Informierte Verbraucher
Der unbekannte Verbraucher
Wie berichten Medien über Energiethemen? Was wünschen sich Verbraucher wirklich? Eine Studie der Universität Hohenheim nimmt die Branche und ihr Image unter die Lupe. Ergebnis: Die Verbraucher wünschen sich teilweise mehr Informationen - und vertreten zum Teil ganz andere Positionen als die von ihnen gewählten Politiker.
(11. September 2010) Informationen und die mediale Berichterstattung nahmen bei der Untersuchung einen hohen Stellenwert ein, denn die Studie erfolgte vom Fachgebiet Kommunikationswissenschaft und Journalistik gemeinsam mit dem Branchenverband der Energie- und Wasserwirtschaft in Baden-Württemberg und dem Forsa-Institut. Für die Analyse „Eckpunkte erfolgreicher Energiekommunikation" befragten die Wissenschaftler 40 Experten aus Medien, Politik, Behörden und Ministerien, Energie- und Wasserwirtschaft, anderen Wirtschaftsverbänden, Verbraucherschutz und Wissenschaft zu Akteuren, Themen und Abläufen der öffentlichen Diskussion über Energie und Wasser. Hinzu kam eine Analyse der Berichterstattung von Leitmedien und Regionalzeitungen sowie eine repräsentative Befragung der Bevölkerung.
Dauerbrenner Energie
Energiethemen stehen nicht nur in Wahlkampfzeiten ganz oben auf der öffentlichen Agenda: Sie sind stets brisant und heiß umkämpft. Vor allem Strom- und Gasthemen haben einen hohen Stellenwert - das Thema Wasser hingegen scheint weniger aktuell zu sein. Zum Thema Energie gibt es in der Öffentlichkeit hingegen viele, teils widersprüchliche Botschaften.
Die ausführliche Befragung der 40 Experten ergab, dass als Meinungsführer ein Netzwerk aus Versorgungsunternehmen, Behörden, Politikern, Umwelt- und Verbraucherschützern und Wissenschaftlern gilt. Diese Personen setzen teilweise die Schwerpunkte in der öffentlichen Debatte. Zu den thematischen Dauerbrennern gehören beispielsweise der Strom-Energiemix und die Zukunft der Kernenergie, aber auch die Preisentwicklungen von Strom und Gas.
Wissenschaft genießt Vertrauen
Nach Ansicht der befragten Meinungsführer dominieren Akteure aus Politik und dem Verbraucherschutz die öffentlichen Diskussionen, aber teilweise auch die Energieversorger. Wirtschaftsverbände und Wissenschaftler scheinen hingegen nur wenig Gehör zu finden. Parteien und Politiker haben dabei ein negatives Image, während Wissenschaftler und Verbraucherschützer einen guten Ruf genießen. Als „glaubwürdig" gelten allerdings hauptsächlich die Wissenschaftler. Bei den übrigen Akteuren gehen die Befragten davon aus, dass sie vornehmlich ihre eigenen Interessen verfolgen und daher wenig objektiv sind.
Themen rund um Strom, Gas und Wasser nimmt die Mehrheit der Befragten als komplex und schwer verständlich wahr. Befragte Journalisten gingen davon aus, dass sich ihre Leser vor allem für den eigenen Geldbeutel interessieren und somit für das Thema Energie- und Wasserpreise. Insgesamt legten die befragten Journalisten viel Wert auf Objektivität und kritische Distanz. Sie zeigen eine ausgeprägte Orientierung am Verbraucher.
Negatives Image
Die Studie untersuchte auch die Berichterstattung der Medien zu Energiethemen in Baden-Württemberg im Jahr 2009. Wichtigste Themen waren Markt, Wettbewerb, Kernenergie sowie einzelne Unternehmen. Energiepreise kommen erst an fünfter Stelle, noch hinter erneuerbaren Energien. Die Bewertung der Energiewirtschaft fällt tendenziell negativ aus. Vor allem die Bereiche Kernenergie und Preise trüben das Bild der Branche. Bei den Preisen dominiert eine generelle Ablehnung von Preiserhöhungen.
