Wärmeversorgung aus der Erde: Hydrothermale Geothermie
Die hydrothermale Geothermie stand lange im Schatten der Stromproduktion. Inzwischen erkennt man jedoch weltweit die Bedeutung dieser Ressourcen und Technologie. Die hydrothermale Geothermie ("Warmwassergeothermie") nutzt die im Untergrund natürlich vorkommenden Thermalwasservorräte zur Versorgung größerer Siedlungen, ganzer Städte, von Gewerbe- und Industriegebieten. Die Ressourcen in den wasserführenden Schichten, den Aquiferen, sind häufig stark mineralisiert (sie haben z.B. einen hohen Salzgehalt). Deswegen und um zu verhindern, dass der Speicher nach und nach leerge-pumpt wird, werden solche Anlage im Dublettenbetrieb gefahren: Das heiße Wasser wird über eine Förderbohrung an die Oberfläche gebracht, gibt den wesentlichen Teil seiner Wärmeenergie per Wärmetauscher an einen zweiten, den "sekundären" Heiznetzkreislauf ab. Ausgekühlt wird es über eine zweite Bohrung wieder in den Untergrund verpresst.
In Deutschland sind gegenwärtig rund 25 größere Anlagen mit einer installierten Leistung zwischen 100 kW und 20 MW in Betrieb, die Thermalwasser als Energiequelle nutzen. Es handelt sich vor allem um geothermische Heizzentralen oder Thermalbäder in Kombination mit Gebäudeheizung. Die Wassertemperatur ist jeweils geringer als 110 °C. Die gesamte in hydrothermale Anlagen installierte Leistung der deutschen Anlagen beträgt ca. 50 MWth.
29% des Wärmebedarfs deckbar
Mit dem zur Verfügung stehenden technischen Nachfragepotential, also unter Berücksichtigung nachfrageseitiger Hemmnisse, könnten nach einer Untersuchung des Geo-Forschungs-Zentrums Potsdam bis zu 29% des Wärmebedarfs der Bundesrepublik aus den derzeit bekannten Ressourcen hydrothermaler Geothermie gedeckt werden. Die Wärme wird zu marktüblichen Fernwärmepreisen an die Verbraucher abgegeben. Unter den gegenwärtigen energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen besteht immer noch ein in der Höhe standortabhängiger Förderbedarf von bis zu 40%.
Unter dem Reichstag werden sowohl Wärme als auch Kälte im Boden gespeichert
Risiko einer Bohrung versicherbar
Ein nicht unbedeutendes Hemmnis für die Weiterentwicklung der tiefen Geothermie stellte in der Vergangenheit das Problem dar, dass das geologische Risiko von Geothermiebohrungen nicht versichert werden konnte. Wäre man z. B. nicht fündig geworden, wäre der Betreiber auf den Kosten sitzen geblieben. Investitionen in Tiefbohrungen von einem oder gar mehreren Kilometern bedeuten immer Aufwendungen in Millionenhöhe. Inzwischen konnte jedoch der Fachverband Geothermische Vereinigung (GtV) in Zusammenarbeit mit einem großen Versicherungsunternehmen (AXA Colonia) ein privatwirtschaftliches Modell entwickeln, das ab Herbst diesen Jahres allgemein zur Verfügung stehen wird.
Oberflächennahe "Geothermie für alle"
Das Temperaturniveau im oberflächennahen Bereich ist relativ niedrig. Die mittlere Temperatur an der Erdoberfläche beträgt in Deutschland ca. 7 - 11 °C.
Im Gegensatz zur Nutzung von warmen oder heißen Wässern aus dem tiefen Untergrund wird Wärme aus dem flacheren Untergrund gewöhnlich nur mit Hilfe von Wärmepumpen genutzt.
Für den Einsatz von Wärmepumpen steht eine breite Palette an Wärmequellen bzw. Techniken zu Verfügung, um die im Untergrund vorhandene Energie nutzen zu können. Die wichtigsten sind:
- Grundwasserwärmepumpen,
- Erdwärmekollektoren,
- Erdwärmesonden,
- Erdberührte Betonbauteile,
- Energiepfähle.
Grundwasserwärmepumpen
Abhängig vom Standort lässt sich Grundwasser über Brunnen entnehmen und direkt zur Wärmepumpe bringen. Es muss jedoch wieder in den Untergrund eingeleitet werden, so dass neben Förderbrunnen auch Schluckbrunnen einzurichten sind. Grundwasserwärmepumpen können relativ hohe Wärmequellentemperaturen nutzen und vermeiden Wärmetauscherverluste im Untergrund. Das wirkt sich günstig auf die Jahresarbeitszahlen aus. Bei größeren Anlagen sind diese Systeme daher Erdwärmesonden wirtschaftlich überlegen.
