Bessere Dämmung: Der nackte Minister und die blamierte Regierung
(01. März 2007) Derzeit schreibt das Bundesbauministerium an einer Energieeinsparverordnung. Das Mindestdämmniveau für Neubauten und Renovierungen soll auf dem Niveau von 1995 bleiben. Die Bundesregierung macht sich zwar verbal stark für Einsparungen. Praktisch aber bleibt alles beim Alten: Keine besseren Dämmstandards und keine Verbrauchsgrenzen für spritfressende Autos. Der Bund der Energieverbraucher fordert alle Verbraucher dazu auf den Politikern ihre Meinung zu sagen.
Von Dieter Wolff, Aribert Peters und Kati Jagnow.
2002 wurden in der Energieeinsparverordnung (EnEV) die Anforderungen an den Mindestwärmeschutz von Gebäuden neu geregelt.
Allerdings versäumten die Verantwortlichen, das Niedrigenergiehaus als Mindestanforderung zu verankern. Vielmehr ermöglicht es eine moderne Heizungsanlage, die Dämmung auf dem Niveau von 1995 belassen.
EnEV-Novelle überfällig
Die EU hat 2003 die Richtlinie 2002/ 91/EG zur Energieeffizienz von Gebäuden beschlossen. Alle Mitgliedsstaaten mussten sie bis zum 4. Januar 2004 in nationales Recht umsetzen. Die Richtlinie schreibt unter anderem die Einführung eines Gebäudeenergiepasses verbindlich vor.
In Deutschland entbrannte eine intensive Diskussion über diesen Energiepass. Im November 2006 gab es endlich einen Entwurf der Energieeinsparverordnung, der im Dezember 2006 von den Verbänden diskutiert wurde. Das Bauministerium überarbeitet derzeit den Entwurf, der anschließend zwischen den beteiligten Ministerien abgestimmt und vom Bundeskabinett beschlossen werden muss. Dieser Verordnung muss dann noch der Bundesrat zustimmen.

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Dämmanforderungen zu gering
Ein wichtiger Gesichtspunkt der EnEV-Novellierung ist in letzter Zeit in den Hintergrund gerückt: Warum gibt es eigentlich kein höheres Anforderungsniveau für Neubau, Nachrüstung, Änderung und Modernisierung? In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Rahmenbedingungen geändert. Die Energiepreise und die mittleren jährlichen Energiepreiserhöhungen sind auch im langjährigen Mittel drastisch gestiegen. Ein Ende ist nicht abzusehen. Wirtschaftlichkeitsberechnungen auf Basis heutiger Energiepreise und auf Grundlage der Energiepreissteigerungen der letzten 40 Jahre (sieben Prozent jährlich für Heizöl, zehn Prozent jährlich für Rohöl) führen zu einem sehr viel höheren, wirtschaftlich sinnvollen und damit dem Energieeinspargesetz genügenden Anforderungen für Neubau und Bestandsänderung.
So waren 1987, also nach den beiden Ölkrisen 1973 und 1979/83, Dämmdicken von vier bis sechs Zentimeter die wirtschaftlichste Lösung für eine nachträgliche Dämmung beziehungsweise für einen Neubau. Das sind Werte, über die heute in beiden Fällen nur noch gelächelt wird, die aber für das geringe Anforderungsniveau der derzeitigen Energieeinsparverordnung durchaus noch möglich sind!
Bereits 2003 wies ein Gutachten für den Senat der Stadt Hamburg nach, dass das Anforderungsniveau der EnEV an den Primärenergiebedarf wirtschaftlich auf typisch 70 bis maximal 100 kWh/(m2a) für Heizung und Trinkwarmwasser gesenkt werden könnte. Bei den heutigen Energiepreisen wären weiter erhöhte Anforderungen der EnEV wirtschaftlich.
