311 Erdgas Brennwerttechnik / Foto: Zukunft Erdgas e.V.

Energiepreiskrise: Entlastungen und Rechte auf einen Blick

Von Leonora Holling

(21. November 2022) Energieverbraucher erhalten eine Preiserhöhung nach der nächsten, Grundversorger lehnen neue Kunden unter Verweis auf eine besonders teure Ersatzversorgung ab oder wollen Neukunden in besonders teure Tarife eingruppieren und die Politik kündigt einerseits neue Umlagen auf Energie an, will aber andererseits mit Steuersenkungen und Preisbremsen eine Entlastung herbeiführen. Kurzum: Die Gemengelage ist für Energieverbraucher aktuell höchst unübersichtlich. Nachfolgend wollen wir Ihnen Orientierung bieten und haben Ihnen die wichtigsten Entwicklungen und Neuerungen in Form von häufig an den Bund der Energieverbraucher gestellte Fragen zusammengefasst.

1. Mit welchen Entlastungen können Verbraucher rechnen?

Seit dem 1. Oktober 2022 gilt für Erdgas sowie für Flüssiggas ein von 19 auf 7 Prozent reduzierter Umsatzsteuersatz. Für Strom wird derzeit über eine Reduzierung des Umsatzsteuersatzes im politischen Berlin diskutiert.

Der Gesetzgeber hat beschlossen, dass der Staat als „Soforthilfe“ für Energieverbraucher die Kosten für den Gas- oder Wärmebezug im Dezember 2022 übernimmt. In den meisten Fällen werden Versorger voraussichtlich keinen Dezemberabschlag einziehen.

Für die Jahresendabrechnung ist die Rechnung im Detail kompliziert: Die Entlastung wird auf Grundlage von einem Zwölftel des Jahresverbrauchs, den der Lieferant für die Entnahmestelle im September 2022 prognostiziert hatte, sowie des aktuellen Gaspreises vom Dezember errechnet. Die einmalige Entlastung entspricht einem Zwölftel der der Abschlagszahlung im September 2022 zugrunde liegenden Jahresverbrauchsprognose multipliziert mit dem Gesamtbruttoarbeitspreis aus Dezember 2022 zuzüglich einem Zwölftel des Jahresbruttogrundpreises mit Stand September 2022. Für Wärmekunden erfolgt die Entlastung für den Dezember aufgrund anderer Vertragsstrukturen als bei Gas durch eine pauschale Zahlung, die sich an der Höhe des im September gezahlten Abschlags zuzüglich eines Anpassungsfaktors von 20 Prozent bemisst.

Für Mieter, deren Heizkosten vom Vermieter im Rahmen der Nebenkosten umgelegt werden, erfolgt keine sofortige Entlastung im Dezember. Dies hat den Hintergrund, dass nach Ansicht der Bundesregierung in den allermeisten Fällen keine Erhöhung der monatlichen Heizkostenvorauszahlungen erfolgt sei und Mieter sich daher einer erheblichen Nachzahlung mit Erhalt der Endabrechnung der Heizkosten für das Jahr 2022 konfrontiert sehen werden. Mieter einer Wohnung, die durch eine Erdgaszentralheizung beheizt wird, profitieren gleichwohl mittelbar durch die mit der Erdgasabrechnung erfolgte Entlastung.

Außerdem soll der aktuellen politischen Diskussion zu Folge ab März 2023 mit einer „Gaspreisbremse“ eine Deckelung der Preise des Grundbedarfs von Gas in Höhe von 80 Prozent der Vorjahresleistung auf maximal 12 Ct/kWh erfolgen. Unklar ist, ob es sich hierbei um einen Brutto- oder Nettobetrag handelt. Bedauerlich ist, dass diese Entlastung im März erst nach der aktuellen Heizperiode greifen würde. Der Bundeskanzler jedoch hat die Deckelung auch schon ab Januar ins Gespräch gebracht. Auch der Strompreis soll mit einer „Strompreisbremse“ sowie Fernwärmekosten mit einer „Wärmepreisbremse“ entsprechend gedeckelt werden. Ersten Schätzungen zu Folge dürften Verbraucher mit diesen Maßnahmen um rund 54 Milliarden Euro entlastet werden.

Eine Entlastung beziehungsweise Preisbremse für weitere Heizenergieträger wie Flüssiggas, Öl und Pellets wird aktuell in der Politik nicht konkret erwogen.

