Klimawandel
Segment-ID: 12298Klimaproteste und Zivilgesellschaft
Die Klimakrise ist längst keine abstrakte Bedrohung mehr, sondern hat spürbare Folgen in Deutschland und weltweit. Uns drohen heiße Millionenstädte, überflutete Küstenregionen, katastrophal lange Dürreperioden, Wasserknappheit, Ernteausfälle, riesige Wald- und Buschbrände und als Folge Abermillionen an Klimaflüchtlingen.
Von Aribert Peters
(24. April 2023) Doch trotz der bereits unübersehbaren Folgen des Klimawandels und der düsteren Zukunftsaussichten gibt es immer noch Menschen, die die Augen vor der Realität verschließen und dissonante Informationen abwerten, wie Christian Stöcker vom Spiegel betont: „Mir ist von Tag zu Tag unverständlicher, wie Menschen mit Kindern und Enkeln es schaffen, vor all dem die Augen zu verschließen. Alle kognitiven Abwehrmechanismen müssen dazu gleichzeitig auf Hochtouren laufen: dissonante Information abwerten, Überbringer dissonanter Information abwerten, oft auf aggressive Weise.“
Protest und Gegenprotest
Deshalb ist es umso wichtiger, dass Menschen auf die Straße gehen und sich gegen die Verursacher der Klimakrise und ihre Folgen gemeinsam zur Wehr setzen, wie zum Beispiel die Aktivisten der „Letzten Generation“. Denn wie Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung betont: „Proteste, Demos, Whistleblowing, Widerstand – nicht Ruhe, sondern Unruhe ist in einer lebendigen Demokratie Bürgerpflicht!“
Doch der Protest wird nicht von allen positiv aufgenommen. Wie Sebastian Leber, Tagesspiegel-Reporter, schreibt, treibt die Disziplin, „sich über Protestformen von Klimaaktivisten zu beschweren, ohne selbst den Arsch hochzukriegen, immer wildere Blüten. Der Wunsch, jede Protestform zu canceln, wirkt zunehmend totalitär. Selbst wenn die Aktivisten künftig bloß noch Schweigeminuten veranstalteten, müssten sie sich -vermutlich den Vorwurf anhören, sie atmeten zu laut.“
Klima-Kampf eskaliert: RWE räumt letztes Dorf für Braunkohleabbau – Polizei gegen Aktivisten! Die Polizei startete am 11. Januar 2023 eine Räumung des besetzten Dorfes Lützerath. Doch die Klimaaktivisten gaben nicht auf. Am 14. Januar versammelten sich Tausende von Demonstranten, um gegen die Abbaggerung zu protestieren. Bei der Großdemonstration kam es zu Gewalt, als Demonstranten versuchten, auf das abgesperrte Gelände zu gelangen. Die Polizei spricht von mehr als 70 verletzten Polizisten. Die Aktivisten beschuldigen ihrerseits die Polizei, übermäßige Gewalt anzuwenden. Der RWE-Konzern kündigte zivilrechtliche Schritte gegen die Demonstranten an. Offensichtlich will RWE mit der Opferung von Lützerath nur mehr Braunkohle mit höherem Gewinn verstromen. Der Klima-Kampf geht weiter nach dem Motto „Lützerath lebt“.
Folgen des Klimawandels
Dabei ist Protest notwendiger denn je. Denn selbst wenn es uns gelänge, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie UN-Generalsekretär António Guterres warnt, „wird es immer noch zu einem beträchtlichen Anstieg des Meeresspiegels kommen. Die Folgen all dieser Entwicklungen sind unvorstellbar. Niedrig gelegene Gemeinden und ganze Länder könnten für immer verschwinden. Wir würden eine Massenflucht ganzer Bevölkerungen in biblischem Ausmaß erleben. Und wir würden einen immer schärferen Wettbewerb um Süßwasser, Land und andere Ressourcen erleben.“
Trotz all dieser Warnungen gibt es immer noch Menschen, die den Klimawandel als etwas Abstraktes betrachten, das sie nicht direkt betrifft. Dabei betonte der Arzt, Kabarettist und Moderator Eckart von Hirschhausen im Fernsehinterview, dass Klimaschutz zwar Geld kostet, aber „das Teuerste, was wir jetzt tun können, ist, weiterhin zu wenig zu tun. Diese Priorisierung bedeutet, dass wir vergessen haben, was eigentlich Wohlstand ist: nämlich atmen zu können bei erträglichen Außentemperaturen. Etwas zu essen zu haben, etwas zu trinken zu haben. Frieden statt Kriege um die letzten bewohnbaren Fleckchen Erde. Das sind Überlebensfragen, die kein Markt von alleine regelt. Dem Markt sind Menschen egal. Mir nicht. Die Luft dreckig zu machen ist immer noch gefährlich billig. Wer meint, dass Geld wichtiger ist als Gesundheit, kann ja mal versuchen, beim Luftanhalten sein Geld zu zählen.“
Hannovers OB und „Letzte Generation“ einigen sich
In Hannover haben die Klimaproteste etwas bewirkt: Unter der Leitung des grünen Oberbürgermeisters Belit Onay hat die Stadtverwaltung eine Vereinbarung mit der Klimaaktivistengruppe „Letzte Generation“ getroffen. In einem Brief an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen (mit Ausnahme der AfD) erklärte Onay seine Unterstützung für Forderungen der Gruppe nach einem Neun-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr und einem Tempolimit auf Autobahnen. Der Deal wurde von beiden Seiten als bedeutender Durchbruch in der Klimapolitik gefeiert. In Hannovers Stadtpolitik hat Onay deswegen keinen leichten Stand. Die CDU und FDP warfen ihm vor, sich mit „Kriminellen“ an einen Tisch zu setzen, während die SPD den Vorstoß nicht unterstützt und den Aktivisten Demokratieverachtung vorwirft. „Das ist grotesk und unsachlich“, kommentiert Ronen Steinke in der Süddeutschen Zeitung, „was für ein Unsinn.“ Es ist klar, dass Onays Deal mit der „Letzten Generation“ ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaschutz ist. Die Unterstützung des Neun-Euro-Tickets und des Tempolimits auf Autobahnen könnte einen Wandel in der Verkehrspolitik in Hannover einleiten und ein Beispiel für andere Städte sein.
Dieser Schritt ist umso bemerkenswerter, als es in anderen Städten Deutschlands zu gewalttätigen Konfrontationen zwischen Klimaaktivistinnen und Autofahrern gekommen ist. Seit Monaten haben die Aktivisten in vielen deutschen Städten Hauptverkehrsadern blockiert, um für mehr Klimaschutz zu kämpfen. In Bayern setzte die Justiz sogar Präventivhaft gegen Wiederholungstäter ein und es gab Ermittlungen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung in Brandenburg. Der Kompromiss zwischen Hannover und der „Letzten Generation“ zeigt jedoch, dass ein Dialog zwischen Aktivisten und Politikern möglich ist, wenn auf beiden Seiten die Bereitschaft dazu da ist. „Die harte Münchner Linie ist nicht nur eine Nervenprobe für Justiz und Polizei. Sie ist, wie man dank Hannover jetzt sieht, auch einfach unklug“, so Ronen Steinke. Es bleibt abzuwarten, ob andere Politiker in Deutschland Onays Beispiel folgen werden und den Dialog mit Klimaaktivisten suchen, wie das in Tübingen und Marburg schon geschehen ist.
Segment-ID: 18784Klima-Solidarität oder kollektiver Selbstmord
Der UN-Generalsekretär Antonio Gutteres spricht mit klaren Worten über die Klimakatastrophe. Er ist seit 2017 im Amt und war zwischen 1995 und 2002 Premierminister von Portugal. Wir zitieren hier aus seinen Reden über die Klimakatastrophe. Zum 6. Bericht des IPCC (siehe „Weltklimarat: Sechster Bericht“).
(25. Januar 2023)
Die Jury hat das Urteil gesprochen: Schuldig!
- Dieser Bericht des IPCC ist eine Aufzählung von gebrochenen Versprechen. Es ist ein Dokument der Schande. Er listet die leeren Versprechen auf, die uns auf den Weg in eine unglaubliche Welt führen.
- Wir sind auf einer Schnellstraße, die uns in die Klimakatastrophe führt. Überhitzte Meere, Hitzewellen, verheerende Stürme, verbreiteter Wassermangel, die Ausrottung von Millionen von Tier und Pflanzenarten. Das ist keine Phantasie oder Übertreibung. Das ist das, was uns die Wissenschaft sagt über unsere gegenwärtige Energiepolitik.
- Wir sind auf dem Wege in eine Erderwärmung um mehr als doppelt so hoch, als dessen was wir in Paris verabredet haben.
- Die Regierung sagen das eine, aber tun etwas ganz anderes. Einfach ausgedrückt: Sie lügen. Die Folgen werden katastrophal sein.
- Das ist ein Klimanotstand. Klimawissenschaftler sagen uns, das wir gefährlich dicht an Kipppunkten sind, die zu sich beschleunigenden und nicht wieder gut zu machenden Klimaschäden führen. Aber Regierungen und hochrangige Firmenchefs sehen das nicht. Die scheren sich nicht darum und haben nur ihre eigenen Interessen und ihre Investitionen in Fossilenergien im Blick und gießen Öl ins Feuer. Während die günstigeren erneuerbaren Energien grüne Arbeitsplätze, Energieversorgungssicherheit und höhere Preisstabilität bringen.
- Die Wissenschaft ist klar: Um das 1,5 Grad Ziel einzuhalten, müssen die Emissionen dieses Jahrzehnt um 45% vermindert werden. Aber die gegenwärtigen Minderungsversprechen führen zu einem Anstieg der Emissionen um 14 % bis 2030. Und nicht einmal diese unzureichenden Versprechen werden eingehalten.
- Klimaaktivisten werden manchmal als gefährliche Radikalisten bezeichnet. Aber die wirklichen Radikalisten sind die Länder, die die Produktion von Fossilenergien erhöhen.
- Investitionen in neue Fossilenergie ist moralischer und ökonomischer Irrsinn, zerstört die Landschaft und reißt ein Loch ins Investment Portfolio.
- Regierungen müssen die Kohleinvestitionen beenden, nicht in anderen Ländern, sondern im eigenen Land.
- Wir müssen auf die jungen Leute hören und die indigenen Völker, die Alarm schlagen und die unsere Führer zur Rechenschaft ziehen. Wir müssen auf ihre Arbeit setzen, um eine Grasroot Bewegung zu starten, die nicht mehr ignoriert werden kann.
- Der Wechsel zu Erneuerbaren wird Hoffnung für Millionen von Menschen bringen, die heute unter den Folgen des Klimawandels leiden. Klimapläne und Versprechen müssen jetzt in die Tat umgesetzt werden.
- Es ist höchste Zeit, die Verbrennung unseres Planeten zu stoppen und in die im Überfluss zur Verfügung stehende erneuerbare Energien zu investieren.
Guterres-Rede zur Veröffentlichung des IPCC-Berichts AR6, siehe „Weltklimarat: Sechster Bericht“.
- Die Treibhausgasemissionen steigen weiter. Die globalen Temperaturen steigen weiter. Und unser Planet nähert sich schnell Wendepunkten, die das Klimachaos unumkehrbar machen werden.
- Wir sind auf einem Highway in die Klimahölle, mit dem Fuß immer noch auf dem Gaspedal.
- Menschliche Aktivität ist die Ursache des Klimaproblems. Also muss menschliches Handeln die Lösung sein.
- Die Menschheit hat die Wahl: kooperieren oder untergehen. Es ist entweder ein Klima-Solidaritätspakt – oder ein kollektiver Selbstmordpakt.
- Die tödlichen Auswirkungen des Klimawandels sind hier und jetzt. Verluste und Schäden können nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden. Es ist ein moralischer Imperativ. Es ist eine grundlegende Frage der internationalen Solidarität – und der Klimagerechtigkeit.
- Diejenigen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, ernten den Wirbelwind, den andere gesät haben.
- Vergessen wir nicht, dass der Krieg gegen die Natur an sich schon eine massive Verletzung der Menschenrechte ist.
- Der globale Kampf gegen das Klima wird in diesem entscheidenden Jahrzehnt gewonnen oder verloren – unter unserer Aufsicht.
- Eines ist sicher: Wer aufgibt, wird mit Sicherheit verlieren. Also lasst uns gemeinsam kämpfen – und lasst uns gewinnen. Für die 8 Milliarden Mitglieder unserer Menschheitsfamilie – und für kommende Generationen.
- Die rote Linie, die wir nicht überschreiten dürfen, ist die Linie, die unseren Planeten über die 1,5-Grad-Grenze bringt.
- Wenn wir überhaupt eine Chance haben wollen, die 1,5-Grad-Marke einzuhalten, müssen wir massiv in erneuerbare Energien investieren und unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beenden.
aus: Guterres-Rede zum Abschluß der COP27
Segment-ID: 18749Hoffnung heißt, etwas zu tun
Krieg in Europa, unbezahlbare Energiepreise und die Klimakrise – viele Menschen verlässt der Mut. Wir lassen uns aufmuntern von drei besonderen Menschen, die zum Thema Hoffnung geschrieben haben: Greta Thunberg, Heribert Prantl und Luisa Neubauer.
(23. Januar 2023) Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat grade ein 500-Seiten-Buch herausgebracht: Das Klimabuch, in dem über 100 Wissenschaftler verschiedene Aspekte des Klimawandels beleuchten. Und auch Frau Thunberg selbst schreibt in diesem äußerst lesenswerten Buch:
„Hoffnung bedeutet nicht, so zu tun, als würde alles gut werden. Sie bedeutet nicht, den Kopf in den Sand zu stecken oder sich Märchen über nichtexistente technologische Lösungen anzuhören.
Für mich ist Hoffnung nichts, was einem geschenkt wird, sie ist etwas, was man sich verdienen, was man schaffen muss. Sie ist nicht passiv zu bekommen, indem man dasteht und darauf wartet, dass jemand anderes etwas unternimmt.
Hoffnung heißt, etwas zu tun. Es heißt, aus seiner Komfortzone herauszutreten. Und wenn ein paar verrückte Schulkinder in der Lage waren, Millionen Menschen dazu zu bringen, dass sie ihr Leben ändern, stellt euch nur mal vor, was wir alle zusammen schaffen könnten, wenn wir es wirklich versuchen würden.
Ganz gleich, wie finster die Lage auch werden mag, Aufgeben ist nie eine Option. Denn jeder Bruchteil eines Grades und jede Tonne Kohlendioxid wird immer eine Rolle spielen. Es wird nie zu spät für uns sein, so viel zu retten, wie wir nur können!“ (S. 462)
Hoffen ist Pflicht
Dr. Heribert Prantl ist Jurist und Kolumnist der Süddeutschen Zeitung. Dort schrieb er am 1.10.2022 einen Kommentar, aus dem wir zitieren:
„Es gibt eine Pflicht zur Hoffnung. Warum? In der Hoffnung steckt Kraft zum Handeln. Das ist aber nun kein Plädoyer dafür, Gefahren schönzureden. Hoffnung sieht die Gefahr; sie verweigert aber Unglück und Unheil den totalen Zugriff. Es gibt eine Egozentrik der Hoffnungslosigkeit, die Optimismus fast als Beleidigung empfindet. Man kann Zukunftslosigkeit so finster beschreiben, dass die Zukunft vor einem wegläuft. Man kann die Indizien des drohenden Untergangs präsentieren. Aber solches Katastrophalisieren führt zu Depression und Aggression.
Wie geht so ein Hoffen? Muss man sich selber einen Vor-Schuss an Optimismus impfen, bevor man anfängt, etwas zu tun - muss man sich selbst die Gewissheit injizieren, dass es etwas bringen wird? So ist es nicht. Hoffnung fängt schlicht mit dem eigenen Tun an. Václav Havel hat einmal gesagt: ‚Je ungünstiger die Situation ist, in der wir unsere Hoffnung bewähren, desto tiefer ist diese Hoffnung. Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht. Sondern Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.‘“
Gegen die Ohnmacht
Luisa Neubauer, die Mitbegründerin der Fridays-Bewegung in Deutschland hat zusammen mit ihrer Großmutter, Dagmar Reemtsma, ein Buch geschrieben: Gegen die Ohnmacht. Wir zitieren daraus:
„Es ist verlockend, sich der Ohnmacht hinzugeben. Je größer die Krisen, desto verlockender wird es. Und genau dann gilt es, den Blick von der Ohnmacht weg und auf die Wirklichkeit zu richten. Dort, wo Menschen überall ganz andere Geschichten schreiben. Wer wären wir, jetzt zu sagen: »Ich mach doch eh keinen Unterschied.« Wir, die so viele Errungenschaften genießen, die Menschen vor uns über lange Zeit erkämpft haben. Das Wahlrecht, die Wochenenden, die Gleichberechtigung, das wurde alles gegen Widerstände erkämpft. Das alles wurde erst möglich, weil Menschen akzeptiert haben, dass es auf sie ankommt. Dass es sich lohnen wird. Der große, entscheidende Unterschied zu vergangenen Kämpfen ist der: Heute fehlt uns die Zeit. Wir werden nicht weiter jahrzehntelang für einzelne Erfolge kämpfen können. Das ist kein Grund aufzugeben. Im Gegenteil! Das ist alles, was wir wissen müssen. Irgendwo legt schon jemand los, in genau diesem Augenblick. Irgendwer greift gerade zum Telefonhörer, zum Demoschild, fängt an zu mailen, sich zu vernetzen oder zu organisieren. Irgendwo baut gerade jemand ein Baumhaus in einem durch Rodung gefährdeten Wald. Nicht, weil dieses eine Baumhaus den Unterschied machen wird. Sondern weil das Baumhaus nicht alleine bleiben wird, weil überall auf der Welt andere Menschen ihren Teil zum Schutz der Lebensgrundlagen beitragen werden.
Die Hoffnung liegt in uns, denjenigen, die weitermachen. Es ist an uns, jetzt zu entscheiden, nicht länger so zu tun, als wäre alles nur halb so wild. Sondern zu handeln, als ginge es um alles. Denn das tut es.“
Segment-ID: 18744Weltklimarat: Sechster Bericht
Der Weltklimarat IPCC hat seinen sechsten Bericht veröffentlicht (AR 6). Von den „Zusammenfassungen für die politische -Entscheidungsfindung“ gibt es auch eine deutsche Übersetzung. Noch in der Bearbeitung ist ein Synthesebericht. An diesem Bericht hat der Autor als Reviewer mitgearbeitet.
