ED 01/13 Die 1.000-Watt Lösung von Köln (S.17)
ED 04/13 Zählertausch: Großbritannien wird smart (S.23)

Blackouts

Großstörung im Stromnetz

Von Louis-F. Stahl

(18. Februar 2021) Am 8. Januar 2021 um 14:05 Uhr ereignete sich die bisher schwerste Großstörung im europäischen Verbundnetz seit dem großen Stromausfall vom 4. November 2006. Das Verbundnetz teilte sich nach einem Ausfall des kroatischen Koppelpunktes Ernestinovo in zwei Netzsegmente auf. Der Ausfall von Ernestinovo hatte binnen 40 Sekunden ein nicht zu erwartendes Kaskadenversagen sämtlicher Übertragungsleitungen von Kroatien, Serbien und Rumänien nach Nord-West-Europa zur Folge.

1299 Grafik Verlauf der Netzfrequenz während der Störung vom 8. Januar 2021 im europäischen Verbundnetz / Grafik: Entso-e

Die Netzfrequenz sank von Spanien bis Polen – und damit auch in Deutschland – aufgrund fehlender Erzeugungsleistung kurzzeitig auf 49,75 Hz, während in Süd-Ost-Europa ein Stromüberangebot die Netzfrequenz auf 50,6 Hz hochschnellen ließ. Ersten Untersuchungsergebnissen zu Folge hat das Krisenmanagement der europäischen Übertragungsnetzbetreiber hervorragend funktioniert. Das Verbundnetz konnte um 15:07 Uhr wieder zusammengeschaltet und ein europaweiter Stromausfall abgewendet werden. In Deutschland war die vom Balkan ausgehende Krise im Stromnetz für Energieverbraucher nahezu ausschließlich über die Nachrichten wahrzunehmen.

1299 Grafik Verlauf der Bruchkante im europäischen Verbundnetz während der Störung vom 8. Januar 2021 / Grafik: Entso-e

Gemeinsame Pressemitteilung
Bund der Energieverbraucher e.V.
VIK Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V.

Kleine und große Stromverbraucher rufen gemeinsam nach mehr Verlässlichkeit und Transparenz bei der Versorgungsqualität

Essen/Unkel, 1. Oktober 2012 - Die deutschen Stromverbraucher fordern gemeinsam eine bessere Datenerfassung zur Stromversorgungsqualität. Der VIK, die Interessenvertretung industrieller und gewerblicher Energiekunden, und der Bund der Energieverbraucher, der die Energieinteressen der privaten Endkunden bündelt, bekräftigen gemeinsam diese Forderung gegenüber der Politik und der Bundesnetzagentur. „Stromqualität beginnt nicht erst bei Ausfällen länger als drei Minuten“, so Dr. Annette Loske, Hauptgeschäftsführerin des VIK, dessen Mitglieder auch bei Kurzunterbrechungen mit kostspieligen Produktionsausfällen rechnen müssen. „Versorger müssen zeitnah und transparent Stromausfälle melden. Nur so wird für Stromkunden nachvollziehbar, ob Stromausfälle überhaupt zuverlässig gemeldet werden“, so Dr. Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher.

Politik und Regulierung sind aufgefordert, gerade in Zeiten der Energiewende eine Statistik zur Versorgungsqualität zu erstellen, die aussagekräftiger ist als das, was wir bisher zur Verfügung haben. „Hohe Stromversorgungsqualität ist bei Anwendung immer sensiblerer elektronischer Steuerungen sowohl in modernen Haushalten als auch Unternehmen unverzichtbar. Umfassende und verlässliche Daten zur tatsächlichen Stromversorgungsqualität über die gesamte Bandbreite der möglichen Störungen, sind dafür die Voraussetzung“, so die gemeinsame Einschätzung von Dr. Annette Loske und Dr. Aribert Peters.

