Archiv: News zur Brennstoff-Armut aus 2011 und 2012
Hier finden Sie ältere News zum Thema Brennstoffarmut aus den Jahren 2011 und 2012
Wuppertal: Contracting für Kühlschränke
(19. Dezember 2012) In einem Pilotprojekt starten die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) ein Austauschprogramm für Kühlschränke in einkommensarmen Haushalten: Transferleistungsbezieher, Rentner, Studenten und sonstige Haushalte mit niedrigem Einkommen können im Rahmen eines Mini-Contractingmodells ihren mindestens zehn Jahre alten Kühlschrank gegen ein Modell der Energieeffizienzklasse A++ austauschen.
100 Kühlschränke stehen im Austauschprogramm auf Abruf. WSW-Kunden kostet die Investition monatlich 10 Euro, zu zahlen über 27 Monate. Die WSW liefert das neue Gerät ins Haus und gewährt eine dreijährige Garantie. Das NRW-Verbraucherschutzminister begleitet das Pilotprojekt und will weitere Stadtwerke zum Nachahmen anregen.
Hintergrund: Mehr als ein Drittel der Ratsuchenden in der Schuldnerberatung der Wuppertaler Verbraucherzentrale kämpft regelmäßig mit Energieschulden und das Forderungsmanagement der WSW sieht sich mit wachsenden Außenständen konfrontiert. Haushalten mit geringen Einkommen ist die Anschaffung eines sparsamen Modells aus eigener Kraft kaum möglich.
Die Fälle häufen sich, in denen verzweifelte Menschen nach Stromabschaltungen, mit Kerzen, Campingkochern, Notstromaggregaten hantieren
Tote nach Stromabschaltung
(13. Dezember 2012) Die Fälle häufen sich, in denen verzweifelte Menschen nach Stromabschaltungen, mit Kerzen, Campingkochern, Notstromaggregaten hantieren und es zu schlimmen Unfällen kommt: im August verbrannten vier Kinder durch Kerzenbrand in Saarbrücken, in Bochum erlitt ein Elternteil schwere Verbrennungen nach Hantierungen mit einem Campingkocher. In Baden-Württemberg und in Niedersachsen starben Menschen, die sich mit einem Stromaggregaten beholfen hatten, jetzt ebenso ein Vater und drei Kinder in Thüringen.
Notstromaggregate in geschlossenen Räumen sind glatter Selbstmord, als wenn man in der geschlossenen Garage den Motor laufen ließe.
Stromabschaltungen und Gassperren im Winter müssen verboten werden.
Die Bundesnetzagentur veröffentlicht in ihrem Monitoring-Bericht 2012 erstmals Zahlen
Sechs Millionen Sperrdrohungen jährlich
(12. Dezember 2012) Die Bundesnetzagentur veröffentlicht in ihrem Monitoring-Bericht 2012 erstmals Zahlen:
Im Jahre 2011 wurden 312.059 Stromanschlüsse gesperrt. Es gab jedoch sechs Millionen Sperrandrohungen und es wurden 1,2 Millionen Stromsperren beauftragt. Mehr als jeder Zehnte Stromkunde bekam also eine Sperrdrohung. Nur jede vierte beauftragte Sperre führt tatsächlich zu einer Stromunterbrechung. Die Hintergründe bleiben unbekannt, denn eine Untersuchung zu diesem wichtigen Thema wurde bisher noch nicht einmal beauftragt. Die Zahlen bestätigen, dass Stromsperren ein bisher ignoriertes Massenphänomen sind. Im Schnitt wird den Kunden für eine Sperre 32 Euro in Rechnung gestellt, wobei die Spanne zwischen 0 und 220 Euro reicht.
Der Bund der Energieverbraucher bezweifelt, dass die erhobenen Daten korrekt sind. Er weist auf die Unstimmigkeit mit anderen Erhebungen hin.