Von Aribert Peters
(19. Januar 2023)
Arbeitsgruppe I: Naturwissenschaftliche Grundlagen
„Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen erwärmt hat. Es haben weitverbreitete und schnelle Veränderungen in der Atmosphäre, dem Ozean, der Kryosphäre und der Biosphäre stattgefunden“. (A1)
„Das Ausmaß der jüngsten Veränderungen im gesamten Klimasystem – und der gegenwärtige Zustand vieler Aspekte des Klimasystems – sind seit vielen Jahrhunderten bis Jahrtausenden beispiellos“. (A2)
Die Buchstaben und Zahlen am Ende jeden Zitats, zum Beispiel (A1), geben die Fundstelle im Bericht an.
„Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich bereits auf viele Wetter- und Klimaextreme in allen Regionen der Welt aus. Seit dem Fünften Sachstandsbericht (AR5) gibt es stärkere Belege für beobachtete Veränderungen von Extremen wie Hitzewellen, Starkniederschlägen, Dürren und tropischen Wirbelstürmen sowie insbesondere für deren Zuordnung zum Einfluss des Menschen“ (A3).
„Es ist praktisch sicher, dass Hitzeextreme (einschließlich Hitzewellen) in den meisten Regionen an Land seit den 1950er Jahren häufiger und intensiver geworden sind, während Kälteextreme (einschließlich Kältewellen) seltener und weniger schwerwiegend geworden sind, wobei hohes Vertrauen darin besteht, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel der Hauptantriebsfaktor für diese Veränderungen ist“ (A3.1).
Arbeitsgruppe II: Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit
„Der vom Menschen verursachte Klimawandel, einschließlich häufigerer und intensiverer Extremereignisse, hat weitverbreitete negative Folgen und damit verbundene Verluste und Schäden für Natur und Menschen verursacht, die über die natürliche Klimavariabilität hinausgehen. Einige Entwicklungs- und Anpassungsmaßnahmen haben die Verwundbarkeit verringert. Über Sektoren und Regionen hinweg ist zu beobachten, dass die verwundbarsten Menschen und Systeme unverhältnismäßig stark betroffen sind. Die Zunahme von Wetter- und Klimaextremen hat zu einigen irreversiblen Folgen geführt, da natürliche und menschliche Systeme über ihre Anpassungsfähigkeit hinaus belastet wurden“ (B1).
„Ungefähr 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen leben unter Bedingungen, die sehr verwundbar gegenüber dem Klimawandel sind (hohes Vertrauen)“ (B2).
„Nach 2040 und abhängig vom Ausmaß der globalen Erwärmung wird der Klimawandel zu zahlreichen Risiken für natürliche und menschliche Systeme führen (hohes Vertrauen). Für 127 identifizierte Schlüsselrisiken sind die betrachteten mittel- und langfristigen Folgen bis zu einem Vielfachen größer als derzeit beobachtet (hohes Vertrauen). Das Ausmaß und die Geschwindigkeit des Klimawandels und der damit verbundenen Risiken hängen stark von Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen in der nahen Zukunft ab, und die projizierten negativen Folgen sowie damit verbundene Verluste und Schäden steigen mit jedem Zuwachs der globalen Erwärmung weiter an (sehr hohes Vertrauen)“ (B4).
„Falls die globale Erwärmung in den kommenden Jahrzehnten oder später vorübergehend 1,5 °C übersteigt, werden viele menschliche und natürliche Systeme im Vergleich zu einem Verbleib unter 1,5 °C zusätzlichen schwerwiegenden Risiken ausgesetzt sein (hohes Vertrauen). Je nach Ausmaß und Dauer der Überschreitung werden einige Folgen die Freisetzung zusätzlicher Treibhausgase verursachen (mittleres Vertrauen) und manche Folgen werden unumkehrbar sein, selbst wenn die globale Erwärmung verringert wird (hohes Vertrauen)“ (B6).
„Der Schutz der biologischen Vielfalt und von Ökosystemen ist von grundlegender Bedeutung für eine klimaresiliente Entwicklung angesichts der Bedrohungen, die der Klimawandel für sie darstellt, und ihrer Rolle für Anpassung und Minderung (sehr hohes Vertrauen)“ (D4).
Arbeitsgruppe III: Minderung des Klimawandels
„Die anthropogenen Netto-Treibhausgasemissionen sind seit 2010 in allen wichtigen Sektoren weltweit gestiegen“ (B2).
„Ohne eine Verstärkung der politischen Maßnahmen, die über die bis Ende 2020 eingeführten Maßnahmen hinausgehen, wird ein Anstieg der Treibhausgasemissionen über das Jahr 2025 hinaus projiziert, was zu einer globalen Erwärmung von 3,2 [2,2 bis 3,5] °C (Median) bis zum Jahr 2100 führt (mittleres Vertrauen)“ (C1).
„Alle globalen Modellpfade, die die Erwärmung ohne oder mit begrenzter Überschreitung auf 1,5 °C begrenzen (>50 %), und diejenigen, die die Erwärmung auf 2 °C begrenzen (>67 %), erfordern rasche und tiefgreifende und in den meisten Fällen sofortige Senkungen der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren“ (C3).
„Der Einsatz von Methoden zur Entnahme von CO2 (Carbon Dioxide Removal, CDR), um schwer zu vermeidende Restemissionen auszugleichen, ist unvermeidlich, wenn netto Null CO2- oder Treibhausgasemissionen erreicht werden sollen“ (C11).
„Optionen zur Minderung des Klimawandels, die 100 USD pro Tonne CO2Äq oder weniger kosten, könnten die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens die Hälfte des Niveaus von 2019 verringern (hohes Vertrauen)“ (C12).
Weltweit tragen die 10% der Haushalte mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen 34–45% der globalen verbrauchsbasierten Treibhausgasemissionen von Haushalten bei, während die mittleren 40% 40–53% und die unteren 50% 13–15% beitragen. (hohes Vertrauen) (B3.4).
Die Senkung von Treibhausgasemissionen im gesamten Energiesektor erfordert wesentlichen Wandel, einschließlich einer erheblichen Senkung des Gesamtverbrauchs an fossilen Brennstoffen, des Einsatzes emissionsarmer Energiequellen, des Umstiegs auf alternative Energieträger sowie Energieeffizienz und der -einsparung. Die fortgesetzte Installation von Infrastruktur für fossile Brennstoffe ohne Vermeidungsmaßnahmen wird zu einem Lock-In der Treibhausgasemissionen führen. (hohes Vertrauen) (C4).
Segment-ID: 18750Lützerath und die 1,5 Grad Grenze
Von Aribert Peters
(17. Januar 2023) Ein Dorf, ein paar Häuser, viele engagierte wunderbare Menschen, denen das Gemeinsame wichtiger ist als der eigene Vorteil. Sie stehen für so vieles in dieser Zeit. Sie sind ein lebendiges Zeichen für Solidarität, für Engagement, für eine lebenswerte Zukunft ohne fossile Energie, ohne Hierarchie. Der Ort steht wenige Meter entfernt vom Rand des Braunkohletagebaus Garzweiler II. Krasser könnten die Gegensätze kaum sein: Gigantische Bagger, eine von RWE verantwortete Mondlandschaft soweit das Auge reicht und dicht am Rand eine Oase des Friedens, des Umweltengagements und der Mitmenschlichkeit.
Zwischen 100 und 200 meist junge Menschen leben seit gut zwei Jahren in Lützerath. Sie haben Holzhäuser gebaut, Hütten in Baumwipfeln 10 Meter über dem Boden und sie leben in den von den Bewohnern verlassenen Häusern. Sie leben dort im Sommer und im Winter, auch bei Regen, Schnee und Kälte harren sie gemeinsam dort aus, wo es keinerlei Komfort gibt. Sie organisieren ihr Leben eigenständig und gemeinschaftlich. Sie haben nur ein Ziel: durch ihre Anwesenheit die Braunkohlebagger von RWE zu stoppen um damit das 1.5 Grad Klima-Ziel zu retten.
Ich war oft dort zu Besuch mit meinen Kindern, mit meinen Enkeln und mit Tausenden anderen Menschen, die dort ihre Solidarität demonstrieren. Und ich kenne und bewundere viele der Menschen, die dort ausharren und die meiner Solidarität sicher sein können.
RWE gehören seit August 2022 alle Häuser in Lützerath. Nun soll im Januar oder Februar 2023 die Polizei das Dorf räumen, damit die Bagger es zerstören können. RWE hat den gut 100 dort ständig lebenden Aktivisten am 6.12. den Strom abgestellt. Die Menschen in Lützerath werden das Gelände nicht freiwillig aufgeben. Wenn die Polizei eine Räumung versucht, dann drohen bald gewaltsame und schmerzhafte Kämpfe, die leicht von beiden Seiten eskalieren können. Im Hambacher Forst war die Räumung rechtswidrig, wie sich später herausstellte. Die Polizisten werden sehenden Auges in eine unnötige und fragwürdige Schlacht geschickt. Der Bürgermeister von Erkelenz weigert sich, der Polizei den Räumungsbefehl zu geben.
Es gibt eine politische Einigung zwischen Landesregierung und RWE, die sogar als Bundesgesetz beschlossen wurde: bdev.de/braunkohle. Darin wird Lützerath geopfert gegen die RWE-Zusage, dass im Rheinischen Braunkohlegebiet der Kohleausstieg schon 2030 statt 2038 vollzogen wird. Ob dadurch tatsächlich CO2-Emissionen vermindert werden, ist umstritten. Denn zunächst einmal wird mehr emittiert. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schreibt: „Die Abbaggerung weiterer Dörfer wegen darunterliegender Braunkohlevorräte ist für den Braunkohlestrombedarf jedoch nicht notwendig. Dies gilt auch für die Orte Lützerath im Rheinland und Mühlrose in der Lausitz“.
Segment-ID: 18752Wenn wir die Emissionen nicht in den kommenden sieben Jahren halbieren, könnten wir die Erde auf lange Zeit für Menschen unbewohnbar machen. Wer nichts tut gegen die Klimakrise, macht sich mitschuldig. Die Aktionen von Klimaaktivisten weisen auf den notwendigen und bisher unzureichenden Klimaschutz hin und auf die Auseinandersetzung um das Dorf Lützerath. weiter lesen
Klimakrise, Klimaaktivismus und das Dorf Lützerath
Wenn wir die Emissionen nicht in den kommenden sieben Jahren halbieren, könnten wir die Erde auf lange Zeit für Menschen unbewohnbar machen. Wer nichts tut gegen die Klimakrise, macht sich mitschuldig. Die Aktionen von Klimaaktivisten weisen auf den notwendigen und bisher unzureichenden Klimaschutz hin und auf die Auseinandersetzung um das Dorf Lützerath.
Von Aribert Peters
(13. Januar 2023) Kurz vor der Klimakonferenz COP27 hat Ministerin Baerbock den Kampf gegen Erderwärmung als höchste Priorität bezeichnet. „Die Menschheit steuert auf einen Abgrund zu“, warnte sie. Greta Thunberg sagt: „Die Wahrheit ist, wenn wir die schlimmsten Auswirkungen der Klima- und Ökologiekrise abwenden wollen, können wir uns unsere Vorgehensweise nicht mehr aussuchen - wir müssen alles tun, was wir können“. Damit sind wir bei den Klimaaktivisten der letzten Generation, von XR und Ende Gelände.
Dürfen Aktivisten Straßen und Flughäfen blockieren, Kunstwerke beschädigen? Ist das nicht verboten und muss bestraft werden? Gibt die Klimakrise den Aktivisten das Recht zum zivilen gewaltfreien Ungehorsam? Sind solche Aktionen überhaupt sinnvoll?
Aktivisten respektieren Gesellschaftssystem
Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, bemüht sich um verbale Abrüstung. Er halte die Klimaaktivisten der Gruppe ,Letzte Generation‘ nicht für extremistisch, sagte Haldenwang dem SWR. Es handele sich um eine ,spezielle Gruppe‘, die auch Straftaten begehe, „aber das Begehen von Straftaten macht diese Gruppierung jetzt nicht extremistisch“. Extremistisch seien Gruppen immer dann, „wenn der Staat, die Gesellschaft, die freiheitlich demokratische Grundordnung infrage gestellt wird“, führte Haldenwang aus. „Und genau das tun die Leute ja eigentlich nicht.“ Die ,Letzte Generation‘ sage im Grunde: „He, Regierung, ihr habt so lange geschlafen, ihr müsst jetzt endlich mal was tun“, sagte Haldenwang weiter. „Also, anders kann man eigentlich gar nicht ausdrücken, wie sehr man dieses System eigentlich respektiert, wenn man die Funktionsträger zum Handeln auffordert.“
Über Blockaden beim Klimaschutz reden
Der Grüne Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich sagt in der Bundestagsdebatte am 2.12.2022: „Mir kann doch keiner erzählen, dass es verhältnismäßig ist, dass man 30 Tage ins Gefängnis gehen soll, weil man sich für zwei Stunden auf der Straße angeklebt hat. Das hat nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Denn in Wahrheit ist es doch so, dass unsere Welt nicht durch die Blockaden der Klimabewegung in Brand gerät, sondern durch die Klimakrise. Wir müssen mehr über die Blockaden beim Klimaschutz reden und weniger über die Blockaden auf der Straße. Wer nur noch Nulltoleranz fordert und wer nur noch ruft: „Wegsperren!“, der hat mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nichts mehr zu tun.“
Protest mit Rückenwind - vom Verfassungsgericht
Der Journalist Ronen Steinke kommentierte am 5.10.2022 in der Süddeutschen Zeitung: „In Deutschland werden neuerdings Menschen als „Verfassungsfeinde“ abgestempelt und überwacht, deren politische Ziele erst vor Kurzem von höchster Stelle, vom Bundesverfassungsgericht gepriesen worden sind. Das ist ein Treppenwitz, aber lustig ist er nicht. Die Richterinnen und Richter sind rhetorisch spröde geblieben, wie es ihres Amtes ist, sie sprachen von „intertemporaler Freiheitssicherung“, aber sie meinten: Klimazerstörung ist Demokratiezerstörung. Deutschland müsse seine Art des Wirtschaftens ändern, und zwar dringend. Sie ließen nur offen, wie. Man kann sich da ja verschiedene Wege vorstellen. Die Aktivisten treten bekanntlich für einen besonders schnellen Weg ein. Das ist eine Protestkultur, die – ein Novum – sozusagen den frischen Rückenwind Karlsruhes hat. Erstaunlich ist dann nur, wie viele Sicherheitsbehörden auf diese legitime politische Position anspringen. Und zwar im Angriffsmodus.“
Übertriebene Gegenwehr bestätigt Erfolg
Ob der Klimaprotest letztlich etwas bewegt? „Bei keiner großen Protestbewegung … wusste man doch vorher, wie es ausgehen wird. Ob es eine kleine Gruppe von Menschen schafft, die große Mehrheit zum Umdenken zu bewegen? Die Kritik am Protest wird unterfüttert, indem man die Dringlichkeit des Themas infrage stellt. Die Klimakrise als Menschheitsproblem? Jetzt habt euch mal nicht so. Der Ärger über blockierte Straßen, verschmutzte Kunstwerke Bilder usw gehört dazu. Gut möglich, dass, die Heftigkeit der Gegenwehr am Ende die geeignete Währung sein wird, um den Erfolg von Protestaktionen zu messen“ schrieb Katharina Riehl dazu in der SZ am 5.12.2022.
Rechtfertigender Notstand
Der Koblenzer Richter des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz, Michael Hassemer hält die umstrittenen Proteste der Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ für teils gerechtfertigt. „Ich kann den Klimawandel ohne weiteres als Notstandssituation verstehen.“ Straftaten dieser Demonstranten könnten unter Paragraf 34 des Strafgesetzbuchs fallen, der einen „rechtfertigenden Notstand“ beschreibt. Danach ist eine Tat womöglich nicht rechtswidrig, wenn nur so eine Gefahr abgewendet werden kann.
schließenDer am 9. August 2021 veröffentlichte Sechste Sachstandsbericht des Weltklimarates „IPCC“ ist ein lauter Alarmruf und mahnt zur Eile. weiter lesen
Weltklimarat: Sofortiges Handeln notwendig
Der am 9. August 2021 veröffentlichte Sechste Sachstandsbericht des Weltklimarates „IPCC“ ist ein lauter Alarmruf und mahnt zur Eile: Das Klima ändert sich schneller als erwartet und es bleiben nicht mehr Jahrzehnte, sondern nur noch wenige Jahre, um einen unheilvollen weltweiten Temperaturanstieg zu begrenzen.
Von Aribert Peters
(17. November 2021) Hitzewellen, Starkregen, Dürren, Fluten und Brände: Die Nachrichten führen uns inzwischen ständig vor Augen, was Klimawissenschaftler seit Jahren prognostizieren. Veränderungen im Klima sind schon jetzt in allen Regionen der Erde zu beobachten.
Strukturierte Erkenntnis
Die Sachstandsberichte des Weltklimarates (IPCC) fassen regelmäßig den jeweils aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand über die globale Erwärmung und den dadurch verursachten Klimawandel zusammen. Die Sachstandsberichte erscheinen stets in vier Teilen. Der erste Teil beschreibt die „naturwissenschaftlichen Grundlagen“. Der zweite Teil „Folgen des Klimawandels, Verwundbarkeit und Anpassung“ mit Erkenntnissen zu den Auswirkungen des Klimawandels. Der dritte Teil beschreibt die mögliche „Minderung des Klimawandelns“ einschließlich Wegen zur Minderung der Treibhausgasemissionen. Der vierte Teil, der Synthesebericht, fasst die Kernbotschaften zusammen. Der Fünfte Sachstandsbericht (AR5) erschien im Jahr 2013. Im August 2021 wurde der erste Teil des sechsten Sachstandsberichtes (AR6) veröffentlicht. Der zweite Teil soll im kommenden Februar und der dritte Teil im kommenden März erscheinen. Ein unfertiger Entwurf des dritten Teils ist jedoch schon jetzt bekanntgeworden. Allein der erste Teil des sechsten Berichts besteht aus 3.949 eng bedruckten Seiten und ist nicht leicht zu lesen. Es gibt ein 150 Seiten umfassendes sogenanntes „Technical Summary“ (TS) und eine 41 Seiten kurze Zusammenfassung für Entscheidungsträger (Summary for Policymakers, kurz SPM), dessen Hauptaussagen auch in deutscher Übersetzung vorliegen (SPMD). Hilfreich sind auch die Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ). Der Bericht ist sachlich und nüchtern formuliert. Wir geben jeweils die Fundstelle hier an, damit sie selbst im Bericht nachlesen können.
