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Archiv: News aus 2013

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Zu den aktuellen Meldungen

Proteste in Griechenland und Großbritannien

Kampf gegen Stromsperren und Energiearmut

Proteste in Griechenland und Großbritannien

(08. Dezember 2013) In Griechenland hilft eine „Bewegung der Bürger gegen die Stromabsperrung“ vielen Verbrauchern ohne Strom. Auf 1,3 Milliarden Euro belaufen sich die Stromschulden im ganzen Land. Die Bewegung hat laut Bericht der Süddeutschen Zeitung eine diplomatische Abteilung, die mit den Versorgern verhandelt. Die aktivistische Abteilung der Strompiraten überbrückt die Sperren illegal, um besonders hart Betroffenen zu helfen.

1700 EnergyBill Revolution

In Großbritannien kämpft die „Energy Bill Revolution“ gegen die Energiearmut. Am 5. November 2013 wurden an der Themsebrücke in London zahlreiche Strom- und Gasrechnungen verbrannt, die Rentner in Armut stürzen. Man erinnerte an Guy Fawkes, der am 5. November 1605 das Parlament in Westminster sprengen wollte und dafür hingerichtet wurde.

1700 London / Foto: BBC London

In London werden aus Protest Strom- und Gasrechnungen verbrannt.

Baden

Erfolgreicher Preisprotest

Baden: Erfolgreicher Preisprotest

Die größte private Sammelklage der Bundesrepublik gegen einen Gasversorger endete für die Kläger mit einem überaus positiven Vergleich.

(19. September 2013) Die Gaspreise in England waren 2004 aufgrund eines liberalisierten Gasmarktes um 50 Prozent niedriger als in Deutschland – vor Steuern. In Deutschland hatte man jedoch praktisch keine Möglichkeit, den Gasversorger zu wechseln. Diese Diskrepanz sowie die deutlich niedrigeren Gaspreise im benachbarten Elsass – ebenfalls vor Steuern – bewogen Uwe Hobohm aus Kandern im Südschwarzwald dazu, gegen die Gasrechnungen des örtlichen Energieversorgers Badenova Einspruch einzulegen. Die ewigen Beteuerungen der Gaskonzerne, man würde bei Preiserhöhungen ja nur die eigenen Kostensteigerungen auffangen, konnten gerade beim Vergleich mit den Preisen im nur 30 Kilometer entfernten Elsass nicht überzeugen.

1700 Prof. Dr. Heinz-Uwe Hobohm

Prof. Dr. Heinz-Uwe Hobohm

Die Badenova weigerte sich erwartungsgemäß, Uwe Hobohm ihre Kostenkalkulation offenzulegen, und er machte seine Drohung wahr, eine Sammelklage anzustrengen. 2007 wurde die Klage beim Landgericht Freiburg eingereicht. Nach einer erfolgreichen Kampagne im Internet und viel Mundpropaganda hatten sich 270 Kläger zusammengefunden – die bis heute größte private Sammelklage der Bundesrepublik. Den Klägern wurde geraten, schriftlich gegen die letzten Gaspreiserhöhungen Einspruch zu erheben und fortan einen Teil der monatlichen Gasabschläge auf einem separaten Konto zurückzuhalten.

Der vorsitzende Richter bot im Laufe des Verfahrens mehrere Vergleiche an. Zunächst sollte die Badenova auf 15 Prozent ihrer Forderungen verzichten, später auf 60 Prozent (Badische Zeitung vom 15. Oktober 2012). Inzwischen hatte sich die Rechtsprechung zunehmend verbraucherfreundlich entwickelt, deshalb blieben die Kläger bei ihren Forderungen und gingen nicht auf die Vorschläge des Richters ein.

Im Sommer 2012 wurde dann ein Vergleich direkt zwischen den Streitparteien ausgehandelt und dem Gericht mitgeteilt; die Verhandlungen über den Streitwert des Verfahrens zogen sich dann noch einmal bis in den Juli 2013. Über die Details des Vergleichs wurde Stillschweigen vereinbart. Nach Auskunft von Uwe Hobohm ist der Vergleich jedoch auf der Zufriedenheitsskala „oberhalb eines gewonnenen Prozesses einzuordnen.“ Die Energiekonzerne lassen es sich offensichtlich etwas kosten, den Gesichtsverlust für einen verlorenen Prozess zu vermeiden.

Nachteilig ist ein Vergleich – gegenüber einem gewonnenen Prozess – für Badenovakunden, die nicht an der Sammelklage teilgenommen haben. Sie können sich in ihren eigenen Verfahren nicht auf die in der Sammelklage gemachten Abmachungen berufen. Dementsprechend konnte die Badenova „Rückstellungen in Millionenhöhe auflösen.“ (Der Sonntag, 12. Mai 2013).

