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Kartellamt untersucht überhöhte Strompreise Obwohl die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom nur rund 2,4 Cent kostet (lt. Angaben von RWE), wird dieser Strom derzeit für rund 5,5 Cent gehandelt.

Kartellamt untersucht überhöhte Strompreise

(31. März 2006, aktualisiert 5. Juni 2006) Obwohl die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom nur rund 2,4 Cent kostet (lt. Angaben von RWE), wird dieser Strom derzeit für rund 5,5 Cent gehandelt. Die Stromerzeuger verdienen daran jährlich etwa fünf Milliarden Euro zusätzlich. Die Stromerzeuger kalkulieren dabei nach eigenen Angaben auch den Wert der ihnen kostenlos zugeteilten Emissionszertifikate in ihre Preise ein.

Das Bundeskartellamt hat auf Beschwerde von industriellen Stromkunden ein Missbrauchsverfahren gegen E.ON und RWE eingeleitet (Geschz. B8 88/05). Am 30. März 2006 fand in Bonn eine öffentliche Anhörung des Bundeskartellamtes zu diesem Verfahren statt.

887 Preisentwicklung für Strom an der Strombörse EEX 2002 - 2006

E.ON und RWE rechtfertigen sich auf der Anhörung damit, dass sie die zugeteilten Zertifikate an der Börse verkaufen oder selbst verwenden könnten. Die eigene Verwendung bedeutet also einen Verzicht auf die Veräußerung und damit entgangenen Gewinn. Die eigene Verwendung z.B. für die Stromerzeugung verteuert sich also um den entgangenen Veräußerungsgewinn - auch wenn die Zuteilung kostenlos war. Der Börsenpreis für Strom sei ein reiner Marktpreis, der sich durch Angebot und Nachfrage ergebe. Im übrigen habe man keine marktbeherrschende Stellung.

Die Beschwerdeführer beklagen, dass die Einpreisung nur möglich sei, weil es an der Börse keinen wirksamen Wettbewerb gebe. Auffallend sei eine Strompreissteigerung um 60% seit Beginn des Emissionshandels im März 2005: Von 3,3 Ct/kWh auf 5,5 Ct/kWh. Das sei Ergebnis gewinnmaximierenden Handelns marktbeherrschender Unternehmen.

Der Industrieverband VIK führte in seinem Statement zahlreiche Indizien dafür auf, dass der Stromwettbewerb nicht funktioniert:

 Download Folien Richmann zur Kartellamts-Anh (1,37 MB)

  • 90% der Stromerzeugungskapazität wird von den vier Großen kontrolliert. Vergleichbare Unternehmen in anderen Branchen können die CO2-Zertifikate nicht einpreisen.
  • Der Strompreis verändert sich völlig losgelöst von den Brennstoffkosten.
  • Die Strombörse EEX bestimmt trotz einem relativ kleinen Marktanteil von ca. 15 % den gesamten Marktpreis.
  • Strompreis ist durch die großen Vier beeinflussbar, die auf den Anbieter und Nachfragerseite tätig sind.
  • Die Preisbildung an der EEX-Spotmarkt ist sehr unvollkommen: Der Marktpreis reagiert auf geringste Schwankungen von Angebot oder Nachfrage sehr heftig.
  • Trotz hoher Spotpreise bestehen große ungenutzte Erzeugungskapazitäten: Durch Kapazitätszurückhaltung treibt man die Preise nach oben.
  • Die zurückgehaltenen Kapazitäten bringen auf dem Regelenergiemarkt zusätzliches Geld.

887_Preisbildungsmechanismus-web

Die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten entspricht einer staatlichen Subvention von 13 Milliarden Euro (500 Mio. Zertifikate zu je 26 Euro je t CO2). Allerdings war eine solche Subvention nicht beabsichtigt. Und die Einpreisung der Emissionszertifikate verhindert die beabsichtigte Emissionsvermeidung. Denn der Handelswert der Zertifikate liegt fast dreimal höher als die Kosten der Emissionsvermeidung.

Die für die Stromversorger sprechenden beiden Professoren Ockenfels (EWI Köln) und Ströbele (Uni Oldenburg) rechtfertigten die Einpreisung mit der Theorie der Grenzpreise. Die Preise des jeweils teuersten Kraftwerks bestimmten den Gesamtpreis und dort seien die Emissionzertifikate reale Kosten, weil diese Zertifikaten auf dem Markt einen Wert hätten. Für den VIK waren das keine überzeugenden Argumente, weil die Preisbildung aufgrund der Monopolsituation ohnehin nicht der Grenzkostentheorie folgten. Aus seien für Wind- und Kernkraftwerke überhaupt keine Zertifikate notwendig.