2. Welche neuen Umlagen gelten seit dem 1. Oktober 2022 für Gas?

Die medial viel beachtete Gasbeschaffungsumlage wurde am 29. September 2022, nur wenige Tage vor ihrem geplanten Inkrafttreten zum 1. Oktober 2022, von der Bundesregierung zurückgenommen und ist damit für Verbraucher nicht angefallen.

Wirksam von der Regierung eingeführt wurde hingegen mit Wirkung zum 1. Oktober 2022 die Gasspeicherumlage nach § 35e Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in Höhe von 0,059 Ct/kWh.

Zwei weitere Umlagen treffen Verbraucher seit dem 1. Oktober 2022 ebenfalls erstmals. Die Bilanzierungsumlagen zum Ausgleich der Bilanzierungsfehlbeträgen beim Einsatz von Regel- und Ausgleichsenergie sowie die Konvertierungsumlage für die Kopplung des L-Gasnetzes mit dem H-Gasnetz. Beide Umlagen betrugen bisher 0 Cent/kWh und waren daher für Verbraucher nicht relevant. Seit dem 1. Oktober 2022 beträgt die Bilanzierungsumlage 0,57 Ct/kWh für Haushaltskunden (SLP) beziehungsweise 0,39 Ct/kWh für Verbrauchsstellen mit einer registrierenden Leistungsmessung (RLM). Die Konvertierungsumlage fällt mit einer Höhe von nur 0,038 Ct/kWh weniger stark ins Gewicht.

3. Kann mein Versorger die Preise erhöhen?

Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob man sondervertrags- oder grundversorgter Kunde ist. Im Sondervertrag ist eine Preiserhöhung immer dann möglich, wenn für den bestehenden Belieferungszeitraum keine sogenannte Preisgarantie besteht. Dies bedeutet regelmäßig, dass zwar Umlagen und Steuern weitergereicht werden können, die Beschaffungskosten jedoch nicht erhöht werden dürfen. Einer über die staatlichen Umlagen und Steuern hinausgehenden Preiserhöhung sollte man in diesem Fall widersprechen.

Besteht keine Preisgarantie, bleibt im Falle von Preiserhöhungen die Möglichkeit, den Sondervertrag zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Preiserhöhung zu kündigen oder die erhöhten Preise zu akzeptieren.

Gegenüber Verbrauchern in der Grundversorgung hat der Versorger grundsätzlich das Recht, die Preise wegen gestiegener Kosten zu erhöhen. Allerdings besteht hier die Möglichkeit, Widerspruch gegen die Preiserhöhung einzulegen und einen Nachweis der Billigkeit der Preiserhöhung zu verlangen (§ 315 Absatz 1 BGB). Gleichzeitig können Verbraucher die Preise auf das vorherige Niveau kürzen oder unter Vorbehalt zahlen.

4. Müssen Preiserhöhungen angekündigt werden?

Grundsätzlich gilt, dass Preiserhöhungen vier Wochen vor Wirksamkeit durch den Versorger angekündigt werden müssen. Dabei dürfte im Sondervertrag stets ein individuelles Preiserhöhungsschreiben an den Kunden erforderlich sein. Ein solches Anschreiben kann auch per E-Mail erfolgen. Eine versteckte Ankündigung, beispielsweise in Werbeflyern, ist hingegen in der Regel nicht statthaft. Gleichzeitig muss der Versorger darauf hinweisen, dass zum Zeitpunkt der Preiserhöhung ein Sonderkündigungsrecht besteht.

Für die Grundversorgung ist es umstritten, ob es ebenfalls eines individuellen Anschreibens an die Kunden bedarf oder, ob auch eine allgemeine Veröffentlichung, etwa im Internet, ausreicht. Der Bund der Energieverbraucher rät betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern den Standpunkt der Erforderlichkeit einer individuellen Preisänderungsmitteilung zu vertreten.