Erdwärmekollektoren
Erdwärmekollektoren werden horizontal normalerweise in 80 - 160 cm Tiefe verlegt. Sie unterliegen den an der Oberfläche herrschenden Witterungseinflüssen. Eine Wärmepumpe ist bei Kopplung an einen Erdwärmekollektor daher gezwungen, in Zeiten größten Wärmebedarfs mit besonders ungünstigen Wärmequellentemperaturen auszukommen. Erdwärmesonden (EWS)
EWS sind die in Mittel- und Nordeuropa verbreitetsten Anlagetypen. Ihr Flächenbedarf ist gering und sie nutzen ein konstantes Temperaturniveau. Es handelt sich bei Erdwärmesonden um senkrechte oder schräge Bohrungen, in die Rohre installiert werden, in Mitteleuropa gewöhnlich Doppel-U-Rohre aus HDPE-Kunststoff.
In Deutschland werden sie normalerweise in Tiefen zwischen 50 - 150 m abgeteuft. Sehr kurze EWS (10-15 m Bohrtiefe) dienen häufig zur Speicherung von Solarwärme. Erdwärmesonden werden in Anlagen unterschiedlicher Größe eingesetzt, angefangen bei ein oder zwei Sonden zur Beheizung kleiner Wohngebäude bis hin zu Systemen zur Versorgung von Büro- und Gewerbebauten, ganzen Wohnanlagen usw.
Die Effizienz erdgekoppelter Wärmepumpen ergibt sich aus ihrer Jahresarbeitszahl. Sie gibt die Einheiten Nutzenergie an, die aus einer Einheit Antriebsenergie, z.B. Strom, erzeugt werden. Heute werden mit erdgekoppelten Systemen Jahresarbeitszahlen von 3,8 an aufwärts sicher erreicht. Heutige moderne Wärmepumpen erreichen in Verbindung mit der Erdwärme Leistungszahlen von bis zu sechs.
Unter dem Reichstag werden sowohl Wärme als auch Kälte im Boden gespeichert
Erdberührte Betonbauteile, Energiepfähle
Betonbauteile lassen sich nicht nur als tragendes oder architektonisches Element einsetzen. Insbesondere in Österreich wurden in den letzten Jahren erdberührte Betonbauteile zu funktionsfähigen und wirtschaftlichen Heiz- und Kühlsystemen weiterentwickelt. Als Schlagwort für diese Technologie hat sich der Begriff "Energiepfahl" durchgesetzt. Er rührt aus der Nutzung von Gründungspfählen zu Heizzwecken her. Grundsätzlich lässt sich jedoch jede erdberührte Betonfläche entsprechend einrichten. Der Einbau der Wärmetauscher kann nur im Rahmen der Errichtung des Bauwerks selbst erfolgen. Eine Nachrüstung bereits vorhandener Betonflächen ist nicht möglich.
Der Mehraufwand, die infrage kommenden Bauteile als Wärmequelle zu nutzen, ist relativ gering. Der wirtschaftliche Vorteil ergibt sich vor allem daraus, dass nur solche Bauteile herangezogen werden, die aus statischen Gründen sowieso errichtet werden müssen. Da diese Technologie mittlerweile mit konventionellen Wärme- und Klimakälteversorgungen wirtschaftlich konkurrieren kann, finden sich Energiepfähle inzwischen auch in immer mehr Gebäuden hierzulande. Dazu gehören etwa die Ständige Vertretung von Rheinland-Pfalz, die Akademie der Künste und das Zentrum für Zukunftsenergieen in Berlin, die Fachhochschule Biberach, die Landesversicherungsanstalt in Hamburg und die Nordwestdeutsche Landesbank in Hannover.
Kühlen und Klimakälte
Energiepfähle können direkt, also ohne Einschaltung einer Wärmepumpe zur Raumkühlung herangezogen werden. Dabei wird nur die in der Anlage zirkulierende Wärmeträgerflüssigkeit genutzt, bzw. mit Pumpen im Gebäude umgewälzt. Der Energieaufwand beschränkt sich auf den Stromverbrauch der Pumpen.
Der Wirtschaftlichkeit von erdgekoppel-ten Wärmepumpen kommt die direkte oder wärmepumpengestützte Kühlung sehr entgegen. Sie können in Einzelfällen bereits in den Investitionskosten günstiger sein als eine Heizung und eine getrennte Anlage zur Erzeugung von Klimakälte.
Wärmespeicherung
Im Sommer liefert uns das gemäßigte Klima ein Überangebot an Wärme, im Winter besteht bekanntlich ein Defizit. Sommerwärme im Winter, Winterkälte gegen die Sommerhitze: Geothermie macht's möglich. Es stehen verschiedene Speichertechnologien bzw. -alternativen zur Verfügung:
- Wärme- oder Kältespeicherung,
- mit oder ohne Wärmepumpen,
- Aquiferspeicher,
- Erdwärmesondenspeicher,
- Wärmequellen Abwärme, Umgebungswärme, Sonnenenergie.
Geothermische Speichertechnologien sind zwar weltweit verbreitet, in Deutschland bislang aber nur wenig eingesetzt worden. Das Energieverbundkonzept des Berliner Reichstags und einiger benachbarter Parlamentsgebäude enthält z. B. zwei geothermische Speicherelemente: einen Aquifer-Kältespeicher und einen tieferen Aquifer-Wärmespeicher in ca. 300 m Tiefe. Beide wurden über Bohrungen erschlossen.