Das im März 2013 ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs eröffnet nun aber doch für alle die Möglichkeit, vergangenen Preiserhöhungen zu widersprechen und sich dabei auf ein höchstinstanzliches Urteil stützen zu können (siehe "Aktuelles zum Energiepreisprotest").

Bundesgerichtshof urteilt für Verbraucher

Energiedepesche wollte von Rechtsanwältin Leonora Holling wissen, was das Urteil für Verbraucher bedeutet.

Bundesgerichtshof urteilt für Verbraucher

Am 31. Juli 2013 fällte der Bundesgerichtshof ein Grundsatzurteil zugunsten der Verbraucher. Die Energiedepesche wollte von Rechtsanwältin Leonora Holling wissen, was das Urteil für Verbraucher bedeutet.

(17. September 2013, ergänzt am 1.Oktober 2013)

Was hat der Bundesgerichtshof entschieden?

Holling: Am 31. Juli 2013 hat der Bundesgerichtshof abschließend entschieden, dass eine Preisänderungsklausel in Gassonderverträgen wegen Intransparenz unwirksam ist (Aktenzeichen: VIII ZR 162/09). Im Jahre 2011 war das Verfahren zunächst ausgesetzt worden, um den Europäischen Gerichtshof entscheiden zu lassen, ob die Klausel den Richtlinien von Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genüge. Der Europäische Gerichtshof hatte dies mit Urteil vom 21.03.2013 verneint. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof nunmehr den betroffenen Verbrauchern Recht gegeben (Kommentar zum Urteil hier). 

198 620 1318 1700 2165 Holling

Rechtsanwältin Leonora Holling

Was bedeutet dieses Urteil für unsere Mitglieder?

Dies ist eine Frage, die uns in den letzten Tagen nach dem Urteil ganz häufig gestellt worden ist. Im Urteil geht es um Sonderkundenverträge, das heißt es gilt zunächst nur für solche Verbraucher, die einen speziellen Tarif mit ihrem Gasversorger ausgehandelt haben. Wer einen Sondervertrag besitzt, der in einer Klausel des Vertrages vorsieht, dass Gas- oder Strompreise erhöht werden dürfen, für den gilt dieses Urteil.

Kann ich also auf jeden Fall eine Rückforderung von meinem Gasversorger verlangen, wenn ich Gassondervertragskunde bin und die Preise in den letzten Jahren erhöht wurden?

(lacht) Wenn Sie in den vergangenen Jahren den Empfehlungen des Bundes der Energieverbraucher gefolgt sind, dann haben Sie den Preiserhöhungen widersprochen und die Preiserhöhungen nicht gezahlt. Durch das Urteil ist diese Zahlungsverweigerung nunmehr rechtlich abgesichert. Wer also gekürzt hat, der braucht in der Regel jetzt nichts mehr zu unternehmen, da er den Preis ja bereits auf ein Niveau eingefroren hat, welches der Bundesgerichtshof nunmehr als rechtmäßig bestätigt hat.

Wer schon in der Vergangenheit den Empfehlungen des Bundes der Energieverbraucher gefolgt ist, gekürzt hat und Sondervertragskunde ist, der muss jetzt nicht tätig werden?

Genau. Diese Verbraucher haben ja bereits von ihrem guten Recht Gebrauch gemacht und können sich nunmehr entspannt zurück lehnen. Sie brauchen auch jetzt keine Zahlungsklage ihre Versorgers mehr befürchten.

Welche Verbraucher sollten denn nun aktiv werden und Rückforderungsansprüche gegen ihren Versorger stellen?

Eile ist geboten für alle Verbraucher mit Sonderverträgen und unwirksamen Preisklauseln, die darauf gestützte Preiserhöhungen bezahlt haben – mit oder ohne Vorbehalt. Dazu gehören auch alle Verbraucher, die den Stromanbieter gewechselt haben und auch Heizstromkunden, nicht jedoch Fernwärmekunden. Die Zeit drängt, denn bereits zum Jahreswechsel verjähren die Beträge, für die im Jahr 2010 die Jahresabschlussrechnung erstellt wurde. Dieses Geld kann später nicht mehr zurückgefordert werden. Allerdings rate ich dringend dazu, sich an einen auf Energierecht spezialisierten Anwalt zu wenden. Man findet solche Anwälte über die Anwaltsliste des Vereins oder kann beim Verein nachfragen. Die Stiftung Warentest empfiehlt Kanzlei RHS aus Hamburg und www.gasurteil-inkasso.de. Denn die Errechnung des tatsächlichen Rückforderungsanspruches ist nicht ganz so einfach, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheint. Verbraucher werden leicht mit zu geringen Rückforderungsansprüchen abgespeist oder laufen Gefahr, einen Teil ihrer Forderung im Falle eines gerichtlichen Verfahrens nicht durchsetzen zu können. Übrigens übernimmt der Prozesskostenfonds des Vereins die Kosten solcher Verfahren nicht.