Informationshungrige Verbraucher
Eine direkte Befragung richtete sich an die Bevölkerung in Baden-Württemberg. Ergebnis: Die Verbraucher interessieren sich vor allem für Fragen zum gegenwärtigen und zukünftigen Energiemix sowie für die Rolle alternativer Energien bei der Energieerzeugung. An zweiter Stelle stehen Folgen der Erzeugung und Versorgung mit Energie für die Umwelt sowie das Klima. Zu diesen Themen wünschten sich die Befragten deutlich mehr Informationen. Das Thema Preise rangiert erst auf dem dritten Platz, gefolgt vom Bereich Energiesparen. Auf dem letzten Platz liegt das Thema Anbieterwechsel.
Verbraucher wollen Atomausstieg
Bei der Befragung sprachen sich 60 Prozent der Befragten für einen Atomausstieg bis zum Jahr 2020 aus. Nur etwa ein Drittel unterstützt längere Laufzeiten. Etwas mehr als die Hälfte der Verbraucher spricht sich für höhere Preise aus, wenn die Erzeugung aus erneuerbaren Energien erfolgt.
Die Befragten führen Verbraucher- und Umweltschutz sowie Bürgerinitiativen als wichtige Meinungsführer an. Von ihnen wünscht sich die Mehrheit mehr Kommunikation und Einfluss in der Debatte. Von zivilgesellschaftlichen Verbraucher- und Bürgervertretern wünschen sich die Bürger, dass ihr Einfluss wächst. Gleiches gilt für die Wissenschaft.
Verbraucher setzen auf Erneuerbare
Eine unlängst durchgeführte Befragung des Allensbach-Instituts zielte ebenfalls auf die energiepolitischen Vorstellungen der Bevölkerung ab. Die Befragten erwarten danach von der Politik die Sicherung eines breiten Energiemixes und die Förderung erneuerbarer Energien und Klimaschutz. Von den Versorgern werden niedrige Preise und Versorgungssicherheit verlangt. Die Befragten können sich nicht vorstellen, dass die Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland ernsthaft gefährdet sein könnte.
80 Prozent der Bevölkerung wünscht sich, dass die Sonnenenergie den größten Beitrag zur Energieversorgung leistet. Zwei Drittel sind überzeugt, dass die Sonnenenergie in den kommenden 20 bis 30 Jahren den größten Beitrag zur Energieversorgung beisteuern wird.
Kernkraft, nein danke!
Mehr als drei Viertel der Deutschen lehnen eine Laufzeitverlängerung von mehr als zehn Jahren für die Kernkraftwerke ab. 48 Prozent wollen die Laufzeiten gar nicht verlängern, ergab eine repräsentative Umfrage von TNS Emnid im Auftrag der Hamburger Zeit.
In Baden-Württemberg, wo sich Minister-präsident Stefan Mappus (CDU) kürzlich für 15 Jahre und mehr ausgesprochen hatte, sind 47 Prozent der Bevölkerung gegen jegliche Laufzeitverlängerung. 27 Prozent befürworten höchstens zehn Jahre. Insgesamt 74 Prozent der Baden-Württemberger lehnen damit die Atompolitik im Ländle ab.
58 Prozent aller Deutschen wären bereit, für Ökostrom rund zehn Prozent mehr zu zahlen als bisher, so die Umfrage. In Baden-Württemberg seien es sogar 71 Prozent. 47 Prozent der Deutschen glauben, dass die Verlängerung der KKW-Laufzeiten den Ausbau erneuerbarer Energien bremsen würde. In Baden-Württemberg sind es 52 Prozent.
Schreiben Sie uns!
Auch die Energiedepesche möchte in ihrer redaktionellen Arbeit den Wünschen der Verbraucher nach mehr Informationen Rechnung tragen.
Standen bisher praktische Themen im Vordergrund, so sollen in diesem Heft auch Fragen zum Energiemix, erneuerbaren Energien und Klimawandel behandelt werden. Haben Sie weitere Themen, die Sie interessieren?
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Frankfurter Str. 1, 53572 Unkel, Fax: 02224.123 123-9
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Diese These begründet Ingo Schoenheit in einem anregenden Grundsatzartikel.
Nur gut informierte Verbraucher sind Könige
Mächtig sind nur gut informierte Verbraucher. Diese These begründet Ingo Schoenheit in einem anregenden Grundsatzartikel.
