Investmentstrategie: China will (k)einen Kohleausstieg
Von Louis-F. Stahl
(16. November 2021) Chinesische Kohlekraftwerkshersteller und Banken sind seit Jahren weltweit gut im Geschäft. Chinas bisheriges Paketangebot bestehend aus Planung, Bau, Finanzierung und Wartungsverträgen für neue Kohlekraftwerke war insbesondere für Schwellenländer mit Versorgungs- und Kapitalengpässen eine attraktive Lösung zur vermeintlichen Bewältigung ihrer Energieprobleme. Zahlen der Fudan Universität Shanghai zufolge planen und bauen chinesische Konzerne derzeit in rund 30 Ländern mehr als 120 neue Kohlekraftwerke. Darunter auch in direkten EU-Anrainerstaaten wie Bosnien-Herzegowina.
Umso mehr überraschte die am 22. September 2021 im Rahmen einer UN-Generaldebatte erfolgte Ankündigung von Chinas Staatspräsident Xi Jinping, zukünftig keine Kohlekraftwerke mehr im Ausland errichten zu wollen. Die Ankündigung wurde weltweit mit Wohlwollen aufgefasst und auch von Umweltschutzverbänden durchweg gelobt. Interessant ist jedoch, was nicht gesagt wurde: In China selbst befinden sich aktuell über 230 Kohlekraftwerke im Bau, die nicht infrage gestellt werden. Entsprechend dem 14. Fünfjahresplan soll die Kohleverstromung in den Jahren 2021 bis 2025 zudem noch weiter ausgebaut werden. Auch danach werden bis zum Jahr 2030 die Emissionen der Kohleverstromung in China Jahr für Jahr weiter steigen.
Bei näherer Betrachtung zeigen sich handfeste Gründe, warum China im Ausland aus dem Neubau von Kohlekraftwerken aussteigen muss. Zahlreiche der in Planung befindlichen Projekte sind aufgrund der immer günstiger werdenden erneuerbaren Energien schlicht nicht mehr wirtschaftlich. Zu diesem Ergebnis kamen im ersten Halbjahr dieses Jahres zunächst Berichte mehrerer chinesischer Banken und im Juli 2021 hat schließlich selbst das chinesische Handelsministerium in einem Papier auf die inzwischen eingetretene Unwirtschaftlichkeit neuer Auslandsinvestitionsprojekte im Bereich fossiler Energien hingewiesen. Westliche Organisationen wie „Global Energy Monitor“ (GEM) und „Third Generation Environmentalism“ (E3G) teilen diese Einschätzung und wiesen in einer gemeinsamen Analyse darauf hin, dass in den vergangenen fünf Jahren die Pläne für neue Kohlekraftwerke weltweit bereits um 76 Prozent zurückgegangen sind und der wirtschaftliche „Kollaps der globalen Kohle-Pipeline“ bereits eingesetzt habe.
Auf wie viele Kohlekraftwerksprojekte die Ankündigung von Xi Jinping konkrete Auswirkungen hat, ist noch unklar. Die Fudan Universität geht von 10 Kohlekraftwerken im frühen Planungsstadium aus, wobei mehr als die Hälfte der in fortgeschrittenen Planungsphasen befindlichen Projekte aufgrund der im Einzelfall gegebenen Unwirtschaftlichkeit unabhängig von der politischen Ankündigung ohnehin bereits auf Eis läge.