ED 04/12 Eine Welt ohne Öl (S.30-31)

London Citizens‘ Energy Forum

(Bürgerforum "Energy")

London Forum für Energieverbraucher

Sie als Energieverbraucher stehen im Zentrum der Energiepolitik der EU. Wo dieser Weg hingeht, das diskutieren einmal im Jahr Verbrauchervertreter, Regulierungsbehörden, Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission auf einem zweitägigen Treffen in London: dem London Citizens‘ Energy Forum. Es fand im Dezember 2013 zum sechsten Mal statt.

(24. März 2014) „Ein gut funktionierender einheitlicher Energiemarkt in Europa muss für Verbraucher spürbare Vorteile bringen hinsichtlich besserer Anbieterauswahl und besserer Preise. Das erfordert eine rechtzeitige und vollständige Umsetzung des dritten Energiepakets in allen Mitgliedsstaaten“ schreiben die Vorsitzenden von ACER und CEER, den beiden Zusammenschlüssen europäischer Regulierungsbehörden in ihrem Jahresbericht 2012.

1901 Konferenz

Im Abschlussdokument der London-Konferenz ist Folgendes zu lesen:

  • Das Forum begrüßt die Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen einzelne Mitgliedsstaaten wegen ungenügender Umsetzung des dritten Richtlinienpakets. (…) Viele Verbraucher haben nur eine ungenügende Auswahl an wettbewerbsfähigen und einfach verständlichen Tarifen und Preisen.
  • Das Forum unterstützt die RASP-Prinzipien und die Energieverbraucher-Vision für 2020 als Prüfsteine für einen Energiemarkt, der Verbrauchern Vorteile bringt.
  • Das Forum begrüßt, dass auch Verbraucher am Demand-Side-Management teilnehmen können. Die Teilnahme muss jedoch immer freiwillig sein und honoriert werden.
  • Das Forum ermutigt neue Initiativen, die die Energielandschaft verändern. Beispiele sind Bürgerzusammenschlüsse oder kollektiver Anbieterwechsel. Diese Bewegungen brauchen Aufmerksamkeit und Unterstützung, auch von Seiten des Gesetzgebers.
  • Verbrauchervertreter sollten auf nationaler Ebene in die Arbeit der Regulierungsbehörden eingebunden werden.
  • Das Forum konstatiert mit Betroffenheit, dass die Player am Energiemarkt zusehends das Vertrauen der Verbraucher verlieren.

Weitere Infos:

Bürgerforum „Energie“

ACER Market Monitoring Report 2013 (PDF, 11 MB)

Die Energieverbraucher-Vision 2020

Im Juni 2012 veranstaltete die Vereinigung der EU-Energieregulierungsbehörden in Brüssel ihre zweite Konferenz mit Vertretern von Verbraucherverbänden, Regulierungsbehörden und nationalen Ombudsleuten. Auf dieser jährlich stattfindenden Konferenz wurde eine Vision der Energieverbraucher für das Jahr 2020 entwickelt. Sie erhielt den einfachen Namen RASP. Das steht als Abkürzung für Reliability, Affordability, Simplicity, Protection & Empowerment:

  • Verlässlichkeit = Versorgungssicherheit und seriöser Verbraucherservice,
  • Erschwinglichkeit = faire Preise und Angebote, Energiesparangebote,
  • Einfachheit = vergleichbare Preise, einfacher Zugang,
  • Schutz & Verbraucherbeteiligung = Datenschutz, Streitschlichtung, schutzbedürftige Verbraucher, Wahlmöglichkeit.

Alle Beteiligte sind sich einig, an der Verwirklichung dieser Ziele zu arbeiten.

London Forum für Energieverbraucher

Über 200 Experten und Verbrauchervertreter diskutierten Probleme und Fortschritte auf dem Bürger-Energie-Forum in London.

London Forum für Energieverbraucher

Bezahlbare Energiepreise und mehr Schutz für Verbraucher: Die Öffnung der Energiemärkte kam für alle EU-Länder per Dekret aus Brüssel. Doch wie läuft es in der Praxis? Über 200 Experten und Verbrauchervertreter diskutierten Probleme und Fortschritte auf dem Bürger-Energie-Forum in London. Dieses Jahr war auch der Bund der Energieverbraucher mit von der Partie.

