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Haftung bei Stromausfällen

Rechtsprechung

Haftung bei Stromausfall

Rechtsprechung: Haftung bei Stromausfall

Von Leonora Holling

(21. Februar 2020) Wenn im US-Bundesstaat Kalifornien aufgrund von Dürren und Trockenheit eine erhöhte Gefahr für Buschbrände besteht, stellt der dortige Stromnetzbetreiber den Strom ab. Damit wird ein Funkenflug aufgrund der maroden Stromnetze verhindert. Im Oktober 2019 führte dies zu tagelangen Stromausfällen für rund zwei Millionen Stromkunden mit erheblichen Folgeschäden durch unterbrochene Kühlketten, ausgefallene Tankstellen, feststeckende Aufzüge und geschlossene Supermärkte.

2061 Sicherungskasten Elektrizität / Rido / stock.adobe.com

In Deutschland sind Stromausfälle hingegen sehr selten. Zahlen der Bundesnetzagentur zufolge, saßen deutsche Haushalte im Jahr 2018 statistisch betrachtet nur gut 14 Minuten im Dunkeln. In absoluten Zahlen sollen sich gut 167.400 ungeplante Stromausfälle ereignet haben. Grund genug, die Frage der Haftung für Folgeschäden durch Stromausfälle zu beleuchten. Als Adressat einer Haftung kommt dabei nicht der Energieversorger, sondern der örtliche Verteilnetzbetreiber in Betracht. Ihm obliegen die Errichtung, Wartung und der sichere Betrieb seines Stromnetzes.

Betrachtet man die Lieferung von leitungsgebundener Energie als „Produkt“ nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG), so wäre es eine Obliegenheit des Netzbetreibers, Spannung und Frequenz stets innerhalb der tolerierbaren Grenzen für den Endverbraucher vorzuhalten. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Ansicht bereits vor gut fünf Jahren und erklärte, dass der Verbraucher auf Grundlage von § 16 Absatz 3 der Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) eine objektive Sicherheitserwartung für seine Versorgung haben dürfe (Az. VI ZR 144/13). Dies dürfte sowohl für den Fall der Überspannung, Spannungsschwankung, als auch für den Totalausfall gelten.

Der Vorteil der Haftung nach dem ProdHaftG ergibt sich daraus, dass bei objektivem Vorliegen eines „Fehlers“ im Netz der Verbraucher nur die Ursächlichkeit dieses Fehlers für den bei ihm eingetretenen Schaden vortragen muss. Der Netzbetreiber kann sich also nicht mit dem Hinweis aus der Haftung stehlen, er habe sein Netz ausreichend kontrolliert und ihn treffe daher kein Verschulden.

Angesichts dieser Rechtsprechung wehren sich die Netzbetreiber vehement gegen eine Anwendbarkeit des ProdHaftG. Sie verweisen auf § 18 NAV, der nach ihrer Ansicht eine abschließende Haftungsregelung enthalte und ausdrücklich ein Verschulden des Netzbetreibers voraussetzt, damit dieser haften muss. Dieser Ansicht hat jedoch neben dem BGH zuletzt auch das Landgericht Wuppertal eine Absage erteilt. § 18 Absatz 3 NAV schließe eine zusätzliche Haftung nach dem ProdHaftG nicht aus, so das Landgericht (Az. 16 S 15/12). Gerichtlich ist somit eine Haftung der Stromnetzbetreiber umfassend festgestellt worden.

Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.

Überspannungsschäden: Netzbetreiber haftet

(26. Februar 2014) Der sechste Senat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2014 mit einer weitreichenden Entscheidung Aufsehen erregt (Az. VI ZR 144/13): Der jeweilige örtliche Stromnetzbetreiber muss durch Überspannung verursachte Schäden ersetzen. Ersetzt wird nur der über 500 Euro hinausgehende Schadensbetrag.