Kann das jetzige Urteil des Bundesgerichtshofes auch richtungsweisend sein für Rückforderungsansprüche von Kunden der Grundversorgung?

Derzeit wird diskutiert, ob dieses Urteil auch auf grundversorgte Kunden anwendbar ist. Der Bund der Energieverbraucher wird auf jeden Fall seine Mitglieder rechtzeitig darüber informieren, damit die geeigneten Schritte unternommen werden können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Aktuelles zum Energiepreisprotest

Rechtsanwältin Leonora Holling aus Düsseldorf informiert über den aktuellen Stand der Auseinandersetzungen zwischen Verbrauchern und Versorgern.

Aktuelles zum Energiepreisprotest

Rechtsanwältin Leonora Holling aus Düsseldorf informiert über den aktuellen Stand der Auseinandersetzungen zwischen Verbrauchern und Versorgern.

(11. September 2013) Auch nach jahrelangem Streit zwischen Energieversorgern und Verbrauchern gibt es in der Auseinandersetzung um rechtmäßige und angemessene Energiepreise keine Beruhigung. Nach wie vor verzeichnet der Bund der Energieverbraucher eine Vielzahl von Anfragen an den Prozesskostenfond zur Übernahme von Gerichts- und Anwaltskosten. Die Einrichtung dieses Fonds war im Mitgliederinteresse höchst sinnvoll.

Es ist ganz erstaunlich, an welch fragwürdigen Ansichten viele Versorger zur Rechtfertigung ihrer Preiserhöhungen festhalten angesichts der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und auch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Sondervertragskunden: Sieg für Verbraucher

Im Bereich Gas und Haushaltsstrom haben die meisten Gerichte entweder im Bereich Sondervertragskunden dem Verbraucher recht gegeben oder im Bereich Grundversorgung die gerichtlichen Verfahren ausgesetzt. Der EuGH wird in einigen Monaten eine Entscheidung für grundversorgte Kunden treffen. Dann wird wohl auch entschieden werden, ob ein Preiserhöhungsverlangen eines Versorgers im Bereich der Grundversorgung schon dann unwirksam ist,  wenn auf ein Sonderkündigungsrecht nicht hingewiesen wurde.

Wärmestrom im Streit

In den letzten Monaten häuften sich Auseinandersetzungen im Bereich Wärmespeicher- und Pumpenspeicherstrom. Die Versorger reagieren zunehmend mit Klageverfahren auf Kürzungen von Entgelten durch Verbraucher. Dies ist besonders brisant, weil es für die betroffenen Verbraucher in der Regel um hohe Beträge geht und die Rechnungskürzungen auch zu erheblichen Streitwerten führen. Die bisher eingeschalteten Gerichte haben fast einhellig geurteilt, dass auch im Bereich Wärmespeicherstrom die Kündigung eines Sondervertrages selbst ohne Begründung und trotz etwaigem Monopol eines Anbieters zulässig sein soll. Anders als viele Versorger meinen, fällt der Verbraucher damit nicht zwangsläufig in die Grundversorgung. Vielmehr ist der BGH mit Urteil vom 19. Januar 1983 (Az. VIII ZR 81/82) und mit ihm heute noch die meisten Gerichte der Auffassung, Wärmespeicherstrom sei nur im Rahmen eines Sondervertrages lieferbar. Insoweit stehe Wärmespeicherstrom gerade nicht dem sogenannten Haushaltstrom gleich, der die Möglichkeit einer Belieferung als Grundversorgung vorsieht. Wenn zwischen Endverbraucher und Versorger kein expliziter neuer Sondervertrag geschlossen wurde, sei ein faktischer Sondervertrag anzunehmen. Die Preise dieses Vertrags müssen der Billigkeit entsprechen, § 315 Abs. 1 BGB ist anwendbar. Im Streitfall muss der angemessene Preis durch ein Gericht nach billigem Ermessen bestimmt werden. Einige Gerichte haben zur Prüfung der Angemessenheit von Wärmespeicherstromtarifen jetzt Gutachten in Auftrag gegeben. Es ist zu hoffen, dass alsbald wegweisende Entscheidungen ergehen, um die Unsicherheit von Wärmespeicherstromkunden in Bezug auf die Preisgestaltung zu beenden.

