Niederlande liberalisieren Strommarkt
Öffentliche Kassen sollen 20 Milliarden Euro einnehmen
(5. September 2005) Gegen den Widerstand der großen
Stromkonzerne treiben die Niederlande eine Neuordnung des
Energiemarkts voran. Die aus Christlichen Demokraten und Liberalen
bestehende Koalitionsregierung hat dem Parlament in Den Haag in
dieser Woche einen Gesetzentwurf vorgelegt, der auf eine
Aufspaltung der Energieunternehmen und eine grundsätzliche
Trennung von Produktion und Vertrieb zielt. Der liberale
Wirtschaftsminister Laurens Jan Brinkhorst verspricht sich davon
mehr Wettbewerb und niedrigere Energiepreise.
Der Gesetzentwurf sieht vor, daß alle Stromproduzenten bis
Ende 2007 ihre Netze abgeben müssen. Die neuen alleinigen
Eigentümer wären dann künftig die Städte,
Gemeinden und Provinzen. Diese wiederum sollen die Erlaubnis
erhalten, einen Teil der Netze weiterzuveräußern. Nach
Berechnungen des Wirtschaftsministeriums sind die
niederländischen Stromnetze etwa 33 Milliarden Euro wert. Die
angestrebte Teilprivatisierung könne die öffentlichen
Kassen mit etwa 20 Milliarden Euro füllen. Damit soll das
öffentliche Defizit reduziert werden.
Die niederländischen Pläne stehen in Einklang mit der EU-Rahmengesetzgebung, die noch nicht in allen Ländern in nationales Recht umgesetzt ist.
Sie gehen aber über diese hinaus. So ist beispielsweise in Deutschland ebenfalls eine Trennung von Produktion und Netzbetrieb vorgeschrieben. Die Stromerzeuger, speziell die großen Stromkonzerne, können aber (in rechtlich eigenständigen Unternehmen) weiterhin auch die Netze betreiben. Der Netzzugang für Dritte und das hierfür erhobene Entgelt wird durch die Bundesnetzagentur überwacht.
In den Niederlanden soll es dagegen grundsätzlich unmöglich sein, daß Produktion und Netz im Eigentum eines Konzerns bleiben.
Die großen niederländischen Konzerne wenden sich deshalb gegen die Pläne. Sie fürchten zudem ausländische Konkurrenz. Parlamentarier der christlich-demokratischen Koalitionspartei CDA machten geltend, Brinkhorsts Zeitplan sei zu ehrgeizig. Der CDA-Abgeordnete Jos Hessels nannte die Vorstellungen des Ministers "voreilig". Es bestehe zudem die Gefahr, daß die Sicherheit der niederländischen Energieversorgung durch die Marktöffnung nicht mehr gewährleistet werden könne.
Brinkhorst rechnet dennoch mit einer Mehrheit im Parlament. Er versucht die Bedenken des Koalitionspartners mit dem Argument zu zerstreuen, daß die Stromnetze nur zu höchstens 49 Prozent privatisiert werden sollen.