Für drei Bundesländer allein ergeben sich in drei Einzeluntersuchungen 181.000 Sperren (NRW hochgerechnet 120.000 Stromsperren im Jahr 2010, in RLP hochgerechnet 38.600 in 2011 und Sachsen hochgerechnet 19.368 Stromsperren in 2010 und in 2011 22.737). Hochgerechnet auf die Bundesrepublik ergäben sich 584.0000 Sperren, denn in diesen drei Ländern leben 31 Prozent der Bevölkerung.
Bund der Energieverbraucher will Geld für Stromgutscheine sammeln
Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.
500 Kilowattstunden Freistrom für Alle
Bund der Energieverbraucher will Geld für Stromgutscheine sammeln
(25. Juni 2012) Der Bund der Energieverbraucher fordert eine Freimenge von jährlich 500 Kilowattstunden für alle privaten Verbraucher. Damit kann erreicht werden, dass sich Stromsparen schneller lohnt und dass künftig kein Verbraucher mehr ganz ohne Strom auskommen muss.
Derzeit zahlt man für Strom selbst wenn man gar keinen Strom verbraucht: Über den Grundpreis. Er hatte seine Berechtigung als Versorger noch Kraftwerke und Stromleitungen betrieben haben. Heute zahlen Stromversorger für Leitungen und Kraftwerke durch Aufschläge auf jede Kilowattstunde. Der Grundpreis ist damit zum Fossil geworden.
Heute sollten umgekehrt die ersten 500 Kilowattstunden kostenlos sein und die höheren Verbräuche entsprechend teurer werden. Das führt zu einer Belohnung für Stromsparer und Wenigverbraucher. Es wird kaum Haushalte geben, die dadurch ohne Stromrechnung davonkommen, weil die allermeisten Haushalte mehr als 500 kWh verbrauchen.
Die Freimenge hätte den zusätzlichen Nutzen, dass die über 600.000 Haushalte, die gar keinen Strom mehr bezahlen können, dann wenigstens eine Mindestmenge geliefert bekommen, rund ein halbe Kilowattstunde täglich oder eine Leistung von 250 Watt, damit sie nicht ganz im dunklen sitzen und Telefon und Heizung zumindest zeitweise betrieben werden können. Durch den Einbau elektronischer Zähler ist es technisch ohne weiteres möglich, die Stromlieferung zu begrenzen.
Gute Erfahrung mit solchen „progressiven Tarifen“ gibt es bereits in Italien, Kalifornien und Ägypten. Damit alle Versorger solche Tarife ohne Wettbewerbsverzerrungen anbieten können, sollte die Steuer entsprechend angepasst werden.
Über 600.000 Haushalte bekommen jährlich den Strom zumindest zeitweise abgestellt, darunter zahlreich Geringverdiener und Rentner. Eine Freimenge würde diese Personen nicht im Dunkeln frieren lassen. Denn das ausgeklügelte und überbürokratische deutsche Sozialsystem kann es nicht verhindern, dass dermaßen viele Verbraucher, darunter zahlreiche hochbetagte, Kranke und Behinderte den Strom gesperrt bekommen.
Die Bundesrepublik verweigert bisher, die Gruppe besondern schutzbedürftiger Verbraucher überhaupt zu definieren. Dazu wäre sie durch die EU-Richtlinien seit 3. März 2011 verpflichtet gewesen.
Der Bund der Energieverbraucher e.V. diskutiert derzeit, in einem Vereinsfonds Geld zu sammeln, um für besonders bedürftige Personen eine Stromsperre zu verhindern. Das dafür notwendige Geld soll durch Spenden aufgebracht werden.
Weitere Informationen zum Thema:
ach einer Studie der Verbraucherzentrale NRW haben immer mehr Haushalte Probleme, die steigenden Stromkosten zu zahlen.
Energiearmut nimmt zu
(25. Februar 2012) Nach einer Studie der Verbraucherzentrale NRW, Düsseldorf, haben immer mehr Haushalte Probleme, die steigenden Stromkosten zu zahlen. Laut einer Umfrage, an der 58 der insgesamt 110 Grundversorger im Bundesland teilnahmen, registrierten drei Viertel der NRW-Energieversorger immer mehr unbezahlte Stromrechnungen oder Stromsperrungen.
