Smart Meter? Schön wär‘s!
An der Börse kostet Strom oft nur wenige Cent. Mit schlauen Zählern können Privatleute davon profitieren. Doch viele Netzbetreiber tun sich mit dem Einbau der Geräte schwer. Abhilfe versprechen freie Messstellenbetreiber.
Von Volker Kühn
(29. Juli 2025) Der 11. Mai dieses Jahres war ein Sonntag, wie ihn Ausflügler lieben. Über Deutschland strahlte die Sonne, zugleich wehte im Norden eine frische Brise. Wind- und Solarparks liefen auf Hochtouren. Und weil an Sonntagen der Bedarf niedrig ist, taten die Preise an der Strombörse, was das Gesetz von Angebot und Nachfrage vorsieht: Sie fielen – bis tief ins Minus.
Der Strompreis an der Börse schwankt laufend. In den sonnenreichen Monaten ist er meist zur Mittagszeit am niedrigsten.
Zeitweise zahlten Stromerzeuger 25 Cent für jede Kilowattstunde, die ihnen Kunden abnahmen. Selbst inklusive aller Steuern und Abgaben konnten Stromkunden Geld verdienen, wenn sie den Herd, die Waschmaschine oder den Trockner anwarfen. Wer zu dieser Zeit sein Auto lud, könnte ein paar Euro eingenommen haben. Zumindest in der Theorie.
In der Praxis dürfte das nur wenigen gelungen sein. Denn dazu ist zweierlei nötig: ein dynamischer Stromtarif, der sich nach dem schwankenden Börsenpreis richtet, und ein Smart Meter, im Fachjargon »Intelligentes Messsystem (iMSys)« genannt.
Zwar müssen seit Jahresbeginn alle Stromversorger dynamische Tarife anbieten (siehe „9 Fakten über dynamische Tarife, die Sie kennen sollten“). Doch Smart Meter sind rar wie Schneeflocken im Sommer. Sie unterscheiden sich von analogen Zählern mit Drehscheibe (»Ferraris-Zähler«) und einfachen digitalen Zählern vor allem durch ihre Sendeeinheit, das »Gateway«. Es meldet den Verbrauch im Viertelstundentakt an den Stromlieferanten. In Deutschland sind allerdings nicht einmal zwei Prozent der Haushalte damit ausgestattet – so wenige wie in keinem anderen EU-Land.
Zuständig für den Einbau sind zunächst die Betreiber der örtlichen Verteilnetze. Davon gibt es fast 900. In der Regel sind sie zugleich als »grundzuständige Messstellenbetreiber« Besitzer der Stromzähler. Mehr als die Hälfte von ihnen hatte 2024 allerdings noch nicht ein einziges Smart Meter eingebaut.
Die Netzbetreiber kommen nicht hinterher
Vor allem kleinere Netzbetreiber sollen mit dem massenweisen Zählertausch überfordert sein, heißt es in der Branche. Ihnen fehle das nötige Personal.
Dass der Smart-Meter-Rollout in Deutschland seit Jahren kaum vom Fleck kommt, könnte allerdings auch einem gewissen Widerwillen in der Energiebranche geschuldet sein. Immerhin bedeuten Smart Meter oft auch die Abkehr von etablierten Geschäftsmodellen rund um Festpreistarife.
»Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dynamische Stromtarife dem Geschäftsmodell vieler Energieversorger aus den letzten 100 Jahren diametral entgegenlaufen«, sagt Merlin Lauenburg, Deutschland-Chef des Stromlieferanten Tibber, im Gespräch mit der Energiedepesche. »Das könnte den schleppenden Prozess zumindest in Einzelfällen erklären«, so Lauenburg, dessen Unternehmen zu den ersten Anbietern dynamischer Stromtarife in Deutschland zählte.
Dabei ist der Einbau in vielen Fällen sogar verpflichtend. Wer im Jahr zwischen 6000 und 100.000 Kilowattstunden Strom verbraucht, muss laut Gesetz mit einem Smart Meter ausgestattet werden. Gleiches gilt für Besitzer von PV-Anlagen mit einer Leistung von mehr als sieben Kilowatt und Haushalte mit »steuerbaren Verbrauchseinrichtungen« wie Wallboxen oder Wärmepumpen, wenn sie nach 2024 in Betrieb gingen.