(22. September 2004) - Konsumenten ruinieren durch ihr Kaufverhalten schlechte Anbieter und fördern "kreative Zerstörungen", die ganz im Sinne des österreichischen Nationalökonom Schumpeter für Innovationen in marktwirtschaftlichen Systemen unerlässlich sind. Mit ihren individuellen Kaufentscheidungen am Markt erfüllen Verbraucher deshalb auch eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion: Sie signalisieren welches Angebot, welche Produkte und Leistungen und welche Anbieter am besten in der Lage sind, ihre Bedürfnisse zu erfüllen.
Der Konsument ist in diesem Modell der Souverän am Markt. Nicht nur bei Adam Smith, sondern bei vielen anderen Vordenkern der modernen Volkswirtschaft bekommt dieses Modell eine normative Kraft, wenn es heißt, dass alle Produktion nur das letztliche Ziel habe, dem Konsum beziehungsweise dem Konsumenten zu dienen.
Selbst wenn die Konsumenten nur beschränkt rational handeln, sich auch von Erlebnissen und Emotionen beeinflussen lassen und neben eigennützigen auch nichteigennützige soziale und ökologische Ziele beim Konsum verfolgen, sind sie mit ihrem Kauf- und Artikulationsverhalten ein aktiver und entscheidender Marktakteur.
Informationen sind wichtig
Damit sie ihre aktive Rolle in der Marktwirtschaft wahrnehmen können, benötigen die Konsumenten jedoch in jedem Fall Informationen über das vorhandene Marktangebot. Konsumenten benötigen Informationen über das Marktangebot nicht nur, um ihre Bedürfnisse angemessen befriedigen zu können und um Fehlkäufe zu vermeiden. Sie benötigen Informationen auch, um ihre zentrale volkswirtschaftliche Funktion ausüben zu können, die darin besteht, jene Angebote und Anbieter zu selektieren, die ihre Bedürfnisse am besten befriedigen.
Asymmetrische Informationsverteilung
Information und Markttransparenz sind spätestens seit dem klassischen Artikel von Akerlof aus dem Jahr 1970 ("The Market for Lemons") ein zentrales Thema in der Wirtschaftstheorie geworden. Ausdruck dafür ist die Nobelpreisverleihung im Jahre 2001 an Akerlof und zwei Kollegen für diesen Forschungsansatz.
Akerlof beschreibt am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes, wie Märkte mit einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Anbietern und Nachfragern zusammenbrechen können, wenn für die Anbieter von Gütern guter Qualität keine Möglichkeit besteht, den Nachfragern diese Qualität glaubwürdig zu signalisieren. Wenn die Käufer den Unterschied zwischen guten und schlechten Gebrauchtwagen nicht kennen, müssen die Anbieter der guten Gebrauchtwagen schrittweise mit dem Preis heruntergehen. Im Ergebnis verdrängen dann die schlechten Autos tendenziell die guten.
Weitere Informationen zum Thema Asymmetrische Informationsverteilung:
Download Lambsdorff Asymmetrische Information (221.61 kb | 26.10.2004)
Anbieter müssen überzeugen
Anbieter einer besseren Qualität stehen demnach systematisch vor dem Problem, wie sie die asymmetrische Informationsverteilung (der Anbieter kennt die gute Qualität des von ihm angebotenen Gutes, der Nachfrager jedoch nicht) überwinden können. Die Überwindung der Informationsasymmetrien liegt hier im wohlverstandenen Eigeninteresse der Anbieter von Produkten mit guter Qualität. Eine den Nachfrager überzeugende Information über die tatsächlichen Qualitäten des Angebotes ist erforderlich, damit ein Qualitätswettbewerb unter den Anbietern zustande kommt und eine volkswirtschaftlich produktive Selektion der besten Angebote und der besten Anbieter möglich wird.
Nicht alle Produkteigenschaften lassen sich vor dem Kauf prüfen.
Harte und weiche Informationen
Als besonders hilfreich erweist sich eine Typisierung von Produkteigenschaften, die drei Arten von Eigenschaften unterscheidet:
- Sucheigenschaften kann der Käufer bereits vor dem Kauf eines Gutes durch die eigene Wahrnehmung ("Inspektion") vollständig beurteilen.
- Erfahrungseigenschaften erschließen sich dagegen erst nach dem Kauf bei Gebrauch des Produktes.