Statistik unprüfbar

Normen für Netzspannung unzureichend

E.on Schuld an Stromausfall

Millionen Haushalte ohne Strom - EU will Konzernen Netzkontrolle nehmen

E.on Schuld an Stromausfall

(31. Januar 2007) Die europäische Netzkontrollgesellschaft UCTE gibt in einem detaillierten Untersuchungsbericht dem Stromversorger Eon die Schuld am Stromausfall im vergangenen Herbst. Der Übertragungsnetzbetreiber Eon Netz, von dem der Fehler seinen Ausgang nahm, habe «keine Sicherheitsverfahren» eingeführt. Eon Netz «verfügte nicht einmal über alle technischen Instrumente, um überprüfen zu können, ob das Netz innerhalb der Sicherheitsgrenzen betrieben wurde». Auch die Ausrede "menschliches Versagen" läßt der Bericht nicht gelten. Die Fehleinschätzung habe nur zur Katastrophe geführt, weil die Leitung eben bereits vorher zu schwach gewesen sei.

Der Düsseldorfer Versorger habe außerdem versäumt, andere Versorger und Netzbetreiber über die Abschaltung von Hochspannungs-Netzen in Norddeutschland zu informieren. Überdies seien die Investitionen in die Netzinfrastruktur «unzureichend» gewesen.

Millionen Haushalte ohne Strom

Bei dem Stromausfall am 4. November vergangenen Jahres waren Millionen Haushalte in West- und Südeuropa für einige Stunden ohne Strom. Eon hatte eine Hochspannungsleitung über dem Mittellandkanal wegen der Durchfahrt eines Kreuzfahrtschiffes kurzzeitig abgeschaltet, was jedoch zu einer Netzüberlastung führte. Die Netze wurden daraufhin in drei Zonen aufgeteilt: In der westlichen Zone gab es zu wenig Strom, in der östlichen hingegen zu viel.

Um dem Strommangel in der westlichen Zone zu begegnen, mussten Kunden vom Netz genommen werden. Der Stromausfall erfasste damit Haushalte in Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien und Spanien. Allein in Frankreich blieben fünf Millionen Kunden ohne elektrische Energie. In Deutschland waren ebenfalls Millionen Haushalte betroffen.

EU will Konzernen Netzkontrolle nehmen

Besondere Brisanz hat der UCTE-Bericht, weil die Kommission vor wenigen Tagen ihre Forderungen für eine Wettbewerbsbelebung auf dem europäischen Strommarkt vorgestellt hatte. Brüssel fordert die eigentumsrechtliche Abtrennung der Netze von den Stromkonzernen. Die Netzkontrolle sollte stattdessen von einer staatlichen oder von einem Drittunternehmen wahrgenommen werden. Als Alternative bot die EU an, die Netze zwar bei den Unternehmen zu belassen, ihnen aber die Kontrolle darüber zu entziehen.

Den nun vorgelegten Bericht betrachtet die EU deshalb als Beleg für die Richtigkeit und Angemessenheit ihrer Forderungen. Die Panne spreche für eine «effektive Entflechtung» von Stromversorgung und Netzbetrieb, stellte die Kommission fest.

Peinlich ist der Bericht auch deshalb, weil die Netzbetreiber die im EU-Vergleich hohen Netznutzungsentgelte mit Investitionen in die Netzinfrastruktur und mit hoher Versorungungssicherheit begründet hatten.

Ausfall in der Schweiz

Im Westen der Schweiz brach am Dienstagnachmittag durch den größten Stromausfall seit zehn Jahren Chaos aus.

Ausfall in der Schweiz

(20. Januar 2005) - Im Westen der Schweiz brach am Dienstagnachmittag durch den größten Stromausfall seit zehn Jahren Chaos aus. Nachdem ein Blitz in eine Starkstromleitung zwischen Genf und dem Kanton Waadt eingeschlagen hatte, waren die Städte Genf und Lausanne etwa eine lang Stunde ohne Strom.

Ampeln fielen aus, Trams und Oberleitungsbusse blieben stecken. Feuerwehrleute überfuhren bei einem Einsatz in Genf ein kleines Mädchen.

Blackout in Rheinland-Pfalz

Ein Stromausfall hat in der Region rund um Trier nach Angaben der Polizei etwa 200.000 Menschen abends stundenlang von der Versorgung mit Elektrizität abgeschnitten.