Die meisten Investoren orientieren sich dennoch nur an den schwachen gesetzlichen Mindestanforderungen. Warum soll das Anforderungsniveau weitgehend unverändert bleiben? Warum setzen sich nicht die beteiligten Ministerien, die Herstellerverbände, die Wohnungswirtschaft oder die Mieterschutz- und Verbraucherschutzverbände für höhere Anforderungen in einer novellierten EnEV ein? Das sind die eigentlichen Aufgaben einer verantwortlichen Energiepolitik. Sollte das Gezerre um den Energiepass nur von dieser eigentlich steuernden Funktion der EnEV ablenken?
Wärmedämm-Maßnahmen unter der Lupe
Das Passivhaus-Institut hat 2005 die Wirtschaftlichkeit von Wärmedämm-Maßnahmen im Gebäudebestand untersucht und dazu einen Bericht erstellt. Dieser bestätigt, dass auch Dämmungen über den Standard der EnEV 2002 im höchsten Grad einzelwirtschaftlich rentabel sind. Wir zitieren aus der Zusammenfassung:
Die einzelwirtschaftlich gewinnbringenden Wärmeschutzmaßnahmen leisten mit der Reduzierung der CO2-Emissionen, volkswirtschaftlich kostenneutral einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz. Die wirtschaftlich erzielbaren Energieeinsparungen gegenüber einem typischen Bestandsgebäude betragen je nach Außenbauteil bis über 90 Prozent. Im Vergleich zu einer 1998 im Auftrag des damaligen Bundesministeriums für Wirtschaft durchgeführten Wirtschaftlichkeitsstudie erhöht sich der wirtschaftlich gebotene Wärmeschutz unter den aktuellen ökonomischen Randbedingungen deutlich. Das Energieeinsparungsgesetz bietet eine Rechtsgrundlage für Anforderungen an den Wärmeschutz bei Änderungen an bestehenden Gebäuden. Nur wirtschaftlich vorteilhafte Maßnahmen dürfen von den Eigentümern gefordert werden. Festgelegt werden die Anforderungen in der Energieeinsparverordnung. Gegenüber den derzeitig gültigen Anforderungen an den Wärmeschutz bei Änderungen an bestehenden Gebäuden sind deutliche weitere Verbesserungen der Wärmedurchgangskoeffizienten der Außenbauteile wirtschaftlich sinnvoll.
- Die Sanierung von Altbauten schafft Arbeitsplätze. Bezogen auf den gesamten Heizenergieverbrauch im Gebäudebestand in Deutschland, der immerhin etwa ein Drittel des Endenergieverbrauchs ausmacht, sind durch die hier aufgeführten Maßnahmen Einsparungen von über 50 Prozent realisierbar.
- Die Wärmeschutzmaßnahmen sind besonders wirtschaftlich, wenn sie mit einer ohnehin fälligen Instandsetzungsarbeit gekoppelt werden. Dabei sollte mindestens der schon heute wirtschaftlich gebotene Dämmwert erreicht werden, da sich die koppelbaren Tatbestände und Erneuerungen von Bauteilen erst in relativ langen Zyklen (20 bis 50 Jahre) wiederholen.
- Die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen ist abhängig vom Wärmeschutz des alten Bauteils. Bei bereits vorliegendem mittelmäßigen Wärmeschutz lohnt eine Wärmedämm-Maßnahme manchmal nicht mehr. Daher sollte gelten: Wenn eine wärmetechnische Verbesserung eines Bauteils in Angriff genommen wird, dann sollte diese auch konsequent im jeweils wirtschaftlich und baupraktisch möglichen Standard erfolgen. Eine spätere Nachrüstung auf einen sinnvollen Wärmeschutz ist regelmäßig nicht mehr wirtschaftlich.
- Bei allen untersuchten Einzelmaßnahmen lag der Preis für die eingesparte Kilowattstunde mit einem bis 3,5 Cent/kWh (für den zukunftsweisenden Wärmeschutz) deutlich unter dem derzeitigen Endenergiebezugspreis von 4,5 Cent/kWh.
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