Globale CO2-Konzentration, Temperatur- und Meeresspiegelentwicklung der vergangenen 50 Millionen Jahre |
||||
Vor 50 Mio. Jahren | Vor 125.000 Jahren | 1850 | 2020 | |
CO2-Konzentration in ppm | 1.500 | 270 | 280 | 415 |
Temperatur relativ zu ca. 1850 | +15 °C | +1 °C | – | +1,2 °C |
Meeresspiegel relativ zu ca. 1850 | +72 Meter | +8 Meter | – | +0,3 Meter |
Daten: IPCC AR6, TS-102 |
Gegenüber dem Sonderbericht über 1,5 Grad globale Erwärmung aus dem Jahr 2018 erwartet der aktuelle Bericht, dass die 1,5- Grad-Grenze bereits zehn Jahre früher überschritten wird, also schon in der ersten Hälfte der 2030er Jahre. „Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen erwärmt hat. Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich bereits auf viele Wetter- und Klimaextreme in allen Regionen der Welt aus. Seit dem Fünften Sachstandsbericht (AR5) gibt es stärkere Belege für beobachtete Veränderungen von Extremen wie Hitzewellen, Starkniederschlägen, Dürren und tropischen Wirbelstürmen sowie insbesondere für deren Zuordnung zum Einfluss des Menschen“ (SPMD A1). „Viele Veränderungen aufgrund vergangener und künftiger Treibhausgasemissionen sind über Jahrhunderte bis Jahrtausende unumkehrbar, insbesondere Veränderungen des Ozeans, von Eisschilden und des globalen Meeresspiegels“ (SPMD B5).
Emissionen = Erwärmung
Das weltweite Klimageschehen zeigt trotz seiner unglaublichen Komplexität einen einfachen Zusammenhang: Je mehr zusätzliches Treibhausgas, also hauptsächlich CO2, in die Atmosphäre gelangt, umso wärmer wird es auf der Erde. Es gibt eine nahezu lineare Beziehung zwischen den gesamten bisherigen anthropogenen CO2-Emissionen und den von ihnen ausgelösten Temperaturerhöhungen. Je 1.000 Gigatonnen (Gt) CO2 erhöht sich die Temperatur der Erdoberfläche um 0,45 Grad. Der Bericht spricht in diesem Zusammenhang vom „transient climate response to cumulative carbon emissions“ (TCRE), was auf Deutsch übersetzt bedeutet, dass wir eine Reaktion des Klimas auf die gesamten bisherigen CO2-Emissionen erleben. Die Beendigung der Klimagasemissionen würde auch den weiteren Temperaturanstieg stoppen.
Emissionsbudget
Die wichtigste Zahl des Berichts ist das noch verbleibende CO2-Budget. Das ist die Menge an CO2 die noch emittiert werden darf, ohne
dass die Erwärmung einen bestimmten Wert überschreitet. Hineingerechnet in das Budget werden Schätzungen der künftigen Emissionen anderer Treibhausgase. Zwar sind auch heute schon die Folgen des Klimawandels aus keiner Nachrichtensendung mehr wegzudenken. Aber jede weitere Erderwärmung würde noch dramatischere Entwicklungen nach sich ziehen, als wir sie bereits heute erleben. Im Pariser Klimaabkommen hat sich die Weltgemeinschaft dazu verpflichtet, die globale Erwärmung auf maximal 2 Grad und, wenn möglich, auf 1,5 Grad zu beschränken.
Der IPCC-Bericht beziffert das Budget und versieht es mit einer Wahrscheinlichkeit, einem Grad der Gewissheit. Denn alle Projektionen sind mit Unsicherheiten behaftet. Wenn die künftigen CO2-Emissionen unter einer Menge von 400 Gt (Gigatonnen) liegen, dann, so der aktuelle Sachstandbericht, liegt die künftige globale Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent unter 1,5 Grad. Wenn man sogar unter 300 Gt bleibt, dann steigt die Wahrscheinlichkeit auf 83 Prozent, dass wir unter 1,5 Grad Erwärmung bleiben. Für eine Temperaturerhöhung von 1,7 Grad liegen die Budgets bei 550 beziehungsweise 700 Gt. Für eine 2-Grad-Erwärmung bei 900 beziehungsweise 1150 Gt. Wenn andere Treibhausgase stärker oder weniger stark reduziert werden, können diese Werte um 220 Gt höher oder geringer ausfallen (SPM-36). Das Erstaunliche an diesen Zahlen ist, dass sich genau dieselben Zahlen bereits in den vorigen Berichten des IPCC finden.
Zum Vergleich: Die menschverursachten CO2-Emissionen liegen bei jährlich 40 Gt. Das CO2-Budget für Deutschland liegt laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen bei 6,7 Gt ab 2020 für eine Einhaltung von 1,75 Grad Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent. Deutschland emittiert derzeit jährlich 0,7 Gt CO2, im Jahr 1990 waren es noch 1,2 Gt. Diese Budgets haben bereits Eingang in Berechnungen des Sachverständigenrats für Klimafragen gefunden. Deren Einschätzung wurde wiederum vom Bundesverfassungsgericht mit weitreichenden rechtlichen Konsequenzen aufgegriffen („Grundrecht auf Klimaschutz“).
Methanbeitrag
Neben dem Klimagas CO2 tragen auch andere Treibhausgase zum effektiven Strahlungsantrieb, also zur Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche, bei. Im Zeitraum von 1960 bis 2019 trug CO2 zur Erwärmung 63 Prozent bei, Methan 11 Prozent, Stickoxid (NO2) 6 Prozent und Halogenkohlenwasserstoffe zusammen 17 Prozent (AR6 WG1 5.2.4). Der Beitrag von CO2 zur Erderwärmung ist seit dem Jahr 1960 viel rascher gestiegen als der Beitrag von Methan. Gleichwohl besteht auch beim Klimagas Methan ein erhebliches Reduktionspotenzial.
Verselbständigt sich der Klimawandel?
Der durch die Erderwärmung verursachte Klimawandel führt seinerseits zu zusätzlichen Treibhausgasemissionen. Ist deren Anstieg überhaupt noch zu stoppen? Die Forschung sagt: Bis zum Jahr 2100 wird der Anstieg des CO2 und die mit der Prognose verbundene Unsicherheit durch menschenverursachte Emissionen dominiert und nicht durch das Überschreiten von Kipppunkten (TS-71, AR6 WG1 5.4.9). Jedoch sind auch CO2-Rückkopplungen wichtig und in Szenarien mit künftig hohen Emissionen auch mit höheren Unsicherheiten behaftet. Die globale Erwärmung lässt die Permafrostböden auftauen. Dadurch wird klimawirksames Methan freigesetzt, was die Erwärmung beschleunigt. Über die Menge des freiwerdenden Methans besteht in der Wissenschaft keine Einigkeit: Die Schätzungen liegen zwischen 14 und 145 Gt CO2-Äquivalent je Grad globaler Temperaturerhöhung. Jedoch wird nicht damit gerechnet, dass durch tauende Permafrostböden eine sich selbst verstärkender dramatische Erwärmung ausgelöst wird (AR6 5.4.9.1.2)
Klimawandel rückgängig machen?
Wie schnell würde das Klima auf Verminderung der anthropogenen CO2-Emissionen reagieren? Emissionsminderungen würden den Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre innerhalb etwa einer Dekade verlangsamen. Aber erst ein Stopp der Emissionen würde die CO2-Konzentration und damit den Temperaturanstieg vermindern (AR6 4-103, AR6 4-194, SPM-28).
Erst wenn mehr CO2 aus der Atmosphäre entnommen als emittiert wird, sinkt die CO2-Konzentration und einige Klimafolgen können rückgängig gemacht werden. Ein solcher Prozess wird unterschiedlich lange dauern. Bei der global gemittelten Lufttemperatur an der Erdoberfläche ist von Jahren auszugehen, beim Permafrost von Jahrzehnten und bei der thermischen Ausdehnung der Meere sogar von Jahrhunderten bis hin zu Jahrtausenden (AR6 FAQ 5.3).
Meere und Wälder als Klimapuffer
In den zurückliegenden Jahrzehnten wurde ungefähr die Hälfte der menschenverursachten CO2-Emissionen durch Wälder, Vegetation, Böden und Meere geschluckt (AR6 5-84). Die natürliche Kapazität für diese Absorption nimmt ab. Die Meere haben darüber hinaus seit 1971 ungefähr 90 Prozent der zusätzlichen Strahlungsenergie der Sonne aufgenommen und sich schneller erwärmt als je zuvor. Diese Erwärmung und damit der Meeresspiegelanstieg wird fortdauern bis mindestens zum Jahr 2300, selbst in Szenarien mit geringen künftigen CO2-Emissionen (TS 2.4).
Schwere von Überflutungen
Besser als früher lässt sich inzwischen abschätzen, in welchem Ausmaß extreme Wetterereignisse durch den Klimawandel verursacht werden. Einige der unlängst beobachteten extremen Hitzeereignisse wären ohne den menschlichen Einfluss auf das Klima extrem unwahrscheinlich gewesen. Ein wärmeres Klima erhöht die Menge und Intensität von Niederschlägen. Deshalb erwartet man künftig heftigere Überschwemmungen infolge der Erderwärmung (AR6 8-119). Der IPCC Bericht unterstreicht, dass die Häufigkeit von Extremwetter durch die Erwärmung deutlich zunehmen wird (TS-74). Bei einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad steigt die Häufigkeit extremer Regenfälle um 17 Prozent, bei einer Erwärmung um 2 Grad steigt das Auftreten um 36 Prozent. Extreme Hitzeperioden, die früher alle 50 Jahre auftraten, werden bei einer 1,5 Grad Erwärmung 9-mal häufiger und bei einer 2-Grad-Erwärmung 14-mal häufiger auftreten (SPM 6).
Regionale Differenzierung
Der globale Temperaturanstieg erfolgt nicht gleichmäßig, sondern auf der Landoberfläche stärker als über den Ozeanen, die trotz des geringeren Temperaturanstiegs 90 Prozent der zusätzlichen Erderwärmung schlucken. In den polnahen Regionen fällt die Temperaturerhöhung am höchsten aus. Zum sechsten IPCC-Bericht gehört erstmals ein Atlas, mit dem die Klimafolgen für einzelne Regionen der Erde abgeschätzt werden können. Für Deutschland bestätigt der Deutsche Wetterdienst, dass die mittleren Temperaturen hierzulande bereits jetzt um zwei Grad seit dem späten 19. Jahrhundert gestiegen sind. Die Erwärmungsgeschwindigkeit je Jahrzehnt hat sich seit 1971 gegenüber der Zeit davor verdreifacht.
Leak des dritten Teils
Eine Vorabfassung vom dritten Teil des sechsten IPCC-Berichtes ist durch die Gruppe „Scientist Rebellion“ an die Öffentlichkeit gelangt. Er beschäftigt sich mit Emissionsminderungen. Diese Texte sind keine vom IPCC autorisierten Texte, die als solche zitierbar sind, sondern vorläufige Arbeitsfassungen. Dennoch – möglicherweise auch gerade deswegen – sind sie aufschlussreich.
Das dritte Kapitel zeigt, wie eine klimafreundliche Gesellschaft aussehen kann und welcher Weg dorthin führt. Klimapolitisches Handeln ist weltweit und auf allen Ebenen der Gesellschaft notwendig. Um die globale Temperaturerhöhung auf unter 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, müssen laut der Vorabfassung des dritten Teils vom sechsten IPCC-Bericht die CO2-Emissionen noch vor 2025 ihren Höhepunkt erreichen und im dritten Viertel des Jahrhunderts auf Netto-Null fallen. Das bedeutet eine Treibhausgasemissionsminderung zwischen 4 und 40 Prozent bis zum Jahr 2030 und zwischen 55 und 74 Prozent bis zum Jahr 2050. In den meisten untersuchten Szenarien stabilisiert sich die Globaltemperatur auf dem Niveau des Zeitpunkts, zu dem die globalen Treibhausgasemissionen auf Null zurückgehen. Das wird bestätigt durch die oben abgedruckte Grafik aus dem schon offiziell veröffentlichten ersten Berichtsteil. Das bedeutet, dass die globalen Temperaturen weiter ansteigen werden, bis die CO2-Emissionen ganz aufhören.
Globale Unterschiede
Es gibt erhebliche Unterschiede bei den Treibhausgasemissionen zwischen armen und reichen Ländern. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung emittieren zehnmal mehr Treibhausgase als die ärmsten zehn Prozent.
Die für das Jahr 2030 absehbaren globalen Treibhausgasemissionen liegen weit über den von den Nationen gegenwärtig abgegebenen Minderungsversprechen. Die nationalen Minderungszusagen sind darüber hinaus nicht vereinbar mit längerfristigen Emissionspfaden, die eine globale Temperaturerhöhung mit hoher Wahrscheinlichkeit auf unter 2 Grad begrenzen könnten. Für Deutschland hatte der Sachverständigenrat für Umweltfragen diese „Ambitionslücke“ und die „Realisierungslücke“ bereits festgestellt (siehe „Klimaneutral bis 2035: Illusion oder Möglichkeit?“).
Maßnahmen
Die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf unter zwei Grad erfordert schnelle tiefgreifende strukturelle Änderungen aller Sektoren überall auf der Welt (WG3, SPM C1). Ohne eine neue Klimapolitik wird die Erdtemperatur bis zum Jahr 2100 auf 3,3 bis 5,4 Grad ansteigen.
Der Bericht zeigt Möglichkeiten der Emissionsminderung auf:
- Reduzierung der Endverbrauchernachfrage und neue Wege der Nachfragedeckung können die Emissionen um 50 bis 80 Prozent bis zum Jahr 2050 vermindern.
- Vermindert man den Güterverbrauch, dann könnte der Endenergieverbrauch bis zum Jahr 2050 um 40 Prozent geringer als im Jahr 2018 ausfallen – bei gleicher oder sogar höherer Lebensqualität.
- In verbrauchsarmen Szenarios sinkt der Endenergieverbrauch bis zum Jahr 2050 um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 2018 bei gleicher oder sogar höherer Lebensqualität.
- Menschen können oft in verschiedenen Rollen zur Minderung der Treibhausgasemissionen beitragen: als Verbraucher, als Bürger, als Investoren, Mieter oder Vermieter und als Mitarbeiter in Unternehmen und Institutionen.
- Änderungen der Siedlungsstruktur bieten ein hohes Potenzial an Emissionsminderungen.
Fazit
Wovor Wissenschaftler seit 40 Jahren gewarnt haben, ist nun feststellbare Wirklichkeit. Die Politik hat diese Warnungen ignoriert und in beklemmendem Ausmaß versagt. Bekommen wir beim Klimaschutz noch die Kurve? Der IPCC-Bericht zeigt: Es ist nicht zu spät dafür. Je länger wir weiterhin untätig sind, umso dramatischer werden die künftigen Folgen sein. Der Bericht – wie auch die jüngsten Ereignisse im Ahrtal – zeigen, wie machtlos wir gegen die Klimafolgen sind, die wir verursacht haben und weiterhin verursachen.
- ipcc.ch/report/ar6/wg1/
- interactive-atlas.ipcc.ch
- bdev.de/ar6deutsch
- bdev.de/ipccleak
- bdev.de/deutschland2grad
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Fakten zum Klimawandel
In der öffentlichen Diskussion ist wahrzunehmen, dass es Menschen gibt, die den Klimawandel nicht als Fakt und wissenschaftlichen Konsens betrachten, sondern meinen, der Klimawandel sei eine kontrovers und politisch zu diskutierende These. Energiedepesche-Leser Georg Nowak hat diesen Irrtum, der teilweise auch auf unseren Leserbriefseiten anzutreffen ist, zum Anlass genommen, eine wissenschaftlich-physikalische Faktensammlung zusammenzustellen.
(10. August 2021) Wir Menschen haben aus psychologischer Sicht interessante Verhaltensmuster entwickelt. Sobald wir einzelne Teilaspekte einer Sachfrage verstanden haben, neigen wir zur Selbstüberschätzung und meinen trotz objektiver Unwissenheit Gesamtzusammenhänge und komplexe Systeme vollends verstanden zu haben. Bestehende Wissenslücken gleicht unser Gehirn mit naheliegenden Vermutungen aus, sogenanntem „scheinbaren Wissen“, das wir fälschlich für echte Fakten halten. Kurz gesagt, wir neigen dazu, unsere eigene Kompetenz zu überschätzen und sind zugleich nicht in der Lage, unsere tatsächliche Inkompetenz zu erkennen – man spricht vom sogenannten „Dunning-Kruger-Effekt“. Unabhängig davon versuchen bestimmte Interessengruppen die öffentliche Meinung in der Klimawandelfrage zu lenken. Darüber berichtete Ihnen bereits Dr. Eva Stegen in „Marionetten der Fossilwirtschaft“. Diese Hintergründe der Klimawandelleugnung sollen daher im Folgenden nicht weiter beleuchtet werden, sondern die physikalischen Hintergründe des anthropogenen – daher vom Menschen verursachten – Klimawandels.
- Wikipedia: Dunning-Kruger-Effekt
- skepticalscience.com: Die Geschichte der 5 Techniken der Wissenschaftsleugnung
- Wikipedia: Klimawandelleugnung
Eingeständnisse
Selbst Naturwissenschaftler, sogar promovierte Physiker, können bestimmte Teilaspekte übersehen, sodass der wirklich springende Punkt niemandem auffällt. Im Rahmen wissenschaftlicher Publikationen sollen derartige Fehler durch den sogenannten „Peer-Review-Prozess“ auffallen, in dessen Rahmen vor der Veröffentlichung Stellungnahmen anderer Wissenschaftler aus der gleichen Fachrichtung eingeholt werden. Dies funktioniert jedoch nicht immer: Eine Streitschrift von Gerlich und Tscheuschner, die im renommierten „International Journal of Modern Physics“ aufgrund falscher Annahmen behaupteten, den Treibhauseffekt gäbe es nicht, war vor gut zehn Jahren ein ziemlicher Flop des Peer-Review-Prinzips. Genau diese Publikation dient jedoch auch heute noch als Referenz für Klimawandelskeptiker.
