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Rasanter Wachstumskurs Mehr saubere Energie für weniger Geld. Eine aktuelle Analyse zeigt die gewaltigen Erfolge.

Rasanter Wachstumskurs

Mehr saubere Energie für weniger Geld: Die erneuerbaren Energien haben in den vergangenen Jahren nicht nur quantitativ eine stürmische Entwicklung erlebt, sondern auch aus technologischer Sicht Fortschritte erzielt, die selbst Experten noch vor zehn Jahren kaum vorherzusehen wagten. Eine aktuelle Analyse zeigt die gewaltigen Erfolge.

(15. September 2010) Die „Lernkurve" der erneuerbaren Energien ist beeindruckend: Nahezu alle Technologien von der Photovoltaik über Biogas- und Windenergieanlagen bis zu Holzpelletheizungen haben in den vergangenen Jahren erhebliche technische Fortschritte erzielt - und das bei stetig sinkenden Preisen.

Der Massenmarkt führte zu Innovationen

Die Entwicklung zeigt, dass die Förderinstrumente „Erneuerbare-Energien-Gesetz" für Strom und das Marktanreizprogramm im Wärmesektor entscheidende Impulse setzen konnten. Hinzu kommt eine langfristig angelegte Förderpolitik. Das hat die Technologien aus den Nischen herausgeholt und in Massenmärkte gebracht. Diese Erfolge wären vermutlich durch eine reine Förderung der Forschung kaum erreicht worden.

Besonders deutlich wird dies an den Beispielen Solar- und Windenergie. Das zeigt eine aktuelle Analyse der Agentur für Erneuerbare Energien e. V. Unterstützer der Agentur sind Unternehmen und Verbände aus der Branche der erneuerbaren Energien und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Windkraft im Aufwind

Der Fortschritt der Windkraft zeigt sich am deutlichsten im steten Wachstum der Anlagengröße: 1990 drehten sich zunächst Windräder der 100-Kilowatt-Klasse. In den 90er-Jahren hatten neu installierte Turbinen eine Leistung von rund 500 Kilowatt. Im Jahr 2000 waren es bereits gut 1.100 Kilowatt, und im Jahr 2009 lag die durchschnittliche Leistung von Neuanlagen sogar erstmals knapp über zwei Megawatt. Inzwischen sind Serienanlagen mit fünf Megawatt Leistung etabliert.

Doch es wuchsen nicht nur die Rotorblätter und die Höhe der Türme: Auch die spezifischen Erträge je Quadratmeter Rotorfläche nahmen durch verbesserte Technik zu. Zugleich sank der Preis pro erzeugter Kilowattstunde seit 1990 um mehr als die Hälfte.

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Quelle: Institut für Solare Energieversorgungstechnik (ISET) Windenergiereport Deutschland 2008

Die gestiegenen Erträge und gesunkenen Preise hängen mit einer Vielzahl von Verbesserungen zusammen, die erst der zigtausendfache Einsatz in der Praxis ermöglichte. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Höhe der Anlagen: Nabenhöhen von bis zu 160 Meter sorgen heute dafür, dass die Rotoren in Luftschichten mit stabileren Windverhältnissen vordringen. Denn nicht nur die Windgeschwindigkeit nimmt mit der Höhe zu, auch die Turbulenzen werden geringer. Spezielle Schwachwindanlagen mit großer Rotorfläche im Vergleich zum Generator ermöglichen auch an mittelmäßigen Binnenlandstandorten gute Erträge. Auch das Design der Anlagen wurde in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Neue Flügelprofile erhöhen heute die Ausbeute und senken die Strömungsgeräusche.

Dieser Mehrertrag spiegelt sich auch im sogenannten cp-Wert der Anlagen wider, der stetig nach oben klettert. Unter dem Leistungsbeiwert cp versteht man das Verhältnis zwischen der Primärenergie (der Wind, der durch die Rotorfläche hindurchweht) und der produzierten Endenergie (die Elektrizität). Er gibt also an, wie effizient eine Windkraftanlage ist. Der theoretisch mögliche Höchstwert liegt bei 0,59. Moderne Anlagen erreichen heute einen Wert um 0,5. Vor drei Jahren lagen die meisten Werte noch bei 0,43 bis 0,47.

Neue Generatoren-Generation

Ein wichtiger Anteil an den Verbesserungen basiert auf der Generatorentwicklung. Ein Beispiel ist der Ringgenerator: Er braucht kein Getriebe, weil der Rotor direkt mit dem Läufer des Generators gekoppelt ist. Die Maschinen arbeiten dadurch nicht nur effizienter, sondern auch leiser und verschleißärmer. Die Anbindung an das Stromnetz erfolgt über einen Frequenzumrichter. Dadurch brauchen die Anlagen keine fixe Drehzahl mehr, die sich an der Netzfrequenz bemisst. In der Folge können sich die Windräder auch schon bei geringen Windgeschwindigkeiten drehen und können durch kurzfristige Beschleunigung Böen besser ausnutzen.