(05. Dezember 2011) Veranstalter des Forums, das nun zum dritten Mal tagte, sind die EU-Kommission, die Generaldirektion Verbraucherschutz sowie die Generaldirektion Energie. Teilnehmer waren die Vertreter der Verbraucherschutz-Verbände in den Mitgliedsländern, die nationalen Regulierungsbehörden für Energie sowie Vertreter der Industrieverbände für Energie und der Ministerien der Mitgliedsstaaten. Darüber hinaus besuchten zahlreiche hochrangige EU-Beamte die Tagung. Auf den ersten Blick war das Forum eine recht steife und formelle Veranstaltung. Doch zwischen den Zeilen, in persönlichen Gesprächen und den Diskussionen, zeigten sich die wirklichen Schmerzpunkte.

1901 Forum für Energieverbraucher in London

Insgesamt 20 Vorträge gaben einen Überblick darüber, wie sich die Energiemärkte in den Mitgliedsstaaten entwickelt haben. Zahlreiche Tabellen und Karten dokumentierten Fortschritte und Mängel in den einzelnen Staaten.

Aufgabe der Verbraucherschützer

Eine Veranstaltung vor dem eigentlichen Forum diskutierte sehr direkt die Verbraucherprobleme im Energiemarkt. Sie wurde von Consumer Focus veranstaltet, einer staatlich finanzierten Verbraucherschutzorganisation in Großbritannien. Nach vielen Jahren exzellenter Arbeit wird diese Organisation leider demnächst vom Staat aufgelöst.

Der bekannte BBC-Rundfunkjournalist Paul Lewis moderierte die Veranstaltung. Es ging darum, Verbrauchern mehr Einfluss auf Energiepolitik zu verschaffen und um den Schutz von Verbrauchern im Schlachtengetümmel des Energiemarkts. Schnell waren sich die Gesprächspartner einig: Gut informierte Verbrauchervertreter müssen die Interessen der Verbraucher durchsetzen. Doch diese müssen auch bezahlt werden – entweder vom Staat oder von Verbrauchern selbst.

Grundversorgung ist Goldgrube

Am Podium saß auch die britische Energiespezialistin Professor Brenda Boardman. Sie hat sich intensiv mit Energiearmut beschäftigt. Boardman beklagt, dass die Liberalisierung die Situation armer Verbraucher verschlechtert hat: Die Nichtwechsler müssten die Preisvorteile für die Wechselkunden finanzieren. Eine Studie der britischen Regulierungsbehörde OFGEM bestätigt dies: Danach liegt die Gewinnspanne der Versorger in der Grundversorgung mehrfach höher als bei den übrigen Tarifen. Darüber hinaus bürdet die Regierung den Energiepreisen immer mehr Lasten auf, etwa Energiesteuer, Umlage für Erneuerbare und Kraft-Wärme-Kopplung. Diese zusätzlichen Kosten betreffen arme Haushalte besonders.  Mit Nachdruck fordert Professor Boardman, dass die ärmsten Verbraucher auch zu den günstigsten Tarifen zu versorgen sind. Doch in der Praxis ist das Gegenteil der Fall: Die Marktöffnung belastet die ärmsten Verbraucher unverhältnismäßig stark. Allerdings fehlte das Thema Energiearmut auf der offiziellen Tagesordnung des Forums.

Der britische Energieminister Charles Hendry berichtete in seiner Rede über ein Förderprogramm, das die Wärmedämmung von Häusern vorfinanziert (Green Deal). Großbritannien hat den schlechtesten Wärmedämmungsstandard in Europa: Ein typisches Gebäude hat ähnlich wie in Deutschland vor 50 Jahren Einfachverglasung und keinerlei Wärmedämmung. Allerdings hat sich der Dämmstandard in den vergangenen Jahrzehnten ständig verbessert. Die britische Mehrwertsteuer erschwert die Sanierung: Während der Energieverbrauch nur fünf Prozent Mehrwertsteuer kostet, müssen die Verbraucher für eine Wärmedämmung den vollen Satz von 20 Prozent berappen.

Teure Smart Meter

Ein wichtiges Thema in London waren Smart Meter oder „elektronische Zähler“. Monique Goyens, Chefin der Europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC kritisiert, dass bei der Einführung dieser Zähler die Versorger davon profitieren, dass sich der Ablesevorgang vereinfacht, die Kosten dafür jedoch durch höhere Gebühren auf die Verbraucher abwälzen.

