ED 04/12 Eine Welt ohne Öl (S.30-31)

Die neue Brennstoff-Armut

Deutschlands Energiearmut

Der aktuelle Ölpreisverfall entschärft das Problem der Energiearmut

Deutschlands Energiearmut

(29. März 2016) Der aktuelle Ölpreisverfall entschärft das Problem der Energiearmut: Die Kosten für Benzin, Diesel, Öl und Gas geben nach und damit sinken die Energiekosten. Zusätzlich wirken die geringen Ölpreise wie ein überdimensionales Konjunkturprogramm: Die eingesparten Energiekosten können Verbraucher für andere Einkäufe nutzen und kurbeln so die gesamte Wirtschaft an. Die Bezugskosten für Öl und Gas aus dem Ausland sind, auch durch die Energiewende,  um viele Milliarden gesunken. Diese Beträge verbleiben im Inland. Die Wertschöpfung im Inland steigt und entschärft die Energiearmut.

2422 Flagge Deutschland

Damit verliert die Frage der Verteilungsgerechtigkeit an Brisanz und aktueller Bedeutung. Bei genauerer Betrachtung wird aber deutlich, dass die Energieversorger insbesondere im Bereich Erdgas die gesunkenen Beschaffungskosten nicht an die Verbraucher weiterreichen (siehe Grundversorger senken Preise kaum). Auch sollte die aktuelle Lage nicht darüber hinwegtäuschen, dass künftig wieder kräftig steigende Öl- und Gaspreise sofort als Preissteigerung an die Letztverbraucher weitergereicht werden. Unabhängig davon steigt die Zahl der Strom- und Gassperren Jahr für Jahr an. Das deutet darauf hin, dass Strom- und Gassperren ein strukturelles Problem der Energieversorgung und des Sozialsystems darstellen.

Ist die Energiewende sozial gerecht?

Die Energiewende kostet die meisten Verbraucher viel Geld, bringt einigen wenigen Verbrauchern aber auch Vorteile. Geht es dabei gerecht zu? Es zeigt sich, dass die Energiewende nicht gerechter ist als unsere Gesellschaft insgesamt.

(24. März 2016) Die Energiewende zielt auf eine zukunftsfähige und auch gerechte Energieversorgung. Wesentlicher Bestandteil der Energiewende ist die Dezentralisierung der Versorgung, die Entmachtung der großen Stromkonzerne und damit eine Demokratisierung von Versorgung und Gesellschaft. Das stellt etablierte Interessen in Frage. Der wirtschaftliche Absturz von E.on und RWE zeigt die Dramatik dieser Entwicklung.

2422 Geld - Münzen und Scheine / Foto: Fotolia.com/Andrey Popov

Vorgeschobene Energiearmut

Energiearmut ist keine Folge der Energiewende. Es gab dieses betrübliche Phänomen schon lange vor der Energiewende. Aber die Energiewende bewirkt eine gravierende Umverteilung der Kosten der Energieversorgung. Diese Umverteilung müsste fair und gerecht erfolgen. Nun ist der Begriff von Fairness und Gerechtigkeit alles andere als eindeutig und bedarf deshalb einer Klärung. Erstaunlich ist, dass gerade die wertkonservativen Kreise in öffentlichen Diskussionen die Gerechtigkeitsfrage aufwerfen, die der Energiewende ohnehin kritisch gegenüberstehen, denen diese Problematik ansonsten wenig am Herzen liegt und die eher zu den Gewinnern gehören. Es kommt der Verdacht auf, dass von der Politik geschaffene Ungerechtigkeiten in der Energiewende gezielt instrumentalisiert werden, um die Energiewende zu diskreditieren.

Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich bei der Verteilung der Lasten zwischen den Bundesländern, zwischen der gegenwärtigen und den zukünftigen Generationen sowie zwischen Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit.

