ED 04/12 Eine Welt ohne Öl (S.30-31)

Caritas Stromcheck

Er hilft, wenn Energie unbezahlbar wird

Viele Deutsche können ihre Stromrechnung nicht bezahlen – Sozialforscher sprechen von Energiearmut. Rolf Krautter von der Caritas in Hamburg berät betroffene Haushalte. Wir haben ihn begleitet.
Von Kathinka Burkhardt

(8. September 2025) Rolf Krautter steht vor einer Tür im dritten Stock eines Hamburger Mehrfamilienhauses aus den Fünfzigern und weiß nicht, was ihn erwartet. Der silberne Koffer in seiner Hand verleiht dem 66-Jährigen etwas von einem Notarzt. Und gewissermaßen ist Krautter das auch: Als Stromcheck-Mitarbeiter der Caritas berät er einkommensschwache Haushalte – ein Ersthelfer in Sachen Energie.

Eine ältere Dame öffnet die Tür und bittet ihn ins Wohnzimmer. An den karminroten Wänden hängen alte Fotos, aus einem Ölgemälde schaut ein Tiger herab, auf dem Boden sind grüne Holzspanplatten verlegt. Krautter klappt den Koffer auf. »Ich erkläre Ihnen erst mal, was wir als Beratungsstelle machen, und dann gehen wir Ihren Stromverbrauch durch«, sagt er.

 ED 02/2025 Er hilft, wenn Energie unbezahlbar wird (S.26/27) 

Rolf Krautter vom Stromsparcheck.

Mehr als 150 Haushalte besuchen Krautter und seine fünf Kollegen vom Hamburger Stromsparcheck jedes Jahr. Das staatlich geförderte Projekt, das es deutschlandweit in 190 Städten gibt, ist neben der Beratung der Verbraucherzentralen  eines der wichtigsten Angebote für Menschen mit geringem Einkommen. Der Service ist kostenlos.

Das monatliche Bürgergeld von rund 526 Euro enthält eine Strompauschale von 45,70 Euro. Jeden Cent mehr an Stromkosten muss ein Haushalt vom übrigen Geld bestreiten. Wer darunter bleibt, kann das Geld anderweitig einsetzen. »Wer bei Strom und Wasser spart, spart direkt für den eigenen Geldbeutel«, sagt Krautter.

Der CO2-Preis belastet ärmere Haushalte stärker

Das ist umso wichtiger, als die Belastung durch Energiekosten künftig noch wachsen dürfte. Denn der CO2-Preis, mit dem der Gesetzgeber einen Anreiz zum Abschied von fossilen Rohstoffen setzen will, wird weiter steigen. Das spüren insbesondere ärmere Verbraucher, die im Schnitt einen höheren Anteil ihres Einkommens für Energie ausgeben als Gutverdiener. Einen Ausgleichsmechanismus wie etwa Klimageld gibt es in Deutschland allerdings nicht. Dabei sind laut einer Studie des Öko-Instituts schon jetzt gut zehn Prozent der Haushalte von Energiearmut betroffen: Sie  können aufgrund ihrer Einkommenssituation nicht nach Bedarf heizen oder sind von ihren Stromkosten übermäßig belastet. Statistisch heizen gerade diese Menschen oft mit Öl oder Gas und leben in älteren, tendenziell schlecht gedämmten Wohnungen. Viele haben als Mieter keinen Einfluss auf die Art der Heizung. Den Hausbesitzern unter ihnen fehlt das Geld für PV-Anlagen oder eine bessere Dämmung.

In Hamburg-Altona will Rolf Krautter heute Margarete Bormann helfen, die in Wahrheit anders heißt. Ihre Rente ist klein und deckt nicht alle Kosten. Ihren Stromverbrauch kennt sie nicht. In einem Papierstapel wühlt sie  nach der Abrechnung. »Das ist kein Problem, ich lese gleich ihren Zähler ab und dann rechnen wir den Verbrauch aus«, sagt Krautter.

10 % der Haushalte sind von Energiearmut bedroht
Quelle: Öko-Institut

Obwohl sich seine Kunden selbst für einen Stromsparcheck anmelden, sind sie anfangs oft nervös, manchmal beschämt. Krautter kann ihre Ängste gut nachempfinden. 2008 wurde er selbst arbeitslos. Trotz jahrelanger Berufserfahrung galt er damals als »auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar«. 2010 schließlich kam er in das geförderte Projekt der Caritas. Dort wurde er zum Stromsparexperten weitergebildet und beriet seither Hunderte Haushalte.