Blackout in Rheinland-Pfalz

(3. September 2004) - Ein Stromausfall hat in der Region rund um Trier nach Angaben der Polizei etwa 200.000 Menschen abends stundenlang von der Versorgung mit Elektrizität abgeschnitten. Etwa drei Stunden ohne Strom waren ab 16.50 Uhr in der Region Eifel-Hunsrück insbesondere die Stadt Trier, der Landkreis Trier-Saarburg, die Stadt Bitburg und die Eifelregion Richtung Norden bis Wittlich.

Ein RWE-Sprecher nannte als Ursache einen Fehler in einer 220 kV-Hochspannungsleitung.

Leitungsausfall hätte keinen längeren Stromausfall verursachen dürfen

Der Bund der Energieverbraucher wies darauf hin, dass der Ausfall einer Leitung nach dem "n-1 Kriterium" keinen längeren Stromausfall verursachen darf. Der Stromausfall weist auf Schwachstellen in der Netztechnik von RWE hin.

Für Netze nicht nur kassieren sondern auch investieren!

Wenn Verbraucher für jede Kilowattstunde Strom sieben Cent für die Leitungsnetze bezahlen müssen, wäre eine höhere Zuverlässigkeit zu erwarten. "Trotz sehr hoher Netznutzungsentgelte wird zu wenig in die Netze investiert", warf der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher Aribert Peters der RWE vor. Von den 28 Milliarden Euro, die jährlich für die Netznutzung von Verbrauchern gezahlt werden, investiere die Stromwirtschaft nach eigenen Angaben lediglich zwei Milliarden Euro in die Netze.

Schäden dokumentieren

Die betroffenen Verbraucher sollten ihre Schäden dokumentieren und dem Versorger in Rechnung stellen. Nach heutigem Recht haftet der Stromversorger bis zu einer Höchstgrenze von fünf Millionen Euro bei 200.000 Millionen betroffenen Verbrauchern je Schadensfall und 2.500 Euro je Tarifkunde. Vorraussetzung ist allerdings, dass der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde. Dies läßt sich im konkreten Fall kaum nachweisen. Wenn sich später herausstellt, dass grob fahrlässig gehandelt wurde, dann kann nur der auf Schadensersatz hoffen, der den Schaden dem Versorger unverzüglich mitgeteilt hat.

Haftungsbeschränkung aufheben!

Der Bund der Energieverbraucher fordert eine Aufhebung dieser Haftungsbeschränkung : "Wie in der übrigen Wirtschaft muss auch der Stromversorger künftig unbeschränkt für verursachte Schäden haften. Die Verbraucher erwarten eine entsprechende Regelung im neuen Energiegesetz." forderte Peters.

Stromausfall in Athen

Chaotische Zustände verursachte ein großer Stromausfall in Südgriechenland.

Stromausfall in Athen

(15. Juli 2004) - Chaotische Zustände verursachte ein großer Stromausfall in Südgriechenland. Er ging von Athen aus und breitete sich von dort bis zu einer Entfernung von 150 km aus. Betroffen war vor allem der Süden des Landes. Tausende Menschen blieben in U-Bahnen und Fahrstühlen stecken. In Athen fielen sämtliche Ampeln aus und der Verkehr brach zusammen.

Nach 20 Minuten lief die Stromversorgung zwar wieder an, aber es dauerte noch mehrere Stunden, bis das Netz wieder voll funktionsfähig war. Die Elektrizitätsgesellschaft führte den Stromausfall auf die intensive Benutzung von Klimaanlagen zurück. Die Temperaturen liegen zurzeit bei über 40 Grad.

Weise ist nur, wer das Dunkele kennt.

Blackouts in 2003 , DVG-5 Stufenplan

Weise ist nur, wer das Dunkele kennt.1

1von Hermann Hesse

(23. Mai 2004)

Blackouts in 2003
Region Datum des Ausfalls betroffene Einwohner Dauer2
Mittlerer Westen und Nordosten der USA und die Provinz Ontario, Kanada 14. Aug. 50 Millionen 12-36 Stunden
London 28. Aug. 250 000 1 Stunde
Schweden und Dänemark 23. Sept. 5 Millionen 4 Stunden
Italien 28. Sept. 57 Millionen 6-12 Stunden

2Die Dauer der Blackouts ist hier insofern zu einem gewissen Grad subjektiv, da zwar bei den meisten Kunden die Stromversorgung relativ schnell wiederhergestellt war, aber eben nicht bei allen.

