Börsenmanipulation in Kalifornien
(02. Juli 2003) Im Zusammenhang mit der Pleite von Enron in den USA gab es interessante Enthüllungen. So wurde bekannt, dass Enron in Kalifornien die Übertragungskapazitäten absichtlich hoch belastet hatte.
Die so künstlich erzeugte Verknappung wurde dann von Enron genutzt, um exorbitant hohe Strompreise zu erzielen. Die enge Verknüpfung zwischen Netzbetrieb und einem hohen Anteil an den Erzeugungskapazitäten in einer einzigen Firma erleichtert Manipulationen, die nachträglich nur schwer zu beweisen sind.
Erzeugung und Verteilung in Deutschland in wenigen Händen
Die Stromerzeugung in Deutschland liegt in den Händen von wenigen großen Firmen: Über 70% der deutschen Stromerzeugungskapazität gehört den beiden Firmen RWE und E.on.
Die Verbundunternehmen sind auch Besitzer der Höchstspannungsleitungen. Aber auch die Stromabgabe teilen die Großen zum großen Teil unter sich auf.
Strompreisexplosion im Dezember 2001
An der Strombörse LPX - dem Vorläufer von EEX - gab es am 17. und 18. Dezember 2001 einen historisch einzigartigen Anstieg der Strompreise zwischen 16 Uhr und 20 Uhr: Die Preise stiegen von den üblichen Werten von 2,5 bis 4 Cent um 2.500 Prozent auf einen Euro je kWh, im außerbörslichen Handel (OTC = over the Counter) sogar um 5.000 Prozent auf zwei Euro.
Zwischen 17 und 18 Uhr wurde der Handel an der Börse sogar völlig ausgesetzt. Wer Strom von der Börse brauchte, musste nun plötzlich ein Vielfaches zahlen.
Wer ein Kraftwerk betrieb, der konnte seinen Strom zum vielfachen Preis veräußern.
"Derartige Preissprünge sind ökonomisch nicht zu erklären" so Dr. Helle von der MVV Energie AG.
Der Frage nach den Ursachen ging Dr. Stephan Illerhaus (Statkraft Norwegen) in einem Vortrag vor der renommierten Gesellschaft für Energiewissenschaft und Energiepolitik in Düsseldorf am 20.06.2002 sehr gründlich nach.
Naheliegende Erklärungen befriedigen nicht
Es gibt eine ganze Reihe naheliegender Erklärungsansätze für die Preisexplosion.
So ist die Belastung des Stromnetzes in dieser Jahreszeit höher als im ganzen übrigen Jahr: Dunkle Jahreszeit, Kälte, hektische Geschäftigkeit in allen Betrieben. Auch die Witterung, die Brennstoffpreise, die Wechselkurse und die Kraftwerksverfügbarkeit müssen in die Betrachtung einbezogen werden.
Die Verfügbarkeit der deutschen Kernkraftwerke war im Dezember 2001 sehr hoch. Sie lag bei über 95%. Philippsburg 2 war gerade wieder ans Netz gegangen. Das Atomkraftwerk Brunsbüttel hatte man nach einer Explosion am 14.12.2001 einfach weiterlaufen lassen.
Die Preise von Steinkohle, von Rohöl und der Dollar/Euro-Wechselkurs zeigten keine außergewöhnlichen Bewegungen.
Lediglich die Temperaturen lagen am 14.12.2001 auf einem historischen Tiefstwert von Minus Neun Grad unter der üblichen Temperatur in Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz. Am 18.12. hatten sich die Temperaturen aber bereits wieder auf ein Grad unter der üblichen Temperatur erholt.
Als außergewöhnlicher Faktor kommt zur Witterung die Pleite von Enron hinzu, die gerade in jenen Tagen einen großen Player vom Markt verschwinden ließ.
Stephan Illerhaus zog das Fazit
Die Situation im Dezember bot beste Voraussetzung für Gaming (Preismanipulation). Dies könnte auch zwei Tage lang gelungen sein, ohne dass es aufgrund der Situation besonders auffiel.
Die EEX/LPX ist dafür besonders anfällig, da sie für viele Händler die zeitlich letzte Möglichkeit in Europa darstellt, Deckungslücken zu schließen. Die mangelnde Markttransparenz begünstigte die Überreaktionen.
Anfang Juni bis Mitte Juli 2002 gab es wiederum bemerkenswerte und unerklärliche Strompreissprünge an der EEX nach oben.
Die Folgen der Strompreisexplosionen
Die Preisspitzen im Dezember haben die Preise für Forwards für das Jahresband um zwei Euro steigen lassen. Mit Forwards sichern sich Stromhändler gegenüber künftigen Preisrisiken ab.
Hätte jemand am 13.12.2001 die Preissprünge vermutet und 100 MW gekauft, so hätte er an diesem Kauf am 19. 12.2001 1,75 Mio. Euro verdient. Ob und von wem solche Käufe möglicherweise getätigt wurden, ist unbekannt.
Die Verbundnetzbetreiber haben in Deutschland ein Informationsmonopol und einen Wissensvorsprung: Sie allein kennen die Lastverläufe, die Kraftwerkseinsatzplanungen und die grenzüberschreitenden Stromflüsse.
Die übrigen Marktteilnehmer haben demgegenüber das Nachsehen. Sie werden dadurch absichtlich im unklaren gelassen über den Wert ihrer Angebote.
In anderen Ländern sind weitaus mehr Informationen öffentlich im Internet einsehbar, z.B. in Kalifornien und Finnland.
Daten für Deutschland geheim
Die Kraftwerksbetreiber, identisch mit den Netzbetreibern, geben in Deutschland auch nicht den Ausfall von Kraftwerken oder ihre Planung für die Revision großer Blöcke bekannt. Für den Nordpool-Bereich (Skandinavien) werden die Kraftwerksverfügbarkeiten regelmäßig veröffentlicht. Für Frankreich, Spanien, UK und Italien wird die Netzbelastung, also die Summe der Stromnachfrage veröffentlicht.
Der Aktienmarkt kennt Offenlegungspflichten, die es am Strommarkt bisher nicht gibt. Daher müssen nun schnellstens die Spielregeln geändert werden, um die Strombörse nicht den ohnehin übermächtigen Big-Playern zu überlassen.
Kommentar eines Stromhändlers, der aus dem Wertpapiergeschäft in den Stromhandel gewechselt hatte: "Wäre so etwas an der Wertpapierbörse passiert, dann hätte es sofort eine Untersuchung durch das Bundeaufsichtsamt für den Wertpapierhandel gegeben."
Genau eine solche Untersuchung hat jetzt der Bund der Energieverbraucher e.V. durch eine Beschwerde angestoßen. Hoffnung gibt das neue verschärfte Recht gegen Marktpreismanipulationen, das seit 1. Juli 2002 in Kraft ist.