2010 hätten Stromversorger über 3 Mio Mal die Zahlungen angemahnt, 340.000 Haushalten sei die Sperrung des Anschlusses angedroht worden, 62.000 Kunden sei der Strom abgestellt worden. Hochgerechnet auf alle 110 Grundversorger dürften 120.000 Haushalten in NRW der Strom abgedreht worden sein, bundesweit schätzungsweise 600.000, so die Verbraucherzentrale.
Preiserhöhungen bei Strom und Gas von durchschnittlich 15% hätten Energie für viele Haushalte in den vergangenen beiden Jahren zur unbezahlbaren Ware werden lassen – ein Problem, das sich angesichts weiterer Preiserhöhungen noch verschärfen werde.
Stromanbieter und Kommunen böten zwar Hilfestellungen, so die Verbraucherzentrale, erst wenige hätten aber bislang umfassende und auf Dauer angelegte Strategien zur Bekämpfung von Energiearmut im Programm wie individuelle Angebote mit einer Kombination aus Energiesparberatungen sowie Existenzsicherungs- und Budgetberatungen.
Sachverständigenanhörung über den geplanten vierten Armutsbericht
Daten zur sozialen Lage in Deutschland
(21. Dezember 2011, ergänzt 26. September 2012) Der Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales hat über den geplanten vierten Armutsbericht eine Sachverständigenanhörung veranstaltet.
Aktuelle Daten zur sozialen Lage in Deutschland erhebt und veröffentlicht die amtliche europäische Statistik zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC).
Der Bericht wird zwischen den Bundesressort abgestimmt.
Ein neuer Regierungsreport beschäftigt sich mit der Energiearmut in Großbritannien.
2.700 Tote durch Energiearmut
(10. Dezember 2011) Ein neuer Regierungsreport beschäftigt sich mit der Energiearmut in Großbritannien. Der sogenannte „Hills report fuel poverty“ erschien im Oktober 2011.
Er kommt zu dem Schluss, dass vor allem hohe Heizungskosten eine hohe Belastung für Haushalte mit geringem Einkommen darstellen: Die Betroffenen sitzen hilflos im Kalten. Energiearmut sei ein zentrales Problem der Sozialpolitik, der Gesundheitspolitik, der Energieeffizienzpolitik und auch der Klimaschutzpolitik.
In unterbeheizten Wohnungen zu leben, verursacht viele gesundheitliche und psychische Schäden. Kalte Wohnungen führen zu mehr Erkrankungen und sogar Todesfällen, insbesondere bei Älteren und Kindern. Selbst wenn die im Winter höheren Sterberaten nur zu einem Zehntel auf Energiearmut zurückzuführen sind, würde das zu 2.700 zusätzlichen jährlichen Todesfällen führen und damit mehr Tote als der Straßenverkehr fordern. Der Report belegt auch, dass Menschen in unterbeheizten Wohnung anfälliger für psychische Störungen und Depressionen sind.
In den USA reduzierten Arme im Winter ihren Lebensmittelkonsum, weil sie vor der Alternative stehen „Heat or Eat?“.
In Deutschland gibt es keine empirische Untersuchung von Energiearmut.
Härtefonds gegründet - enercity hilft in der Not
(15. April 2011) Die Marke enercity der Stadtwerke Hannover AG gründete mit Unterstützung der Landeshauptstadt einen Härtefonds für Energiekostenschuldner. Der dazu gegründete enercity Härtefonds e. V. will für sozial Benachteiligte Härten bei Strom-, Gas- und Wassersperrungen von Privathaushalten vermeiden.
Unterstützt werden enercity-Kunden mit geringem verfügbaren Einkommen, die keine Leistungen vom JobCenter oder Fachbereich Soziales der Stadt dafür erhalten.
Beide Behörden wenden sich nach Abstimmung mit dem Kunden und dessen Zustimmung an den Verein, der per Kriterienkatalog entscheidet, ob ein sozialer Härtefall vorliegt.