DVG-5 Stufenplan

DVG-5-Stufenplan-web.jpg Kraftwerke

Im DVG-5 Stufenplan wird durch gezielten Lastabwurf verhindert, dass das Netz zusammenbricht

Blackout in Nordamerika wäre vermeidbar gewesen

Zu dem großen Stromausfall in acht US-Staaten und Kanada im vergangenen Sommer hätte es nicht kommen müssen, wenn die Stromversorger ihre eigenen Vorschriften beachtet hätten

Blackout in Nordamerika wäre vermeidbar gewesen

(8. April 2004) - Zu dem großen Stromausfall in acht US-Staaten und Kanada im vergangenen Sommer hätte es nicht kommen müssen, wenn die Stromversorger ihre eigenen Vorschriften beachtet hätten. Das erklärte eine amerikanisch-kanadische Untersuchungskommission in ihrem am Montag in Washington veröffentlichten Schlußbericht zum Blackout vom 14. August.

Dabei wurde das Ergebnis eines Zwischenberichts vom November bestätigt, in dem der Ursprung des Stromausfalls von Michigan bis New York auf ausgefallene Stromleitungen in Ohio zurückgeführt wurde. Kommunikationsprobleme hätten die Folgen verschlimmert, zudem sei fehlerhaftes Material und unzureichende Ausbildung zu kritisieren. Alles in allem sei der Blackout vermeidbar gewesen.

Titelbild Blackout-Report USA Kanada 14.08.2003

Final Report on the August 14th Blackout in the United States and Canada

Verfasst von der U.S.-Canada Power System Outage Task Force (in Englisch). Wegen des Umfangs von 230 Seiten ist der Download in vier Teile aufgeteilt:

Teil 1:

  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Übersicht über das nordamerikanische Elektrizitätssystem und seine Sicherungsorganisationen

Gründe des Blackouts und Verletzungen der NERC-Standards

Download USA-Canada Blackout-Report Teil 1 1.28 Mb 08.04.2004

Teil 2:

  • Kontext und Vorbedingungen des Blackouts: Das Elektrizitätsnetz des Nordostens vor dem Ausbruch des Blackouts
  • Wie und warum der Blackout in Ohio began
  • Die Kettenreaktion des Blackouts

Download USA-Canada Blackout-Report Teil 2 4.62 MB 08.04.2004

Teil 3:

  • Der Blackout vom 14. August 2003 im Vergleich mit früheren großen Stromausfällen in Nordamerika
  • Verhalten von Kernkraftwerken, die vom Blackout betroffen waren
  • Physische und virtuelle Sicherheitsaspekte des Blackouts
  • Empfehlungen zur Vermeidung oder Minimierung der Auswirkungen zukünftiger Blackouts

Download USA-Canada Blackout-Report Teil 3 406.98 kb 08.04.2004

Teil 4:

  • Anhänge A bis G

Download USA-Canada Blackout-Report Teil 4 451.36 kb 08.04.2004

Blackout mit Computerpannen

Versagende Informationstechnik mit Ursache des US-Desasters

Blackout mit Computerpannen

Versagende Informationstechnik mit Ursache des US-Desasters

(22. Dezember 2003) - War das Leitstellenpersonal von First Energy (FE) beim großen Blackout im Nordosten der USA und Teilen Kanadas am 14. August blind für das, was da geschah? Es scheint tatsächlich so. Grund: Wesentliche Teile der FE-Leit- und Informationstechnik funktionierten offenbar nicht. Einen erheblichen Anteil an dem großräumigen Stromdesaster hatten also offenbar Computerprobleme.

Überschreiten Messwerte zulässige Grenzen, sackt die Netzfrequenz bedrohlich ab oder ist sonst Gefahr im Verzug, schlagen moderne Leitsysteme gewöhnlich unübersehbar und unüberhörbar Alarm. Alle anderen Anzeigen auf den Monitoren werden in den Hintergrund gefahren, die Alarmmeldung kommt sofort nach vorn - das Personal kann also unverzüglich handeln.

Defektes Alarmsystem

Ganz anders ging es im Lastverteiler von First Energy an jenem verhängnisvollen Augusttag zu. Wie die U.S.-Canada Power System Outage Task Force ermittelte, war die Alarmfunktion des FE-Energiemanagement-Systems seit 14.14 Uhr am 14. August defekt.