Das Vergleichsportal Verivox bietet unter www.verivox.de/heizstrom/ nunmehr auch einen ersten bundesweiten Tarifvergleich für Heizstrom an. Geeignete Drittanbieter für Wärmespeicherstrom lassen sich so leichter finden.

Fernwärme

Auch für Bezieher von Fernwärme gibt es derzeit gute Nachrichten aus den Gerichtssälen. Fernwärme wird ausschließlich im Rahmen von Sonderverträgen geliefert. Die Sonderverträge der Versorger enthalten meist Preisänderungsklauseln, die auf Veränderungen von Bezugskosten der Fernwärmelieferanten ausgerichtet sind. In diesen mathematischen Klauseln finden sich jedoch zumeist Bezugsgrößen, die mit der tatsächlichen Fernwärmeerzeugung nichts zu tun haben. So nahm die Preisklausel eines mit Müll betriebenen Fernwärmeheizkraftwerks auf Gaspreise Bezug. Das benachteiligt den Verbraucher einseitig, so das Urteil, da der Gaspreis mit den tatsächlichen Betriebskosten der Fernwärmeheizanlage nichts zu tun hat. Wir erwarten, dass diese Fragen in Bezug auf Fernwärmelieferungsverträge demnächst auch den Bundesgerichtshof beschäftigen werden.

Zählerstand mit Zeugen ablesen

Versorger behaupten gehäuft, sie hätten von Verbrauchern online eingegebene Zählerstände gar nicht erhalten. Daraus ergeben sich Mehrverbräuche und höhere Abschlagszahlungen, denen Verbraucher innerhalb von vier Wochen widersprechen müssen, um ihrer Rechte nicht verlustig zu gehen. Ich empfehle deshalb, die Eingabe von Zählerständen am Computer in Anwesenheit von nicht zur Familie gehörigen Zeugen vorzunehmen. Im Streitfalle kann man sich zum Beweis auf diese Zeugen berufen.

BGH: Unwirksame Gaspreisklauseln bei RWE

Nach positivem Urteil für die Verbraucherzentrale NRW: Jetzt können Hunderttausende Geld zurückverlangen

BGH: Unwirksame Gaspreisklauseln bei RWE

(31. Juli 2013) Weil der Energiekonzern RWE in seinen Vertragsklauseln nicht angab, aus welchen Gründen und nach welchem Modus die Gaspreise für Sonderkunden steigen können, muss er nun unrechtmäßig verlangte Preisanhebungen zurückzahlen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute (Az.: VIII ZR 162/09) entschieden, dass 25 RWE-Gassonderkunden wegen der unwirksamen Vertragsbedingungen Rückzahlungen von insgesamt 16.128,63 Euro zustehen.

Eine Entscheidung mit weit reichenden Folgen: Wer Verträge mit gleich lautenden Klauseln abgeschlossen hat, kann nun ebenfalls Geld zurückverlangen. Allerdings geht das nicht automatisch: Hunderttausende müssen bei ihren Energieversorgern nun zunächst Widerspruch gegen Rechnungen einlegen und Erstattungen einfordern. Die Verbraucherzentrale appelliert an die Versorger, hierbei ein schlankes und verbraucherfreundliches Verfahren zu etablieren.

Auch Europäischer Gerichtshof auf Verbraucherseite

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) war in seinem Urteil vom 31. März 2013 (Az. C-92/11) schon der Ansicht der Verbraucherzentrale NRW gefolgt: Wer mit seinem Energieunternehmen einen Sonderkundenvertrag abschließt, darf Klauseln erwarten, die transparent darstellen, aus welchen Gründen und nach welchem Modus die Gaspreise während der Vertragslaufzeit erhöht werden können. Deshalb reicht es nicht aus, wenn Versorger bei Preiserhöhungen für diese Kundengruppe allein auf Vorschriften verweisen, die für die Grundversorgung gelten. Dort genügt es, dass die erhöhten Gaspreise unter anderem öffentlich bekannt gemacht werden. Gründe für die Erhöhung sind jedoch nicht zu benennen.

Nun hat auch der BGH Gassonderkunden den Rücken gestärkt: Er erklärte die von RWE verwendeten Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen, die nur die in der Verordnung für Tarifkunden enthaltene Regelung übernehmen oder auf diese verweisen, für unwirksam. In einem 2006 initiierten Sammelklageverfahren gegen die damalige RWE Westfalen-Weser-Ems AG (inzwischen RWE Vertrieb AG) hatte die Verbraucherzentrale NRW wegen fehlender Rechtsgrundlage exemplarisch für 25 Verbraucher Rückforderungsansprüche aus überhöhten Gasrechnungen für die Jahre 2004 bis 2006 geltend gemacht.

