E.on und RWE: Aus zwei mach eins
Wettbewerb soll Verbraucher vor überhöhten Preisen schützen. Die Dominanz von vier Energieriesen schränkt diesen Wettbewerb trotz der Anbietervielfalt deutlich ein. Es ist höchst bedenklich, wenn dann auch noch zwei dieser vier Riesen weitgehend fusionieren beziehungsweise das Geschäft unter sich aufteilen wollen.
Von Aribert Peters
(27. Juli 2018) Vor der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte im Jahr 1998 gab es in Deutschland noch sieben große Stromkonzerne. Mit der Liberalisierung fusionierten diese zu den „großen Vier“: E.on, EnBW, Vattenfall und RWE. Die mit großem Abstand größten der vier Riesen, nämlich RWE und E.on, wollen nun zu einem Kraftwerks-Unternehmen sowie einem Stromvertriebs- und Netzbetriebsunternehmen fusionieren.
Marktdominanz der großen Vier
Laut Monitoringbericht von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur erzeugten die großen Vier im Jahr 2014 rund 73 Prozent des konventionell erzeugten Stroms in Deutschland. Sie belieferten 2016 auch 64 Prozent aller Haushaltskunden und kleinere Gewerbebetriebe sowie 72 Prozent der mittleren und großen Verbraucher. Hinzu kommen zahlreiche Minderheitsbeteiligungen der großen Vier an Stadtwerken. Über diese Beteiligungen können die Großen meist Einfluss auf die Strombeschaffung von Stadtwerken nehmen, natürlich zu ihrem eigenen Vorteil.
Erstaunlicherweise sehen weder das Bundeskartellamt noch die Monopolkommission in dieser hohen Marktdominanz eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Der Bund der Energieverbraucher sah schon bisher in der Kombination von Dominanz in der Erzeugung und in der Verteilung durchaus ein gravierendes Marktungleichgewicht, das mit Chancengleichheit aller Akteure wenig zu tun hat.
Wie die Fusion funktionieren soll
Der geplante Tauschhandel von E.on und RWE ist schwer zu durchschauen. Kurz gesagt, erhält E.on alle Strom- und Gasverteilnetze sowie den Energievertrieb an Endkunden beider Konzerne. Damit wird E.on zum beherrschenden Unternehmen im Stromvertrieb. RWE erhält dafür die fossilen und erneuerbaren Stromerzeugungssparten beider Konzerne und wird damit zum beherrschenden Stromproduzenten in Deutschland. Jeder Wettbewerb zwischen den beiden Riesen wird damit verschwinden. Überraschenderweise sehen Politik und Kartellbehörden den Deal positiv.
Verteilnetze sind Goldgruben
Der Betrieb von Stromverteilnetzen ist auch nach der Liberalisierung des Strommarktes nach wie vor ein Monopolbereich. Egal, wer der Stromlieferant ist, den Verteilnetzbetreiber kann man als Verbraucher nicht wechseln. Und mittlerweile ist nur für den Betrieb des schon bestehenden Verteilnetzes pro Kilowattstunde deutlich mehr zu bezahlen, als für die komplette Herstellung des Stroms. Anders ausgedrückt: Am Verteilnetz wird aufs üppigste und ungehindert vom Wettbewerb verdient. Verteilnetze sind Goldgruben für Investoren. Daran ändert auch die Genehmigung der Netzentgelte durch die Bundesnetzagentur nichts.
Sichere Anlage mit Traumrenditen
Beispielsweise wird das von den Netzbetreibern eingesetzte Kapital für Neuanlagen mit neun Prozent verzinst. Und das in einer Zeit mit negativen Zinsen. Der Beschluss der Bundesnetzagentur, diese Zinsen ab 2019 auch nur auf 6,91 Prozent herabzusetzen, hielt der geballten Wucht bestbezahlter Anwälte vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf nicht stand (siehe Überhöhte Netzentgelte). Der Fall liegt nun zur Entscheidung beim Bundesgerichtshof. Bei solchen Prozessen geht es um die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Justiz und Recht ziehen dabei oft den Kürzeren und kommen gegen die Heerscharen von bestbezahlten Spitzenanwälten nur schwer an. Nur ein Prozent mehr Eigenkapitalverzinsung bringt den Netzbetreibern zusätzliche Netzentgelteinnahmen in Höhe von einer Milliarde Euro. Und die Eigenkapitalverzinsung ist beileibe nicht der einzige Schwachpunkt dieser sogenannten Anreizregulierung.
Neuvergabe von Konzessionen
Der fehlende Wettbewerb beim Verteilnetzbetrieb soll nach gängiger Auffassung dadurch ausgeglichen werden, dass der Betrieb der Verteilnetze durch die Kommunen spätestens alle 20 Jahre öffentlich ausgeschrieben werden muss. So sollen überhöhte Netzentgelte verhindert werden. Denn günstigere neue Betreiber erhalten dadurch eine Chance. Eine Fülle von Gesetzen, Verordnungen und Gerichtsurteilen regelt dieses Ausschreibungsverfahren.