"Über eine Stunde lang erkannten die Diensthabenden im Kontrollraum nicht, dass ihr Computersystem nicht ordnungegmäß lief. Auch das IT-Personal wusste nichts davon und unternahm auch nichts zur Störungsbehebung", schildert die Task Force in ihrem Zwischenbericht.

Ohne ein voll funktionierendes Energiemanagement-System hätten die FE-Systemoperatoren nicht bemerkt, dass ihr Netz zusammenzubrechen drohte. Wären die Computer-Probleme erkannt worden, hätte man versuchen können, durch genaues Beobachten bestimmter Messwerte und Anzeigen gefährliche Betriebszustände auch ohne Alarmfunktion zu erkennen. Wobei die Task Force durchaus anerkennt, dass dies nicht gerade einfach ist.

Noch mehr IT-Probleme

Es kam noch dicker: Mehrere Fernwirk-Unterstationen fielen aus. Und dann stieg auch noch der Primärserver des Überwachungssystems aus. Der zweite, der Back-up-Server, sprang ein - und stürzte ebenfalls ab. Das alarmierte IT-Fachpersonal von FE entschied sich für einen Warmstart. Die Techniker meinten danach, dass alles wieder in Ordnung wäre. Weit gefehlt - das Alarmsystem blieb "eingefroren".

Durch die Pannen ging auch noch die automatische Erzeugungs-Überwachung "in die Knie". Außerdem erschienen aktuell erfasste Werte und Anzeigen mit erheblicher Verspätung auf den Monitoren: "Normalerweise geschieht die Anzeige in 1-3 Sekunden", schrieb die Ermittlungskommission, "doch sie verlangsamte sich je Bildschirm auf mehr als 59 Sekunden." Und das ist bei kritischen Netzzuständen eine kleine Ewigkeit.

Die IT-Probleme von FE führten letztlich zu grotesken Situationen: Das Personal war anscheinend bass erstaunt über Anrufe anderer Lastverteiler und Leitstellen, die FE über den kritischen Zustand ihres Netzes informieren wollten. Man verstand die Anrufer möglicherweise gar nicht richtig. Die Folgen sind bekannt.

Im Netz der Piraten

Die Cowboys des freien Marktes erhöhen die Preise, verschlanken die Belegschaft, verzichten auf Instandhaltung - und in New York gehen die Lichter aus.

Im Netz der Piraten

Die Cowboys des freien Marktes erhöhen die Preise, verschlanken die Belegschaft, verzichten auf Instandhaltung - und in New York gehen die Lichter aus.
Von Greg Palast

(25. August 2003) Ein neues Kraftwerk namens Nine Mile Point entstand in den achtziger Jahren im Bundesstaat New York. An sich nichts Ungewöhnliches, und doch beginnt mit diesem Projekt die Geschichte, die mit dem flächendeckenden Stromausfall im Nordosten der USA und Kanadas endet. Schon während der Bauphase verwandelte sich Nine Mile Point für den Auftraggeber, ein von der Niagara Mohawk Power Company geführtes Konsortium, in ein finanzielles Abenteuer.

Um das viel zu teuer gebaute Kraftwerk dennoch kostendeckend und mit Gewinn zu betreiben, sollten die Stromkunden später für die Versäumnisse des Managements zahlen. Um die überhöhten Rechnungen zu begründen, die nach damaliger Gesetzeslage auf einen grandiosen Diebstahl hinausliefen, präsentierten die Betreiber abstruse Kostenlisten, um von den staatlichen Stellen die notwendigen Preisgenehmigungen zu erhalten. In einer ausführlichen Aktennotiz, verfasst von einem leitenden Angestellten des Konsortialpartners Long Island Lighting, wurde den Chefs von Niagara Mohawk genau darlegt, wie man die Regulierungsbehörde belügt. Dieses Schriftstück, 1988 einem Untersuchungsausschuss vorgelegt, war dann in einem Prozess gegen Long Island Lighting der entscheidende Beweis. Die Firma, mit einer Strafe in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar belegt, ging in Konkurs.