Studie: Energiepolitik verschärft Ungerechtigkeit

Drei Wissenschaftler vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim haben die Gerechtigkeit der Energiewende empirisch untersucht. Sie kommen zu folgenden Schlüssen: Zwischen 1998 und 2012 sind die gesamten Ausgaben für Energie bei den unteren 30 Prozent des Einkommens um 4,4 Prozent pro Jahr gestiegen, bei den oberen 70 Prozent des Einkommens um nur 2,3 Prozent. Die Ausgaben allein für Strom sind im Zeitraum zwischen 2003 und 2012 nicht so stark gestiegen. Trotz methodischer Mängel (fragliche Abgrenzung von unterschiedlichen Einkommensgruppen, uneinheitliche Datenbasis, geringe Signifikanz) weist die Studie zu Recht darauf hin, dass die Strompreisaufschläge die ärmeren Bevölkerungsschichten härter getroffen haben als die Bessergestellten. Die Reformen des EEG haben zu einer Verschärfung der sozialen Ungerechtigkeit beigetragen. Die Ursache für unnötige Strompreissteigerungen sehen die Autoren unter anderem in folgenden Faktoren: Den Ausbau der vergleichsweise teuren Offshore-Windenergie, Großverbraucherbefreiungen von der EEG-Umlage sowie die schlecht geplante Bereitstellung von Kraftwerkskapazitäten.

„Es bestehen maßgebliche Bedenken hinsichtlich der sozialen Gerechtigkeit der Energiewende. Ohne eine angemessene Balance bei der Verteilung von Kosten und Nutzen kann das Projekt langfristig keine Unterstützung finden. Bei künftigen Reformen sollte besser auf die soziale Balance und Effizienz geachtet werden“, so die Schlussfolgerung der Autoren Peter Heindl, Rudolf Schüßler und Andreas Löchel in ihrer Studie „Ist die Energiewende sozial gerecht?“ (Wirtschaftsdienst 7/2014, S. 506).

Der Staat lässt die Armen allein

Millionen von Haushalten und unsere Gesellschaft insgesamt hat ein Problem: Im Vergleich zum verfügbaren Einkommen sind die Energiepreise zu hoch.

Der Staat lässt die Armen allein

Millionen von Haushalten und unsere Gesellschaft insgesamt hat ein Problem: Im Vergleich zum verfügbaren Einkommen sind die Energiepreise zu hoch. Man kann es aber auch anders sehen: Unsere Gesellschaft hat ein Problem mit der ungleichen Verteilung von Geld und Gütern: Zu viele haben zu wenig.

(17. Juni 2012) Während die Einkommen seit Jahren stagnieren oder sogar sinken, steigen die Preise für Strom, Gas und Öl kräftig. Um die Kosten für Strom, Heizung und Benzin noch bestreiten zu können, müssen viele Menschen ihre Ausgaben für Ernährung und Freizeitaktivitäten reduzieren. Gleichzeitig bleiben viele Wohnungen kalt und zahlreiche Energierechnungen unbezahlt.

Der Anstieg der Energiepreise ist schwindelerregend: Zwischen Januar 2003 und Dezember 2011 stieg der Gaspreis (inklusive Steuern und Abgaben) von 4,4 auf 6 Cent je Kilowattstunde. Der Strompreis kletterte im selben Zeitraum von 17,1 auf 25,5 Cent je Kilowattstunde. Besonders betroffen sind Verbraucher mit Ölheizungen: Zwischen 2003 und 2011 erhöhte sich der Heizölpreis von 33 auf 72,6 Cent je Liter.

Frieren statt Heizen

40 Prozent aller Deutschen greifen zu drastischen Maßnahmen, um Heizkosten zu senken. Nach einer Emnid-Befragung saßen an kalten Tagen hochgerechnet 6,2 Millionen Deutsche mit Stiefeln in der Wohnung, um sich warm zu halten und weniger zu heizen. 16 Millionen wärmten sich in der Wohnung mit Decken. Ein Viertel derjenigen, die sich in Wolldecken kuschelten, um nicht zu frieren, ist zwischen 14 und 29 Jahren alt. Ähnlich hoch ist die Zahl derer, die dicke Strickjacken und lange Unterhosen auch zu Hause tragen. Hochgerechnet rund eine Million Bürger geht zwischendurch zum Aufwärmen in Kaufhäuser, Banken oder Ämter.

