Die große Stromkostentäuschung
Den allergrößten Anteil am Energieverbrauch eines Wohngebäudes hat die Heizung. Diese Aussage ist regelmäßig in den Medien zu finden und dennoch nicht richtig. Denn bezogen auf die Kosten dreht sich das Bild um.
Ein Bericht von Ralf Krug.
(16. September 2003) Wer kennt sie nicht, die Diagramme, in denen der Anteil des Heizenergieverbrauchs in Wohngebäuden mit 80 Prozent dargestellt wird. Sie sind regelmäßig in den Medien zu finden und seit Jahren "Allgemeinwissen" der Bevölkerung. Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Wer seine Energiekosten senken will, kümmere sich um Heizungsmodernisierung und Wärmedämmung. Die übrigen Anteile, nämlich Warmwasserbereitung und Stromverbrauch, sind eher unwichtig.
In 40 Prozent der Wohngebäude wird mehr für Strom als für Heizung ausgegeben - Tendenz steigend.
40 Prozent der Gebäude haben höhere Strom- als Heizkosten
Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: In rund 40 Prozent der Wohngebäude - Tendenz steigend - sind die Stromkosten höher als die Kosten für Heizenergie! Und hierbei sind die elektrisch beheizten Gebäude noch nicht einmal berücksichtigt. Der Wert gilt für Gebäude mit Wärmeerzeugung durch Heizöl, Erdgas oder Fernwärme.
Energiemenge entspricht nicht Energiekosten
Wie kann das sein? Der eingangs genannte Heizenergieanteil wird stets auf die sogenannte Endenergie bezogen, die dem Verbraucher ins Haus gelieferte Energiemenge. Die Mengenangaben sind dabei Liter (Öl), Kubikmeter (Gas) oder Kilowattstunden (Strom). Für die Energiekosten sind aber nicht nur die Energiemenge, sondern ebenso der Energiepreis entscheidend. Und hier gilt, dass eine Kilowattstunde Strom das Vierfache (!) von einer Kilowattstunde Öl, Gas oder Fernwärme kostet.
Bedeutung der Gebäudebauart
Die Gebäudebauart und damit der Wärmebedarf zum Heizen ist für den Anteil der Heizkosten an den Gesamtkosten ebenfalls von Bedetung. In älteren Gebäuden mit hohem Wärmebedarf ist der Heizkostenanteil überdurchschnittlich, in neueren Gebäuden oder gar Niedrig-Energie-Häusern unterdurchschnittlich.
Einfluss der elektrischen Warmwasserbereitung
Gravierenden Einfluss hat außerdem das Vorhandensein von elektrischer Warmwasserbereitung. In den betreffenden Gebäuden (im Bundesdurchschnitt immerhin 35 Prozent) stellt sich die Energiekostensituation völlig anders dar als in Gebäuden mit Warmwasserbereitung auf Basis Öl, Gas oder Fernwärme. Es ist daher sinnvoll, eine Differenzierung nach Art der Warmwasserbereitung vorzunehmen.
Energiekostenermittlung am Beispiel Einfamilienhaus
Die Energiekosten für Heizenergie, Warmwasserbereitung und Strom wurden am Beispiel eines Einfamilienhauses mit 130 Quadratmeter Wohnfläche und vier Bewohnern ermittelt. Betrachtet wurden drei Einfamilienhaustypen:
- A - EFH Bj. 1970, Niedertemperaturheizkessel
- B - EFH Bj. 1998, Brennwertheizkessel
- C - EFH Niedrigenergie, Brennwertheizkessel
Für die Gebäudetypen wurde außerdem unterschieden zwischen Warmwasserbereitung mit Heizung und Warmwasserbereitung mit Strom.
Energiekostenanteil Strom im Einfamilienhaus: 29 bis 66 Prozent
Die Berechnungen zeigen, dass im günstigsten Fall der Stromanteil an den gesamten Energiekosten bei 29 Prozent liegt, im ungünstigsten Fall sogar bei 66 Prozent. Geringe Stromkostenanteile werden erreicht bei älteren Gebäuden und nichtelektrischer Warmwasserbereitung. Hohe Stromkostenanteile entstehen bei elektrischer Warmwasserbereitung, aber auch im Niedrigenergiehaus mit Warmwasserbereitung mittels Heizkessel.
Energiekostenanteil Strom im Mehrfamilienhaus: 43 bis 77 Prozent
Die Berechnungen erfolgen auch für zwei Mehrfamilienhaustypen, wiederum differenziert nach Art der Warmwasserbereitung:
- D - MFH Bj. 1970, Niedertemperaurheizkessel
- E - MFH Bj. 1998, Brennwertheizkessel.
Der Anteil der Stromkosten an den Energiekosten liegt hier noch höher, zwischen 43 Prozent und 77 Prozent!
Konsequenz: Stromsparende Maßnahmen ergreifen!
Die tatsächlichen Stromkostenanteile zeigen, dass der Energiesparschwerpunkt Heizung so nicht zutrifft. Wer seine Energiekosten senken möchte, sollte den Bereich Strom nicht vernachlässigen, sondern hier aktiv werden. Sparsame Haushaltsgeräte, stromsparende Beleuchtung, Vermeidung von Standby-Verbrauchern, Umstellung der Warmwasserbereitung, Kochen mit Gas sind einige Stichworte hierzu. Es gibt genügend Beispiele dafür, dass der Stromverbrauch eines Haushaltes ohne Komforteinschränkungen halbiert werden kann! Und damit lässt sich richtig Geld sparen.
Zuletzt: Woher kommt die Täuschung?
Bleibt die Frage, wieso sich die Darstellung "Heizenergie ist größter Anteil" so durchsetzen konnte. Die Antwort hängt mit den Verkaufsinteressen zusammen: Von der verfälschenden Darstellung profitiert die Heizungs- und Dämmbranche, weil ihre Produkte attraktiver werden. Aber mindestens genauso günstig ist sie für die Stromwirtschaft, weil die Täuschung eine größere Beachtung des Stromsparpotentials vermeidet. In den jeweiligen Presseabteilungen ist daher die irreführende Darstellung des Heizenergieanteils sehr beliebt.