Das Bundeskartellamt hat zu der Anhörung ein ausführliches Sachstandspapier vorgelegt Download Sachstandspapier Emissionshandel Bundeskartellamt. Wenn das Kartellamt beweisen kann, dass durch Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung die Strompreise über den Marktpreis getrieben wurden, dann kann es dagegen eine Missbrauchsverfügung erlassen. Dabei handelt es sich auch um das juristische Problem einer unwiderlegbaren Beweisführung. Allein die Tatsache eines Missbrauchsverfahrens hat eine Fülle von Tatsachen bekannt werden lassen, die von den betroffenen Unternehmen nicht widerlegt werden konnten. Der grobe Missbrauch von Marktmacht zum Vorteil der Versorgungskonzerne wurde ebenso deutlich wie die verheerende Wirkung überhöhter Strompreise auf die deutsche Wirtschaft. Am stärksten geschädigt sind jedoch die privaten Verbraucher.

Diagramm Stromkostenbelastung durch den Emissionshandel

Das Verfahren des Bundeskartellamtes ist deshalb von grundlegender Bedeutung, weil die Stromerzeugungspreise keinerlei staatlicher Kontrolle unterliegen und deren steiler Anstieg wegen der Monopolsituation nicht durch den Markt sondern nur durch die Kartellbehörden zu bremsen ist. Die Diskrepanz zwischen privater Vorteilsabschöpfung und volkswirtschaftlichen Verlusten ist politisch nicht mehr tragbar. Sie ist, wie die Anhörung gezeigt hat, auch rechtlich unhaltbar.

Argumente im Überblick
  • Wirksamer Wettbewerb kann bei der Stromerzeugung nur entstehen, wenn Dritte zu gleichen Bedingungen wie die etablierten Stromerzeuger Kraftwerke bauen und betreiben können.
  • Dem stehen folgende Hindernisse entgegen:
  • Dritte haben Nachteile beim Brennstoffzugang, Netzanschluss und Kraftwerksstandort (RWE Facts & Figures).
  • Die großen etablierten Stromerzeuger verfügen über einen Kraftwerkspark, mit dem sie bereits jetzt ihre künftigen Investitionen verdienen (was dem Wesen einer Investition widerspricht).
  • Bei Fertigstellung neuer Kraftwerke müssen etablierte Betreiber nur noch die variablen Kosten verdienen. Drittanbieter haben deswegen weitgehend keine Chancen.
  • "Der Wettbewerb im Strommarkt funktioniert wie ein Pferderennen, in dem nur die Hälfte der Jockeys Pferde hat." Helmut Jantos, Independent Power.
  • Im Strom- und Zertifikate-Markt sind Insidergeschäfte an der Tagesordnung.
  • Rechtliche Lage:
  • § 2 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) i. d. F. vom 22. Mai 2005 zählt Stromderivate und CO2-Zertifikate zu den so genannten Insiderpapieren
  • §14 WpHG verbietet Insidergeschäfte
  • Beispiele für Insiderinformationen: Kraftwerksausfälle, Revisionen von Kraftwerken, Leitungskapazitäten
  • Derartige Informationen stehen Dritten generell nicht zur Verfügung
  • Durch die Einpreisung zum jeweiligen "so genannten" Marktpreis in Form der Opportunitätskosten entfällt jeglicher Anreiz, die Preise für CO2 Zertifikate zu senken und den Ausstoß von CO2 zu reduzieren. Begründung:
    1. Jeder Emittent erhält mehr Zertifikate kostenfrei, als er zukaufen muss.
    2. Damit profitiert jeder Emittent von hohen Zertifikatspreisen, da auch seine kostenfrei zugeteilten Zertifikate zum "Marktpreis" einkalkuliert werden.
    3. Sollten tatsächlich CO2-Reduktionsmaßnahmen zu einem Überschuss an Zertifikaten führen, würde der Marktpreis für CO2-Zertifikate drastisch sinken und somit jeder Emittent Erträge verlieren, die weit über den Erlösen aus dem Verkauf seiner eingesparten Teilmengen liegen.

letzte Änderung: 16.06.2015