Es gibt jedoch auch den umgekehrten Effekt: Forscher des Energiekonzerns ExxonMobil bestätigten in den 1970er Jahren in einem unternehmensinternen Forschungsprojekt den Klimawandel sowie den Einfluss der firmeneigenen Produkte auf den Klimawandel und untersuchten die sich daraus ergebenden unternehmerischen Gefahren. Diese Forschungsergebnisse wurden gezielt vor der Öffentlichkeit verborgen und erst vor wenigen paar Jahren aufgedeckt.
Stoffkreislauf
Dass ausgerechnet über Kohlenstoffdioxid (kurz „Kohlendioxid“ oder „CO2“) geredet wird, das ein unvermeidliches Verbrennungsprodukt der heutigen Industriegesellschaft ist, ist logisch: Die Natur hat eine Tendenz zum Einhalten von Gleichgewichten. Aus natürlichen Quellen treten ständig irgendwelche Gase aus; diese Gase werden aber auch ständig wieder gebunden und abgebaut. Wasserdampf steigt auf und fällt irgendwann als Regen auf den Boden. Kohlenstoff lagert vor allem in Carbonatgestein, der Kohlenstoffkreislauf wird in langen Zeiträumen über Wettervorgänge geschlossen. Kohlendioxid ist jedoch im Vergleich mit anderen Gasen in der Atmosphäre sehr stabil. CO2 reagiert auf elektromagnetische Strahlung. Darum wird es im Folgenden vor allem gehen, wenn auch das dargestellte Prinzip für jedes Gas gelten kann. (Wikipedai: Kohlenstoffzyklus)
Hohe Wirksamkeit
Der Mensch greift bei der Verbrennung von fossilem Kohlenstoff, der vor zigmillionen Jahren in der Erde abgelagert wurde, in das natürliche Gleichgewicht ein. Unser Zeitalter ist gekennzeichnet von Geräten, die nur durch Energiezufuhr funktionieren. Manche Argumente laufen dennoch darauf hinaus, dass Kohlendioxid „nur“ in einer Konzentration von 400 ppm vorliegt – also 400 Teilchen auf eine Million Luftteilchen, oder anders ausgedrückt: Der Volumenanteil liegt bei 0,04 Prozent. CO2 ist dennoch ein bedeutendes Treibhausgas, denn es absorbiert und emittiert Infrarotstrahlung in unserer Atmosphäre. Dass die geringe Prozentzahl dabei nicht über die Bedeutung hinwegtäuschen sollte, zeigt ein Blick aus dem Fenster: Die grünen Pflanzen, die Sie in der Natur sehen, sind ein Resultat der auf CO2 basierenden Photosynthese.
Strahlung und Materie
Alle Energie, die im Folgenden erwähnt wird, kommt ursprünglich als elektromagnetische Strahlung von der Sonne. Diese elektromagnetische Strahlung lässt sich sowohl durch Teilchen wie durch Wellen beschreiben, wobei die Teilchen Photonen genannt werden. Die Energiemenge von Photonen lässt sich auch als Wellenlänge, Frequenz oder Wellenzahl ausdrücken. Das Licht der Sonne dringt dabei großenteils durch die Atmosphäre auf die Erde und trifft hier auf den Erdboden und das Ozeanwasser.
Würde die Erde die eingestrahlte Energie vollständig absorbieren, würde alles Leben binnen kürzester Zeit den Hitzetod sterben. Die wichtigste Bedingung für die Existenz von Leben auf der Erde ist daher ein Gleichgewichtszustand, in dem die Erde so viel Energie in das Weltall abgibt, wie sie von der Sonne aufnimmt. Weil die Gase der Atmosphäre jedoch auch einen Teil der Energiemenge aufnehmen, kann man die Bedingung erweitern zu: Das System „Erde+Atmosphäre“ muss im Gleichgewichtszustand so viel Energie nach außen abgeben, wie ihm durch die Sonne zugeführt wird. Erde und Atmosphäre tauschen natürlich auch untereinander Energie aus. Wie dies geschieht, also ob durch Wärmestrahlung und/oder Konvektion, ist eine „innere Angelegenheit“ des Systems Erde+Atmosphäre, die in der Wissenschaft der Meteorologie behandelt wird. Bei unserer grundsätzlichen Frage der Klimaerwärmung geht es aber weniger um das Wetter, sondern das Gleichgewicht der eingestrahlten Sonnenenergie und der Energie, die aus dem System Erde+Atmosphäre wieder austritt.
Wärmestrahlung wird jedoch nicht nur von der Sonne abgegeben. Auch die durch die Sonne erwärmten Festkörper, Flüssigkeiten und Gase geben ihrerseits Wärmestrahlung ab. Die Wärmestrahlung, die von einer Fläche auf der Erde ausgeht, entspricht dabei der lokalen Temperatur der Fläche. Auch die aus Gasen bestehende Atmosphäre strahlt Photonen aus, jedes Volumenelement entsprechend seiner Temperatur. Wichtig dabei: Die Erdoberfläche strahlt nur nach oben ab; die Atmosphäre dagegen ringsum, also nach oben, nach unten und seitwärts, wie bereits Albert Einstein vor über einem Jahrhundert analysiert hat. (Wikipedia: Spontane Emission)
Treibhauseffekt
Erdoberfläche und Atmosphäre tauschen untereinander Energie aus – als Gesamtsystem müssen sie aber Energie nach außen loswerden, um nicht zu kochen. Die Erdatmosphäre verliert dabei nur sehr wenig Materie mit zugehöriger Energie in den Weltraum. Der größte Anteil der Energieabgabe des Systems Erde+Atmosphäre in den Weltraum erfolgt auf dem gleichen Weg, wie diese Energie von der Sonne zur Erde gelangt ist: über Strahlung. Je durchlässiger die Atmosphäre für Wärmestrahlung ist, desto kühler wird das System Erde+Atmosphäre. Je undurchlässiger die Atmosphäre für Wärmestrahlung ist, desto wärmer wird die Erde samt Atmosphäre. Der Begriff „Treibhauseffekt“ beschreibt also den Umstand, dass Wärmestrahlung in das System Erde+Atmosphäre eindringt und im System gehalten wird.
Rückstrahlfähigkeit
Würde die ankommende Lichtenergie vor Eintritt in das System Erde+Atmosphäre reflektiert, würde sich die Erde gar nicht über eine niedrige Grenztemperatur erwärmen. Wäre die Erde völlig schwarz, würde sich eine sehr hohe Gleichgewichtstemperatur einstellen. Die Albedo, so nennt man die „Weißheit“ und damit die Rückstrahlfähigkeit eines Körpers, ist also mitentscheidend für die Erdtemperatur. Die Wolkenoberseite als auch die Eisflächen der Pole, Grönlands, der Gletscher und hellere Flächen auf der Erdoberfläche mit ihrer großen Albedo wirken kühlend. Meeresoberflächen haben dagegen eine besonders kleine Albedo und damit eine geringe Rückstrahlung von Sonnenlicht. Ebenso senken Rußteilchen auf großen Eisflächen und Straßen mit Asphaltdecke die Albedo der Erde. Eine Verminderung der Albedo gegenüber einem ursprünglichen Zustand trägt somit zur Verstärkung des Treibhauseffekts genauso bei wie das nachfolgend beschriebene Geschehen in der Atmosphäre. Der Klimawandel ist eine Verminderung der Fähigkeit, Strahlung aus dem Erde+Atmosphäre-System loszuwerden.
Wärmestrahlungsbilanz
Die Erdoberfläche absorbiert Sonnenstrahlung und sendet im Gegenzug Wärmestrahlung im Infrarotbereich aus. Das breite Spektrum umfasst Wellenlängen ab etwa 5 bis 50 µm mit einem Maximum bei etwa 10 µm. Die Atmosphäre ihrerseits emittiert ebenfalls Wärmestrahlung in Richtung Erde und in Richtung Weltraum. Lediglich geringe Teile der irdischen Wärmestrahlung werden auf dem Weg in den Weltraum nur geringfügig geschwächt. Diese Spektralbereiche heißen „Atmosphärische Fenster“. Das Wichtigste in diesem Zusammenhang liegt zwischen etwa 8 und 13 µm Wellenlänge.
Zusammenfassend lässt sich feststellen:
- Lichtstrahlung von der Sonne trifft auf das System Erde+Atmosphäre
- Ein kleinerer Teil dieser Strahlung wird in Abhängigkeit von der Rückstrahlfähigkeit reflektiert
- – Ein größerer Teil wird von der Atmosphäre und auf der Erde absorbiert
- Wärmestrahlung wird von der Erde in Richtung Weltraum abgegeben
- Ein kleinerer Teil dieser irdischen Strahlung verschwindet durch das Atmosphärische Fenster
- Der größere Teil wird von der Atmosphäre absorbiert
- Die Atmosphäre strahlt selbst in jeder Höhe entsprechend der lokalen Temperatur in jede Richtung
- Ein Teil dieser Wärmestrahlung wird in den Weltraum entlassen
- Der andere Teil tritt als Gegenstrahlung auf die Erde
Bei näherer Betrachtung lassen sich weitere Details erkennen:
- Die Atmosphäre hat einen bestimmten Temperatur- und Druckverlauf – jeweils mit zunehmender Höhe abnehmend
- Die bodennahe Atmosphärenschicht strahlt mit einer Temperatur nahe der Bodentemperatur
- Die oberste Atmosphärenschicht strahlt mit der dortigen Temperatur
- Bestimmte Atmosphärengase absorbieren einen Teil der Strahlung, die aus jeder Richtung kommt
- Die absorbierenden Moleküle erwärmen ihre Umgebung
- Ein durch Photonenabsorption erwärmtes Atmosphärenelement strahlt stärker
Aus diesen grundlegenden Erkenntnissen ergeben sich folgende weitergehende Fragen:
- Welche Molekülarten der Atmosphäre absorbieren beziehungsweise emittieren welche Anteile der irdischen Wärmestrahlung?
- Was hat die Konzentration einer Molekülart mit der Strahlungsintensität zu tun?
Molekülschwingungen
Moleküle bestehen aus Atomen und diese wiederum aus positiv geladenen Atomkernen und negativ geladenen Elektronen wobei sich die Elektronen in fest definierten Bahnen um die Kerne bewegen. Die Atome von Molekülen können sich auch relativ zueinander bewegen – aufeinander zu oder voneinander weg. Den fest definierten Bahnbewegungen und Molekülschwingungen entsprechen festen Energieniveaus. Wir betrachten für unseren Ausflug in die Klimawandelgrundlagen unserer Atmosphäre im Folgenden vor allem solche Moleküle, die Dipole bilden können. Dipole reagieren nämlich auf elektromagnetische Strahlung wie unser Sonnenlicht und die Wärmestrahlung der Erde.
Ein Wechsel der Elektronenbahnen und der Molekülschwingungen ist immer mit der Aufnahme oder Abgabe einer Portion Energie verbunden. Bei allen elementaren Vorgängen der Energieabgabe oder Energieaufnahme werden Photonen bestimmter Energie/Frequenz/Wellenlänge/Wellenzahl erzeugt oder absorbiert. Die Wellenlängen, die den Wechseln zwischen Energiezuständen entsprechen, werden im folgenden Hauptlinien genannt. Für einzelne dipolfähige Moleküle stehen die Schwingungseigenschaften sogar in der Wikipedia: Die CO2-Hauptlinie liegt bei etwa 15 μm. Absorptionsspektren werden in Datenbanken wie HITRAN geführt und in Simulationsprogrammen wie Spectraplot genutzt.
Absorption
Tatsächlich sind die Moleküle ständig in Bewegung. Sie stoßen einander an und ändern damit ihre Richtung sowie Geschwindigkeit. Die statistisch verteilten Geschwindigkeiten und Stöße der Moleküle lassen sich mit den physikalischen Größen Temperatur und Druck beschreiben. Passiert elektromagnetische Strahlung die Atmosphäre erfolgt durch die unterschiedlichen Bestandteile der Luft eine unterschiedlich starke Aufnahme von Energie. Die Absorption wiederum erfolgt – je nach Gas – in unterschiedlichen Bereichen des Spektrums. Die Bewegungen und Stöße der Moleküle verändern die Absorptionslinien zu breiten Absorptionsbanden.
Mit zunehmender Höhe über dem Erdboden verteilen sich die Luftmoleküle auf einen größeren Raum bei geringerer Anziehung durch die Erde. Die Moleküle haben mehr Platz zur Verfügung, stoßen seltener aufeinander und haben geringere Geschwindigkeiten. Das führt mit zunehmender Höhe zu sinkender Temperatur, sinkendem Druck und sinkender Absorption. Die Wärmestrahlung der Erde, die – über große Bodenflächen gemittelt – ein gleichmäßiges Spektrum besitzt, wird nur in einem Teil des Spektrums, dem schon erwähnten „Atmosphärischen Fenster“, durch keines der in der Atmosphäre vorkommenden Gase stark absorbiert. Der größere Teil der Strahlung wird hingegen durch die Gase in der Atmosphäre unterschiedlich stark absorbiert.
Optische Dicke
Mit dem Begriff der „optischen Dicke“, einer einfachen Zahl, wird angegeben, wie stark ein Medium eine bestimmte Strahlung absorbiert. Die Ausdrucksweise „bestimmte Strahlung“ soll darauf hinweisen, dass für verschiedene Anteile der Strahlung unterschiedliche optischen Dicken gelten können. Die symbolische Abkürzung für die optische Dicke ist „Tau“ (τ). Je größer Tau, desto weniger Strahlung kommt am Ende einer Schicht heraus. Bei Tau = 1 werden rund 63 Prozent absorbiert, bei Tau = 2 sind es rund 87 Prozent und bei Tau = 5 rund 99,4 Prozent.
Ein Beispiel: Wenn eine Nebelwand für Licht eine optische Dicke von Tau = 5 hat, sind auf der anderen Seite nur noch etwa 0,6 Prozent zu sehen. Genauso ist es in der Atmosphäre: Wenn die strahlungswirksame Atmosphäre für die Hauptabsorptionslinie eines Gases die optische Dicke Tau = 5 hat, wird die Photonenenergie eines Ausgangsstrahls nahezu komplett in Wärme umgesetzt. Entscheidend für die Stärke des Treibhauseffekts ist die Gesamtabsorption aller Spektralbereiche in der Atmosphäre.
Wirkung von CO2
Zur Bestimmung von Tau für verschiedene Spektrallinien können wir die bereits genannte Seite Spectraplot verwenden. Zum leichteren Verständnis bietet es sich an, nicht die genauen Werte von Tau zu vergleichen, sondern den Lichtweg zu betrachten, nach dem Tau = 1 erreicht wird. Je weiter ein Lichtstrahl hierbei kommt, umso weniger trägt er zum Treibhauseffekt bei.
Eine Beispielsimulation mit dem Gas CO2 auf der Wellenlänge 14.095 μm (nahe der 15-μm-Hauptabsorptionslinie) in der heutigen Konzentration von 400 ppm: Am Boden und bei einer Temperatur von 300 Kelvin (rund 27 °C) ist Tau = 1 nach 550 m erreicht, in 6.100 m Höhe (-24,6 °C, 466 hPa) erst nach einer Strecke von 4.200 m. Erhöhen wir die Konzentration von CO2 beispielhaft auf 800 ppm, wird Tau = 1 am Boden bei 300 K bereits nach 280 m erreicht und in 6.100 m Höhe (-24,6 °C, 466 hPa) nach 2.100 m. Hier zeigt sich auf den ersten Blick, dass ein höherer CO2-Wert in der Atmosphäre zu einer stärkeren Aufheizung der Atmosphäre durch die von der Erdoberfläche ausgehende Wärmestrahlung führt; einerseits werden die sowieso schon stark absorbierenden Hauptlinien noch stärker, andererseits werden die zuvor schwach absorbierenden Bandenbereiche stärker. Insgesamt wird mehr Wärmestrahlungsenergie in der Atmosphäre absorbiert. Kurzum: Das System Erde+Atmosphäre wird mit steigendem CO2-Anteil in der Atmosphäre stärker erwärmt und kann gleichzeitig durch eine stärkere Gegenstrahlung der Atmosphäre schlechter abkühlen – die Temperatur steigt.
Sonderfall Flugverkehr
Die von hochfliegenden Flugzeugen erzeugten Kondensstreifen mit Rußeinschlüssen oberhalb der höchsten Wolkendecke (Tropopause) sind problematisch. Selbst wenn die Streifen sich verteilen, sorgen die verbleibenden Kondensstreifen-Zirren für eine Bedeckung des Himmels von bis zu zehn Prozent, wie eine Studie des DLR für den Bereich über Europa herausgefunden hat. Diese Zirren stellen nur ein schwaches Hindernis für das ankommende Sonnenlicht dar, streuen jedoch das eintreffende Licht in viele Richtungen und reflektieren nachts die von der Erde ausgehende Wärmestrahlung besonders gut. Licht wird zudem teilweise von den Wassermolekülen absorbiert, die sich dadurch erwärmen. Die DLR-Studie kommt im Ergebnis zu dem Schluss, dass die aus den Kondensstreifen von Flugzeugen entstehenden Zirren einen stärkeren Effekt auf die Erderwärmung haben als das von den Flugzeugen ausgestoßene CO2.
Klimagase
Seit Beginn des industriellen Zeitalters wird die Zusammensetzung der Atmosphärengase jedoch nicht nur im Hinblick auf die CO2-Konzentration verändert. Einerseits wurden diverse anthropogene Gase wie beispielsweise Fluor- und Chlorverbindungen neu in die Atmosphäre eingeleitet, zum andern wurde der Anteil vorhandener natürlicher Gase verstärkt. Dazu zählen beispielsweise Methan insbesondere in der Landwirtschaft und Wasserdampf durch den Flugverkehr in großen Höhen. Die Mengen an hinzugekommenen treibhausrelevanten Gasen können berechnet werden. Die mittlere Lebenszeit und die genauen Spektren der Gase sind ebenfalls bekannt. Die genannten Simulationsprogramme ermöglichen Analysen, welches Gesamtspektrum und welche emittierte Strahlungsintensität zu erwarten sind. Dabei ergeben sich interessante Erkenntnisse: Methan ist beispielsweise 25-mal wirksamer als CO2, einige Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) sogar bis zu 14.800-mal so effektiv wie CO2. Die letztgenannten Stoffe sind bereits in kleinsten Mengen so schädlich, dass Lecks in einzelnen industriellen Fertigungsstätten detektierbar sind (siehe „Illegale FCKW-Freisetzungen“). Nur weil es „stärkere Gifte“ gibt, sollte man jedoch nicht vergessen, dass der Einfluss von CO2 für den Treibhauseffekt und den Klimawandel entscheidend ist.