Nach diesem Vorfall und nachdem Niagara Mohawk und Dutzende anderer bilanz- und kostenmanipulierender Elektrizitätsfirmen in ganz Amerika zu milliardenschweren Strafen verurteilt worden waren, setzten sich die Strombosse zusammen und einigten sich auf einen Schwur. Ihr Plan war ganz einfach: Es ging nicht darum, die Regeln zu befolgen oder sie zu brechen, sondern darum, die Regeln zu beseitigen. Sie nannten ihren Plan Deregulierung. Man könnte die ehrenwerte Runde mit einem Komitee von Bankräubern vergleichen, die sich überlegen, wie das Safe-Knacken legalisiert werden kann.

Dennoch wagten sie zunächst nicht, ihren Plan in den USA zu verwirklichen. Stattdessen gingen sie in ein Land, in dem eine Fanatikerin des freien Marktes regierte. Unter dem damals noch kaum bekannten Namen Enron tat eine kleine Firma aus Texas, die ursprünglich Houston Natural Gas hieß, den ersten Schritt und überzeugte Margret Thatcher, dem ersten vollständig regulierungsfreien Kraftwerk eine Betriebslizenz zu erteilen. Und so begann eine ökonomische Krankheit, die sich schneller verbreitete als SARS. Der damalige britische Energieminister, Lord Wakeham, bekam nicht nur Dollars für seine Beratungsdienste, sondern später auch einen Sitz im Aufsichtsrat von Enron. Die Erfahrungen in England zeigten, dass die Idee funktionierte: Die Begeisterung der Politiker für die Deregulierung stand offenbar in direktem Verhältnis zu Bestechungsgeldern und anderen Vergünstigungen.

Der Klub der Stromproduzenten ging zuerst nach England, weil er wusste, dass die Amerikaner nicht so leicht zu verführen sein würden. Die US-Bürger waren an billigen und verlässlich gelieferten Strom gewöhnt - ein Erbe von Franklin D. Roosevelt, der 1933 den letzten der damaligen Strompiraten aus dem Geschäft entfernte. Jener Samuel Insull hatte die Stromkunden genauso mit überhöhten Rechnungen und gefälschten Bilanzen betrogen, wie später Ken Lay, der Chef von Enron. Um Insull und seinesgleichen in die Schranken zu verweisen, etablierte Roosevelt eine für das ganze Land zuständige Energiekommission, die den Produzenten vorschrieb, wo sie zu stehen und zu salutieren hatten. Detaillierte Vorschriften begrenzten die anrechenbaren Kosten und setzten ein klares Limit für den Profit.

Die damaligen Gesetze haben praktisch die Energiemärkte abgeschafft und unter Androhung von Freiheitsentzug die Unternehmen verpflichtet, das Land jederzeit mit billigem Strom zu versorgen und - aus heutiger Sicht von besonderer Bedeutung - die Stromnetze ständig in einem einwandfreien Zustand zu halten. Sowohl Elektrizitätsanlagen als auch Bilanzbücher wurden sorgsam kontrolliert, um sicherzustellen, dass das Geld der Kunden zweckgemäß verwendet wurde. Hat also, was man heute kaum noch zu fordern wagt, die Bürokratie in die Unternehmen hineinregiert? Ja, genau das tat sie. Und vielleicht noch wichtiger: Roosevelt verbot in weiser Voraussicht Parteispenden von Energieunternehmen.

Sechs Jahrzehnte später gab George Bush senior 1992, in seinem letzten Amtsjahr, den Stromunternehmen genau das, was sie seit langem wollten, die Deregulierung der Elektrizitätswirtschaft, von der besonders sein Sohn noch profitieren sollte: für seinen Präsidentschaftswahlkampf erhielt er 16 Millionen Dollar von den Begünstigten seines Vaters. Die erste Welle der Deregulierung blieb allerdings unvollständig, weil sie sich auf nationale Großhandelspreise, aber kaum auf das Geschäft mit den lokalen Endverbrauchern bezog. Wer die Kunden richtig schröpfen wollte, so die Schlussfolgerung, musste dafür sorgen, dass auch in den einzelnen Bundesstaaten die gesetzlichen Hürden fielen. Kalifornien und Texas, also zwei große und von den Republikanern leicht zu beeinflussende Staaten, sollten den Anfang machen.