Entwicklungsbedarf besteht heute noch bei Kleinwindkraftanlagen: Das EEG berücksichtigt diese bislang noch nicht, und auch auf dem Markt sind sie bislang kaum vertreten.

Sonnige Zeiten für Photovoltaik

Einer der entscheidenden Fortschritte der Photovoltaik ist der kontinuierliche Preisrückgang, der geradezu lehrbuchmäßig fast stetig entlang der Lernkurve der Wirtschaftstheorie erfolgte.

So brachte jede Verdopplung der weltweit produzierten Menge einen Preisrückgang von 15 bis 20 Prozent. Im Jahr 1990 kostete das Kilowatt noch rund 14.000 Euro (Systemkosten), im Jahr 2000 lag der Preis nur noch bei 7.000 Euro, und für das letzte Quartal 2009 gibt die Branche einen Durchschnittspreis von nur noch 3.135 Euro an.

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Quelle: Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie, Bundesverband Solarwirtschaft

Ein wichtiger Aspekt ist die Materialersparnis: Heute werden für kristalline Siliziumzellen üblicherweise Wafer von rund 200 Mikrometer Dicke genutzt. Vor fünf Jahren noch waren in der Branche 300 Mikrometer üblich. Weitere enorme Materialeinsparungen sind technisch möglich: Forscher haben schon mit 40-Mikrometer-Wafern experimentiert.

Entscheidend für die Preisrückgänge war ferner der Ausbau größerer Produktionslinien. Anlagen zur Herstellung von Siliziumzellen werden heute von den Anlagenbauern schlüsselfertig angeboten, sind also keine Einzelfertigung mehr. So ließen sich Skaleneffekte in erheblichem Umfang erzielen.

Wirkungsgrad auf Wachstumskurs

Die Wirkungsgrade der Module stiegen durch verbesserte Solarzellen. Das reduzierte die benötigte Fläche pro Kilowatt und senkte wiederum den Preis, denn viele Kostenkomponenten entstehen proportional zur Fläche.

Anfang der 80er-Jahre lag der Wirkungsgrad für Solarmodule noch bei rund acht Prozent. Im Jahr 2003 erreichten die klassischen Silizium-Module eine Stromausbeute von 13 Prozent. Heute kommen die durchschnittlichen Module am Markt auf 16 Prozent und Spitzenprodukte auf fast 20 Prozent. Ausschlaggebend für die Wirkungsgradverbesserungen sind unter anderem verbesserte Verfahren bei der Dotierung, Beschichtung und Kontaktierung.

Längere Lebensdauer

Neben dem verbesserten Wirkungsgrad hat sich die Lebensdauer von Solarmodulen verlängert: Bis in die frühen 90er-Jahre hinein gab es Module, die nach einigen Jahren deutliche Leistungseinbußen bis hin zum Totalausfall zeigten. Eindringende Feuchtigkeit war das Hauptproblem. Doch die Branche hat seither viel gelernt: Die Hersteller unterziehen ihre Solarzellen umfangreichen Tests, um die Qualität zu sichern. Beim „Damp-Heat-Test" zum Beispiel werden die Module über einen Zeitraum von 1.000 Stunden (also rund sechs Wochen) einer Umgebung von 85 Grad Celsius und 85 Prozent Luftfeuchtigkeit ausgesetzt. Solche Tests sollen Alterungsprozesse der Solarmodule simulieren.

Preisrutsch bei Wechselrichtern

Auch die Wechselrichter haben einen deutlichen Preisrückgang erlebt: Von 1990 bis 2004 hat sich der Preis der Geräte pro Watt halbiert, was fünf Prozent Preisrückgang im Jahr ausmacht. Bis heute ist der spezifische Preis gemessen an 1990 sogar um mehr als 75 Prozent gefallen. Zugleich stieg der Wirkungsgrad: Die Ausbeute netzgekoppelter Wechselrichter ist seit 1990 von rund 90 Prozent bis heute auf Spitzenwerte von fast 99 Prozent angestiegen. Waren in der Anfangszeit der Photovoltaik noch Ausfälle der Wechselrichter die häufigste Fehlerquelle, hat sich auch die Lebensdauer dieser Geräte stark verbessert. Inzwischen sind Wechselrichter so konzipiert, dass sie mindestens zwei Jahrzehnte überstehen sollten. Der so genannte MTBF-Wert, was für Mean Time Between Failures steht, für die mittlere Betriebsdauer zwischen zwei Ausfällen, liegt inzwischen bei 100.000 Stunden.

Nutzen fürs Netz

Ebenso wie Windkraftanlagen liefern auch Photovoltaikanlagen heute nicht mehr nur ihre Energie ins Netz. Je nach Situation dienen sie zunehmend der Spannungsstabilisierung: Anlagen, die Solarstrom ins Mittelspannungsnetz einspeisen, müssen sich nach der novellierten Mittelspannungsrichtlinie „während der Netz-einspeisung an der Spannungshaltung beteiligen können"; das wird dann „statische Spannungshaltung" genannt.