Der Schadensersatz ist unabhängig von einem Verschulden des Netzbetreibers zu leisten. Dies folgt aus dem Produkthaftungsgesetz, dass gemäß dem neuen BGH-Urteil in derartigen Fällen anzuwenden ist. Die Urteilsbegründung ist noch nicht veröffentlicht.
Für Schäden durch Stromausfall gibt es nach diesem Gesetz keinen Schadensersatz, weil gar kein Produkt geliefert wurde, also auch kein Fehlerhaftes. Dann richtet sich der Schadensersatz nach der Netzanschlussverordnung.

Dem Urteil lag eine Überspannung in Wuppertal am 6. Mai 2009 zugrunde. Sie hatte bei einem Verbraucher, so ein Sachverständigengutachten, Heizung, Computer, Garagentor und Telefon zerstört. Das Amtsgericht Wuppertal lehnte einen Schadensersatzanspruch ab. Das Landgericht Wuppertal gab dem Verbraucher jedoch Recht. Dagegen legte der Netzbetreiber erfolglos Revision beim Bundesgerichtshof ein.

Schäden durch Stromausfall dem Versorger melden

Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V. am 15. Juli 2011

Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.

Schäden durch Stromausfall dem Versorger melden

(15. Juli 2011) Wenn der Strom für längere Zeit ausfällt, zahlt der örtliche Netzbetreiber für dadurch entstandene Schäden wie etwa verdorbene Lebensmittel. Die Schäden sollte man zeitnah melden.

Zunächst genügt eine einfache Mitteilung an den Netzbetreiber, dass es durch den Stromausfall einen Schaden gibt. Die Höhe könne man nachträglich beziffern. Das gilt allerdings nur für Schäden von mehr als 30 Euro. Außerdem müsse plausibel sein, dass die Schäden durch den Stromausfall direkt entstanden sind, so der Verband. Gesetzliche Grundlage ist § 18 der Netzanschlussverordnung.

Wer den Namen und die Adresse seines Netzbetreibers nicht kennt, der kann seine Schadensaufstellung auch seinem Versorger übermitteln mit der Bitte um Weiterleitung an den Netzbetreiber.

Haftet der Versorger für Schäden durch Stromausfälle?

Nach den neuen Verordnungen haften Netzbetreiber für Schäden durch Stromausfälle. Betroffene Verbraucher sollten Schäden unverzüglich geltend machen.

Rechtsanwältin Susanne Fitzner

(1. Juli 2007) - Hier finden Sie die Antworten auf Ihre Fragen!!

Frau Fitzner, wer haftet für Schäden durch einen Stromausfall?

Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetz von 2005 sieht eine Trennung von Energienetz und Energievertrieb vor. Den Begriff des Energieversorgers, der für Anschluss und Versorgung gleichermaßen zuständig war, gibt es nach der neuen Rechtslage nicht mehr. Die am 8. November 2006 in Kraft getretenen neuen Verordnungen, die NAV (Netzanschlussverordnung) und die StromGVV (Stromgrundversorgungsverordnung) für den Elektrizitätsbereich, setzen diese Trennung von Netz und Vertrieb fort. Neu ist damit auch, dass nach der NAV nur noch der Netzbetreiber für eine Unterbrechung beziehungsweise Unregelmäßigkeiten der Stromversorgung haftet, nicht aber der Stromlieferant.

Hat der Verbraucher also einen Stromvertrag mit einem alternativen Stromanbieter vereinbart, muss er sich im Falle von Stromausfallschäden an seinen örtlichen Netzbetreiber wenden.

Auch der Grundversorger als Stromlieferant ist gemäß der StromGVV von einer Haftung weitgehend befreit. Er haftet nur für solche Unterbrechungen oder Unregelmäßigkeiten der Stromversorgung, die er unberechtigt vorgenommen hat, zum Beispiel, wenn er die Versorgung auf Grund eines Zahlungsverzugs des Kunden vom Netzbetreiber unberechtigt unterbrechen lässt.

Wie war die Haftung nach altem Recht geregelt?