Kalifornien fiel zuerst. Ralph Nader, Amerikas bekanntester Verbraucherschützer, versuchte zwar noch 1998, mit einem Referendum den geplanten Raubzug zu blockieren. Aber gegen die von den Energieunternehmen mit 39 Millionen Dollar finanzierte Gegenkampagne hatte er keine Chance. Weitere 37 Millionen Dollar kostete eine intensive Lobby-Arbeit, die dafür sorgen sollte, dass die Abgeordneten in Kalifornien sich einem falschen Versprechen hingaben.

Um 20 Prozent würden die Stromkosten sinken, so stand es dann auch in der Präambel des neuen Energiegesetzes, wenn die Deregulierung vollzogen wäre. Kurze Zeit später, als die Bewohner von San Diego, der ersten Stadt, die in den Genuss des neuen Gesetzes kam, ihre Rechnungen erhielten, durften sie erstaunt feststellen, dass die 20-prozentige Preissenkung sich in eine 300-prozentige Erhöhung verwandelt hatte. So entdeckte auch Enron Kalifornien und leckte sich die Lippen. Als wichtigster Finanzier der Präsidentschaftskampagne von George W. Bush sah das Unternehmen, das längst zum Synonym für Bilanzbetrug geworden war, rosigen Zeiten entgegen. Zeitweilig kontrollierte Enron, zusammen mit wenigen anderen Firmen, 100 Prozent der Stromlieferungen im "Golden State". Merkwürdige Dinge geschahen: In einer Auktion beispielsweise, die von den kalifornischen Behörden abgehalten wurde, um Marktanteile zu vergeben, versprach Enron, 500 Megawatt Strom mit einer Leitung zu transportieren, die - wie sich herausstellte - nur für 15 Megawatt ausgelegt war. Solche Geschichten häuften sich, und so musste immer wieder der Bundesstaat mit Geld einspringen, um die Stromversorgung zu sichern. Zwischen Mai und November 2000 verweigerten drei Stromunternehmen mehrfach ihre Lieferungen, bis schließlich das gewünschte Ergebnis sichergestellt war: Extrazahlungen in Höhe von 6,2 Milliarden Dollar.

Erst am 20. Dezember 2000 entschloss sich Präsident Clinton, den Spuk zu beenden, die Strompreise in Kalifornien zu kontrollieren und Enron aus dem Markt zu entfernen. Aber die Strompiraten brauchten nicht lange, um auf die Bühne zurückzukehren. Drei Tage nach seiner Amtseinführung nahm George W. Bush die Weisung seines Vorgängers zurück. In der Konsequenz wurde auch der Bundesstaat New York vom freien Markt heimgesucht. Der republikanische Gouverneur George Pataki und seine aus der Industrie stammenden Energiebürokraten versöhnten sich mit den netten Herren von der Niagara Mahawk Power Company und befreiten sie und andere von der lästigen Pflicht, das Leitungsnetz in Ordnung zu halten. Und sie gingen noch viel weiter. Sie erlaubten einem ausländischen Unternehmen, dem bekanntermaßen unfähigen National Grid of England, die Aktienmehrheit von Niagara Mohawk zu kaufen und 800 Beschäftigte zu entlassen.

Ist also der verheerende Stromausfall eine Überraschung? Alle, die sich mit der Entwicklung der Stromwirtschaft befassen, wussten, dass es so kommen musste. Beispiele gibt es zur Genüge. So hat die Firma Houston Industries den lokalen Stromversorger in Rio de Janeiro übernommen. Zusammen mit ihren französischen Partnern feuerten die Texaner zahlreiche Angestellte, erhöhten die Preise, kürzten die Reparaturaufwendungen und - klick - der Saft verschwand so oft, dass die Bewohner ihre Stadt jetzt "Rio Dark" nennen. Genau dasselbe geschah in New York. Die Cowboys des freien Marktes erhöhten die Preise, verschlankten die Belegschaft, verzichteten auf Instandhaltung und - klick - New York marschiert mit Brasilien in ein dunkles Zeitalter.