Als solcher gelten Kunden, die aufgrund hohen Alters und/oder gesundheitlicher Einschränkungen bzw. als Familien oder Alleinerziehende mit kleinen Kindern besonders von den Auswirkungen einer Sperrung betroffen sind.
Bei Bewilligung überweist der Verein die finanzielle Unterstützung direkt an die Stadtwerke. Das Fondsvolumen wird voll von den Stadtwerken getragen, beträgt 2011 bis zu 150.000 Euro und deckt rund 300 durchschnittliche private Sperrfälle ab.
Die Gründung des Härtefonds-Vereins ist Ergebnis eines seit Winter 2008 andauernden Konsultationsprozesses mit gesellschaftlichen und behördlichen Akteuren aus dem Sozialsektor. Ein Runder Tisch wurde von enercity in Folge öffentlich kontrovers diskutierter Sperrfälle ins Leben gerufen. Der nun gegründete Verein ist ein zusätzlicher sozialer Beitrag, der für Kunden im Versorgungsbereich der Stadtwerke Hannover AG geleistet wird.
Betroffene Kunden können sich nicht direkt an den Verein wenden. Sie müssen einen Antrag auf Übernahme der Zahlungsrückstände beim JobCenter bzw. Fachbereich Soziales der Landeshauptstadt Hannover stellen. Ihre Bedürftigkeit ist durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen.
Stand der Forschung, nationale Programme und regionale Modellprojekte in Deutschland, Österreich und Großbritannien
Energiearmut: Studie des Wuppertal-Instituts
Stand der Forschung, nationale Programme und regionale Modellprojekte in Deutschland, Österreich und Großbritannien
(14. April 2011) Energiearmut wird durch steigende Energiepreise und die gleichzeitig steigende Armut auch in der europäischen Union ein immer bedeutenderes Thema. Eine Vorreiterrolle bei der Erforschung von Energiearmut hält Großbritannien, wo das Problem schon lange existiert und deshalb bereits in den 1990er-Jahren eine gesellschaftliche Debatte und in der Folge nationale Programme gegen Energiearmut starteten. In den restlichen EU-Ländern und vor allem im deutschsprachigen Raum gibt es noch keine derart systematische Befassung der Regierungen mit dem Thema. Die Relevanz und das gesellschaftliche Interesse steigt aber auch in diesen Ländern, was daran abzulesen ist, dass in den letzten Jahren eine Reihe an regionalen und kommunalen Modellprojekten gestartet wurde, deren Aufgabe es ist, Energiearmut zu lindern.
Dieses Wuppertal Paper gibt einen kurzen Überblick über den Stand der Forschung zu Energiearmut sowie der politischen und gesellschaftlichen Diskussion in Deutschland, Österreich und Großbritannien. Dabei wird auch auf die Entwicklung der Energiekosten und die Auswirkungen dieser Entwicklung auf einkommensschwache Menschen eingegangen.
In Folge werden kurz nationale Strategien zur Armutsbekämpfung in Großbritannien und Deutschland vorgestellt. In Deutschland handelt es sich vor allem um eine bundesweite Weiterentwicklung und Finanzierung des Modellprojekts "Stromspar-Check" seit 2009. In Österreich gab es zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Studie noch keine nationalen Programme zur Bekämpfung von Energiearmut.
Abschließend werden Modellprojekte aus dem deutschsprachigen Raum vorgestellt, welche es zum einen erlauben, Barrieren und "good practices" bei der Bekämpfung von Energiearmut herauszufiltern. Zum anderen zeigen diese Projekte, dass es ein steigendes gesellschaftliches Bewusstsein gegenüber dem Problem Energiearmut gibt, welches neue politische Lösungen einfordert.
Michael Kopatz, Markus Spitzer, Anja Christanell:
Energiearmut
Stand der Forschung, nationale Programme und regionale Modellprojekte
in Deutschland, Österreich und Großbritannien
Wuppertal Paper Nr. 184 (Oktober 2010)