Deutschlandweit haben eine halbe Million Haushalte vom Stromsparcheck profitiert. »Jeder spart etwa 300 Euro und eine halbe Tonne CO2 ein – jährlich und auf Dauer«, sagt Werner Neumann, Ideengeber des Projekts und Vorstand im Bund der Energieverbraucher. »Als wir Ende der Neunzigerjahre einen kleinen Laden zur Energieberatung eröffneten, ging es darum, mit dem Sparen von Strom der Atomkraft etwas entgegenzusetzen und die damals geplanten Kohlekraftwerke überflüssig zu machen«, sagt er.  Als im Zuge der Agenda 2000 das Modell der Ein-Euro-Jobs für Arbeitslose eingeführt wurde, suchte die Stadt Frankfurt nach Ideen für passende Tätigkeiten. Neumanns Idee von der Stromsparberatung fand Anklang. Wenig später stieß mit dem katholischen Sozialverband Caritas ein Partner hinzu, der die Idee als langfristiges Projekt für Arbeitslose umsetzte.

»Jede Kilowattstunde gesparter Strom hilft«

Stromsparen ist in Neumanns Augen wichtiger denn je: »Bei den CO2-Einsparzielen, die Deutschland und die EU haben, hilft jede Kilowattstunde gesparter Strom.«

In Hamburg-Altona geht Rolf Krautter heute mit einem Block in der Hand durch jedes Zimmer. Er notiert sich Lampen, die noch keine LED-Glühbirne haben, betrachtet Elektrogeräte und gibt Tipps. Zum Schluss prüft er den Kühlschrank. Da er älter als zehn Jahre ist und eine veraltete Energieklasse hat, bekommt Bormann einen Zuschuss von 200 Euro vom Stromsparcheck, wenn sie einen neuen kauft.

In zehn Tagen wird Krautter erneut kommen und Sparmittel für Strom und Wasser mitbringen. 70 Euro darf er pro Haushalt verbauen. »Wir versuchen, mit Material zu helfen. Aber daneben kommt es auch auf das Nutzerverhalten an«, sagt er.

Auch Balkonkraftwerke sind ein Thema

Der Stromsparcheck hat sich über die Jahre weiterentwickelt. So können sich Haushalte etwa auch zu Balkonkraftwerken beraten lassen. Bis Ende 2026 ist die staatliche Förderung für das Caritas-Projekt gesichert. Mitgründer Neumann geht davon aus, dass es darüber hinaus weitergeht: »Das Thema Energiearmut ist auf EU-Ebene angekommen, und mit dem sozialen Energiefonds wird es eine Förderstruktur geben, in die der Stromsparcheck gut hineinpasst.«

Krautters Job ist nicht jedermanns Sache. Man benötige eine gute Portion Empathie. Gleichzeitig dürfe man nicht jedes Schicksal zu nah an sich heranlassen. Für den erfahrenen Berater gibt es dennoch keine bessere Aufgabe. »Das Schöne ist im Vergleich zu anderen Außendienstjobs: Wir kommen wirklich nur vorbei, um zu helfen.«

Kleines Einmaleins des Stromsparens:

  1. Handy, elektrische Zahnbürsten, Laptop: Wer Ladekabel dauerhaft stecken lässt, verbraucht unnötig Strom.
  2. Glühbirnen durch LED-Sparlampen ersetzen.
  3. Jedes Grad wärmer kostet: Bei sieben Grad lagern Lebensmittel im kalt genug, im Gefrierfach genügen minus 18 Grad.
  4. Auf Töpfen sollten Deckel ruhen. Wer die passende Menge Nudelwasser  im Wasserkocher erhitzt und umfüllt, spart Strom. Mit einem Gartopf sind 50 Prozent Ersparnis drin.
  5. Mit Heiß- und Umluft statt Ober- und Unterhitze sind oft 40 Prozent Einsparungen beim Backen drin. Noch weniger verbraucht ein Airfryer, der oft auch Brötchen aufbackt.
  6. Waschmaschine und Geschirrspüler im Eco-Programm betreiben. Das dauert zwar länger, spart aber Energie.
  7. Abschaltbare Steckdosenleisten verwenden und bei längerer Abwesenheit abstellen.

