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Mit überzogenen Netzentgelten machen die Netzbetreiber einen satten Schnitt, seit die Kraftwerke nur noch Wettbewerbspreise erzielen können.

Überhöhte Netzentgelte zurückfordern!

Mit überzogenen Netzentgelten machen die Netzbetreiber einen satten Schnitt, seit die Kraftwerke nur noch Wettbewerbspreise erzielen können. Die zu viel bezahlten Beträge kann jeder Verbraucher von seinem Netzbetreiber zurückfordern.

(7. April 2015) Einige neue Energieanbieter, zum Beispiel Lichtblick und Yello, haben gegen die vor Einführung der Regulierung überhöhten Netzentgelte geklagt und damit bis hin zum Bundesgerichtshof Recht bekommen. Die meisten der etwa 1.000 Netzbetreiber haben sich daraufhin mit diesen Energieanbietern geeinigt und ihnen in den folgenden Jahren die Netzentgelte für Tarifkunden für die Jahre ab 2002 teilweise zurückerstattet.

370 Stromnetz / Foto: Pixelio.de/Dirk Kruse

Es geht um beträchtliche Größenordnungen von etwa 1,5 Cent je Kilowattstunde (kWh), also rund 50 Euro je Haushalt und Jahr. Die allermeisten Stromversorger haben jedoch nichts getan und trotz des BGH-Urteils die überhöhten Netzentgelte stillschweigend hingenommen. Deren Kunden sind deshalb bisher leer ausgegangen, haben überhöhte Netzentgelte und insofern auch überhöhte Strompreise bezahlt.

Überhöhte, nicht regulierte Netzentgelte vor 2006

Das Energiewirtschaftsgesetz wurde in seiner heutigen Fassung erst im Jahr 2005 erlassen. Doch bereits seit 1998 ist der Energiemarkt liberalisiert. Bis zum Energiewirtschaftsgesetz 2005 konnten die Netzbetreiber die Netzentgelte selbst festlegen und taten dies ohne behördliche Kontrolle. Die Netzentgelte waren in dieser Periode deutlich überhöht und entsprachen nicht der Billigkeit nach § 315 BGB. Das ist durch zahlreiche Rückforderungsprozesse aktenkundig geworden, die sogenannten „Urteile Stromnetznutzungsentgelte I bis IV“ des BGH.

Diskriminierungsverbot im Energierecht

Die Netzbetreiber haben, anders als Stromversorger oder Stromerzeuger, eine Monopolstellung bei der Stromversorgung. Deshalb sind sie durch das Energiewirtschaftsgesetz dazu verpflichtet, alle Unternehmen gleich zu behandeln (§ 30 Abs. 3 EnWG). Wer gegen diese Vorschriften verstößt, ist zum Schadensersatz verpflichtet (§ 32 Abs. 1 EnWG).

Gleichbehandlungspflicht durch Rabatte verletzt

Gegen die Gleichbehandlungsvorschrift haben die Netzbetreiber verstoßen, indem sie einigen Versorgern günstigere Netzentgelte eingeräumt haben. Dies taten sie teils freiwillig, teils durch Gerichtsurteile gezwungen. Dadurch wurde eingeräumt, dass die Netzentgelte insgesamt unbillig überhöht waren. Die Netzbetreiber wären verpflichtet gewesen, nicht nur den klagenden Versorgern, sondern allen Netzkunden die Preise zu reduzieren und zu Unrecht kassiertes Geld zurückzuerstatten. Das haben sie nicht getan und haben dadurch ein kartellrechtliches Delikt begangen. Zudem gibt es strikte gesetzliche Transparenzvorschriften für Netzentgelte, die vorschreiben, dass die Netzentgelte im Internet veröffentlicht werden müssen und auf Anfrage jedermann mitzuteilen sind (§ 21 Abs. 1 EnWG und §§ 27 ff. Stromnetzentgeltverordnung sowie § 17 Stromnetzzugangsverordnung).

Netzentgelte und Strompreise

Hätten die Netzbetreiber die Netzentgelte gesenkt, so wären die Versorger zu entsprechenden Preissenkungen verpflichtet gewesen, meint der renommierte Energierechtslehrer Prof. Säcker in einem Aufsatz von 2006 (RdE Nr. 3, 2006). Auch faktisch wären aufgrund des intensiven Wettbewerbs die Endkundenpreise geringer gewesen. Einen Schadensersatz kann nicht nur der unmittelbare Vertragspartner, sondern auch ein mittelbar betroffener Energieverbraucher geltend machen, so eine andere Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28. Juni 2011 KZR 75/10).

Diese Ansprüche können auch heute noch geltend gemacht werden. Denn erst in den Jahren nach dem BGH-Urteil vom 7. Februar 2006, (Az. KZR 8/05) kam es zu den zahlreichen Rückerstattungen an die klagenden Versorger, also den unerlaubten Handlungen. Der Anspruch auf Schadensersatz in Folge unerlaubter Handlungen kann aber noch zehn Jahre nach der Handlung geltend gemacht werden (§ 852 BGB).

Klagemöglichkeiten

Jeder Verbraucher kann eine solche Klage bei der gemäß § 102 Energiewirtschaftsgesetz zuständigen Kartellkammer eines Landgerichts einreichen, unabhängig vom Gegenstandswert. Zu Klagen ist in einem gestuften Verfahren zunächst auf Auskunftserteilung und sodann – je nach Auskunft – auf Schadensersatz. Zuvor sollte der Netzbetreiber außergerichtlich um Auskunft gebeten werden. Einige solcher Klagen gegen Netzbetreiber sind bereits erfolgreich durch Vergleiche abgeschlossen worden, andere Gerichte haben derartige Ansprüche zurückgewiesen. Eine Grundsatzentscheidung liegt dem Kartellsenat des BGH zur Entscheidung vor (EnZR 35/14). Mit einer Entscheidung wird im Herbst 2015 gerechnet.

Musterklagen vom Bund der Energieverbraucher

Aufgrund der komplexen Rechtslage und der im Vergleich dazu geringen Streitwerte haben Einzelklagen von Verbrauchern nur geringe Erfolgsaussichten. Der Verein plant deshalb für einige seiner Mitglieder Musterklagen. Die Mitglieder können ihren Rückforderungsanspruch an den Verein abtreten. Besonders interessant ist das für Verbraucher mit einem hohen Stromverbrauch oder Gewerbekunden, denn ab einem Rückforderungsbetrag von mehr als 600 Euro ist eine Berufung möglich. Der Verein wird mit spezialisierten Anwälten versuchen, diese Forderungen durchzusetzen. Wer Interesse hat, melde sich bitte beim Verein.

letzte Änderung: 07.02.2025