Gesamtbetrachtung
Was in diesem Artikel am Beispiel CO2 rechnerisch demonstriert wurde, ließe sich auch mit anderen Gasen machen. Tatsächlich ergänzt sich die Wirkung aller Gase durch ihre ineinander verschachtelten Spektren. Unter bestimmten Umständen dominiert aber das eine oder das andere Gas. Es gibt auch keinen linearen Zusammenhang zwischen Gaskonzentration und Temperatursteigerung.
Ein zukünftig mitentscheidender Einflussfaktor wird die Erwärmung der Arktisregion sein. Die großen Vorkommen von Methanhydrat in den arktischen Schelfgebieten und von Methangas in Permafrostböden stellen wesentliche Kippelemente dar, bei deren Freisetzung es schwierig bis unmöglich sein wird, eine katastrophale Entwicklung noch aufzuhalten.
Wenn Sie selbst die Absorptionswirkung relevanter Klimagase nachvollziehen möchten, können Sie neben der Seite Spectraplot auch eine Klimasimulation der Universität Chicago für verschiedene Erdregionen mit unterschiedlichen Gaskonzentrationen durchführen.
Nach einer Vorlage von Georg Nowak
Dieser zusammenfassende Artikel wurde auf Basis eines Leserbriefes von Georg Nowak durch Louis-F. Stahl für die Energiedepesche erstellt
Wie wir mit der Emissionsminderung in Deutschland wirksam weiterkommen können, damit machen wir Sie in diesem Artikel vertraut. Mit Forderungen, mit Studien und einer Warnung vor Panikmache. weiter lesen
Klimaschutz – was zu tun ist
„Wir müssen nicht die Erde retten, sondern uns! Die Klimakrise bedroht nicht die Erde, sondern uns Menschen“, sagt Eckart von Hirschhausen. Wie wir mit der Emissionsminderung in Deutschland wirksam weiterkommen können, damit machen wir Sie in diesem Artikel vertraut. Mit Forderungen, mit Studien und einer Warnung vor Panikmache.
Von Aribert Peters
(6. August 2021) Erinnern wir uns kurz an die Ereignisse der vergangenen 200 Jahre: Durch das Verbrennen von Öl, Gas und Kohle hat sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre von 280 ppm (parts per million, übersetzt: „Anteile pro Million“) zu Zeiten vor der Industriellen Revolution bis Ende des 18. Jahrhunderts auf inzwischen 419 ppm erhöht. Die höhere CO2-Konzentration führt dazu, dass unser Planet mehr Energie von der Sonne aufnimmt und hält (siehe „Fakten zum Klimawandel“). Dadurch heizt sich unser Planet etwa alle zehn Jahre um 0,2 Grad auf. Weiter steigende CO2-Konzentrationen würden zu noch schnelleren Temperaturanstiegen führen und die Erde unbewohnbar machen. Obwohl derzeit 90 Prozent der Aufheizung von den Ozeanen geschluckt wird, zeigen sich die Klimaänderungen bereits heute weltweit durch Brände, Überschwemmungen, Stürme, abschmelzende Polkappen, Trockenheiten und den Meerwasseranstieg.
Die Uhr tickt
Es bleiben nur noch wenige Jahre, bis ein Punkt erreicht ist, an dem sich eine weitere Aufheizung nicht mehr stoppen lässt. Die junge Generation fordert rasche Änderungen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Weltgemeinschaft hat sich im Jahr 2015 in Paris auf ein Emissionsminderungsziel geeinigt. Die deutsche Politik weigert sich bisher, dieses Ziel entschieden genug anzusteuern. Dabei würde ein geringer Teil der Sonnenenergie genügen, um unsere Energieversorgung ohne Verbrennung von Fossilenergie und ohne weitere CO2-Emissionen zu sichern – sogar zu geringeren Kosten. Das höchste deutsche Gericht hat unlängst zum Schutz von Leib und Leben künftiger Generationen schnellere Emissionsminderungen gefordert und ein „Grundrecht auf Klimaschutz“ statuiert.
Wohin steuern?
Das Ziel ergibt sich aus der Klimawissenschaft: Die Treibhausgasemissionen müssen sich im Zeitraum zwischen den Jahren 2020 sowie 2030 halbieren und bis zum Jahr 2040 beendet werden. Damit das gelingt, müssen wir bis zum Jahr 2035 auf 100 Prozent erneuerbare Energien umstellen. Doch wie schafft man in so kurzer Zeit, was man in den vergangenen Jahrzehnten versäumt hat? Ist es damit getan, überdimensionierte SUVs mit Batterien auszustatten, Heizungen durch Wärmepumpen zu ersetzen und Wasserstoff – welcher Farbe auch immer – im Ausland einzukaufen? Was sagen aktuelle Studien dazu? Insbesondere für den Verkehrsbereich und für die Gebäudeheizung? Eine zusammenfassende Antwort gibt das Bundesverfassungsgericht.
Staat muss Klimaschutz steuern
Das Bundesverfassungsgericht schreibt in seinem Beschluss vom 24. März 2021: „In allen Lebensbereichen – etwa Produktion, Dienstleistung, Infrastruktur, Verwaltung, Kultur und Konsum, letztlich bezüglich aller heute noch CO2-relevanten Vorgänge – müssen Entwicklungen einsetzen, die ermöglichen, dass von grundrechtlicher Freiheit auch später noch, dann auf der Grundlage CO2-freier Verhaltensalternativen, gehaltvoll Gebrauch gemacht werden kann. Allerdings wäre der Staat weder in der Lage noch ist es allein seine Aufgabe, alle technologischen und sozialen Entwicklungen zur Ersetzung und Vermeidung von treibhausgasintensiven Prozessen und Produkten und den Ausbau hierfür erforderlicher Infrastrukturen selbst zu erbringen. Es könnte dem Gesetzgeber auch kaum gelingen, die erforderlichen Entwicklungen konkret vorzugeben. Verfassungsrechtlich verpflichtet ist er aber, grundlegende Voraussetzungen und Anreize dafür zu schaffen, dass diese Entwicklungen einsetzen.“ Die Bundesregierung hat auf diesen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hin das Klimaschutzgesetz überarbeitet. Das Klimaziel für 2030 wurde auf mindestens 65 Prozent Minderung erhöht sowie erstmals ein Minderungsziel von 88 Prozent für das Jahr 2040 definiert, jeweils bezogen auf die CO2-Emissionen von 1990. Die Klimaneutralität soll schon 2045 statt 2050 erreicht werden. Jedoch wurde nicht konkretisiert, wie diese Ziele erreicht werden sollen.
Neues Staatsverständnis
Das Bundesverfassungsgericht fordert hier im Interesse künftiger Generationen ein neues Staatsverständnis: Der Staat als kluger Treiber und Lenker eines gesellschaftlichen Wandels für einen beschleunigten Klimaschutz. Die Politik muss eine klare Richtung vorgeben und auch richtige Prioritäten setzen. Hamburger Wissenschaftler aus dem Klima-Exzellenzcluster „CLICCS“ haben unlängst veröffentlicht, dass eine vollständige weltweite Dekarbonisierung bis 2050 nicht plausibel erscheint – „es sei denn, die Rahmenbedingungen der gesellschaftlichen Treiber erfahren in den kommenden Jahren einen radikalen Schub. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass der notwendige gesellschaftliche Wandel für eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050 möglicherweise viel größer ist als viele annehmen“. Und weiter: „Ob eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050 plausibel wird, hängt wesentlich vom öffentlichen Druck durch Proteste, organisierte Aktionen und Gerichtsverfahren zum Klimawandel ab, so dass Regierungen rund um den Globus zu einer Politik verpflichtet werden, die den Wandel unterstützt – nicht nur durch Ankündigungen und Versprechen, sondern durch konsequentes Handeln.“
Forderungen an die Politik
Um genau diesen nötigen Richtungswandel der deutschen Klimapolitik geht es bei der vor uns liegenden Bundestagswahl im September 2021. Wer sagt, dass sich nun alles ändern muss, hat einerseits recht. Andererseits ändert sich damit überhaupt nichts. Man sollte sich auf das Erreichbare konzentrieren, statt auf das zu Vermeidende. Sonst verhält man sich wie der Mann, der in ein Taxi steigt und zum Fahrer sagt: „Bitte nicht zum Hauptbahnhof“.
Es gibt viele Forderungskataloge von Umweltorganisationen an die Politik, die in den vergangenen Tagen und Wochen veröffentlicht wurden. Sie wollen die Politiker zu konkreten Schritten und Handlungen nach den Wahlen verpflichten. Dazu zählen insbesondere:
- Das Maßnahmenpaket für den Klimaschutz erarbeitet von der Organisation „wählbar2021“ zur Diskussion mit Politikern (waehlbar2021.de)
- Das Klimaschutz-Sofortprogramm des Deutschen Naturschutzrings und weiteren 55 Organisationen (dnr.de)
- 470 Seiten „Maßnahmen für ein 1,5-Grad-Gesetzespaket“ ausgearbeitet und ausführlich begründet vom Verein GermanZero (germanzero.de)
- Der Bürgerrat Klima hat am 26. Juni 2021 seine Handlungsempfehlungen und Forderungen veröffentlicht (siehe „Ergebnisse des ‚Bürgerrates Klima‘“)
Alle Vorschläge zielen darauf ab, Klimaschutz und Effizienz zu belohnen, klimaschädliches Verhalten zu verteuern oder zu verbieten und finanziell benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu schützen. In allen Vorschlägen steht der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien an erster Stelle, flankiert durch einen schnellen Kohleausstieg, eine schnellere Wärme- und Verkehrswende sowie Anforderungen an eine höhere Energieeffizienz. Zu diesen Maßnahmen zählen:
- Ein stetiger und deutlicher Anstieg der CO2-Bepreisung und Rückverteilung der Einnahmen gleichmäßig an alle Bürger
- Aufhebung von Ausschreibungspflichten und „Deckeln“ für regenerative Energien und stattdessen stabile Vergütungen
- Rücknahme von Flächenrestriktionen für EE-Anlagen
- Beteiligung der Anwohner an Ertrag, Planung und Umsetzung von Windkraftanlagen
- Schnellere Genehmigungsverfahren und Bürokratieabbau
- Vereinfachung der nachbarschaftlichen Versorgung mit Strom und Wärme
- Zulassungsstopp für Verbrennungs-PKW vor 2030
- Moratorium für Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen
- Beschleunigung der Gebäudesanierung
- Allgemeines Tempolimit im Straßenverkehr
Was in den Vorschlägen fehlt
Die Strombörse und der Stromgroßhandel sowie der Netzbetrieb spielen für den Neubau von Kraftwerken eine zentrale Rolle. Sie sichern die Versorgung. Dieses Rückgrat der Stromversorgung wird in keinem der Vorschläge auch nur erwähnt, geschweige denn systematisch analysiert.
Vergeblich sucht man auch den Vorschlag, Stromnetze in die öffentliche Hand zu übernehmen. Mit einer Ausnahme: Lediglich die Linke-Bundestagsfraktion positionierte sich mit einem Antrag eindeutig: „Durch gesetzlich festgelegte Renditegarantien von bis zu 9,05 Prozent auf das Eigenkapital der Übertragungsnetzbetreiber wird das undurchsichtige Geschäft mit den Stromnetzen zurecht als ‚Gelddruckmaschine‘ kritisiert. Die Übertragungsnetze dienen mehr privater Gewinnerzielung als dem Wohl der Allgemeinheit und der Erreichung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele. Daher soll der gordische Knoten über eine Verstaatlichung der Strom-Übertragungsnetze durchschlagen werden.“ Dieser Antrag fand im Bundestag keine Mehrheit.
Schlammschlacht um Klimaschutz
Nachdem die Industrielobby jahrzehntelang wirksamen Klimaschutz in Deutschland verhindert hat, fürchtet sie offenbar jetzt einen Wahlsieg der Grünen. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), eine Lobbyorganisation der Wirtschaft, der auch Friedrich Merz (CDU) als Gründungsmitglied zugehört, schaltete im Juni 2021 in großen Tageszeitungen Anzeigen mit dem Bild von Annalena Baerbock als Moses, die zehn Gesetzestafeln in der Hand hält: „Du darfst nicht schöner Wohnen, Du darfst nicht fliegen“. Darunter steht: „Wir brauchen keine neue Staatsreligion“. Im DPA-Faktencheck fiel die Anzeige durch. Journalist Christian Stöcker kommentiert die Kampagne im Spiegel unter dem Titel: „Komm, wir kaufen uns einen Kanzler“ folgendermaßen: „Ich kann mich nicht erinnern, dass in der jüngeren deutschen Geschichte jemals eine Lobbyorganisation im Auftrag von Ultrareichen und Konzernen so offen und mit so viel Aufwand versucht hätte, Einfluss auf einen Bundestagswahlkampf zu nehmen. Die Leute, denen die (Corona-)Krise rein gar nicht geschadet hat, die sogar von ihr profitiert haben, setzen sich jetzt höhere Ziele: Völlig unverhohlen wollen sie mit ihrem Geld darauf Einfluss nehmen, wer in Deutschland regiert. Mit Ad-hominem-Attacken, Diffamierung, Desinformation und sympathieheischendem Augenzwinkern in Richtung rechts außen. Das ist ein Dammbruch.“
bdev.de/insmmanipulation
Agora-Studie
Wie das neue Minderungsziel von 65 Prozent bis zum Jahr 2030 der Bundesregierung erreicht werden kann, zeigt eine aktuelle Studie von Wuppertal-Institut, Öko-Institut und Prognos im Auftrag der Denkfabrik Agora Energiewende. Zentral sind eine CO2-Steuer sowie ein schneller Ausbau von PV und Windenergie. Im Folgenden wollen wir die Bereiche Verkehr und Wärmeversorgung etwas genauer betrachten.
Verkehr
Die CO2-Emissionen des Verkehrs sind seit dem Jahr 1990 nahezu unverändert geblieben, die Zahl der PKW wuchs jedoch von 31 Millionen PKW im Jahr 1990 auf 47 Mio. Fahrzeuge im Jahr 2019. Dabei sollte das Auto als Staatsreligion und persönliches Glaubensbekenntnis inzwischen eigentlich ausgedient haben. Jahrzehntelang wurde in Straßen statt in Fahrradwege und den ÖPNV investiert. Mobilität muss vom Potenzmittel Auto umgedacht werden zu einer gemeinwohlorientierten verbindenden Mobilität. Zu diesem Schluss kommt das Umweltbundesamt im neuen Zwischenbericht des Umweltbundesamtes „Narrative einer erfolgreichen Transformation zu einem ressourcenschonenden und treibhausgasneutralen Deutschland“.
Es gibt Alternativen zum Auto. Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf sagt dazu: „Billige fossile Brennstoffe sind keine gute Sozialpolitik, sondern eine versteckte Subventionierung der Klimakatastrophe. Ich bin sehr für sozialen Ausgleich – aber es ist viel besser, den wenig Verdienenden mehr Geld zu geben, als Autofahren und Fliegen künstlich billig zu halten. Die sollen selbst entscheiden was sie damit machen wollen, sonst landet das meiste Geld bei den Falschen.“ Der elektrische SUV ist kein Symbol neuer Mobilität. Seine Förderung als Dienstwagen ist ein Symbol verfehlter Klientelpolitik, die sich einen grünen Anstrich gibt. Elektrische Mobilität sollte auf leichte Fahrzeuge setzen.
Wärmeversorgung
Die Wahrnehmung einer eigenen Immobilie als „Betongold“ wandelt sich zu einem lebendigen Wohnen in Gemeinschaft und Nachbarschaft. Die Gebäudeheizung könnte sich schon bis zum Jahr 2026 von der Gasheizung verabschieden: durch ein ganzes Bündel unterschiedlicher Maßnahmen wie der bereits eingeführten CO2-Steuer, verschärften Dämmvorschriften, Wohngeldanpassungen usw. Das ist das Ergebnis einer Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) über die wahren Kosten der Erdgasnutzung. Die Verbrennung von Erdgas zur Wärmeerzeugung ist weitaus klimaschädlicher als vielfach angenommen, heißt es dort.
Die vermeintlichen Umweltvorteile von Wärmepumpen als Ersatz für Gasheizungen wurden im Arbeitskreis Dunkelflaute vom Bund der Energieverbraucher ausführlich diskutiert. Energieexperte Axel Horn aus Sauerlach berichtet: „Die Umweltvorteile der E-Mobilität und Wärmepumpenheizungen setzen voraus, dass immer genügend Ökostrom zur Verfügung steht. Der aktuelle Strommix hat durchschnittlich nur 48 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien, über die Hälfte ist Fossil- und Atomstrom. Durch erhöhten Verbrauch wird das nicht besser. Selbst wenn bilanziell genau so viel Ökostrom erzeugt wird, wie E-Mobilität und Wärmepumpen verbrauchen, stimmen die Zeitpunkte von Erzeugung und Verbrauch nicht überein. Daher muss über den Bedarf hinaus so viel Strom mehr erzeugt werden, wie den jeweiligen Speicherverlusten entspricht. Deswegen muss der Wärmesektor von der aktuellen Verfügbarkeit von Ökostrom entkoppelt werden. Er sollte vorzugsweise die Abwärme aller Energieumwandlungsprozesse und Solarthermie nutzen.“ Strom ist eine Edelenergie, die nicht ohne Not zum Heizen degradiert werden darf. Auch in Zukunft bleibt Strom wertvoll, weil knapp.