Kühlschranktausch hilft sparen

(4. April 2014) Bundesumweltministerin Barbara Hendricks startete gestern ein Kühlgeräte-Tauschprogramm für einkommensschwache Haushalte. Bis zu 16.000 alte Geräte mit hohem Stromverbrauch sollen innerhalb von zwei Jahren durch moderne energiesparende Kühlgeräte ersetzt werden. Das Projekt startet bundesweit an zunächst 67 Standorten, in den nächsten Monaten sollen es rund doppelt so viele werden. Rund 5 Mio kWh Strom können damit pro Jahr eingespart werden. "Stromspar-Check PLUS" wird in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Caritasverband und dem Bundesverband der Klimaschutz- und Energieagenturen Deutschlands organisiert.

2588 Küche / Foto: photocase.de/leonrojo

Die Aktion ist zugeschnitten auf Bezieher von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Wohngeld. Zunächst wird bei einem Stromspar-Check im Teilnehmer-Haushalt ermittelt, ob sich durch einen Gerätetausch eine Stromeinsparung von mindestens 200 kWh pro Jahr erzielen ließe und ob das alte Gerät mindestens zehn Jahre alt ist. Treffen beide Voraussetzungen zu, wird der Austausch des alten Kühlschranks durch ein neues Gerät der Effizienzklasse A+++ mit 150 Euro bezuschusst. Alleine durch einen solchen Kühlschranktausch können die Haushalte ihre Stromrechnung im Schnitt um rund 100 Euro pro Jahr reduzieren. Hinzu kommt die Wirkung des vorgelagerten Stromspar-Checks, das verdoppelt in der Regel den Einspareffekt auf rund 200 Euro im Jahr. Weitere Informationen gibt es unter www.bmub.bund.de sowie www.stromspar-check.de.

Stromspar-Check erfolgreich

Insgesamt bescheinigte die FU Berlin dem Stromspar-Check eine hohe Wirksamkeit für den Klimaschutz und eine große Breitenwirkung.

Stromspar-Check erfolgreich

(27. September 2010) Der bundesweit von der Caritas und den Energie- und Klimaschutzagenturen angebotene Stromspar-Check für einkommensschwache Haushalte ist noch erfolgreicher als gedacht.

Bezieher von Arbeitslosengeld II zahlten durchschnittlich 102 Euro weniger Stromkosten pro Jahr, die Empfänger von Wohngeld hätten ihre jährlichen Aufwendungen für Strom, Heizung und Warmwasser sogar um durchschnittlich 171 Euro reduzieren können.

Dies sind die zentralen Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation des Projekts, die die Forschungsstelle Umweltpolitik der FU Berlin im Auftrag der nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums vorgenommen hat. Die bisherigen Annahmen lagen rund 10% darunter.

Insgesamt bescheinigte die FU Berlin dem Stromspar-Check eine hohe Wirksamkeit für den Klimaschutz und eine große Breitenwirkung. Insgesamt 33.000 Bezieher von Arbeitslosengeld II, Wohngeld oder Sozialhilfe wurden in den vergangenen eineinhalb Jahren von einem der rund 1500 Stromsparhelfer beraten und erhielten kostenlos Energiesparlampen, Steckerleisten, Wasserperlatoren und andere Hilfsmittel zur Senkung der Strom- und Wasserkosten.

Das Projekt soll 2011 fortgesetzt werden. Dazu würden weitere Geldgeber gesucht, hieß es. Für EVU sei der Stromspar-Check eine hervorragende Möglichkeit, mit dem Thema "Energieschulden" präventiv umzugehen und daher langwierige und kostspielige Mahnverfahren zu vermeiden.

Unterwegs im Zeichen des Sparschweins

Seit einem Jahr kämpft ein Heer von Stromsparhelfern an vorderster Front.

Unterwegs im Zeichen des Sparschweins

Seit einem Jahr kämpft ein Heer von Stromsparhelfern an vorderster Front: Die Energieberater der Caritas haben mittlerweile in 60 Städten und Gemeinden 11.000 einkommensschwache Haushalte besucht.