Die Netzagentur hat 700 Betreiber abgemahnt
Das Bundeswirtschaftsministerium hat für den Einbau Quoten vorgegeben. So sollen bis Ende dieses Jahres 20 Prozent der Pflichteinbauten erfolgt sein. Doch davon sind die Betreiber offenbar weit entfernt: Die Bundesnetzagentur hat im Februar rund 700 Unternehmen abgemahnt, weil sie dem Zeitplan hinterherhinken, berichtet »Der Spiegel«.
Sie haben den Messstellenbetreiber gewechselt? Wie waren Ihre Erfahrungen? info@energieverbraucher.de
Das gesetzliche Ziel, bis 2032 alle Haushalte mit Smart Metern auszustatten, gilt unter Beobachtern längst als illusorisch. »Das wird nicht funktionieren. Dafür sind wir in Deutschland viel zu langsam«, erklärt Sebastian Schaule vom Energieversorger Octopus Energy gegenüber der Energiedepesche.
Unternehmen wie Octopus haben deshalb begonnen, auf eigene Faust Smart Meter einzubauen. Denn auch das ist gesetzlich erlaubt – Verbraucher sind nicht verpflichtet, den grundzuständigen Messstellenbetreiber mit dem Zählertausch zu beauftragen. Genau wie ihren Stromlieferanten können sie auch den Messstellenbetreiber frei wählen. Mit einer Einschränkung: Mieter müssen die Zustimmung des Hauseigentümers einholen, wenn sie zu einem sogenannten freien oder wettbewerblichen Messstellenbetreiber wechseln wollen.
Auch bei freien Anbietern kann es länger dauern
Davon gibt es inzwischen gut zwei Dutzend. Ihre Namen wie Inexogy, Zählerhelden oder Wattline sind bislang allerdings kaum bekannt. Eine vollständige Übersicht dieser Anbieter gibt es zudem nicht, wie die Bundesnetzagentur auf Anfrage mitteilt. Auch unabhängige Angaben zur Dauer des Wechsels oder zur Zuverlässigkeit der Unternehmen fehlen. »Informationen über Komplikationen beim Wechsel mit wettbewerblichen Messstellenbetreibern liegen der Bundesnetzagentur derzeit nicht vor«, heißt es immerhin bei der Behörde.
Nach Beobachtung der Energiedepesche sind die Erfahrungen gemischt: Teils klappt der Wechsel problemlos, teils ist es auch Monate danach noch nicht möglich, einen dynamischen Tarif zu nutzen, weil die Messdaten nicht beim Stromlieferanten ankommen. Wo genau sie versickerten, bleibt dabei oft unklar: ob beim Messstellenbetreiber, dem Netzbetreiber oder dem Lieferanten.
Octopus hat von Kooperationen mit freien Anbietern inzwischen Abstand genommen, berichtete Geschäftsführer Bastian Gierull jüngst im Podcast »Energiezone«: Die Ergebnisse seien nicht zufriedenstellend gewesen. Stattdessen habe man selbst eine Abteilung für den Smart-Meter-Einbau gegründet und Personal eingestellt. Bislang bietet Octopus den Service allerdings nur für die eigenen Kunden an.
Der Weg zum eigenen Smart Meter
Anspruch Auch Stromkunden, bei denen der Einbau nicht verpflichtend vorgesehen ist, können auf Wunsch ein Smart Meter erhalten. Dazu müssen sie sich an den grundzuständigen oder einen freien Messstellenbetreiber wenden.
Ablauf Im Vorfeld klärt der Anbieter, ob der Zählerschrank umgerüstet werden muss, was in Einzelfällen vorkommt. Dafür können Kosten anfallen, die der Hauseigentümer tragen muss. Der Zählerwechsel selbst ist schnell erledigt.
Aufwand Für den Wechsel auf Kundenwunsch gelten laut der Bundesnetzagentur Kosten von bis zu 100 Euro als angemessen. Die Betriebskosten sind bei einem Verbrauch bis 6000 Kilowattstunden auf 40 Euro gedeckelt. (Bei alten Zählern sind es meist unter 20 Euro.) Weitere Infos: www.bundesnetzagentur.de/smartmeter