Netzausbau oder dezentrale Erzeugung
Der Ausbau der Stromnetze ist teuer. Investiert man statt in Leitungsnetze in eine dezentrale Erzeugung erneuerbarer Energien, dann wird das Gesamtsystem günstiger. Das hat eine Studie der TU Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) gezeigt. Gerechnet wurde für die gesamte EU bis hinab zu Teilregionen von Deutschland. Die Regionen sind dadurch bilanziell nahe an der Selbstversorgung. Eine stundengenaue Auflösung der Ergebnisse zeigt, dass die Versorgungssicherheit selbst in kalten Winterwochen in allen Regionen gewährleistet ist. Die Modellrechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Berücksichtigung von Netzinfrastrukturausbaukosten zu einem erheblichen Rückgang des Netzausbaubedarfs führt. Denn unter dieser Bedingung erfolgt ein stärkerer Photovoltaikzubau, während der Zubau von Offshore-Windenergie-Anlagen stark zurückgeht.
Propagandaschlacht ums Klima
„Es ist nicht zu spät zum Handeln, Katastrophenszenarien sind extrem schädlich“, sagt einer der renommiertesten Klimaforscher, Michael E. Mann, in seinem neuen Buch „Propagandaschlacht ums Klima“. Man spricht von Klimaendzeitpornographie:
„Wenn es um den Kampf gegen die Wissenschaft geht – also den alten Klimakrieg, haben die Kräfte der Leugner ihre Niederlage so gut wie eingestanden. Aber der neue Klimakrieg – der Krieg gegen das Handeln, wird immer noch aktiv geführt. Es besteht somit sowohl Dringlichkeit als auch Handlungsfähigkeit. Man sollte die Bedrohung nicht herunterspielen.
Es besteht aber auch die Gefahr, die Bedrohung in einer Weise überzubewerten, die das Problem als unlösbar erscheinen lässt und ein Gefühl des Untergangs, der Unvermeidbarkeit und Hoffnungslosigkeit hervorruft. […] Es ist seltsam ermutigend, dass der Klimawandel bereits da ist. Es gibt kein definiertes Ziel der Gefahrenabwehr, das wir verfehlen könnten. Es ist zu spät, um negative Auswirkungen zu verhindern: Sie sind bereits eingetreten. Aber wie viel an zusätzlichen Gefahren auf uns zukommen, können wir weitgehend beeinflussen. Die Erwärmung hängt weitgehend davon ab, wie viel CO2 wir bis zu einem Zeitpunkt emittiert haben.
Es gibt keine klar definierte Schwelle, an der erkennbar ist, ab wann wir Menschen gefährlich in das Klima eingreifen. Es gibt keine Felsklippe, von der wir bei einer Erwärmung um 1,5 oder 2 Grad herunterfallen. Eine bessere Analogie ist ein Minenfeld, und je weiter wir gehen, umso größer wird das Risiko. Umgekehrt sind wir umso besser dran, je früher wir aufhören, nach vorn zu schleichen. […] Trotz der Herausforderungen bin ich vorsichtig optimistisch, was die Aussichten für die Bewältigung der Klimakrise in den kommenden Jahren angeht. […] Das heißt, weder naiv, noch mürrisch, sondern objektiv hoffnungsvoll. Erstens haben eine Reihe von noch nie dagewesenen extremen Naturkatastrophen die Bedrohung durch den Klimawandel verdeutlicht. Zweitens hat eine globale Pandemie wichtige Lektionen über Verwundbarkeit und Risiko gelehrt. Und schließlich haben wir ein weltweites Wiedererwachen des Umweltaktivismus erlebt, geführt von einem Aufstand von Kindern und Jugendlichen.“
Lobbyistenpropaganda im Bundestagswahlkampf: Mit einer Schmutzkampagne hat die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ im Juni 2021 versucht, PolitikerInnen wie Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) mit Anzeigen in Tageszeitungen sowie auf deren Webseiten zu diskreditieren. Namhafte Institutionen der Presselandschaft wie „Der Spiegel“, „Die Zeit“, „FAZ“ und „Süddeutsche“ haben sich für die Kampagne instrumentalisieren lassen.
Schlussbetrachtung
Wir manövrieren die Erde durch unsere Luftverschmutzung in unakzeptable Risiken und das, obwohl es Lösungen gibt, die noch dazu günstiger und gesünder sind. Wir brauchen eine Politik, die Anreize für einen raschen Wandel schafft. Mutiges und entschlossenes Handeln ist jetzt angesagt, auf allen Ebenen und zwar sofort.
schließenEs ist schwer, angemessen über die Klimakrise zu reden. Je eindringlicher man die Katastrophe schildert, umso weniger überzeugt man. Wichtig ist eine gute Geschichte, in der die Zukunft durch gemeinsames Handeln formbar ist. weiter lesen
Über Klimawandel reden
Es ist schwer, angemessen über die Klimakrise zu reden. Je eindringlicher man die Katastrophe schildert, umso weniger überzeugt man. Wichtig ist eine gute Geschichte, in der die Zukunft durch gemeinsames Handeln formbar ist. Die Bezwingung des Klimawandels ist das Projekt, das uns als Menschheit eint und uns zur Überwindung unserer Schwächen befähigt.
Von Aribert Peters
(1. Juni 2021) Seit vielen Jahrzehnten sind sich Wissenschaftler, Politiker, Kirchen und Unternehmen bis hin zu den Ölkonzernen weltweit einig: Der Klimawandel ist die größte Bedrohung der Gegenwart, einem Atomkrieg vergleichbar. Dennoch scheint nichts zu passieren. Der amerikanische Schriftsteller und Umweltaktivist George Marshall hat eine gemeinsam verabredete Ignoranz oder Sprachlosigkeit entdeckt, über den Zusammenhang zwischen den Folgen des Klimawandels – dazu zählen extreme Trockenheit, Fluten, Stürme, Waldbrände und der Meeresspiegelanstieg – und den Klimawandel selbst zu reden. Er bezeichnet das als gemeinsam verabredeten blinden Fleck oder Verleugnung.
Gemeinsames Verbrechen?
Der Klimawandel ist kein Verbrechen, obwohl er die Zukunftschancen von Milliarden Menschen für immer zerstört. Denn es steckt keine Absicht dahinter. Wenn ich mit dem Flugzeug Emissionen verursache, habe ich keine böse Absicht. Es ist dennoch ein perfektes Verbrechen, wie der Mord im Orient Express, weil es alle gemeinsam begehen und jeder schuldig ist. Der Klimawandel ist nicht der Elefant im Raum, den wir nicht sehen. Es ist der Elefant in unserem Inneren, den wir nicht wahrhaben wollen. Wir verstummen, statt über den Klimawandel zu reden, weil wir uns mitschuldig fühlen.
It’s already too late, and it’s never too late. - Charles Eisenstein, Philosoph
Geschichten ohne Realitätsbezug
Unser Gehirn erfindet Geschichten, mit denen wir unser klimaschädigendes Verhalten vor uns selbst rechtfertigen. Wir sind damit erfinderisch. Und solche wild erfundenen Geschichten unterliegen im Gehirn keiner Realitätskontrolle. Denn sie finden im emotionalen Teil des Gehirns statt. Dort wird das Verhalten gesteuert und dort geht es um Geschichten. Diese Geschichten werden zwischen sich nahestehenden Menschen geteilt. Sie klaffen weit auseinander in verschiedenen Milieus. Das ist eine Erkenntnis der Verhaltenspsychologie, nachzulesen beim Nobelpreisträger Daniel Kahnemann. In einem anderen, dem analytischen Teil des Gehirns weiß unser Verstand vom Klimawandel. Aber dieses Wissen beeinflusst kaum den emotionalen Teil des Gehirns.
Video: Per Espen Stoknes „How to transform apocalypse fatigue into action on global warming“
Reden über Klimawandel
Wenn man nun über den Klimawandel auf der sachlichen Ebene redet, dann schlägt der emotionale Hirnteil Alarm. Je überzeugender das Argument, umso stärker der Widerstand! Und noch dazu sind die Botschaften der Wissenschaft oft so beängstigend, dass sogar die Wissenschaftler selbst sich scheuen, darüber offen und ehrlich zu reden. Das ist der Grund für den Erfolg der Klimaleugner.
bdev.de/klimafakten
Eine neue Geschichte erzählen
Die Lösung besteht darin, eine andere, bessere Geschichte zu erzählen, die vom Emotionshirn akzeptiert wird und besser passt als die alte Geschichte. Diese neue Geschichte sollte die Spannung auflösen zwischen dem, was wir wissen, und dem was wir tun. Indem sie erstens den Klimawandel wahrnimmt als Realität, statt ihn zu verleugnen. Und zweitens konkrete Handlungsmöglichkeiten anbietet, um einen Beitrag zur Lösung des Klimaproblems zu liefern. In dieser Geschichte bin ich selbst der Held, der Superman, der mit Erfolg gegen den Klimawandel kämpft. Und nicht mehr der Bösewicht. Und das ist eine Traumrolle, in der sich jeder wohlfühlt: Der James Bond der Klimarettung!
Die emotionale Kraft
George Marshall schreibt: „Wir haben keinen stärkeren Instinkt, als unsere gemeinsamen Interessen als Spezies und die unserer Nachfahren zu verteidigen. Der Klimawandel bedroht uns existenziell in jeder Hinsicht und berührt unsere tiefsten Instinkte für den Schutz unserer Art, unserer Nachkommen und unserer Gemeinschaft. Wir haben praktisch unbeschränkte Fähigkeiten, Vorstellungen zu akzeptieren, die sonst unakzeptabel sind, sobald sie eine gemeinsame Überzeugung sind. Verstärkt durch soziale Normen werden sie zu ‚heiligen Werten‘.
Es gibt keinen einfachen Weg, um aus Informationen Überzeugungen zu formen. Dieselben Mechanismen, die den Klimawandel entfernt, unsicher oder hoffnungslos erscheinen lassen, können wir nutzen, um den Kampf dagegen zu einem sozial geprüften und legitimierten Handeln zu machen. Aktionen gegen den Klimawandel werden belohnt durch das Gefühl, zu einem gemeinsamen großen Projekt beizutragen. Die Bezwingung des Klimawandels ist das Projekt, das uns als Menschheit vereint und das uns befähigt, unsere historisch gewachsenen Unterschiedlichkeiten zu überwinden.“
Eine Anleitung zum Gespräch
Wie sollte man unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse idealerweise über den Klimawandel mit Klimaskeptikern reden? Die Alliance for Climate Education gibt dazu Hilfestellung in einem vierminütigen Video.
Folgende wichtige Empfehlungen lassen sich aus dem englischsprachigen Video mitnehmen: Zuerst überlegt man, was man inhaltlich zum Thema sagen und an Argumenten vorbringen möchte. Und dann sagt man genau das nicht. Das große Geheimnis ist: Zuerst zuhören! Denn das Ziel ist nicht, jemanden von der eigenen Sichtweise zu überzeugen.
Fragen Sie nach den Gedanken und Perspektiven Ihres Gegenübers. Denn es geht um das Gegenüber. Wenn der andere redet, dann sollte man nur zuhören. Man sollte der Versuchung widerstehen, direkt zu antworten. Besonders schwierig ist es, wenn man mit etwas nicht übereinstimmt, was der andere sagt. Gerade dann ist es wichtig, zunächst genau zuzuhören.
Wiederholen Sie, was der andere gesagt hat. Das zeigt, dass Ihnen die Meinung des anderen wichtig ist. Damit gewinnt man das Vertrauen des anderen. Dann sollte man fragen, ob man die eigene Sichtweise mitteilen kann. Ist die Antwort ein „Ja“, dann sind Sie an der Reihe. Widerstehen Sie der Versuchung, den anderen überzeugen zu wollen. Denn das würde sofort eine Gegenreaktion und eine Blockade verursachen. Sondern berichten Sie über ihre persönlichen Überzeugungen. Auch wenn Sie kein Klimaexperte sind, sind Sie ein Experte, was Sie selbst betrifft. Reden Sie über sich, wann und wie sie mit dem Thema konfrontiert wurden, wie sie darauf reagiert haben.
Dann ist der andere wieder dran. Hören Sie zu, was er dazu zu sagen hat! Eine Unterhaltung ist ein Austausch von Ideen in beide Richtungen. Ein positiver Gesprächsabschluss ist besonders wichtig. Versuchen Sie es einmal, es könnte das Wichtigste sein, was Sie jemals gemacht haben.
Vertiefung
Eine umfangreiche Sammlung und Einordnung, wie Wissen und Erfahrungen in Sachen Klimakommunikation zu ordnen sind, hat das Internetportal klimafakten.de in einem eBook zusammengetragen. Das „Handbuch Klimakommunikation“ ist kostenfrei im Internet abrufbar.
Fragen, die zum Nachdenken über die eigenen Überzeugungen und Handlungen anregen können:
- Halten Sie den weiteren Anstieg der Erdtemperatur für wahrscheinlich oder gar sicher?
- Glauben Sie, dass die Menschen durch ihre Emissionen dafür wesentliche Verantwortung tragen?
- Tragen Sie mit Ihrem eigenen Verhalten zum Klimawandel bei?
- Wissen Sie, welche Länder am meisten CO2 emittieren?
- Wissen Sie, welche Länder am stärksten unter dem Klimawandel leiden, gegenwärtig und in Zukunft?
- In welchem Jahr sollten Aktionen gegen den Klimawandel beginnen und mit welcher Intensität?
- Sind alle Mitverursacher des Klimawandels auch für seine Folgen mitverantwortlich, also beispielsweise die dauerhafte Unbewohnbarkeit der Erde oder das Verhungern oder den Hitzetod von Milliarden von Menschen?
- Wenn Zentralafrika, Südamerika und Südostasien einen starken Temperaturanstieg erleiden und für Menschen unbewohnbar werden, wären Sie dafür, diese Menschen bei uns aufzunehmen?
- Wissen Sie, wie viele Menschen davon betroffen sein können?
Gibt es ein Grundrecht auf Klimaschutz, auf die Erhaltung unserer Erde, auf eine Lebensgrundlage für kommende Generationen? Ist der Gesetzgeber verpflichtet, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen? Auf diese Fragen hat das Bundesverfassungsgericht am 29. April 2021 mit einer Grundsatzentscheidung zum Klimaschutz überraschend eindeutige Antworten gegeben. weiter lesen
Grundrecht auf Klimaschutz
Gibt es ein Grundrecht auf Klimaschutz, auf die Erhaltung unserer Erde, auf eine Lebensgrundlage für kommende Generationen? Ist der Gesetzgeber verpflichtet, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen? Auf diese Fragen hat das Bundesverfassungsgericht am 29. April 2021 mit einer Grundsatzentscheidung zum Klimaschutz überraschend eindeutige Antworten gegeben.
Von Louis-F. Stahl
(10. Mai 2021) Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 24. März 2021 entschieden, dass das am 12. Dezember 2019 in Kraft getretene Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) keine hinreichenden Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele aus dem Paris-Abkommen enthält, zu denen sich Deutschland verpflichtet hat. Darüber hinaus erfülle der Staat mit den Inhalten des Gesetzes nicht seine Pflicht, den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit seiner Bevölkerung zu gewährleisten. Die Richter in Karlsruhe erklärten § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG sowie Anlage 2 zum KSG, daher die nationalen Klimaschutzziele sowie die zulässigen Jahresemissionsmengen, für unvereinbar mit den sich aus Artikel 2 und Artikel 20a des Grundgesetzes ergebenden Grundrechten. Die Entscheidung wurde am 29. April 2021 öffentlich bekannt gegeben (Az. 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 288/20).
So, oder so ähnlich, hätte die Verkündung in Karlsruhe am 29. April 2021 ausgesehen – wenn nicht die Coronapandemie derartige Zusammenkünfte unmöglich machen würde. Daher sehen Sie an dieser Stelle ein Symbolbild.
Die Eindeutigkeit, mit der das Gericht die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes an sich aber auch die Untätigkeit des Gesetzgebers insgesamt feststellte, hat selbst die Beschwerdeführer überrascht, die dem Gericht die Verfassungsbeschwerde angetragen hatten. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber mit seinem Beschluss verpflichtet, bis Ende 2022 grundgesetzkonforme gesetzliche Regelungen zum Klimaschutz und konkreten Emissionsreduktionszielen zu schaffen.
Grundgesetz, Artikel 20a
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
Ebenfalls überraschend sind die Reaktionen von den für das ungenügende Klimaschutzgesetz verantwortlichen Politikern, die jetzt so tun, als hätten sie mit dem Gesetz, das sie selbst auf den Weg gebracht und beschlossen haben, nichts, aber auch wirklich überhaupt nichts zu tun. Regierungssprecher Steffen Seibert (CDU) lobte das vernichtende Urteil des Bundesverfassungsgerichtes über das Handeln seines Dienstherren als „wegweisend“, Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) stellte klar, dass beim „Klimaschutz schnell mehr passieren muss“ und postulierte: „Bremser und Blockierer haben nichts mehr zu sagen“. Der sich vermutlich durch diese Äußerung angezählt fühlende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kommentierte, er „glaube, dass niemand Verständnis hat, wenn wir uns gegenseitig die Verantwortung zuschieben.“ Woraufhin Regierungssprecher Seibert ankündigte, dass die Bundesregierung alles daransetzen werde, dem Bundestag noch vor der Bundestagswahl ein neues Klimaschutzgesetz vorzulegen.
Das Bundesverfassungsgericht folgt mit seiner Entscheidung der Rechtsprechung anderer Nationalgerichte. Im Jahr 2015 hatte beispielsweise in den Niederlanden ein nationales Gericht in Den Haag der Stiftung „Urgenda“ Recht gegeben. Die Niederlande müssen ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 25 Prozent statt nur um 17 Prozent verringern, urteilte das Gericht. Die niederländische Regierung ging dagegen in Revision. Im Dezember 2019 bestätigte das oberste Gericht der Niederlande das ursprüngliche Urteil und gab damit der Klimaklage statt. In Frankreich verurteilte das oberste Verwaltungsgericht „Conseil d‘État“ im November 2020 die französische Regierung nachzuweisen, dass sie sämtliche notwendigen Klimaschutzmaßnahmen ergreift, die zur Einhaltung des Klimaschutzübereinkommens von Paris notwendig sind.