Gegen die Dominanz von E.on und RWE bei der Vergabe von Konzessionen hat dies alles nichts genutzt. RWE und E.on haben nach Recherchen des Wuppertal Instituts zusammen rund 7.800 örtliche Stromnetzkonzessionen, mithin mehr als die Hälfte aller insgesamt rund 14.000 Konzessionen. Kurt Berlo vom Wuppertal Institut stellt dazu fest: „Die zunehmende Marktkonzentration schränkt den Wettbewerb bei der Vergabe von Verteilnetz-Konzessionen weiter ein. Steigende Netznutzungsentgelte könnten die Folge sein. Da die Welle auslaufender Verteilnetz-Konzessionen letztes Jahr endete und diese Verträge in der Regel 20 Jahre lang gelten, ist erst wieder in 10 bis 15 Jahren damit zu rechnen, dass es überhaupt zu Änderungen in diesem Bereich kommt.“
Todesurteil für Vergabewettbewerb
Bei der Fusion der Verteilnetze von E.on und RWE haben Politiker und Kartellbehörden dies offensichtlich alles vergessen. Denn aus zwei großen Bewerbern um Konzessionen, die heute noch im Wettbewerb zueinander stehen, soll künftig nur noch ein Bewerber werden. Ein wesentlicher Anteil des möglichen Wettbewerbs um Konzessionsverträge wird künftig also schlicht wegfallen. Das wird den Missbrauch der Monopolmacht, der auch durch die Netzentgeltgenehmigungen kaum kontrolliert werden kann, verstärken und die Preise zum Nachteil der Verbraucher nach oben treiben.
Effizienzgewinne fragwürdig
Die Konzerne führen dagegen Effizienzgewinne ins Feld, wenn statt zwei nur noch ein Unternehmen die zahlreichen Netze betreibt. Selbst wenn es solche Vorteile geben sollte, kommen diese den Eigentümern und nicht den Kunden zugute. Ob große Firmen tatsächlich effizienter als kleine Firmen arbeiten, das muss zudem bezweifelt werden. Es gibt unzählige Beispiele höchst effizienter Kleinstunternehmen. Und ebenso viele Beispiele von kopflosen Großfirmen.
Schaut man auf die Unternehmenspolitik von E.on und RWE in den vergangenen Jahren zurück, dann wird niemand behaupten, dass diese Firmen besonders gut geführt oder erfolgreich waren. Die Börsenkurse zeigen dies im Urteil der Kapitalmärkte. Die hier kritisierte Fusion kann auch als deutlicher Hinweis für das Versagen dieser Firmen gesehen werden.
Schwache Regulierung
Die Fusion von Verteilnetzeigentümern schwächt auch die Anreizregulierung ganz wesentlich. Der Effizienzvergleich der Anreizregulierung basiert auf der Unterschiedlichkeit der Verteilnetzbetreiber. Genau diese Unterschiedlichkeit würde sich durch die Fusion deutlich verringern und die Frontlinie zwischen Regulierungsbehörde und den regulierten Firmen deutlich verschieben.
Netze als öffentliches Eigentum
Viele Vorteile hätte es, wenn die Netze – wie Straßen – in öffentliches Eigentum übergehen und zum Beispiel von Kommunen betrieben werden. Dies hatte der hessische CDU-Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel im Jahr 2007 vorgeschlagen und begründet. Aber gerade die Chancen der Kommunen auf Übernahme ihrer örtlichen Netze dürften sich durch die Fusion deutlich vermindern. Analoge Argumente lassen sich auch gegen die Fusion der Kraftwerkssparten von RWE und E.on ins Feld führen.
Kontrollbehörden müssen wachsam sein
Der Bund der Energieverbraucher hat sich mit Briefen an das Bundeskartellamt, das Bundeswirtschaftsministerium sowie die Bundesnetzagentur gewandt und darum gebeten, dass die beantragte Fusion nicht genehmigt wird.
Das Bundeskartellamt teilte dem Verein daraufhin mit, dass die geplante Fusion bisher nicht bei den Kartellbehörden angemeldet wurde. Das Amt hält es für möglich, dass die Fusion in die Zuständigkeit der Europäischen Kommission fällt und es in soweit nicht zuständig sein wird.
Fusion ermöglicht Kündigung von Konzessionsverträgen
Die sogenannte Change-of-Control-Klausel, die in vielen Fällen sogar Bestandteil des Konzessionsvertrags zwischen der Gemeinde und dem Netzbetreiber beziehungsweise dem örtlichen Grundversorger ist, gewährt der Gemeinde als Konzessionsgeberin in der Regel ein Sonderkündigungsrecht für den Fall, dass nach Abschluss der Konzessionsvereinbarung – zum Beispiel durch Eigentümerwechsel beziehungsweise Fusion – ein anderes Unternehmen einen beherrschenden Einfluss auf den Verteilnetzbetreiber ausüben kann. Die Gemeinde hat dann die Option, den Vertrag zu beenden und kann das Verteilnetz rekommunalisieren, einen anderen Verteilnetzbetreiber suchen oder zumindest die Konditionen neu verhandeln.
Verbraucher, deren Netzgebiete vom E.on-RWE-Deal betroffen sind, sollten die Gelegenheit nutzen, um ihre politischen Entscheidungsträger in den Rathäusern dazu zu bewegen, unabhängige Stadtwerke zu gründen sowie das Strom- und Gasnetz zu rekommunalisieren. Dabei kann auch mit anderen Stadtwerken aus der Region kooperiert werden.
Bei der Neuvergabe kann dann auch die Höhe der Netzentgelte als wichtiges Entscheidungskriterium herangezogen werden, wovon die Verbraucher finanziell profitieren können. Von diesen Möglichkeiten müssen Gemeinden jedoch zeitnah Gebrauch machen, um sie nicht zu verwirken.
Weisen Sie Ihre Gemeinde und Lokalpolitiker auf diese wichtige Chance hin!