2422 Rentner im Wohnzimmer

Während die ärmste Bevölkerungsschicht mindestens zehn Prozent ihres verfügbaren Geldes für Energie berappen muss, gibt die reichste Schicht gerade mal ein Prozent für Gas, Öl und Strom aus. Damit müssen die Ärmsten für Energie so viel ausgeben, wie für alle Verkehrsmittel und Gesundheitspflege zusammen. Das ergibt sich aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008

Ein wachsendes Problem

Insgesamt sind immer mehr Deutsche von Armut betroffen. Bundesweit werden zwischen 600.000 und 800.000 Haushalte wegen Zahlungsrückständen vom Stromnetz getrennt und verbleiben im Dunkeln und Kalten.

Um einiges höher liegt die Zahl der Haushalte, die ihre Energierechnungen nur mit Mühe begleichen kann.

Eine aktuelle Untersuchung der Verbraucherzentrale NRW bestätigt diese Tendenz: Drei Viertel der befragten Versorgungsunternehmen berichten von wachsenden Problemen mit Energieschulden und Stromsperren. (siehe auch Brennstoffarmut)

2422 Diagramm Energiepreise von Haushalten & Lohnentwicklung in Deutschland

Arme trifft es am härtesten

Betroffen von Energiearmut sind Hartz-IV-Empfänger, aber vor allem auch Rentner und Erwerbstätige mit Niedrigeinkommen. Hartz-IV-Empfänger erhalten in der Regel vom Amt weniger Geld, als sie benötigen, um ihre Stromrechnung bezahlen zu können. Und Rentner und Niedrigverdiener stehen weitgehend außerhalb des sozialen Sicherungssystems. Es zeigt sich, dass der Sozialstaat unfähig ist, die für ein menschenwürdiges Leben notwendige Energieversorgung zu sichern – zumindest für einen immer größer werdenden Anteil der Bevölkerung.

Folgenschwere Ursachen

Die Ursachen für die steigende Energiearmut sind vielfältig:

  • Die Energieversorger haben in den vergangenen Jahren ihre Gewinne deutlich ausgeweitet, also den Differenzbetrag zwischen Energiebeschaffungskosten und Verbraucherpreisen. Das geht durchaus nicht nur auf das Konto der vier großen Energiekonzerne.
    Preistreiberei beim Strom, Satte Margen, Strompreise unter der Lupe, Kunde geht leer aus, Der Sechs-Milliarden-Raubzug
  • Der Staat hat Verbraucher ungenügend vor der Unersättlichkeit vieler Versorger geschützt. Bis heute hat es die Bundesrepublik versäumt, die EU-Vorschrift umzusetzen, nach der Tarife einfach und verständlich sein müssen. Zwar können Verbraucher mittlerweile ihren Versorger schneller als bisher wechseln. Doch die Dauer der Wechselprozesse liegt immer noch deutlich über der von der EU vorgeschriebenen Frist von 14 Tagen.
    Die Bundesrepublik hat dieses EU-Recht bislang ebenso wenig umgesetzt wie die einheitlichen Tarifblätter, die der Bundesrat gefordert hat. Die Vorschrift zum Schutz von Sondervertragskunden (§ 41 Absatz 5 Satz 1 EnWG) ist seit sieben Jahren überfällig.
    Der Staat hat es versäumt, die Marktdominanz der vier Großen zu vermindern: Ende 2010 verfügten die größten Energieversorger nach wie vor über 77 Prozent der Stromerzeugungskapazitäten und erzeugten 82 Prozent des gesamten Stroms.
    Der Staat hat die Stromnetze dem Kapitalmarkt als Spekulationsobjekt überlassen und eine Kapitalrendite von fast zehn Prozent zugelassen, ohne selbst, wie angekündigt und versprochen Verantwortung als Miteigentümer zu übernehmen.
    Der Preismanipulation an Strombörsen hat der Gesetzgeber viel zu lange untätig zugesehen. Erst jetzt wird auf Druck der EU ein Verbot von Insiderhandel an der Strombörse ins Gesetzgebungsverfahren gebracht.
    Monitoringbericht 2011 der Bundesnetzagentur (PDF, 2,63 MB)
  • Eine Ursache der Energiearmut sind die stagnierenden Lohneinkommen. Zwischen 2000 und 2010 sind die Lohneinkommen um ein Prozent, die Kapitaleinkommen dagegen um 50 Prozent gewachsen.
  • Auch steigende Weltmarktpreise für Kohle, Gas und Öl tragen zum Anstieg der Energiepreise bei. Besonders der Anstieg der Rohölpreise auf den Weltmärkten hat einen direkten Einfluss auf die Benzin- und Heizölpreise.
  • Die Energiewende wird zu Unrecht mit der Energiearmut in Verbindung gebracht. Tatsächlich sind die Strompreise auch ohne die Umlage für erneuerbare Energien wesentlich stärker gestiegen als durch die Umlage selbst. Die Ausnahme für Großbetriebe blähte die Umlage für Haushaltskunden zudem überproportional auf. Gleichzeitig ignorieren die meisten Berechnungen die preisdämpfende Wirkung der Erneuerbaren.
    510 2422 Strompreisentwicklung im Vergleich mit der EEG-Ablage