Historische Betrachtung des Bundes-Klimaschutzgesetzes
Spitzenpolitiker von CDU/CSU und SPD sowie auch die Vertreter der Bundesregierung lobten das vernichtende Urteil des Bundesverfassungsgerichtes über das Bundes-Klimaschutzgesetz und ihre bisherige Klimaschutzpolitik. Schenkt man diesen Äußerungen Glauben, müsste man annehmen, die Klimaschutzpolitik der letzten Jahre und das Bundes-Klimaschutzgesetz seien vom Himmel gefallen oder gar von der Opposition heimlich im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Die Geschichte ist natürlich – aller spontanen Amnesie zum Trotz – ganz anders. Ein kurzer Rückblick:
Der zwischen CDU/CSU und SPD nach der Bundestagswahl von 2017 geschlossene Koalitionsvertrag verpflichtete die Regierungskoalition zur Schaffung eines Klimaschutzgesetzes bis zum Ablauf des Jahres 2019. Jedes Ressort sollte mit Hilfe einer Expertenkommission Vorschläge zu sinnvollen Klimaschutzmaßnahmen erarbeiten, die im Klimaschutzgesetz verankert und sodann durch das jeweilige Ressort umgesetzt werden sollten. In Summe sollten mit dem Gesetz die notwendigen Maßnahmen in nationalem Recht umgesetzt werden, die notwendig sind, damit Deutschland seine im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen eingegangenen Verpflichtungen erfüllt.
Als Erstes verwarf Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die bereits sehr zurückhaltenden Empfehlungen seiner Expertenkommission für CO2-Einsparungen als „gegen jeden Menschenverstand“ und legte seinen Expertenrat auf Eis. Die Expertenkommission für den Gebäudebereich von Minister Horst Seehofer (CSU) wurde durch diesen erst gar nicht zu einer Sitzung einberufen, sodass Seehofer weder Kritik an seiner Politik noch den Vorschlag von konkreten Zielen oder zu ergreifenden Maßnahmen erdulden musste.
Obwohl die CDU/CSU-geführten Ministerien größtenteils nicht an dem Gesetz mitarbeiteten, legte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am 18. Februar 2019 einen vorsichtigen Gesetzentwurf vor, der bereits hinter den allermeisten Erwartungen zurückblieb. Dennoch blockierten die unionsgeführten Ministerien die weitere Bearbeitung des Gesetzentwurfes im Bundeskabinett. Am 27. Mai 2019 leitete das Umweltministerium aufgrund der dreimonatigen Untätigkeit von Bundeskanzleramt und Bundeskabinett selbst die Ressortabstimmung zwischen den Ministerien ein, um das Gesetz endlich auf den Weg zu bringen. Das von Helge Braun (CDU) geführte Bundeskanzleramt untersagte daraufhin öffentlich die „Versendung [des Entwurfs] an Länder und Verbände“. Erst im Oktober 2019 wurde das inzwischen an allen Ecken und Enden entschärfte Klimaschutzgesetz schlussendlich im Bundeskabinett verabschiedet. Nach dem Beschluss des Gesetzes durch den Bundestag blockierten die unionsgeführten Länder nochmals ein Begleitgesetz zu steuerrechtlichen Aspekten des Klimaschutzgesetzes im Bundesrat und setzten mit Hilfe eines Vermittlungsausschusses eine Erhöhung der Pendlerpauschale sowie die Streichung von Sonderregeln für neue Windkraftanlagen durch. Diese Regelungen standen im Widerspruch zum eigentlichen Gesetzesziel: dem Klimaschutz.
Auszüge aus den Leitsätzen des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses zum Klimaschutz
Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit […] schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen. Die […] Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen.
Artikel 20a verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität. […] Als Klimaschutzgebot hat Artikel 20a eine internationale Dimension.
Der nationalen Klimaschutzverpflichtung steht nicht entgegen, dass der globale Charakter von Klima und Erderwärmung eine Lösung der Probleme des Klimawandels durch einen Staat allein ausschließt. […] Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen.
In Wahrnehmung seines Konkretisierungsauftrags […] hat der Gesetzgeber das Klimaschutzziel […] dahingehend bestimmt, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist.
Art. 20a ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die künftigen Generationen binden soll. […] Der Schutzauftrag des Art. 20a schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.
Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln.
Der Gesetzgeber muss die erforderlichen Regelungen zur Größe der für bestimmte Zeiträume insgesamt zugelassenen Emissionsmengen selbst treffen. Eine schlichte Parlamentsbeteiligung durch Zustimmung des Bundestags zu Verordnungen der Bundesregierung kann ein Gesetzgebungsverfahren bei der Regelung zulässiger Emissionsmengen nicht ersetzen, weil hier gerade die besondere Öffentlichkeitsfunktion des Gesetzgebungsverfahrens Grund für die Notwendigkeit gesetzlicher Regelung ist.
Entscheidung im Volltext: bdev.de/klimaschutzurteil
Kohle zu verbrennen setzt CO2 frei, Kohle zu erzeugen bindet CO2. weiter lesen
Kohle selbst erzeugen, statt sie zu verbrennen
Kohle zu verbrennen setzt CO2 frei, Kohle zu erzeugen bindet CO2. Das Weltklima nötigt uns, dass wir uns von der Kohleverbrennung verabschieden und stattdessen CO2 aus der Atmosphäre in Kohle binden. Die Umwandlung von Pflanzenresten zu Pflanzenkohle mittels Pyrolyse ist im eigenen Garten ganz einfach zu bewerkstelligen.
Von Dr. Aribert Peters
(24. Februar 2021) Ohne Kohlenstoffsenken, die auch als Negativemissionen bezeichnet werden, sind Klimaneutralität und damit die Klimaziele von Paris nicht zu erreichen. Um den Klimawandel abzumildern, müssen die bereits von den Menschen emittierten Treibhausgase wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. Man spricht von Kohlenstoffsenken, die mittels Negativemissionstechnologien (NET) realisiert werden können. Die mit Abstand wirksamste und zugleich günstigste Negativemission ist die Verminderung der Emissionen, die noch immer Jahr für Jahr durch den Menschen erfolgen – genauso, wie die Energieeinsparung die günstigste Energiequelle ist. Im 1,5-Grad-Sonderbericht des Weltklimarates IPCC beinhalten alle Szenarien, die eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 °C darstellen, den Einsatz von wirklichen CO2-Senken.
Kohlenstoffsenken
Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten von Negativemissionen, darunter Aufforstung, Pyrolyse, Meeresdüngung und die kaum bekannte Pflanzenkohle. Die Kosten und Möglichkeiten der verschiedenen Negativemissionen unterscheiden sich stark voneinander. Neben exotischen Techniken stehen Möglichkeiten, die seit Langem bekannt und erprobt sind. Neben Verfahren mit kritischen oder unbekannten Nebenwirkungen stehen Verfahren mit positiven Nebeneffekten. Die frei zugängliche und aktuelle Studie „Negative emissions: Costs, potentials and side effects“ gibt einen Überblick über Kosten und Potenziale.
Lösung: Biokohle
Die weltweiten Potenziale liegen der Studie zu Folge für viele Techniken zwischen jährlich 0,5 und 5 Gigatonnen CO2. Zum Vergleich: Deutschland darf, entsprechend seinem Weltbevölkerungsanteil, in Zukunft nicht mehr als 4,2 Gigatonnen CO2 emittieren. Die Studie warnt davor, sich durch überzogene Erwartungen an Negativemissionen reichzurechnen und sich in der trügerischen Sicherheit zu wiegen, Negativemissionen könnten Emissionsminderungen ersetzen oder gar überflüssig machen.
Pflanzenkohle lässt sich einfach, kostenfrei und ohne technische Gerätschaften herstellen: Dieses Beispiel zeigt die Oberfläche eines mit einer Schaufel rund 90 cm tief in die Erde gegrabenen Trichters zur Pflanzenkohleherstellung.
Drei Kohlenstoffsenken erscheinen besonders erfolgversprechend: Aufforstung von Wäldern, Pflanzenkohle und Humusaufbau: Alle drei Techniken haben großes Potenzial, geringe Kosten, geringes Risiko und sind gut erprobt. Und alle drei Techniken haben positive Umweltwirkungen, über die CO2-Bindung hinaus. Deshalb handelt es sich um sogenannte no-regret-Techniken, bei denen man nichts falsch macht.
Kohle-Emissionen-Kohle
Auch die fossile Kohle ist aus Pflanzenresten entstanden. Vor vielen Millionen Jahren wurde pflanzlicher Kohlenstoff unter Luftabschluss gebunden und im Boden als Kohle gespeichert. Wenn wir diese Kohle ausgraben und verbrennen, wird das vor Millionen Jahren der Atmosphäre entzogene CO2 wieder freigesetzt. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt an. Und die Erde erwärmt sich in der Folge.
Um das Klima zu stabilisieren, müssen wir, statt fossile Kohle zu verbrennen, das CO2 aus der Atmosphäre in Pflanzenkohle verwandeln. Die gute Nachricht ist: Die Natur hilft uns dabei! Pflanzen wachsen, indem sie der Atmosphäre CO2 entziehen. Werden diese Pflanzen unter Luftabschluss zersetzt, dann entsteht Pflanzenkohle. Pflanzenkohle ist umso dauerhafter, je höher der Druck und die Temperaturen sind, unter denen sie entsteht. Wenn wir Pflanzenmaterial in Pflanzenkohle umwandeln, entziehen wir es dem Zugriff der Mikroorganismen, die auf dem Komposthaufen oder im Waldboden durch Zersetzungsprozesse wieder CO2 oder Methan erzeugen. Zwei Drittel der durch Fotosynthese akkumulierten Energie wird in der entstehenden Pflanzenkohle gespeichert. Sie ist sehr porös und hat dadurch eine gewaltige Oberfläche, in der sich Nährstoffe und Mineralien einlagern können. Wird diese Pflanzenkohle zur Düngung in landwirtschaftliche Böden eingearbeitet, bleibt ein Anteil von über 80 Prozent des Kohlenstoffes für mehr als 1000 Jahre stabil gebunden. Diese Düngung nennt sich „Terra Preta“.
Bewährte Technik
Die Nutzung von Pflanzenresten ist der Menschheit seit mindestens fünf Jahrtausenden bekannt: Schon Ötzi hatte in Pflanzenharz getränkte Pfeile bei sich. Kohlemeiler brannten im Mittelalter in den Wäldern. Die Umwandlung verbraucht noch nicht einmal Energie, sondern liefert die benötigte Prozessenergie sogar selbst. Pflanzenkohle lässt sich auf zwei Wegen herstellen: Durch Pyrolyse oder durch hydrothermale Karbonisierung. Eine Pyrolyse bei Temperaturen ab 400 Grad Celsius ergibt sehr stabile Kohlen. Der Vorteil der Pyrolyse ist, dass sie technisch sehr einfach ist und fast ohne Hilfsmittel auskommt. Der Nachteil ist, dass sie nur funktioniert, wenn das Pflanzenmaterial sehr trocken ist. Wenn der Wasseranteil zu hoch ist, ist sehr viel Energie zur Trocknung erforderlich und die benötigten Temperaturen können nicht erreicht werden. In dem Fall bietet sich das zweite Verfahren an: Die Hydrothermale Karbonisierung (HTC). Dabei arbeitet man unter Zugabe von Wasser unter Drücken von rund 20 bar und Temperaturen von 180 °C.
Kon-Tiki-Trichter aus Edelstahl mit 45 Liter Brennraumvolumen, Grillrost und komfortabel bedienbarem Ablasshahn für das Ablöschwasser sind ab rund 780 Euro in Deutschland erhältlich.
Jedermann-Anlagen
Das Schöne an der Pflanzenkohle: Sie lässt sich auch ohne jede große Investition und allein mit Baumarktmaterialien herstellen. Die wohl ursprünglichste und kostengünstigste „Anlage“ zur Herstellung von Pflanzenkohle ist die Bodengrube – auch „Erd-Kon-Tiki“ genannt. Diese lässt sich in einer Stunde nur mit einer Schaufel und natürlichen Materialien bauen. Wer lieber auf eine fertige Technologie zurückgreifen möchte, kann ab rund 300 Euro eine manuelle Kleinanlage wie die „Pyro – Bene“ Tonne mit 12 Liter Brennraum aus Edelstahl oder etwa viermal so große Kon-Tikis ab etwa 700 Euro erwerben. In einem Kessel wird Biomasse unter Luftausschluss verkohlt und zum richtigen Zeitpunkt abgelöscht – so erhält man hochwertige Pflanzenkohle. Das sauber abbrennende Gas kann gleichzeitig zum Erhitzen von Wasser, Kochen oder Grillen verwendet werden. Der Stahl-Kon-Tiki wurde 2014 von Hans-Peter Schmidt und Paul Taylor entwickelt. Seither hat das Ithaka Institut die Bauanleitung frei zur Verfügung gestellt. Der kostengünstige und robuste Kon-Tiki kann dank seines geringen Gewichts nahezu überall aufgestellt werden. In einem mittelgroßen Modell kann in rund drei Stunden ein knapper Kubikmeter Pflanzenkohle hergestellt werden.
Kleine Pyrolyseöfen mit Volumina von 5 bis 15 Liter sind häufig als Holzvergaserofen mit einer Kochplatte gestaltet. Hochwertige Varianten aus Edelstahl sind ab 230 Euro erhältlich.
- Wikipedia-Artikel „Pflanzenkohle“
- Wikipedia- Artikel „Hydrothermale Karbonisierung“
- Helmholtz - UFZ (Zentrum für Umweltforschung): „Hydrothermale Carbonisierung HTC“
- Fachverband Pflanzenkohle (www.fachverbandpflanzenkohle.org): Manuelle Jedermann-Anlagen
- Tiki-Selbstbau-Video
- ithaka-Journal: „Kon-Tiki – Die Demokratisierung der Pflanzenkohleproduktion“
- ithaka institute for carbon strategies: www.ithaka-institut.org
Die negativen Nachrichten aus der Klimawissenschaft und die trostlose Verschleppung der notwendigen Klimawende durch die Politik führen zu fatalem Pessimismus und lähmen unser Handeln. Das neue Buch „The Future We Choose: Surviving the Climate Crisis“ von Christiana Figueres und Tom Rivett-Carnac ermuntert zum Optimismus. weiter lesen
Wir verantworten unsere Zukunft
Die negativen Nachrichten aus der Klimawissenschaft und die trostlose Verschleppung der notwendigen Klimawende durch die Politik führen zu fatalem Pessimismus und lähmen unser Handeln. Das neue Buch „The Future We Choose: Surviving the Climate Crisis“ von Christiana Figueres und Tom Rivett-Carnac ermuntert zum Optimismus.
Von Aribert Peters
(6. August 2020) Was das Buch besonders interessant macht, ist der Blickwinkel der beiden Autoren. Sie betrachten nicht nur den fortschreitenden Klimawandel und die Untätigkeit der politischen Entscheider weltweit, sondern ergründen die Ursachen. Christiana Figueres hat als UN-Verhandlungsleiterin das Pariser Klimaabkommen durchgesetzt und kennt damit die Wurzeln der bestehenden Probleme. Tom Rivett-Carnac ist als Umweltmanager ebenfalls ein ausgewiesener Experte und ermuntert als früherer Zen-Mönch zum Optimismus. Ihr gemeinsames Werk ist bisher nur im englischen Originaltext verfügbar. Wir haben nachfolgend für Sie die wichtigsten Darstellungen und Argumente aus dem Buch zusammengestellt und übersetzt. Die englische Originalausgabe ist im deutschen Buchhandel bestellbar.
The Future We Choose: Surviving the Climate Crisis
Christiana Figueres und Tom Rivett-Carnac
Englische Originalfassung 25. Februar 2020
240 Seiten | Knopf Verlag | ISBN: 9780525658351 | etwa 12 Euro
Wo wir stehen
Am Anfang des Buches steht eine nüchterne Analyse der Handlungsnotwendigkeiten: Bis 2050, besser noch bis 2040, müssen wir den Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre beenden. Bis 2030 müssen wir die Emissionen halbiert haben. Das ist das absolute Minimum für eine 50-prozentige Chance, die Menschheit vor dem Schlimmsten zu bewahren.
Der Klimawandel geht nicht auf einer geraden Linie: Ein bisschen mehr Emissionen bringen nicht nur ein bisschen Verschlechterung. Viele Teile des Klimasystems sind am Kippen, wie das arktische Sommereis, das Grönlandeis, die Permafrostböden oder Amazonaswälder. Wenn diese Systeme kippen, führt das zu irreparablen Schäden weltweit. Ein unkontrollierbarer Domino-Effekt der Verwüstung. Dieser Geist kann, einmal freigelassen, nicht wieder in die Flasche zurückgezwungen werden. Die Meilensteine 2030 und 2050 basieren auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Bald wird es zu spät sein.
Wohin wir gehen
Die bevorstehende Verwüstung ist immer wahrscheinlicher geworden, aber keine unumstößliche Tatsache. Die ganze Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben, wir halten den Stift noch in der Hand. Tatsächlich halten wir ihn fester als je zuvor. Die Welt, die wir jetzt gerade erschaffen, führt zu einer Erwärmung um 3 Grad Celsius, wenn die Regierungen, Unternehmen und die Menschen keine höheren Anstrengungen unternehmen. Wenn nicht einmal die Zusagen aus dem Pariser Abkommen aus dem Jahr 2015 eingehalten werden, dann ist sogar eine Erwärmung um 4 bis 5 Grad zu erwarten. Dieses Bild ist dunkel. Selbst wenn die schlimmsten Dinge erst nach 2050 passieren, wird die Misere bis dahin groß sein und wir werden in einer Welt leben, die sich beständig verschlechtert ohne eine Erholungsmöglichkeit. Wir haben unser Aussterben eingeleitet.
Unbeugsamer Optimismus
Im Zentrum des Buches steht die Kraft des Optimismus. Wenn wir vor einer komplexen Aufgabe stehen, mag es seltsam scheinen, zuerst ins eigene Innere zu schauen. Aber es ist entscheidend. Wandel ist eine zutiefst persönliche Angelegenheit. Unsere sozialen und wirtschaftlichen Strukturen ergeben sich aus unserem Denken. Ein heller Geist bringt dich voran, ohne ihn gibt es keinen Fortschritt. Buddha verstand auch, dass wir unseren Einstellungen nicht ausgeliefert sind, sondern sie selbst hervorbringen. Für die meisten von uns bedeutet das, dass wir uns selbst umprogrammieren müssen.
Hilflosigkeit allerorten
Hinsichtlich des Klimaschutzes haben sich die meisten von uns mit einer Situation der Machtlosigkeit und Hilflosigkeit abgefunden. Wir sehen, welchen Weg die Welt nimmt und wir heben die Hände über den Kopf: Es ist schrecklich und noch dazu komplex, groß und überwältigend. Wir können nichts tun, um es zu stoppen. Diese Reaktion ist nicht nur unwahr, sie ist auch verantwortungslos.