Die alte Rechtslage war für den Kunden nachteilig: Er musste das Verschulden des Versorgers, also einen Vorsatz oder Fahrlässigkeit, nachweisen, was selten gelang. Auch die Schadensersatzbeträge, die der Verbraucher fordern konnte, waren geringer als nach der jetzt geltenden Rechtslage.

Was hat sich durch die neue Verordnung für die Kunden geändert?

Die Haftungsregelungen haben sich deutlich verbessert:

Für Sachschäden, also wenn etwa das Gefriergut im Eisschrank verdirbt, haftet der Netzbetreiber, wenn der Schaden durch Vorsatz oder einfache Fahrlässigkeit verursacht wurde. Voraussetzung ist, dass der Schaden mehr als 30 Euro beträgt. Die Obergrenze für Sachschäden beträgt 5.000 Euro je Anschlussnutzer. Die Haftung je Schadensereignis ist auf insgesamt 2,5 Millionen Euro begrenzt, wenn der Netzbetreiber bis zu 25.000 Anschlussnutzer versorgt. Beliefert er mehr als eine Million Nutzer, liegt die Grenze bei 40 Millionen Euro.

Bei Gesundheitsschäden, wenn etwa der Kunde wegen des Heizungsausfall aufgrund eines Stromausfalls eine Lungenentzündung erleidet, haftet der Netzbetreiber uneingeschränkt für jede Art des Verschuldens, also auch im Falle einfacher Fahrlässigkeit.

Für Vermögensschäden, also wenn ein Kunde im Hotel übernachten muss, weil wegen eines Stromausfalls die Heizung - bei Minusgraden - nicht läuft oder er im Restaurant essen muss, weil der Elektroherd nicht funktioniert, haftet der Netzbetreiber nur bei grober Fahrlässigkeit.

Neu ist also, dass bei Stromausfällen in Bezug auf Vermögens- und Sachschäden vermutet wird, dass der Netzbetreiber fahrlässig gehandelt und dadurch den Stromausfall verschuldet hat. Der Schaden, so die Vermutung, war für den Netzbetreiber vorhersehbar und hätte durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen vermieden werden können. Der Netzbetreiber kann dies aktiv widerlegen. Er muss zum Beispiel nachweisen, dass er sämtliche Rechtsvorschriften beziehungsweise technische Normen und Standards eingehalten hat, um den Stromausfall zu verhindern. Allein die Tatsache, dass die Netzbetreiber zu geringe Anteile der Netzerlöse in die Wartung und Instandhaltung der Netze investieren, könnte eine Fahrlässigkeit darstellen. Dies ist aber eine umstrittene Problematik.

Ferner kommt für Schäden durch Frequenz- und Spannungsschwankungen zusätzlich eine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz in Betracht.

Unter dem Strich stellen die neuen Verordnungen eine deutliche Verbesserung der Rechtsstellung des Kunden dar. Inhaltlich analoge Verordnungen gelten übrigens für die Gasversorgung.

Gilt diese neue Rechtslage automatisch für alle Kunden?

Seit dem 8. Mai 2007 gelten die neuen Verordnungen für alle Anschluss- und Nutzungsverhältnisse - egal wann diese entstanden sind.

Was muss ich als Verbraucher tun, falls ich Schäden durch einen Stromausfall erlitten habe?

Man sollte den Schaden unverzüglich, also ohne "schuldhaftes Zögern", dem Netzbetreiber mitteilen. Dabei genügt zunächst eine einfache Mitteilung, dass ein Schaden eingetreten ist. Die genaue Höhe kann man auch nachträglich beziffern. Typisch sind Schäden an empfindlichen elektronischen Geräten, tote Fische im Aquarium oder verdorbene Lebensmittel durch den Ausfall der Kühltruhe.

Muss ich dem Versorger nachweisen, dass er fahrlässig gehandelt hat, und wie muss ich dafür vorgehen?