(2. Januar 2010) Viele finanzschwache Haushalte haben ungewöhnlich hohe Stromkosten. Der Informationsstand rund ums Energiesparen ist oft niedrig, die Verschwendung enorm. Doch ausgerechnet die Betroffenen nutzen kaum klassische Beratungsangebote, etwa von Verbraucherzentralen. Mit Mitteln des Umweltministeriums werden diese Haushalte derzeit unter Federführung der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands energetisch saniert.

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Das lohnt sich sowohl für die Haushalte, denn auch die Empfänger von Arbeitslosengeld zahlen ihre Stromkosten selber. Darüber hinaus profitieren auch Städte und Kommunen, denn nach der Beratung sparen Betroffene in der Regel nicht nur Strom, sondern auch Wasser - und diese Kosten trägt die Gemeinde.

Die Stromsparhelfer

Jeder in das Projekt eingebundene Caritas-Standort beschäftigt in Kooperation mit den Jobcentern und Sozialverwaltungen eine gewisse Anzahl von Langzeitarbeitslosen, die zu Stromsparhelfern geschult wurden. Die fachliche Anleitung der etwa 600 Stromsparhelfer liegt in den Händen der regionalen Energieagenturen.

Als Trainer fungieren entweder eigene Mitarbeiter oder beauftragte Energieberater, etwa aus den Verbraucherzentralen. Die Stromsparhelfer erhalten etwa 60 Stunden fachlichen Unterricht zum Thema Energiesparen. Darüber hinaus bietet die Caritas ein 20-stündiges Kommunikationstraining an.

Anschließend erfolgt die praktische Einweisung. Zunächst begleitet der Trainer die frischgebackenen Energiesparhelfer, später führen sie den Check in Zweierteams durch. Die Stromsparhelfer kennen sich mit den Sorgen und Nöten einkommensschwacher Haushalte gut aus. Sie können deshalb Tipps und Ratschläge geben, die sich am realistischen Verbrauchsverhalten orientieren. Außerdem haben die Stromsparhelfer die Chance, sich zum zertifizierten Energieberater weiterzuqualifizieren, und können so in den regulären Arbeitsmarkt zurückfinden und einen interessanten und zukunftsfähigen Beruf erlangen.

Der Check in der Praxis

Der Stromspar-Check besteht aus zwei Hausbesuchen: einer Verbrauchsanalyse und einer Verbrauchsempfehlung. Beim ersten Termin erfassen die Energiespar-Checker den Ist-Zustand. Sie tragen dazu in ein Formular ein, welche elektrischen Geräte im Haushalt wie stark genutzt werden. Dabei kommen sämtliche Stromverbraucher auf den Prüfstand. Auch die Warmwasserbereitung ist relevant, wenn sie mit elektrischen Boilern oder Durchlauferhitzern erfolgt.

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Der Energiesparkoffer erlaubt sofortige Hilfe beim Energiesparen.

Der zweite Besuch ist den Sofortmaßnahmen vorbehalten. Bei diesem Termin geben die Stromsparhelfer qualifizierte Ratschläge, wie die Verbraucher allein durch verändertes Verhalten ihren Stromverbrauch senken können. Außerdem erhalten die Beratungshaushalte je nach individuellem Bedarf kostenlos einige Stromspar-Artikel. Die Stromsparhelfer haben bei ihrem zweiten Besuch einen Koffer mit einem sogenannten Soforthilfe-Paket im Wert von bis zu 70 Euro dabei. Es besteht aus Energiesparlampen, schaltbaren Steckdosenleisten, Zeitschaltuhren, TV-Abschaltern, Luftsprudlern, WC-Stoppgewichten und wassersparenden Duschköpfen.

Einsparpotential für Strom und CO2

Ein Zwei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von jährlich 2.500 Kilowattstunden kann etwa 80 Euro Stromkosten sparen. Eine größere Familie mit Kindern sogar 100 Euro oder mehr. Das haben Pilotprojekte in Freiburg und Berlin ergeben. Durchschnittlich senkt der Einsatz der Stromsparhelfer den Stromverbrauch der betroffenen Haushalte um etwa 20 Prozent.