Insbesondere benachteiligten Verbrauchern fehle die technische und intellektuelle Möglichkeit, ihren Verbrauch in Zeiten mit günstigen Tarifen zu verlagern. Auch ohne Smart Meter seien die Tarife viel zu kompliziert und kaum nachvollziehbar. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich die Stromerzeugungskosten für die Zeiten mit hoher und geringer Nachfrage – Spitzenlast- und Grundlaststrom – in den vergangenen Jahren angeglichen haben. Insgesamt werde das Ausmaß möglicher Verlagerungen meist überschätzt. All dies zeige, dass die Einführung von Smart Metern und Lastverlagerungen eine clevere Idee von Strommanagern ist, die sich die Mehrkosten elektronischer Zähler von den Verbrauchern bezahlen lassen wollen. Es gibt dazu eine Menge von Kosten-Nutzen-Analysen, die erwartungsgemäß die Ansicht des Auftragsgebers bestätigen.

Faire Lösung per Schlichterspruch

Jacqueline Minor, Direktorin in der Generaldirektion Verbraucher, hat die Schlichtungsstellen in Europa verglichen und deren Erfahrungen ausgewertet. Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass „faire“ Lösungen in der Regel von beiden Seiten akzeptiert werden – und zwar unabhängig von der Rechtslage. Wichtig sei auch, benachteiligten Verbrauchern dabei zu helfen, Zugang zum Schiedsverfahren zu erhalten. Die britische Schlichtungsstelle bietet dazu gezielt Hilfestellungen an. Häufige Hauptquellen von Beschwerden sind Streitigkeiten über Zählerstände, falsche Rechnungen und  Zahlungsprobleme.

Abschreckender Tarif-Dschungel

Die verwirrende Vielfalt von Tarifen schreckt Verbraucher häufig von einem Anbieterwechsel ab. Der Wettbewerb kann so nicht greifen, es profitieren die Versorger. Eine Studie der britischen Regulierungsbehörde hat übrigens ergeben, dass ein Drittel der Verbraucher beim Anbieterwechsel keine günstigeren Preise erzielen. Etwa die Hälfte aller Anbieterwechsel erfolgt in Großbritannien durch Haustürvertreter. Nur etwa 16 Prozent nutzen einen Preisrechner. Deshalb zahlen viele Verbraucher unnötig hohe Preise. Arme Haushalte sind davon zudem besonders häufig betroffen.

Laut Umfragen wünschen sich Verbraucher vor allem einfachere Tarife, die sie auf einen Blick verstehen und mit anderen Angeboten vergleichen können – etwa durch einen klar gekennzeichneten Mengenpreis.  Die EU-Richtlinien fordern zwar einfach zu vergleichende Tarife und Vertragsbedingungen, doch die Energieversorger und die Regulierungsbehörden setzen diese Vorschrift nicht durch.

Die britische Regulierungsbehörde Ofgem fordert eine radikale Reform zu einfacheren Tarifen, um den Wettbewerb zu fördern. Sie will den Tarif-Wildwuchs durch enge Vorschriften beschneiden, so dass nur noch wenige und einfach vergleichbare Tarife übrigbleiben. Diese Vorschläge werden in den kommenden Wochen in einem öffentlichen Anhörungsverfahren debattiert.

Preisvergleich im Internet

Für den Anbieterwechsel spielen Preisvergleichsmöglichkeiten im Internet eine sehr wichtige Rolle. Solche Portale werden in neun EU-Ländern vom Staat betrieben, in den übrigen Ländern handelt es sich um private Anbieter. Letztere unterliegen entweder einer Aufsicht durch den Regulator oder unterwerfen sich freiwilligen Verhaltensregeln. Dabei stellt sich allerdings als problematisch heraus, dass vor allem arme und benachteiligte Verbraucher kaum Zugang zum Internet und somit zu den günstigeren Energietarifen haben.

Solange Tarifvergleiche nicht viel einfacher sind, wird das Engagement der Verbraucher für den Wechsel gering bleiben.

Dänemark etwa geht mit gutem Beispiel voran. Dort hat der Gesetzgeber die Anbieter verpflichtet, ihre Tarifdaten einschließlich der zugehörigen Vertragskonditionen zu veröffentlichen. Wer dagegen verstößt, muss Strafe zahlen.

Die Vereinigung der Energieregulatoren in Europa hat einen Vorschlag für die Gestaltung von Preisrechnern in einem öffentlichen Verfahren zur Diskussion gestellt.

Monique Goyens, Chefin der europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC, sieht an dieser Stelle auch die EU in der Pflicht: Auch bei Telefontarifen hat die Kommission direkt in die Preise eingegriffen. Das könnte auch bei Energiepreisen passieren.

letzte Änderung: 15.06.2015