Übersetzung aus dem Englischen: Hans Thie
Greg Palast, investigativer Journalist aus den USA, arbeitet derzeit vor allem für die BBC und den Observer.

Weitere Informationen zum Blackout in den USA hier

Blackout in Städten und Köpfen

"Erst muss es dunkel werden, damit man anfängt, zu sehen".

Blackout in Städten und Köpfen

 "Erst muss es dunkel werden, damit man anfängt, zu sehen".

(19. August 2003) Wie sicher ist Deutschlands Stromversorgung? Sommerliche Kraftwerksausfälle, Drohung von Stromabschaltungen, Blackout in den USA und der notwendige Kraftwerksneubau in Deutschland führen zu besorgten Fragen.

Der Bund der Energieverbraucher hat dazu Stellung bezogen: "Der Blackout zeigt uns unsere Grenzen. Zwar sind keine akuten Stromengpässe in Deutschland zu befürchten. Wir müssen dennoch erkennen, dass nur Investitionen in Energieeinsparung, dezentrale Stromerzeugung und erneuerbare Energien die Zukunft sichern können. Deutschlands Stromnetz ist überdimensioniert und überfinanziert", sagte der Vereinsvorsitzende Dr. Aribert Peters heute in Bonn in einem Interview.

Keine akuten Stromengpässe in Deutschland zu befürchten

Der höchste Stromverbrauch liegt in Deutschland an kalten dunklen Wintertagen vor Weihnachten. Selbst am Wintertag mit der höchsten Stromnachfrage (17.12.2001) wurden 83 GW nachgefragt. Die Kraftwerksleistung lag mit 105 GW um beruhigende 20 Prozent darüber. Ein akuter Erzeugungsengpass ist selbst an kältesten Wintertagen und erst recht nicht im Sommer zu befürchten.

Bei deutschen Strompreisen könnten USA jährlich 70 Mrd. $ mehr in Netze investieren

In den USA entfallen 70 Prozent des Strompreises ohne Steuern und Abgaben auf die Erzeugung und 30 Prozent auf die Übertragung. In Deutschland ist es genau umgekehrt.

Kreisdiagramm USA Struktur

Die Strompreise für Verbraucher betragen in Deutschland zehn Cent je Kilowattstunde ohne Steuern und Abgaben, in den USA dagegen nur sechs Cent. Mit diesen höheren Preisen, jährlich sieben bis zehn Milliarden Euro, ist in Deutschland in eine bessere Technik investiert worden. Der Ruf nach noch höheren Strompreisen für noch bessere und sicherere Technik entbehrt jeder Grundlage.

Für die Stromnetze zahlt jeder deutsche Haushaltskunde sieben Cent je Kilowattstunde im Schnitt, ohne Steuern und Abgaben. In den USA schlagen die Netze nur mit zwei Cent zu Buche. Würde in Deutschland für die Netznutzung nur zwei Cent berechnet, dann könnten jährlich sieben Milliarden Euro weniger in die Netze investiert werden. Wäre die Netznutzung in den USA so teuer wie in Deutschland, so könnte man dort jährlich 70 Milliarden Dollar mehr in die Stromnetze investieren.

Deutsche Stromnetze sind überbezahlt

Im Schnitt aller EU-Länder liegen die Netznutzungsentgelte um fast vier Cent unter dem deutschen Niveau, ohne dass in der übrigen EU die Versorgungssicherheit wesentlich höher ist. Die anstehende Senkung der in Deutschland weit überhöhten Netznutzungsentgelte gefährdet die Versorgungssicherheit in keiner Weise, wie das Beispiel der übrigen EU-Länder zeigt. Die deutschen Haushaltskunden haben jahrzehntelang durch ihre hohen Strompreise ein sehr gutes und sicheres Netz finanziert. Nun dürfen sie auch die entsprechende Sicherheit genießen.

Europäisches Verbundnetz verwundbar

Das Europäische Verbundnetz spannt sich über den ganzen Kontinent. Auch wenn es bisher noch keine größeren Störungen gab, sind Ausfälle durch technisches Versagen, Terror oder Naturgewalten grundsätzlich möglich. Das sollte in allen Planungen berücksichtigt werden.

Informationen im Internet

Die wichtigsten Daten zum US-Strommarkt

letzte Änderung: 18.02.2021