Stromsperren: Grundversorger in der Pflicht
Von Leonora Holling und Louis-F. Stahl
(30. August 2021) Grundversorger sind verpflichtet, Endverbraucher in ihrem Versorgungsgebiet mit Strom beziehungsweise Gas zu versorgen, sofern Energieverbraucher keinen anderweitigen Versorger gewählt haben. Fällt ein von Verbrauchern gewählter Versorger aus oder scheitert ein Anbieterwechsel, müssen Grundversorger darüber hinaus eine „Ersatzversorgung“ für bis zu drei Monate sicherstellen. Grundversorger müssen ihrer Versorgungspflicht jedoch nicht unbegrenzt nachkommen. Gemäß §§ 36 und 38 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sind sie berechtigt, Grundversorgungsverhältnisse abzulehnen oder diese zu beenden, wenn diese wirtschaftlich unzumutbar sind. Eine solche Unzumutbarkeit liegt typischerweise bei Zahlungsrückständen in erheblichem Umfang vor. Zwischen Endverbraucher und Grundversorger besteht dann nach allgemeiner Auffassung kein Versorgungsverhältnis.
Diese Regelung machte sich ein besonders gewitzter Grundversorger mit einem Trick zu Nutze: Er kündigte bestehende Versorgungsverträge mit unliebsamen Energieverbrauchern seit 2012 in hunderten Fällen, lies die Energieverbraucher damit in die Ersatzversorgung fallen und erklärte dem Netzbetreiber nach drei Monaten ein „Lieferende“, anstatt wie üblich eine kostenpflichtige Sperrung der betreffenden Anschlüsse zu beauftragen. Natürlich entnahmen die Verbraucher weiterhin Strom aus dem Netz. Auf den Kosten dafür sollte, so der gewitzte Grundversorger, wiederum der Netzbetreiber sitzen bleiben. Dass dieser Trick nicht zulässig ist, hatte bereits die Bundesnetzagentur (Az. BK6-16-161) und auch das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. 3 [Kart] 801/18) entschieden. Der Versorger ging gegen diese Entscheidungen in Revision. Die Energiedepesche berichtete über die Masche und den Verfahrensstand ausführlich in „Unzulässige Stromsperren: Grundversorger muss liefern“.
Nunmehr entschied der Bundesgerichtshof die Streitfrage in letzter Instanz (Az. EnVR 104/19). Der BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und stellte seinerseits klar, dass die Entnahme von Energie aus einem Netz bilanziell stets dem Grundversorger zuzurechnen sei, sofern kein anderweitiges Lieferverhältnis bestehe. Dies gelte auch im Falle einer Ablehnung der Versorgung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit durch den Grundversorger. Grundversorger tragen demnach das Risiko unberechtigter Entnahmen von Strom und sind verantwortlich, ihrerseits Sperraufträge beim örtlichen Netzbetreiber zu erteilen, sofern sie eine unberechtigte Entnahme aus dem Netz zu ihren Lasten verhindern wollen.