Massenhaft Sonderkunden

Anders als der Begriff vermuten lässt, sind Gassonderkunden kein Sonderfall, sondern vorherrschendes Vertragsmodell. Mehr als 70 Prozent der fast 13,5 Millionen deutschen Gaskunden haben Verträge, in denen – abweichend von der gesetzlich geregelten Grundversorgung (sogenannte Tarifkunden) – besondere Konditionen und Preise für den Gasbezug vereinbart sind. Wer schon einmal den Gastarif bei seinem Versorger gewechselt oder sich für einen anderen Gasanbieter entschieden hat, ist Sonderkunde. Und hat damit unter Umständen einen Vertrag, nach dessen Klauseln Gaspreise ohne ausreichende Gründe erhöht werden können. Diese finden sich nämlich nach wie vor in den Energielieferverträgen von RWE und anderen Versorgen.

Die BGH-Entscheidung, dass die Klauseln des RWE-Konzerns in Verträgen für Gassonderkunden den Anforderungen an Transparenz und Ausgewogenheit nicht genügen und unwirksam sind, bedeutet im Klartext: Die Gesellschaft muss die unberechtigten vereinnahmten Gelder zurückzahlen - und zwar nicht nur an die an der Klage beteiligten RWE-Kunden. Auch zahlreiche andere Versorger, die entsprechende Klauseln nutzen, stehen jetzt in der Pflicht.

Allerdings: Geld aus den unberechtigten Gaspreiserhöhungen gibt es nicht automatisch zurück, sondern jeder einzelne Kunde muss das Geld von seinem Versorger zurückfordern. Dazu muss er – so verlangt es der BGH in seinem Urteil – seiner Jahresrechnung innerhalb von drei Jahren widersprechen.

Schlanke Lösung finden

Obwohl EuGH und BGH der Verbraucherzentrale nach jahrelangem Verfahren Recht gegeben haben, wird durch das Urteil nun eine Lawine von Widerspruchsschreiben und Verjährungsprüfungen losgetreten. Sinnvoll wäre es, wenn RWE und alle anderen Versorger einen einfachen Modus finden würden, wie die Rückzahlung abgewickelt werden kann. Die Verbraucherzentrale NRW bietet dabei an, über eine schlanke Lösung für alle betroffenen Gassonderkunden wie Versorgungsunternehmen zu verhandeln.

EuGH wie auch der BGH haben die gängigen Klauseln für Sonderverträge jetzt zwar kassiert – ungeklärt ist allerdings weiterhin, wie rechtswirksame Preisanpassungsklauseln künftig aussehen sollen. Die Verbraucherzentrale fordert den Gesetzgeber deshalb auf, endlich rechtliche Grundlagen für transparente Preisanpassungen zu schaffen. Eine Verordnung für Sonderkunden zu erlassen oder eine entsprechende Regelung ins Energiewirtschaftsgesetz einzufügen, sind nach Ansicht der Verbraucherschützer dabei sinnvolle Wege.

E.on Hanse gibt auf

Kunden siegen auf ganzer Linie

E.on Hanse gibt auf

(2. Mai 2013) E.on Hanse hat seine Rechtsmittel gegen die Urteile des Hanseatischen Oberlandesgerichts und des Landgerichts Hamburg im Gaspreisstreit mit den Kunden und der Verbraucherzentrale Hamburg zurückgezogen. Damit werden die in den beiden von Verbraucherseite eingereichten Sammelklagen ergangenen Urteile rechtskräftig.

Ein mehr als achtjähriger Kampf mit zwei Sammelklagen gegen überhöhte Gaspreise und unfaire Vertragsklauseln geht damit zu Ende: Die erste Sammelklage gegen einen deutschen Energieversorger und die erste Sammelzahlungsklage sind endgültig erfolgreich.

Die Kapitulation durch E.on bedeutet für die Gaskunden: Wer seine Rechnungen gekürzt hat, braucht nichts nachzuzahlen. Wer unter Protest gezahlt hat, kann Erstattung verlangen. Wer bis jetzt nichts unternommen hat, sollte prüfen lassen, ob er eventuell noch einen Erstattungsanspruch hat. Die erste Gruppe schätzt die Verbraucherzentrale Hamburg auf 5.000, die zweite auf 50.000, die dritte auf mehrere hunderttausend Kunden. Das den Kunden zustehende Erstattungsvolumen schätzt die Verbraucherzentrale auf mindestens 50 Millionen Euro.

