Strommasten waren doch spröde
(25. April 2006, aktualisiert 27. April 2006) Spröder Stahl an sanierten Strommasten ist offenbar doch mitverantwortlich für den tagelangen Stromausfall im Münsterland. Das geht laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung aus einer Untersuchung des Bundesamtes für Materialforschung (BAM) hervor. Das Amt hatte im Auftrag der Bundesnetzagentur untersucht, wie es zu dem Blackout im Münsterland kommen konnte.
Nach heftigen Schneefällen waren Ende November fünf RWE-Fernleitungen im Münsterland schwer beschädigt worden und Strommasten reihenweise eingeknickt. 250.000 Menschen waren ohne Strom, einige von ihnen bis zu 50 Stunden lang. Offenbar nicht alle Teile ausgetauscht Anders als von RWE bisher dargestellt, ist offenbar nicht allein die extreme Wetterlage Schuld für den Zusammenbruch, sondern unzureichend sanierte Strommasten.
"Das Primärversagen", heißt es in einem zusammenfassenden Bericht des BAM-Gutachtens, sei an einem "gemäß RWE-Sanierungskonzept sanierten Mast an einer versprödeten Diagonale aus Thomasstahl" aufgetreten. Bei der Sanierung hatte das Unternehmen offenbar nicht alle belasteten Thomasstahl-Teile ausgetauscht. Thomasstahl, der als besonders spröde gilt, wurde bis in die sechziger Jahre auch für Strommasten verwandt.
Hätte RWE bei der Sanierung alle tragenden Teile aus Thomasstahl ersetzt, "kann vermutet werden, dass der Mast das Wetterereignis ,Münsterland 2005" überlebt hätte", heißt es in dem Bericht. Das RWE-Sanierungskonzept müsse überprüft werden, fordern die Gutachter.
Anfang Juni soll sich die Wirtschaftsministerkonferenz mit dem Zustand der deutschen Strommasten befassen. Allein RWE hat seit 2002 rund 60 Prozent seiner 44 000 Strommasten saniert.
RWE hatte im Februar ein Gutachten des Essener Baustatikers Georg Thierauf vorgelegt. Nach Auffassung des Gutachters führten vor allem die Wetterbedingungen zum Zusammenbruch der Stromversorgung. Auch moderne Strommasten hätten einer solchen Belastung nicht standhalten können. RWE hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass alte Masten sukzessive modernisiert oder ausgetauscht würden.
Die Bundesnetzagentur will das Gutachten zunächst nicht veröffentlichen. Das von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung fertig gestellte Gutachten müsse zunächst "geprüft und bewertet" werden, sagte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur am Montag. Die "Berliner Zeitung" hatte am Samstag berichtet, die Gutachter seien zu der Auffassung gekommen, dass der Stahl der Masten brüchig gewesen sei.
"Das Gutachten ist sehr umfangreich", sagte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur. Es müsse erst gelesen, bewertet und analysiert werden. Erst dann könnten Konsequenzen gezogen werden. Sie gehe davon aus, dass ein Bericht noch im Mai veröffentlicht werden kann.
Zuvor hatte bereits der Stromversorger RWE, Eigner der betroffenen Masten, ein vom Unternehmen selbst in Auftrag gegebenes Gutachten veröffentlicht. Die Autoren waren zu der Auffassung gekommen, dass die außergewöhnliche Schneelast in Verbindung mit ausgesprochen ungünstiger Temperatur zu dem Stromchaos geführt hat.