5. Können Versorger wegen angeblicher Unzumutbarkeit außerordentlich kündigen?

Es häufen sich neuerdings Fälle, in denen Sonderverträge durch den Energieversorger unter Berufung auf § 314 BGB gekündigt werden. Die Versorger behaupten dabei zumeist, dass eine weitere Belieferung aufgrund der stark gestiegenen Beschaffungskosten unzumutbar sei, sodass er ein Sonderkündigungsrecht bestehe. Dies ist recht zweifelhaft, da das Kalkulationsrisiko bei Abschluss eines Sondervertrages stets der anbietende Versorger trägt. Dabei sind auch Schwankungen in der Gasbeschaffung im Rahmen von festzugesagten Preisen zu berücksichtigen. Ein kompletter Wegfall der Geschäftsgrundlage des Versorgungsvertrages dürfte dabei nicht anzunehmen sein, da Gas nach wie vor auf dem Markt erhältlich ist und somit auch eine Belieferung des Kunden möglich ist.

6. Mein Grundversorger besteht auf drei Monate Ersatzversorgung vor Beginn einer Grundversorgung – ist das rechtens?

Früher waren die Preise für Grund- und Ersatzversorgung gleich, sodass die Bezeichnung der Versorgung keine Rolle spielte. Seit einer neuen gesetzlichen Änderung darf die Ersatzversorgung teurer als die Grundversorgung sein. Hingegen ist inzwischen gerichtlich geklärt, dass der Grundversorger nicht unterschiedliche Grundversorgungstarife für Bestands- und für Neukunden verlangen dürfen.

Ob der Grundversorger zunächst einen Neukunden für drei Monate in die Ersatzversorgung einordnen darf, ist gerichtlich noch nicht abschließend entschieden. Auf jeden Fall sollte man vorsorglich der Einordnung in die Ersatzversorgung in Textform widersprechen und zugleich einen Antrag auf Aufnahme in die Grundversorgung stellen. Hierbei ist in der Regel ein Vordruck des Grundversorgers für den Antrag zu nutzen.

7. Wann verjähren Forderungen des Versorgers?

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt im Energiebereich drei Jahre. Die Verjährung beginnt dabei mit dem 1. Januar des Jahres, welches auf den Zugang der Rechnung folgt. Eine Rechnung aus dem Jahre 2019 verjährt daher zum 31.12.2022.

8. Unterbrechen Zahlungserinnerungen oder Mahnungen des Versorgers die Verjährung?

Die Verjährung wird nur unterbrochen, wenn ein gerichtlicher Mahnbescheid oder eine Klage innerhalb der Verjährungsfrist zugestellt wird. Beim Mahnbescheid besteht dabei die Besonderheit, dass es ausreicht, wenn der Antrag auf Erlass des Mahnbescheides noch innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt ist und es danach alsbald zur Zustellung kommt. Der Antragstermin ist im Mahnbescheid angegeben und sollte daher kontrolliert werden.

9. Worauf muss ich bei wiederholten Mahnungen meines Versorgers achten?

Einige Versorger, wie etwa aktuell E.ON, überziehen ihre Kunden mit laufenden Mahnungen, wegen in der Vergangenheit einbehaltener Beträge. Dies ist grundsätzlich nicht weiter zu beachten. Allerdings ist Vorsicht geboten, wenn der Versorger im Zuge der Mahnschreiben eine neue Kundennummer oder eine neue Bankverbindung angibt. Bei künftigen Zahlungen ist unbedingt darauf zu achten, dass man diese Zahlungen auf die neue Kundennummer und/oder Bankverbindung leistet. Der Versorger wird nämlich sonst behaupten, die Zahlungen seien auf die angeblichen Rückstände erfolgt. So haben es in der Vergangenheit einige Gerichte gesehen. Dies gilt selbst dann, wenn die Forderungen verjährt sind.

10. Kann ich als Fernwärmekunde mit Anschluss- und Benutzungszwang meine Heizung auf Erneuerbare umstellen?

Eine Reduzierung der Anschlussleistung um bis zu 50 Prozent, ist neuerdings ohne weitere Nachweise durch schlichten Antrag beim Versorger möglich und kann helfen, die Kosten im Fall überhöht festgelegter Anschlussleistungen erheblich zu senken.

Auf Grundlage von § 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Fernwärme (AVBFernwärmeV) ist es zudem ausdrücklich erlaubt, sich aus einer Verpflichtung zur Abnahme von Fernwärme zu lösen, wenn auf die Versorgung aus erneuerbaren Energien umgestellt wird. Die Erzeugung der Wärme mit Erneuerbaren muss aber selbst erfolgen, der Bezug etwa von Ökostrom eines Drittanbieters für einen Durchlauferhitzer reicht nicht aus. Die Umstellung kann zudem kostenpflichtig sein.

letzte Änderung: 05.01.2023