Die Verbraucherzentrale Hamburg fordert E.on Hanse nunmehr auf, die Kunden von sich aus zu entschädigen. Jeden Kunden vor Gericht ziehen zu lassen, ist armselig und unwürdig, es belastet die Justiz und die betroffenen Verbraucher. Vorsorglich sollten alle betroffenen Gaskunden ihre Ansprüche geltend machen.

Bundesgerichtshof erfindet neue Pflichten für Verbraucher

Wilhelm Zimmerlin in einer juristischen Fachzeitschrift aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. März 2012 (Az: VIII ZR 113/11)

Bundesgerichtshof erfindet neue Pflichten für Verbraucher

Der Bundesgerichtshof hat die Preisbeanstandung zu einer neuartigen Obliegenheit der Haushaltskunden erhoben, wenn sie ihre Rechte wahren wollen. Dies folgert Wilhelm Zimmerlin in einer juristischen Fachzeitschrift aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. März 2012 (Az: VIII ZR 113/11).

(27. März 2013) „Für private Verbraucher kommt das überraschend, denn von solchen rechtswahrenden Pflichten ist weder in den bisherigen Energieverträgen noch im Gesetz etwas zu finden. Darüber hinaus hat der BGH die Wirkung einer Preisbeanstandung des Kunden zeitlich und inhaltlich begrenzt und zwar auf die Preise der in den drei zurückliegenden Jahren zugegangenen Jahresrechnungen. Des Weiteren soll sich der Kunde nicht mehr auf den anfänglichen Vertragspreis berufen können. Der Kunde soll vielmehr nur noch Rechte ausschließlich aus unwirksamen Preiserhöhungen innerhalb der dreijährigen Rückwirkungsfrist geltend machen können. Es darf bezweifelt werden, dass diese Entscheidung des BGH mit EU-Verbraucherrecht vereinbar ist“, so Zimmerlin. Nach Artikel 6 der EU-Richtlinie 93/13/EWG müssen die Mitgliedsstaaten dafür sorgen, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind.

Die vom BGH numehr geschaffene Rechtslage ist offensichtlich einseitig auf die Interessen der Versorger zugeschnitten.

Zimmerlin zieht folgende Konsequenz: „Der aufgezeigte Widerspruch zwischen dem BGH-Urteil und dem europarechtlich normierten hohen Verbraucherschutz wird von Verbraucherseite vor den Instanzgerichten zu thematisieren sein. Die Amts-, Land- und Oberlandesgerichte können diesen Konflikt auflösen, indem sie ihrer Verpflichtung gerecht werden, die Verbraucherrechte durch richtlinienkonforme Auslegung des Gemeinschaftsrechts effektiv durchzusetzen. Das entgegenstehende Richterrecht des BGH darf dabei kein Hinderungsgrund sein. Im Zweifel muss das letztentscheidende Gericht die Streitfrage dem EuGH gemäß Art 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorlegen. … Die Instanzgerichte sind verpflichtet, die Verbraucherrechte durch richtlinienkonforme Auslegung des Gemeinschaftsrechts effektiv durchzusetzen“.
(Wilhelm Zimmerlin: Der Schutz von Energieverbrauchern in der Rechtsprechung des 8. Zivilsenats des BGH und nach EU-Recht, in: Zeitschrift für neues Energierecht 2012, Heft 6, S. 590-591).

Nachsatz

Im obigen BGH-Urteil ging es um Sondervertragskunden, die unter Vorbehalt gezahlt hatten. Sondervertragskunden, die von Anfang an nach der Empfehlung des Vereins gekürzt haben, können selbstverständlich dieses gekürzte Geld behalten.

Andere kritische Kommentare zum BGH-Urteil von Wassermann (jurisPR-BGH Zivil 9/2012, Anm 1), Uffmann (NJW 2012, 2225, 2229), Lietz (RdE 2012, 199 f) und Markert (ZMR 2012, 521 f).

EuGH entscheidet: Klauseln müssen klar und verständlich sein. Gaspreiserhöhungen unterliegen strengem EU-Verbraucherrecht

Nach einem Jahr Beratungszeit hat der EuGH entschieden, dass die strengen Verbraucherschutzrichtlinien des EU-Rechts auch für Gaspreiserhöhungen gelten.

Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.

EuGH entscheidet: Klauseln müssen klar und verständlich sein. Gaspreiserhöhungen unterliegen strengem EU-Verbraucherrecht

(21. März 2013) Nach einem Jahr Beratungszeit hat der EuGH entschieden, dass die strengen Verbraucherschutzrichtlinien des EU-Rechts auch für Gaspreiserhöhungen gelten.