Weiterhin fehlt in Deutschland eine empirische Studie, die das Problem der Energiearmut tiefergehend analysiert. Deshalb bleibt unbekannt, welche Bevölkerungsschichten am stärksten davon betroffen sind, wie sie damit umgehen und in welcher Form sich die übrige Gesellschaft dazu verhält. Das entspricht der Ignoranz, mit der man dieses Problem derzeit noch abtut.

Erste Lösungsansätze

Einige gut erprobte Ansätze kurieren am Symptom „Energiearmut“, ohne es jedoch zu heilen:

  • Kooperationsmodelle zwischen Sozialhilfeträgern und Versorgungsunternehmen können Betroffenen Hilfe bieten, zum Beispiel das sogenannte „Krefelder Modell“, sozialorientierte Energieberatung in Bonn oder die Schuldnerberatung Paderborn.
  • Ein Ausbau der Schuldnerberatung hilft den Betroffenen. Das bestätigen praktische Beispiele.
  • Projekt „Cariteam – Energiesparservice“: Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II lassen sich zu den Themen Wasser- und Energieeinsparung in privaten Haushalten schulen. Anschließend beraten sie bedürftige Haushalte. Eine Gegenüberstellung der Kosten und Einspareffekte ergab, dass sich die Investitionen der Kommune in dieses Projekt bereits innerhalb eines Jahres voll refinanzierten. www.stromspar-check.de

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Reformvorschlägen, die das Problem etwas grundsätzlicher angehen:

  • Neue Tarifmodelle können die Energie erschwinglich machen – zum Beispiel progressive Tarife oder spezielle Sozialtarife.
  • Die Verbraucherzentrale NRW, der Deutsche Mieterbund und auch der Bund der Energieverbraucher fordern ein Minimum an Energie für jeden und haben dafür konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt.
  • Immer mehr Verbraucher produzieren selbst Energie oder machen sich durch Effizienzsteigerungen von Energielieferungen unabhängiger.
  • Verbraucher organisieren ihre Energieversorgung gemeinschaftlich und eigenverantwortlich, wie zum Beispiel EWS Schönau.
Energiearmut - Mit Stiefeln auf dem Sofa

40 Prozent aller Deutschen greifen zu drastischen Maßnahmen, um Heizkosten zu senken.

Energiearmut – Mit Stiefeln auf dem Sofa

(24. März 2011) 40 Prozent aller Deutschen greifen zu drastischen Maßnahmen, um Heizkosten zu senken. Das hat eine Befragung von 1.000 Bürgern durch das Meinungsforschungsinstitut emnid ergeben.

2422 mit Stiefeln auf dem Sofa

Danach saßen an kalten Tagen hochgerechnet 6,2 Millionen Deutsche mit Stiefeln oder Moonboots in der Wohnung, um sich warm zu halten und weniger zu heizen. 16 Millionen wärmten sich in der Wohnung mit Decken. Ein Viertel derjenigen, die sich in Wolldecken kuschelten, um nicht zu frieren, ist zwischen 14 und 29 Jahre alt. Ähnlich hoch ist die Zahl derer, die dicke Strickjacken und lange Unterhosen auch zu Hause tragen.

Und so mancher gibt an, öfters Elektrogeräte laufen zu lassen, um sich zusätzlich zu wärmen. Das ist jedoch keine gute Idee, denn der zusätzliche Stromverbrauch kostet sehr viel mehr, als die heruntergedrehte Heizung spart.