- Vertrauenseigenschaften können von den Käufern weder vor noch nach dem Kauf beurteilt werden, oder nur durch einen prohibitiv hohen Aufwand. Auch die eigenen Erfahrungen mit den gekauften Produkten helfen nicht weiter. Ob das gekaufte Produkt diese bestimmte Eigenschaft tatsächlich hat, beziehungsweise hatte, muss geglaubt werden.
Diese Unterscheidung ist so wichtig, weil ernsthafte Probleme der asymmetrischen Informationsverteilung und der Verbesserung des Informationsangebotes auf Konsumgütermärkten vor allem bezüglich der Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften von Gütern entstehen.
Vertrauen wird wichtiger
Wichtiger werden heutzutage die verborgenen Qualitäten von Produkten, die Vertrauenseigenschaften. Die sozialen Bedingungen der Produktion bei Zulieferfirmen der Textilindustrie, artgerechte Aufzucht von Tieren, die ökologisch verträgliche Erzeugung von Strom, der Flottenverbrauch eines Automobilherstellers oder die Anlagepolitik eines Rentenfonds werden gerade deswegen Vertrauenseigenschaften genannt, weil sich ihre Beurteilung der Erfahrung durch den einzelnen Konsumenten weitgehend oder vollkommen entziehen. Die hier erwarteten Aussagen zu diesen verborgenen Eigenschaften können nur geglaubt werden.
Marken als Lösung?
Bei einem genaueren Hinsehen zeigen sich deutliche Grenzen der Lösung des Informationsproblems durch Marken und Reputation. Marken wirken, weil sie eine einfache, ganzheitliche und auch emotionale Botschaft konsistent und wirksam kommunizieren. Sie wirken als "information chunks", doch sie informieren den an bestimmten Leistungen des Produktes interessierten Verbraucher nicht wirklich.
Wie sehen Verbraucherinformationen aus?
Unter Verbraucherinformationen werden vor allem
- solche Informationen verstanden, die von Anbietern in der Regel warenbegleitend aufgrund von gesetzlichen Vorschriften mitgeliefert werden oder die dem Konzept einer freiwilligen Selbstbindung folgend in einer weitgehend standardisierten und deshalb leicht vergleichbaren und wiedererkennbaren Art und Weise von den Anbietern zur Verfügung gestellt werden, und
- solche Informationen, die von Verbraucherverbänden oder -institutionen mit dem Ziel verbreitet werden, Entscheidungen von Konsumenten, die mit dem Kauf und/oder der Verwendung von Produkten und Leistungen in Zusammenhang stehen, zu verbessern und zu erleichtern.
Insbesondere müssen Verbraucherinformationen der Anbieter die Beliebigkeit der Informationsdarstellung und -verbreitung begrenzen. Die Informationsdarbietung muss "... nach bestimmten transparenten Regeln erfolgen, die ein Mindestmaß an Objektivität, Vergleichbarkeit und Regelmäßigkeit sicherstellen."
Hier finden Sie die ausführliche Fassung des Beitrags.
Beispiele
Strom als homogenes Gut hat technisch überall in Deutschland dieselben "Eigenschaften". Der Preis ist eine relativ einfach zu vergleichende Eigenschaft, die Anbieter unterscheidet. Die Umweltfreundlichkeit von Strom und Stromanbietern ist dagegen eine nur schwer zu objektivierende Vertrauenseigenschaft.
Die Informationen über die Kundenfreundlichkeit von Stromanbietern aufgrund bisheriger Verbrauchererfahrungen stehen öffentlich zur Verfügung (zum Beispiel IWR, Verivox). Verbraucher sollten diese Informationen berücksichtigen, damit Anbieter mit schlechtem Service am Markt keine Chance mehr haben und ihr Verhalten ändern müssen. Die Abkehr der Verbraucher vom bisherigen Stromanbieter wäre möglich und würde meist sogar Kosten sparen und insgesamt strompreissenkende Wettbewerbsbelebung verursachen.
Die Verbraucher sind aber zu schlecht informiert über die positiven Wirkungen eines Anbieterwechsels. Hier fehlt es an Verbraucherinformation. Die Verbrauchskennzeichnung von Elektrogeräten ist eine klassische Verbraucherinformation, mit der Verhalten gezielt und erfolgreich gesteuert wird.