Die Verbraucherzentrale NRW hatte gegen die Preiserhöhungen von RWE geklagt und für 25 Verbraucher die Erhöhungsbeträge zurückgefordert.

Vor dem Landgericht Dortmund und dem OLG Hamm bekam die Verbraucherzentrale Recht. Dagegen war RWE vor dem BGH in Revision gegangen. Der BGH wollte vom EuGH wissen, ob die strengen Normen des EU-Verbraucherschutzrechts auch für Gas-Sondervertragskunden gelten.

Der EuGH hat diese Frage bejaht.

Die Verbraucher befinden sich gegenüber dem Energieversorger in einer schwächeren Verhandlungsposition und besitzen einen geringeren Informationsstand. In Anbetracht dieses Ungleichgewichts verbietet die EU-Richtlinie 93/13/EWG Klauseln, die für den Verbraucher entgegen Treu und Glauben ein Missverhältnis zu seinem Nachteil verursachen.

Zum anderen verpflichtet die Richtlinie 93/13/EWG die Energieversorger zu einer klaren und verständlichen Formulierung der Klauseln.

Die nationalen Gerichte müssten prüfen, so der EuGH, ob eine konkrete Klausel den in den EU-Richtlinien aufgestellten Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügen.

Der EuGH fordert, dass vor Vertragsabschluss sich etwaige Entgeltänderungen aufgrund klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen lassen und der Verbraucher bei Preiserhöhungen den Vertrag tatsächlich beenden kann.

Die Bundesregierung und RWE wollten die Entscheidung des EuGH auf Preiserhöhungen nach dem Urteilsspruch begrenzen. Dem ist der EuGH ausdrücklich nicht gefolgt. Vielmehr gilt die Entscheidung für alle Preiserhöhungen ohne zeitliche Beschränkung.

Der Bund der Energieverbraucher e.V. kritisiert, dass sich die Bundesregierung in diesem Verfahren einseitig für die Interessen der Versorgungswirtschaft Partei ergriffen hat.

Das Urteil des EuGH entfaltet unmittelbare Rechtskraft für alle deutschen Gerichte und legt fest, welche Maßstäbe an  Preisänderungssklauseln anzulegen sind. Nach diesen Kriterien werden praktisch alle Preiserhöhungen der Vergangenheit unwirksam sein. Die Versorger müssen die bereits vereinnahmten Beträge anstandslos an die Verbraucher zurückerstatten.

Das gilt sowohl für Strom- und Gaspreiserhöhungen für Sondervertragskunden. Für grundversorgte Kunden hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass Preiserhöhungen den EU-Verbraucherschutzrichtlinien genügen müssen. Deshalb seien Preiserhöhungen ohne Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit unwirksam. Diese Entscheidung liegt zur Revision beim BGH in Karlsruhe. Der Bund der Energieverbraucher e.V. ist der Ansicht, dass nach der heutigen Entscheidung des EuGH das Urteil des OLG Düsseldorf Bestand haben wird.

Der Bund der Energieverbraucher e.V. fordert alle Verbraucher auf, die in der Vergangenheit an die Versorger bezahlten Preiserhöhungen daraufhin zu prüfen, ob Rückforderungsansprüche bestehen. Die Versorger sollten die ohne Rechtsgrund eingeforderten Beträge den Verbrauchern anstandslos zurückerstatten. Dazu seien sie gesetzlich verpflichtet.

Siehe auch:

Deutschlandfunk: "Ein großer Sieg für Verbraucher"

DAZ Online: Urteil stärkt Gaskunden - Jetzt Preiserhöhungen widersprechen

Voller Erfolg der Verbraucher gegen E.on Hanse

Oberlandesgericht gibt Gaskunden der ersten Sammelklage Recht

Voller Erfolg der Verbraucher gegen E.on Hanse

Oberlandesgericht gibt Gaskunden der ersten Sammelklage Recht

(30. Januar 2013, zuletzt geändert 20. Februar 2013) Nach fast acht Jahren ist der längste und einer der wichtigsten Prozesse der Verbraucherzentrale Hamburg und des Gaspreisprotests erfolgreich zu Ende gegangen. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat am 30. Januar 2013 (Az: 13 U 211/09) allen 53 klagenden Gaskunden gegen E.on Hanse in vollem Umfang Recht gegeben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die ursprünglich 55 Kläger wurden von der Verbraucherzentrale Hamburg koordiniert und unterstützt. Die Klage richtete sich auf Feststellung der Unwirksamkeit der Preiserhöhungen der E.on Hanse. Vor dem Landgericht Hamburg siegten die Kunden nach vier Jahren Verhandlungsdauer im Oktober 2009, weil die Vertragsklauseln zur Preisänderung unwirksam waren.