Nein. Der Verbraucher muss zunächst lediglich den Schaden mitteilen und darlegen, dass der Schaden durch eine Unterbrechung oder Unregelmäßigkeit in der Stromversorgung entstanden ist. Der Netzbetreiber muss dann seinerseits darlegen und beweisen, dass er nicht vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Durch die so genannte Verschuldensvermutung in den neuen Verordnungen dürfte dies den Netzbetreibern jedoch wesentlich schwerer fallen als bisher.

Gilt die Haftung auch für Stromausfälle durch Unwetter oder Ähnliches?

Eine Haftung und Schadenersatzpflicht des Netzbetreibers ist ausgeschlossen, wenn Schäden durch höhere Gewalt oder andere, nicht in der Risikosphäre des Unternehmens liegende und nicht beeinflussbare Umstände entstanden sind. Wer zahlt, wenn Schäden durch angekündigte Unterbrechungen auftreten? Der Netzbetreiber hat den Anschlussnutzer über jede nicht nur kurzfristige Unterbrechung der Versorgung wegen betriebsnotwendiger Arbeiten rechtzeitig zu unterrichten. Der Netznutzer hat nach Kenntnis der (bevorstehenden) Unterbrechung seinerseits alles zu tun, um zu erwartende Schäden zu verhindern. Er muss also gegebenenfalls elektronische Geräte abstellen, Stecker ziehen, Daten am PC sichern etc.

Kommt der Kunde dieser Schadensvermeidungspflicht nicht nach, kann ihn zumindest ein Mitverschulden an dem eingetretenen Schaden treffen. Anschlussnutzer, die auf eine dauerhafte, ununterbrochene Stromversorgung angewiesen sind, haben dies dem Netzbetreiber unter Angabe von Gründen schriftlich mitzuteilen. Nur in diesen Fällen ist der Netzbetreiber verpflichtet, den Anschlussnutzer auch bei nur kurzfristigen Unterbrechungen zu informieren.

Gilt das auch für Schäden durch Überspannung an HiFi-Geräten oder Computern?

Der Netzbetreiber haftet bei Schäden auch durch Überspannung im Netz, soweit sie nicht Folge eines Blitzschlags sind. Allerdings wird das schwierig sein, nachzuweisen.

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Der Versorger muss beweisen, dass er nicht fahrlässig gehandelt hat.

Welche Nachweise muss der Verbraucher erbringen, wenn Störungen in der Stromversorgung zu Schäden geführt haben?

Verbraucher sollten eine Liste mit den Schadenspositionen erstellen und den Schaden möglichst durch Fotos oder dergleichen dokumentieren. Es empfiehlt sich, zum Beispiel den Nachbarn als Zeugen heranzuziehen. Die Schadensliste sollte möglichst detailliert sein. Die Schadenshöhe kann, falls erforderlich, auch später noch nachgereicht werden. Im Falle von Schäden an technischen Geräten sind gegebenenfalls Fachunternehmen heranzuziehen, die den Schaden begutachten und damit auch den Beweis sichern.

Wenn es längere Stromausfälle gibt und höhere Kosten durch Batterien, Notstromaggregate, auswärtiges Essen, Hilfskräfte zur Schadensabwehr anfallen, wer zahlt das?

Hierbei handelt es sich um Vermögensschäden. Der Versorger haftet im Grundsatz dafür, wenn Unregelmäßigkeiten oder Unterbrechungen der Stromversorgung Ursache für den Schaden sind.

Bin ich als Verbraucher gegen solche Schäden versichert?

Möglicherweise umfasst die Hausratversicherung den Ersatz für durch Stromausfall verdorbene Lebensmittel. Das lässt sich durch einen Blick in die individuell vereinbarten Versicherungsbedingungen klären. Es gibt ferner eine sogenannte Elektronikversicherung. Diese versichert Schäden durch technische Ursachen wie Überspannung, Unterspannung, Fremdspannung und Kurzschluss, die zu Schäden an Geräten führen.

letzte Änderung: 21.02.2020