Hochgerechnet rund eine Millionen Bürger geht zwischendurch zum Aufwärmen in Kaufhäuser, Banken oder Ämter.

Die neue Brennstoff-Armut

Eine zunehmende Zahl von Haushalten kann sich keine warme Wohnung mehr leisten.

Die neue Brennstoff-Armut

Eine zunehmende Zahl von Haushalten kann sich keine warme Wohnung mehr leisten. Immer mehr Menschen müssen frieren oder fristen ihr Dasein im Kerzenschein. Das hat aber nichts mehr mit Energiesparen zu tun, sondern mit einem Versagen des Sozialsystems. Blanke Not ist aber auch Konsequenz überteuerter Preise (Brennstoffarmut).

(5. Juni 2006) - In den Schlagzeilen sind es Cent und Prozent, um die Versorger die Energiepreise erhöhen. Für viele Betroffenen geht das an der Wirklichkeit vorbei. Für sie summieren sich die Preiserhöhungen auf mehrere hundert Euro, die für viele schlichtweg unbezahlbar sind. Die gestiegenen Energiekosten werden dadurch zu einer existenziellen Bedrohung. Denn wer die Preise für Strom und Gas nicht mehr aufbringt, rutscht schnell in die Schuldenfalle.

5,2 Millionen Haushalte haben pro Monat netto weniger als 938 Euro zur Verfügung

Über drei Millionen Haushalte in der Bundesrepublik sind überschuldet. Einkommen und Vermögen reichen trotz Reduzierung des Lebensstandards über einen längeren Zeitraum nicht aus, um fällige Forderungen zu begleichen (vgl. Bericht: Lebenslagen in Deutschland, Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung).

Zwischen 2004 und 2006 sind die Gaspreise von 4,55 auf 5,74 Cent je Kilowattstunde gestiegen. Bei einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden sind die monatlichen Heizkosten von 76 auf 96 Euro gestiegen. 1999 waren noch 52 Euro für die Heizung fällig.

In der gleichen Größenordnung erhöhten sich die Stromkosten in den vergangenen beiden Jahren.

Trotz Wohngeld macht die Miete für einkommensschwache Mieter noch einen Anteil von rund 30 Prozent des verfügbaren Einkommens aus.

Die Ausgaben für Energie betragen für Haushalte mit einem Nettoeinkommen zwischen 500 und 900 Euro rund 65 Euro monatlich (Quelle: Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003, Statistisches Bundesamt). Das sind etwa zehn Prozent des verfügbaren Monatseinkommens. Die Energiekosten sind halb so hoch, wie die Ausgaben für Lebensmittel, Getränke, Tabakwaren etc. aus. Sie sind fast genauso hoch wie die monatlichen Ausgaben für Freizeit, Unterhaltung und Kultur, also 69 Euro durchschnittlich.

Betrachtet man das frei verfügbare monatliche Einkommen nach Abzug der Fixkosten, so schlagen die höheren Energiekosten besonders drastisch durch. Hier dürfte ein Anstieg in der Größenordnung von 20 bis 30 Prozent realistisch sein. Für Millionen Haushalte schränken die höheren Energiekosten das frei verfügbare Monatseinkommen drastisch ein. Viele Betroffene sehen keine andere Möglichkeit, als die Heizung schlichtweg abzustellen, um Geld zu sparen. Dadurch vermindert sich die Lebensqualität ganz dramatisch, ohne dass wegen der hohen Fixkosten eine wesentliche finanzielle Entastung erfolgt.

Gegen falsche Rechnungen wehrlos

Überschuldete und arme Haushalte sind am stärksten von Versorgungssperren betroffen. Zudem leiden diese Haushalte unverschuldet am stärksten unter einer fehlerhaften Abrechnungspraxis. Denn Betroffene können die Abrechnung kaum überprüfen. Ihnen fehlt auch das Durchsetzungsvermögen, das zur Korrektur einer falschen Abrechnung leider meist notwendig ist. Die traurige Erfahrung zeigt, dass betroffene meist die Hilfe eines Anwalts benötigen, um sich gegen die Versorger zu behaupten - für arme Haushalte unerschwinglich (weitere Informationen).