Hanseatisches OLG blamiert sich

E.on ging gegen dieses Urteil in Berufung vor das Hanseatische Oberlandesgericht. Was dann folgte, war ein Posse. Im Gegensatz zu fast allen anderen Gerichten der Republik wollte das Oberlandesgericht durch eine ergänzende Vertragsauslegung die fehlende Preisklausel reparieren. Ein umfangreiches Sachverständigengutachten sollte klären, in welchem Umfang die Bezugskosten von E.on gestiegen waren.

Gutachten für den Müll

Ein gleichgelagerter Fall wurde vom Amtsgericht Hamburg Bergedorf im Jahr 2010 und vom Landgericht Hamburg im Jahr 2011 entschieden. Er gelangte zur Revision vor den Bundesgerichtshof. Dieser entschied am 14. März 2012 zugunsten des Verbrauchers und verwarf eine ergänzende Vertragsauslegung (VIII ZR 93/11).  Damit war das Hanseantische Oberlandesgericht endgültig bloßgestellt.
Letzter Notnagel: Das Gericht wollte klären, ob E.on Hanse die Möglichkeit hatte, sich durch Kündigung der Verträge gegen die Kundenwidersprüche zu wehren oder ob dem Unternehmen dies durch das Bundeskartellamt verwehrt wurde. Auch dies blieb erfolglos. Es blieb dem Gericht nach vier Jahren nichts anderes übrig, als das Sachverständigengutachten in dem Müll zu werfen und den Verbrauchern widerstrebend Recht zu geben. Alle Gerichts- und Gutachterkosten muss nun E.on tragen.

E.on sollte alle Kunden entschädigen

55.000 Kunden hatten seit 2004 den Preisfestsetzungen von E.on widersprochen. Davon hatten 5.000 einen Teil der Zahlungen verweigert. Zahlungsprozesse vor einer großen Zahl norddeutscher Amts- und Landgerichte hatte E.on in den letzten Jahren fast durchgängig verloren. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat E.on aufgefordert, alle Kunden nun von sich aus zu entschädigen. „Es ist unwürdig, die Kunden vor Gericht ziehen zu lassen und die Justiz mit weiteren Tausenden von Prozessen zu belasten“, sagte der Chef der Verbraucherzentrale Hamburg Günter Hörmann.

Was bedeutet dieser Erfolg nun für die Verbraucher?

Die Verbraucher, die die von E.ON Hanse einseitig erhöhten Preise unter Vorbehalt oder zumindest in Verbindung mit einem Preiswiderspruch gezahlt haben, können ihre Zahlungen im Umfang der Preiserhöhungen zurückfordern.
Zu beachten ist zum einen das gesetzliche Verjährungsrecht. Nur Erstattungsansprüche aus Jahresabrechnungen, die in 2010 oder später zugegangen sind, können noch geltend gemacht werden. Ferner kann bei der Bezifferung der Rückforderungsansprüche nicht auf die bei Abschluss der Gasbezugsverträge vereinbarten Ausgangspreise abgestellt werden. Vielmehr müssen auch die Kunden, die nur unter Vorbehalt oder unter gleichzeitigem Preiswiderspruch gezahlt haben, solche Preise gegen sich gelten lassen, denen sie nicht binnen drei Jahren nach Erhalt der Jahresabrechnung, in der diese Preise erstmalig abgerechnet wurden, widersprochen haben.

Doch haben auch die E.ON Hanse-Kunden, die in der Vergangenheit beanstandungslos gezahlt haben, können Geld aus den Jahresabrechnungen zurückverlangen, die nach 2010 zugegangen sind. Hier beschränkt sich das Rückforderungsvolumen auf die Preiserhöhungen der letzten drei Jahre.

„Wir können nur jeden Verbraucher auffordern, seine Rechte zu wahren, denn nur das „Damoklesschwert“, einseitig und unmäßig erhöhte Preise zurückzahlen zu müssen, gibt den Versorgern Anlass, sich bei Preiserhöhungen zurückzuhalten“ sagt Rechtsanwalt Joachim Bluhm aus Hamburg, der die Verbraucher erfolgreich vertreten hat. Erfahrungsgemäß nehmen aber nur rund 10 % der Verbraucher, die Anspruch auf Rückzahlung überhöhter Preise haben, ihr Recht wahr.

Ergänzung am 31. Januar 2013:

 Download Pressinformation RA Joachim Bluhm zum Urteil 

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letzte Änderung: 19.04.2023