Das Ziel der zweiten Projektphase ist es, bis Ende 2010 bis zu 36.000 weitere einkommensschwache Haushalte zu erreichen. Insgesamt kann das zwischen 9,6 und 15,7 Gigawattstunden Strom jährlich sparen.

Regionale Ansprechpartner

Haushalte, die den Stromspar-Check in Anspruch nehmen wollen, können auf verschiedene Weise Kontakt aufnehmen.

Nachhilfe beim Stromsparen

Praxisbericht der Energiesparexperten an der Basis

Nachhilfe beim Stromsparen

Astronomisch hohe Stromrechnungen, sinnlose Stand-By-Verbräuche, allzu sorgloser Umgang mit Stromfressern - die Energiesparexperten an der Basis staunen gelegentlich nicht schlecht, wie mit der Ressource „Strom" umgegangen wird. Ein Praxisbericht.

(3. Januar 2010) Das Wiesbadener Westend gilt als ein lebendiger, aber nicht unproblematischer Stadtteil: Die Arbeitslosenquote hat Rekordniveau, der Ausländeranteil beträgt 45 Prozent.

Ausgerechnet hier eröffnete vor einem halben Jahr der Caritasverband den 60. Standort zum Stromspar-Check. Mit Hilfe umfangreicher kommunaler Mittel entstand hier bundesweit der erste Stromspar-Beratungsladen für einkommensschwache Haushalte. Bewusst ist er nicht in einem ruhigen Büroviertel am Stadtrand platziert, sondern als Anlaufstelle mitten im Problemzentrum.

Hier haben die Menschen kaum Geld für Sparmaßnahmen übrig, obwohl sie unter den steigenden Stromkosten besonders leiden. Zehn Stromsparhelfer sind hier beschäftigt. Trotz offensichtlicher Bedürftigkeit hegen die Betroffenen oft Berührungsängste und Misstrauen gegenüber Hilfsangeboten. Manche vermuten irgendwo einen Haken, andere befürchten Kontrollen und wollen zwei Unbekannte nicht in ihre Wohnung lassen. Aber einige Interessierte gibt es doch, und wo sie einmal waren, spricht es sich schnell bei Nachbarn und Freunden herum.

Kurioses in Deutschland

In der Praxis stoßen die Stromsparhelfer immer wieder auf Beispiele, die umwelt- und preisbewusste Energieverbraucher den Kopf schütteln lassen. So hatte eine Familie gleich zehn elektrische Duftkerzen im Dauereinsatz. Allein der Strom dafür kostete im Jahr 120 Euro. Eine alleinerziehende Mutter betrieb gleich drei Kühlschränke. Zwei davon enthielten jedoch lediglich geschlossene Konserven. Und ein Singlehaushalt überraschte mit seinem Jahresstromverbrauch von stark überdurchschnittlichen 5.000 Kilowattstunden - dank Dauernutzung eines Riesen-Flachbildschirms.

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Die Scouts werden für ihren Einsatz gründlich ausgebildet.

Was die beiden Energiesparhelfer in den Haushalten erleben, ist sehr unterschiedlich. Manche Haushalte sind bereits gut informiert. Dort besteht wenig Verbesserungsbedarf. Doch meist zeigt sich ein anderes Bild: Am Stromnetz hängen zahllose Billiggeräte, teilweise schon längst nicht mehr im Einsatz. Der Fernseher flimmert unbeachtet im Hintergrund. Keine leichte Aufgabe, hier einen Bewusstseinswandel zu erreichen.

Kommunikation ist Trumpf

Der Besuch beginnt mit dem Gesprächseinstieg auf der psychologischen Ebene. Ziel ist, mit den richtigen Worten und Gesten eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, um Misstrauen und Skepsis abzubauen. Inhaltlich geht es los mit einem Blick auf die letzte Stromrechnung. Ist diese vergleichsweise hoch, wird der Besuch umso interessanter.

Während des zweistündigen Besuchs gilt es, sich einen Reim auf diesen Jahresverbrauch zu machen. Wie kommt dieser Haushalt auf zwei-, vier- oder sechstausend Kilowattstunden Strom? Für die Stromspar-Scouts eine anspruchsvolle Aufgabe: Sie müssen Stromrechnungen interpretieren, Verbrauchswerte überschlagen und sich in einem sehr unübersichtlichen Gerätemarkt zurechtfinden.

