiserhöhung überstehen und haben im April 2007 sogar die Preise um sieben Prozent gesenkt. Wir befragten dazu den stellvertretenden Geschäftsleiter der Stadtwerke Matthias Bosch nach dem Geheimnis seines Erfolgs: Mühlacker liegt direkt an der Gasleitung der Gasversorgung Süddeutschland. Dennoch lief die Vertriebskette wie folgt: E.on Ruhrgas importierte das Gas und verkaufte es an die Gasversorgung Süddeutschland, diese verkaufte es an die Stadtwerke Pforzheim und diese erst an die Stadtwerke Mühlacker. Jede Vertriebsstufe verlangt ihre Gewinnmarge.

Deshalb gingen die Stadtwerke Mühlacker ab Oktober 2007 dazu über, ihr Gas direkt aus dem Ausland zu beziehen, und zwar über eine Beschaffungsgemeinschaft von Stadtwerken, die Südweststrom in Tübingen. So gelang es den Stadtwerken, auf die allgemein üblichen Gaspreiserhöhungen des Jahres 2008 zu verzichten. Den Kunden steht erst jetzt, ein Jahr später, eine Preiserhöhung von 20 Prozent ins Haus. Die Stadtwerke erwirtschaften dennoch ein positives Ergebnis. Eine Umsatzrendite wie E.on wollte man ganz bewusst nicht erreichen. Rohmarge zwischen 2,51 und 6,42 Cent je kWh.

Karte Deutschland Regionale Verteilung der Rohmargen Gas

Die Rohmargen beim Gasverkauf an Haushaltskunden sind extrem unterschiedlich. Sie liegen zwischen 2,51 Cent je Kilowattstunde in Beiersbronn und 6,42 Cent je Kilowattstunde in Apolda. Die Rohmargen errechnen sich aus den Verkaufspreisen an Privathaushalte (Abnahmemenge 18.000 Kilowattstunden jährlich, 11 Kilowatt Leistung) abzüglich den Netzentgelten, Steuern und Abgaben. Aus den Rohmargen müssen die Gasunternehmen die Gasbeschaffung, den Vertrieb, die Abrechnung und die Gewinne bezahlen. Selbst mit einer Rohmarge von 2,69 Cent je Kilowattstunde kann man jedoch noch Gewinn machen, wie die Stadtwerke Mühlacker zeigen.

Unwirtschaftlicher Einkauf, überhöhte Gewinne

Die riesigen Spannen der Rohmargen zwingen zu folgender Schlussfolgerung: Viele Gasversorger kaufen höchst unwirtschaftlich ein, leisten sich einen überteuerten Vertrieb und genehmigen sich viel zu hohe Gewinne. Millionen von Verbrauchern müssen die Zeche durch überhöhte Gaspreise zahlen. Hinzu kommt: Auch die genehmigten Netzentgelte sind kräftig überhöht und bescheren den Gasnetzbesitzern zusätzliche Gewinne.

Gleichzeitig verhindern sie, dass gebietsfremde Anbieter einen echten Wettbewerb eröffnen, denn die Netzbesitzer sind in der Regel mit dem örtlichen Gasanbieter verflochten und verbuchen die Netzentgelte als Ertrag, während fremde Anbieter einen zusätzlich Aufwand zu tragen haben. Unterscheidung zwischen Versorgern möglich Für die Versorger bedeutet dies Spaß ohne Reue, denn die meisten Verbraucher zahlen jeden verlangten Preis. Dass viele Gas- und Stromversorger als habgierige und rücksichtslose Geschäftemacher gelten, steht auf einem anderen Blatt.

Die hier erstmals vorgelegten Daten erlauben aber eine methodisch saubere Unterscheidung zwischen bürgernahen und fähigen Unternehmen auf der einen Seite und Konzernen auf der anderen Seite, die der Volkszorn völlig zu Recht träfe. Überhöhte Preise kürzen Die vorglegten Daten beweisen, dass die Gaspreise vieler Unternehmen dramatisch überhöht sind. Denn wenn Einkauf und Vertrieb zu einem Bruchteil des von vielen Unternehmen verlangten Preises möglich ist, dürften Verbraucher eigentlich nicht mit den grundlos überzogenen Preisen belastet werden. Das folgt aus dem Gebot der Billigkeit in Verbindung mit dem Gebot zur wirtschaftlichen Versorgung im Energiewirtschaftsgesetz.

Verbraucher in Gebieten mit überdurchschnittlichen Rohmargen sollten sich unter Berufung auf diese Daten weigern, die überhöhten Preis zu zahlen.

Missbrauchsverfahren der Kartellämter

Die Gasversorger mit marktbeherrschender Position dürfen nach dem verschärften Kartellrecht § 29 GWB keine Preise verlangen, die diejenigen Kosten unangemessen übersteigen, die sich in einem freien Wettbewerb einstellen würden. Deshalb haben die Kartellämter mittlerweile gegen etwa 40 Gasversorger Ermittlungen aufgenommen. Sie legen dabei auch die oben erwähnten Rohmargen zugrunde.

Sind die Bezugskosten eines Gasversorgers überhöht, dürfen die Kartellämter selbst bei überhöhten Bezugskosten allerdings deren Preise nicht so weit absenken, dass dem Unternehmen dadurch Verluste entstehen würden. Das verbietet eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs. Auf der anderen Seite zeigen sich die Gasversorger durchaus kooperativ. Schuld daran ist auch der konsequente Druck der Gasprotestkunden. Bei E.on hatte das Kartellamt erreicht, dass der Versorger 60 Prozent der aus Sicht des Kartellamts missbräuchlichen Anhebungen als Gutschriften an die Verbraucher zurückerstattet. Das Volumen der Rückerstattungen beträgt insgesamt rund 50 Millionen Euro.

Die Daten

Es gibt in der Bundesrepublik etwa 600 Gasversorger, die Gas in verschiedene Gebiete und zu unterschiedlichen Preisen liefern. Dabei wird jeweils ein Preis für Haushalte angeboten, die mit Gas heizen. Dadurch gibt es zahl- reiche einzelne Gaspreise, die in unserer Tabelle für jedes Gasunternehmen und jedes Versorgungsgebiet getrennt aufgeführt sind. Für die Richtigkeit der Daten übernehmen wir keine Gewähr. Die Firma Enet erfasste und stellte die Rohmargen für einen durchschnittlichen Haushalt mit einem Verbrauch von 18.000 Kilowattstunden und einer Kesselleistung von elf Kilowatt zusammen. Enet erfasst flächendeckend für alle Strom- und Gasversorger die Tarife und Preise und stellt diese Daten für Tarifrechner, Versorgungsunternehmen und andere Interessenten zur Verfügung. Enet hat dem Bund der Energieverbraucher e.V. die Daten der Rohmargen der Gasversorger für den September 2008 geliefert. Der Verein veröffentlicht sie hier als Tabelle und hochauflösende Karte.

Tabelle Rohmargen Gas Sep 08
Karte Rohmargen Gas Sep 08 hohe Aufl

Tarife der Gasgrundversorger ohne Sondertarife und Zu- oder Abschläge,
Preis für 18.000 kWh Gas einschließlich Mehrwertsteuer im September 2008

Karte Deutschland Grundversorgung Gas

Grafik hochauflösend: Download Karte Gaspreise Sep 08

Daten dazu: Download Tabelle Gaspreise Sep 08

letzte Änderung: 22.10.2010