Besonders stark betroffen sind auch ältere Rentnerhaushalte, häufig mit alleinstehenden Frauen. Ihre Durchschnittsrenten liegen etwa auf dem Niveau der Armutsgrenze. Hier ist die verdeckte Armut besonders hoch, weil Betroffene oft aus Angst und Scham auf Sozialhilfe verzichten. Gerade für diese Haushalte stellen die einseitig überhöhten Gas- und Strompreiserhöhungen eine ernsthafte materielle Bedrohung dar. In vielen Fällen sind Betroffene behindert oder gebrechlich. Für diese Menschen sind Strom und Heizung unverzichtbar. Leider sind allzu viele Fälle bekannt, in denen Versorgungsunternehmen rücksichtslos auch Kranken und Behinderten über Wochen hinweg Strom und Gas gesperrt haben. "Es ist unfassbar, welches unmenschliche Ausmaß die Gewinnsucht, Schludrigkeit oder Gewissenloskeit hier angenommen haben", kritisiert Dr. Aribert Peters.

Liste der schwarzen Schafe

Der Bund der Energieverbraucher will die Namen von Verantwortlichen in Unternehmen, die sozial Benachteiligten (Rentnern, Kranken, Behinderten) Strom oder Gas absperren, auf einer Liste im Internet veröffentlichen.

Kein Recht zur Sperre

Alle Verbraucher haben ein elementares Recht darauf, mit Wärme und Strom versorgt zu werden. Der Bund der Energieverbraucher ist der Meinung, dass Versorger kein Recht dazu haben, die Versorgung einzustellen. Wer im Zahlungsrückstand ist, muss mit Vorinkassozählern ausgestattet werden, die den weiteren Bezug ermöglichen. In der Regel trifft den Versorger eine Mitschuld für aufgelaufene Zahlungsrückstände.

Billigkeitseinwand hilft Betroffenen

Bevor eine fällige Strom- oder Gasrechnung aus Geldmangel nicht beglichen wird, sollten Betroffene die Billigkeit der Forderung bestreiten. Vor Gericht geht das auch nachträglich. Wesentlich einfacher ist es, wenn der Billigkeitseinwand die Fälligkeit der Forderung von Anfang an verhindert oder verzögert. Betroffene wissen meist zu wenig über diese Möglichkeiten. Deshalb ist verstärkte Aufklärung dringend notwendig.

E.ON hat nicht begriffen

E.ON Bayern hatte zunächst sozial schwachen Stromkunden einen Rabatt angeboten. Allerdings war man nicht zu echten Zugeständnissen bereit. Deshalb beendete im September 2008 die Caritas Dioszöse Fulde und die Caritas die seit 2007 laufende Kooperation mit E.on Mitte.

Sonderservice für sozial Schwache in Großbritannien

In Großbritannien gibt es für sozial schwache Haushalte schon länger besondere kostenlose Serviceangebote.

Voraussetzungen dafür sind Rentenalter, Behinderung, chronische Krankheit, Sehbehinderung oder Blindheit.

Für diese Gruppen gibt es einen Service, der den Zähler an einer gut zugänglichen Stelle anbringt, den Verbrauch abliest, einen Sicherheitscheck für die Gasinstallation, Vorabinformation bei Versorgungsunterbrechung durch Bauarbeiten, Rechnungsversand an die Adresse eines Betreuers, Rechnung in Großschrift, Blindenschrift, Telefon oder Tonband, Ersatzkochgelegenheit für wartungsbedingte Gasunterbrechungen.

Gerade einkommensschwache Haushalte sollten die fehlende Billigkeit der Gas- und Strompreise bemängeln und die Rechnungen kürzen. Für sie spielen die eingesparten Kosten eine wichtige Rolle. Und es ist für diese Haushalte am allerwenigsten zumutbar, für die Erhöhung der Versorgergewinne den eigenen Lebensstandard noch weiter zu reduzieren.

Sind Ihnen solche Fälle bekannt, dann teilen Sie das dem Verein mit. Allein die Aussicht, in die Liste der schwarzen Schafe aufgenommen zu werden, könnte die Verantwortlichen zu größerer Rücksichtnahme motivieren.

letzte Änderung: 16.05.2018