E.ON: Einfach unverbesserlich?
Bereits mehrfach berichteten wir über Horror-Rechnungen des Energieversorgers E.ON und der Bund der Energieverbraucher verlieh dem Versorger im Dezember 2019 wegen systematischer Versäumnisse bei der Abrechnung sogar den Negativpreis „Trübe Funzel“. Im Januar 2020 wurde ein weiterer Fall bekannt.
Von Louis-F. Stahl
(6. April 2020) Nur wenige Tage nach der Verleihung der „Trüben Funzel“ durch den Bund der Energieverbraucher an E.ON sprach am 9. Dezember 2019 der „Marktwächter Energie“ der Verbraucherzentralen ebenfalls eine Verbraucherwarnung aus. Auch bei den Verbraucherzentralen häuften sich Beschwerden über die Abrechnungspraxis von E.ON.
Fehlende Zählerablesung
Der Versorger erstellte in den bekannten Einzelfällen teilweise seit dem Jahr 2009 die jährliche Abrechnung lediglich auf Basis von Schätzwerten. Die Gründe für die Verwendung von Schätzwerten sind von Fall zu Fall verschieden. Entweder erschienen die von den betroffenen Verbrauchern gemeldeten Ablesewerte dem Versorger „nicht plausibel“, sodass die Werte verworfen wurden, oder die betroffenen Verbraucher haben überhaupt keine Ablesewerte an den Versorger übermittelt, weil sie darauf vertrauten, dass der Vermieter, der Netzbetreiber oder der Versorger den Zähler schon ablesen werde. Erst wenn der Stromzähler gewechselt wurde oder der Verbraucher auszog, kam es in diesen Fällen zu einer tatsächlichen Ablesung und damit einem bösen Erwachen.
Pflichtverletzung der Netzbetreiber
Die Erwartung vieler Verbraucher, dass der örtliche Netzbetreiber als grundzuständiger Messstellenbetreiber seine Zähler regelmäßig abzulesen habe, ist grundsätzlich nicht unbegründet. Schließlich zahlt jeder Energieverbraucher mit dem Stromgrundpreis ein „Entgelt für die Messung und den Messstellenbetrieb“. Entsprechend der „Leistungsbeschreibung für Messstellenbetrieb, Messung und Abrechnung“ des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft wird mit diesem Entgelt sowohl eine „Turnusablesung“, als auch eine „Kontrollablesung bei Zählerstandsnachbildungen“ bezahlt. In der Praxis beschränken sich viele der bundesweit über 900 Netzbetreiber jedoch auf das Kassieren des Entgeltes für die Messung aber kommen ihrer Pflicht zur Ablesung nicht nach.
Einschätzung der Bundesnetzagentur
Auf Nachfrage der Energiedepesche teilte die Bundesnetzagentur mit, dass wenn „eine Schätzung vorgenommen wird, obwohl die Voraussetzungen des § 11 Absatz 3 Stromgrundversorgungsverordnung bzw. Gasgrundversorgungsverordnung nicht vorgelegen haben, die Verordnungen grundsätzlich keine Sanktionen vorsehen.“ Allerdings „lägen der zuständigen Beschlusskammer bisher keine konkreten Beschwerden“ zur Problematik vor.
Ein neuer „Einzelfall“
Auch Stefanie K. erhielt eine Horror-Rechnung über mehr als 7.500 Euro von E.ON, nachdem ihr Zähler über fünf Jahre hinweg nicht abgelesen wurde. Das böse Erwachen ereilte die Verbraucherin, nachdem sie selbst im August 2018 den Zählerstand an E.ON übermittelt hatte. Im Zuge einer Schlichtungsempfehlung riet die Schlichtungsstelle Energie Stefanie K. und E.ON zu einer dahingehenden Einigung, dass der Versorger noch offene Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Abrechnung aufklären und sodann eine Ratenzahlungsvereinbarung über den zu zahlenden Betrag anbieten möge. Obwohl die Schlichtungsstelle E.ON damit die Rechtmäßigkeit der Forderung grundsätzlich zugestand und Stefanie K. daraufhin mitteilte, dass sie bereit sei, die Forderung in kleinen monatlichen Raten zu zahlen, lehnte E.ON im November 2019 den Schlichterspruch sowie eine Ratenzahlung ab und verlangte die Begleichung der Gesamtforderung.
Nach gut anderthalb Jahren Streit mit dem Versorger und völlig verzweifelt, ob der für sie existenzbedrohenden Forderungshöhe, wandte sich Stefanie K. hilfesuchend an die Energiedepesche. Da auch wir das Verhalten der zuständigen E.ON-Sachbearbeiter nicht nachvollziehen konnten, baten wir die E.ON--Pressestelle am 27. Januar 2020 um Aufklärung. Nun kam Bewegung in die Sache: Nur vier Tage später teilte ein Pressesprecher der E.ON Energie Deutschland GmbH mit, dass der Versorger den Vorgang „bedauere“, zur „Wiedergutmachung für die lange Klärungsfrist“ pauschal auf 10 Prozent der Forderung verzichte und die erbetene monatliche Ratenzahlung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage von Stefanie K. akzeptiere.
Lösung versprochen
Doch nicht nur im genannten Einzelfall hat E.ON das Problem erkannt und Abhilfe zugesagt. Zukünftig wird der Versorger „Kunden, von denen über mehrere Jahre lediglich geschätzte Zählerstände vorliegen, eindringlich darauf hinweisen, die Ablesung des Zählerstands selbst vorzunehmen und direkt an uns zu übermitteln.“ Ziel sei es, zukünftig unnötige „Nachforderungen zu vermeiden und Herausforderungen bei der Ablesung von Zählerständen gemeinsam mit unseren Kunden zu lösen“, so der E.ON-Sprecher weiter. Es scheint, als habe der Versorger seine Lehren gezogen – und falls wider Erwarten doch keine Besserung eintreten sollte, werden wir wieder berichten.
Lehren für Verbraucher
Als Energieverbraucher sollte man sich keinesfalls darauf verlassen, dass schon irgendwer den eigenen Zähler abliest und dass eine Jahresabrechnung auf echten Ablesewerten beruht. Sie sollten unbedingt mindestens einmal jährlich und zusätzlich bei jeder Preisänderung sowie jedem Versorgerwechsel Ihren Zähler selbst ablesen, den Messwert an Ihren Energieversorger sowie den Netzbetreiber melden und jede Rechnung genau kontrollieren, ob Ihre Ablesewerte auch tatsächlich berücksichtigt wurden.