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Die Scouts werden auch in Sachen Kommunikation geschult.

Für diese Detektivarbeit haben die Energieberater eine Reihe Hilfswerkzeuge im Gepäck: Energiekostenmessgeräte, Kühlschrankthermometer, Durchflussmessgeräte für Dusche und Wasserhahn und eine lange Frageliste. Gründlich untersuchen sie jedes Zimmer und jedes Gerät. Sie fragen die Bewohner nach Nutzungszeiten und Gewohnheiten. Um in kurzer Zeit einen Haushalt so zu durchkämmen, gehört Erfahrung, Fachwissen und ein gutes Timing dazu. Am Ende des Begutachtungstermins verabschieden sich die Helfer von den Bewohnern und vereinbaren den Folgebesuch.

Auswertung

Um die Vielzahl dieser Daten vernünftig zu interpretieren, übertragen die Stromsparhelfer alle Angaben in ein PC-Programm und überprüfen sie auf Plausibilität. Es gilt, Ungereimtheiten auszuräumen und einige Angaben gegebenenfalls zu berichtigen. Denn viele Kundenangaben sind schlecht geschätzt: Wer weiß schon genau, wie lange er duscht? Und seine Frau und seine Kinder? Steht die Ist-Situation fest, ermitteln die Scouts die Einsparpotentiale und erstellen einen Sanierungsplan. Das erfordert wirtschaftliches Denken, denn manche Maßnahmen bedeuten Investitionen, etwa die Anschaffung von Energiesparlampen. Mit einem begrenzten Budget sollen Maßnahmen dort geplant werden, wo sie eine maximale Einsparung entfalten.

Alles entscheidende Kleinigkeiten

Am einfachsten sind Maßnahmen umzusetzen, bei denen sich der Kunde nicht umgewöhnen muss - etwa der Einbau eines Spar-Duschkopfs. Eine Reihe Maßnahmen machen aber kleine Verhaltensänderungen nötig.

Zum Beispiel, wenn der Fernseher künftig zusätzlich zur Fernbedienung mit einer schaltbaren Steckerleiste ausgeschaltet werden soll. Ob das am Ende praktiziert wird, hängt von der Überzeugungskraft der Helfer ab - und von kleinen Details: Legt man eine schaltbare Steckdosenleiste zur Standby-Abschaltung nur auf den Boden, rutscht sie vielleicht irgendwann beim Staubsaugen nach hinten unter den Tisch. Aus den Augen, aus dem Sinn, und schon wäre es mit dem Stand-By-Stopp vorbei.

Die Stromsparscouts durchkämmen alle Zimmer

Also suchen die Stromsparhelfer nach einer gut zugänglichen Stelle, um die Leiste mit Zustimmung des Kunden fest anzubringen - eigentlich eine banale Kleinigkeit. Dabei hilft Erfahrung: Welcher Sat-Receiver lässt sich komplett ausschalten, ohne dass Voreinstellungen verloren gehen? Bei welchem DSL-Router bleibt die Telefonfunktion beim Ausschalten erhalten? (Bei fast allen). So entsteht für jeden Haushalt ein indi-vidueller Strom-Einspar-Plan.

Taten statt Worte

Beim zweiten Termin sprechen die Stromsparexperten den Strom-Einspar-Plan und die Ratschläge mit den Kunden durch und nennen die zu erwartende jährliche Stromkosteneinsparung in Euro. Und dann geht es in die Praxis: Die Stromsparhelfer sagen nicht nur, was getan werden muss, sondern sie führen die Maßnahmen sofort durch und machen die Kunden damit vertraut.

Neben dem Nutzen für die Umwelt und die öffentliche Hand profitieren auch die Projektteilnehmer. Beim Besuchen der Haushalte müssen die Stromsparhelfer reden und überzeugen. Dadurch lernen sie auch die auf dem Arbeitsmarkt so wichtigen „soft skills".

Immerhin gibt es nun etwa tausend Menschen in Deutschland mehr, die sich um das Verschwendungs-Chaos im Wohnbereich kümmern. Was immer sie nach dem Ende des Projekts tun, sie bleiben Multiplikatoren im Kampf gegen die Stromverschwendung.

letzte Änderung: 08.09.2025