Optimismus lässt sich lernen
Wenn Sie denken, es ist zu spät, erinnern Sie sich, dass jeder kleine Bruchteil geringerer Erderwärmung einen großen Unterschied ausmacht und jede Emissionsminderung die künftigen Belastungen mindert. Wenn Sie das alles zu deprimierend finden und sich lieber auf Dinge konzentrieren, die Sie direkt beeinflussen können, erinnern Sie sich daran, dass wenn Sie sich dieser Generationsaufgabe stellen, sich Ihr Leben mit Sinn, Bedeutung und Verbindung füllt.
Wenn Ihr Kopf sagt, es sei unmöglich, die Abhängigkeit von Fossilenergien zu verringern, erinnern Sie sich daran, dass sich Großbritannien zu 50 Prozent aus sauberer Energie versorgt und Costa Rica inzwischen zu 100 Prozent sauber ist.
Wenn Ihr Kopf sagt, das politische System sei unheilbar krank, so dass man ohnehin nichts machen kann, erinnern Sie sich daran, dass das politische System auf die Ansichten von Menschen reagiert. Es gab in der Geschichte immer Menschen, die in aussichtslosen Lagen politische Änderungen herbeigeführt haben.
Wenn Ihr Kopf sagt, als Einzelner könne man doch nichts ausrichten und das eigene Verhalten spiele daher keine Rolle, erinnern Sie sich daran, dass selbst kleine Wirkungen große Änderungen herbeiführen können. Und viele kleine Aktionen können zu einer neuen Welt führen. Immer, wenn Sie sich als verantwortungsvoller Hüter dieser schönen Erde fühlen, tragen Sie zu dieser großen Änderung bei.
Positive Signale wahrnehmen
Ohne die vielen schlechten Neuigkeiten der Klimawissenschaft und der Medien zu ignorieren, können Sie sich auf die Wahrnehmung positiver Signale konzentrieren. Die Preise für Erneuerbare fallen ständig, immer mehr Länder wollen bis 2050 oder noch früher emissionsfrei sein, viele Städte verbieten Verbrennungsautos und immer mehr Geld wird in öffentliche Verkehrsmittel sowie Erneuerbare investiert. Alles das geschieht noch nicht im notwendigen Umfang. Aber es passiert.
Optimismus besteht darin, dies bewusst wahrzunehmen und damit die erwünschte Zukunft aktiv herbeizuführen.
Das Paris-Abkommen
Die Kraft des Optimismus wird in der Schilderung des Paris-Abkommens deutlich, das die Buchautorin Christiana Figueres zum Erfolg führte. Als Figueres von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Verantwortung für die internationalen Klimaverhandlungen übertragen bekam, glaubte keiner der UN-Verantwortlichen, dass ein weltweites Klimaabkommen möglich sei. Jeder dachte, das sei zu kompliziert, zu teuer und außerdem sowieso zu spät. Eine der schwersten Aufgaben bestand darin, diese negativen Meinungen zu ändern. Der erste Schritt war die eigene Haltung.
Als neugebackene Stimme des gesamten internationalen Prozesses gab sie ihre erste Pressekonferenz im fensterlosen Saal des Maritim Hotels in Bonn. Sie wurde gefragt: „Ist ein weltweites Klimaabkommen möglich?“ Sie antwortet spontan: „Nicht im Leben“, und drückte damit die Überzeugung aller Anwesenden aus. Sie erkannte diese negative Haltung als das Problem, das es zu überwinden galt. „Unmöglich“ ist kein Fakt, sondern nur eine Haltung. Sie wusste nun, dass es ihre Aufgabe war, jedermann einen Beitrag zu einer gemeinsamen Lösung zu ermöglichen. Wie das möglich sein sollte, war unklar. Aber es gab keine Alternative.
Der entscheidende Erfolgsfaktor war die ansteckende Geisteshaltung des Optimismus. Optimismus bedeutet Mut, Hoffnung, Vertrauen, Solidarität und der tiefe Glauben, dass wir Menschen einander helfen können, das Schicksal der Menschheit zu verbessern.
Es war ein unglaublicher Moment, als im Dezember 2015 das Paris-Abkommen beschlossen wurde: 5.000 Menschen sprangen auf von ihren Sitzen, klatschten, weinten, schrien, hin- und hergerissen zwischen Euphorie und Zweifel, ob das wirklich wahr sei. So viele Menschen hatten jahrelang auf diesen Moment hingearbeitet, und jetzt war es Wirklichkeit geworden.
Was Sie jetzt tun können.
Die Autoren geben in ihrem Buch abschließend konkrete Anregungen: „Das ist eine Handlungsanleitung für die wachsende Bewegung von unbeugsamen Klimaaktivisten.“
Genau jetzt
- Einen tiefen Atemzug nehmen und sich dafür entscheiden, das gemeinsam zu tun und dabei deinen Part übernehmen. Du wirst ein hoffnungsvoller Visionär der Menschlichkeit sein in diesen dunklen Tagen. Von diesem Moment an endet die Verzweiflung.
- Reduziere die durch dich verursachte Klimabelastung bis zum Jahr 2030 um die Hälfte des heutigen Wertes. Versuche 60 Prozent zu erreichen. Es wird dich nicht aufhalten, dass du noch nicht weißt, wie du das anstellen sollst. Wir lernen alle.
Heute oder Morgen
- Ernähre dich mindestens einen Tag in der Woche fleischfrei. Und entscheide dich, wie schnell du weitere Tage hinzufügen willst.
- Erzähle anderen von deinem Engagement – Personen oder sozialen Medien. Sei nicht schüchtern. Ermutige andere, dir zu folgen. Dein Beispiel wird sie motivieren.
Diesen Monat
- Finde jemand in deinem Umfeld, der politische Aktionen gegen den Klimawandel unternimmt. Mach dabei mit. Demonstriere und marschiere. Erlebe die Inspiration durch eine engagierte Gruppe, die die Welt ändern will.
- Pflanze Bäume. So viele wie du kannst. Suche eine örtliche Gruppe, die Bäume pflanzt.
- Unterhalte dich mit jemandem, der nicht aktiv im Kampfe gegen den Klimawandel engagiert ist und versuche seine Sichtweise zu verstehen.
- Entscheide über dein Engagement. Was genau willst du dieses Jahr noch tun? Wie willst du die beabsichtigten Änderungen in Angriff nehmen?
- Beginne mit Achtsamkeitsübungen oder Atemübungen. Mache das jeden Tag für ein paar Minuten. Bringe Licht zwischen dich, die Welt und deine Reaktionen.
- Prüfe dein Verbrauchsverhalten. Was hast du gekauft und wie viel Freude hat es dir gebracht. Hinterfrage deine Kaufimpulse und spüre, wie befreiend es ist, weniger zu kaufen.
Vorstellung des Weltklimarat (IPCC), seine Arbeitsweise und seine wichtigsten Ergebnisse weiter lesen
Der Weltklimarat und der Klimawandel
Die Jugendbewegung „Fridays for Future“ und nahezu alle Klimaschutzorganisationen sind sich einig: Die Politik muss den Erkenntnissen der Wissenschaft folgen! Aber wer ist „die Klimawissenschaft“? Aribert Peters stellt Ihnen den Weltklimarat (IPCC), seine Arbeitsweise und seine wichtigsten Ergebnisse vor.
Von Aribert Peters
(3. August 2020) Bei der Zusammenfassung der Erkenntnisse zum Klimawandel leistet der „Weltklimarat“ der Vereinten Nationen (UN) eine entscheidende und unverzichtbare Arbeit. Der offiziell als „Intergovernmental Panel on Climate Change“, kurz IPCC, bezeichnete Ausschuss des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) ist keine neue Erfindung. Er besteht bereits seit dem Jahr 1988 und erhielt im Jahr 2007 den Friedensnobelpreis.
Der IPCC ist eine wissenschaftliche und politische Institution zugleich. Sein Auftrag ist es, den politischen Entscheidungsträgern den Stand der weltweiten wissenschaftlichen Forschung zum Klimawandel zusammenzufassen und aus wissenschaftlicher Sicht zu bewerten, ohne konkrete Handlungsempfehlungen zu geben. Die IPCC-Berichte werden vom IPCC-Plenum beschlossen, das mit von den einzelnen Regierungen nominierten Experten besetzt ist. Die Berichte sind das Ergebnis eines langen Diskussionsprozesses. Jeder Fachwissenschaftler, gleich welcher Nationalität, kann sich an dem zweistufigen Review-Prozess für neue Berichte beteiligen. Die zehntausenden Kommentierungen werden von hunderten „Editoren“ zusammengefasst und eingearbeitet. So habe auch ich selbst als Reviewer den derzeit in Abstimmung befindlichen 6. Sachstandsbericht „AR6“ des IPCC kritisch kommentiert.
Ein kurzer Blick zurück
Im Jahr 1983 führten Umwelt- und Klimaprobleme zur Gründung der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, geleitet von der norwegischen Politikerin Gro Harlem Brundtland. Diese sogenannte „Brundtland-Kommission“ gab mit ihrem ersten Bericht im Jahr 1987 den Anstoß für die Einrichtung eines Weltklimarates.
Anderthalb Jahre später im Jahr 1988 wurde der IPCC gegründet. Er sollte die Forschungsergebnisse zur Klimaforschung zusammenfassen und klären, welche Gefahren vom Klimawandel ausgehen und wie die Menschheit darauf reagieren kann. Schon in seinem ersten Bericht im Jahr 1990 bestätigte der IPCC den menschlichen Einfluss auf das Klima.
Die Erkenntnisse aus diesem ersten Bericht gaben den Anstoß zur ersten Umweltkonferenz im Jahr 1992. In Rio de Janeiro verständigten sich die teilnehmenden 190 Staaten auf ein „Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung der Erde“ sowie die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC), um gefährliche menschengemachte Störungen künftig zu verhindern. Man vereinbarte damals zudem, dass sich die Unterzeichnerstaaten jährlich einmal zu einer „Vertragsstaatenkonferenz“ genannten Klimakonferenz (englisch „Conference of Parties“, kurz COP) treffen. Auf der dritten Konferenz in Kyoto im Jahr 1997 einigte sich die Staatengemeinschaft im sogenannten Kyoto-Protokoll darauf, dass die 36 Industriestaaten ihre Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2008 um 5,2 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 mindern müssen.
Das Übereinkommen von Paris
Auf der 20. Vertragsstaatenkonferenz in Paris wurde im Jahr 2015 beschlossen, dass die globale Erwärmung bis zum Jahr 2050 unter zwei Grad und möglichst sogar unter 1,5 Grad bleiben sollte, keinesfalls aber zwei Grad überschreiten dürfe. 195 Staaten unterzeichneten den Vertrag, auch China und die USA. Die von den beteiligten Staaten bisher geplanten Emissionsminderungen reichen jedoch – selbst, wenn sie allesamt auch tatsächlich umgesetzt würden – bei weitem nicht aus, um diese Paris-Ziele zu erreichen. Die Webseite „Climate Action Tracker“ fasst dies anschaulich zusammen.
Der von der EU-Kommission im Dezember 2019 vorgelegte Green Deal sieht darüber hinaus vor, dass die EU bis zum Jahr 2050 die Netto-Treibhausgasemissionen auf null reduziert. Bis 2030 sollen die Emissionen um 50 bis 55 Prozent, statt wie bisher geplant um 40 Prozent, gegenüber 1990 vermindert werden. Dieses Ziel verfolgt auch das deutsche Bundes-Klimaschutzgesetz. Über die Fortschritte der Mitgliedsstaaten berichten die nationalen Energie- und Klimapläne (NECPs), die von der EU gesammelt und veröffentlicht werden. Die EU-Kommission hat zudem im März 2020 unter dem Oberbegriff eines „Europäischen Klimagesetzes“ den Entwurf für eine EU-Verordnung vorgelegt, mit der diese Ziele verbindlich festgeschrieben werden sollen.
Der Weltklimarat im Detail
Kommen wir zurück zum IPCC: Der Weltklimarat residiert seit seiner Gründung im Jahr 1988 in Genf in der Schweiz. Seine Mitglieder sind die UN-Mitgliedsstaaten. Vertreter aller Regierungen bilden das IPCC-Plenum, das den 34-köpfigen Vorstand und dessen Vorsitzenden wählt. Das Plenum entscheidet über die Themen der Berichte des IPCC und verabschiedet deren Zusammenfassungen Satz für Satz. Deshalb haben die Aussagen des IPCC politisch und wissenschaftlich großes Gewicht.
Die mit etwa 50 Personen besetzte Geschäftsstelle und das Sekretariat in Genf unterstützen die Arbeit des IPCC sowie seiner Arbeits- und Projektgruppen. Für die Erarbeitung der IPCC-Berichte schlagen die Regierungen und die Beobachterorganisationen Experten vor, die vom IPCC-Vorstand ausgewählt werden.
Die Regierungen der Mitglieder des Weltklimarates haben in der Regel jeweils eine nationale IPCC-Kontaktstelle benannt. In Deutschland ist dies das Bundesumweltministerium (BMU). Die Kontaktstelle nominiert wiederum die jeweiligen nationalen Wissenschaftler und organisiert die Kommentierung der Berichtsentwürfe von Seiten der Mitgliedsstaaten. Die deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, angesiedelt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), ist Ansprechpartner für Regierung, Öffentlichkeit, Medien und Wissenschaft in Deutschland.
Finanzierung des IPCC
Die Wissenschaftler werden von ihren jeweiligen Instituten für die IPCC-Arbeit freigestellt oder arbeiten ehrenamtlich. Die Geschäftsstellen der Arbeitsgruppen werden vor allem von den Ländern bezahlt, die sie beherbergen. Für die Reisekosten von Experten aus Entwicklungsländern gibt es einen Treuhandfonds. Das Sekretariat des IPCC wird von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) getragen.
Staatlich oder lobbygesteuert?
Die Verfahren und Strukturen des IPCC geben Hinweise darauf, wie die IPCC-Berichte zustande kommen und zu bewerten sind. Am jährlichen IPCC-Plenum nehmen nicht nur die stimmberechtigten Mitgliedsstaaten teil, sondern auch anerkannte Beobachter, die von Beobachtungsorganisationen entsandt werden, sowie selbstverständlich auch die Experten und Wissenschaftler des IPCC-Vorstandes. Die Beobachter dürfen auch an den meisten Beratungen der Arbeitsgruppen teilnehmen.
Alle federführend am Bericht beteiligten Autoren und Vorstandsmitglieder müssen bestätigen, dass sie keine Interessenkonflikte haben, die ihren Beitrag zum Bericht beeinflussen könnten.
Viele gemeinnützige Umweltorganisationen haben beim IPCC einen Beobachterstatus. In der großen Mehrzahl handelt es sich um Forschungsinstitute und nichtstaatliche Umweltorganisationen (NGOs). Aber auch Industrielobbyorganisationen finden sich in der Liste, darunter der Aluminiumhersteller-Lobbyverband „International Aluminium Institute“ (IAI), die „International Air Transport Association“ (IATA) und das „World Coal Institute“ (WCI) – der Lobby-Klub der weltweiten Kohleindustrie. Eine Liste zeigt transparent alle offiziellen „Beobachter“.
Berichte des IPCC
Das wesentliche Arbeitsergebnis des IPCC sind die von ihm erarbeiteten Sachstandsberichte. Sie fassen weltweit den aktuellen Wissensstand zum Klimawandel zusammen. Sehr nützlich sind die einfach formulierten „Häufig gestellten Fragen“ (FAQ) zu jedem Bericht und die vom deutschen Verbindungsbüro veröffentlichten deutschen Übersetzungen.
Der IPCC hat bisher fünf umfangreiche Sachstandsberichte sowie zahlreiche Sonderberichte verfasst, die jeweils aus drei Kapiteln und mehreren tausend Seiten bestehen. War der menschliche Einfluss auf das Klima im ersten Bericht im Jahr 1992 noch eine Vermutung, so ist er nunmehr eine gut gesicherte Tatsache. Die Temperaturerhöhungen sind in allen Regionen der Erde messbar und übersteigen die jährlichen Temperaturschwankungen signifikant. Der sechste Bericht (AR6) soll in den Jahren 2021 bis 2022 erscheinen.
Hört auf die Wissenschaft!
Die IPCC-Berichte geben den breiten Konsens der Klimawissenschaft wieder. Die Forderung von „Fridays for Future“ sowie nahezu allen anderen Klimaschutzorganisationen, auf die Wissenschaft und damit zumindest auf den Minimalkonsens des IPCC zu hören, verleiht den IPCC-Berichten besondere politische Bedeutung. Umso erstaunlicher ist es, dass die Klimapolitik der meisten Länder noch weit davon entfernt ist, die Konsequenzen aus den sogar nur vorsichtigen IPCC-Schlussfolgerungen zu ziehen.
Aus einer Reihe von Gründen neigen nämlich viele Klimawissenschaftler und auch der IPCC dazu, die Geschwindigkeit und die Folgen des Klimawandels zu verharmlosen. Dies haben Stephan Lewandowski und Naomi Oreskes analysiert. Unter anderem reagiert die Klimawissenschaft auf die Klimaleugner durch Rückzug auf stark gesicherte Aussagen.
In etlichen wissenschaftlichen Untersuchungen wird dargestellt, dass der Klimawandel deutlich rascher ablaufen könnte, als vom IPCC beschrieben. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Kipppunkte des Klimas und die Rückkopplungsmechanismen des Klimasystems (siehe „Es wird eng für uns Menschen“). Sie sind mit besonderen Unsicherheiten behaftet und werden in den IPCC-Berichten und auch den Klimamodellen nur unzureichend berücksichtigt. Diese Bewertung teilt auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Herausragende Erkenntnisse
Aus dem Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme (SRCCL): „Seit der vorindustriellen Zeit ist die Lufttemperatur über der Landoberfläche beinahe doppelt so stark angestiegen wie die globale Durchschnittstemperatur. Nämlich um 1,53 Grad beim Vergleich der Mittelwerte der Zeiträume 2006 bis 2015 mit dem Zeitraum zwischen 1850 und 1900. Diese Erwärmung hat zu häufigeren und intensiveren Klima- und Wetterextremen wie Trockenheit und Starkregen in vielen Regionen geführt.“
Aus dem Sonderbericht Ozean und Kryosphäre (SROCC): „Es ist praktisch sicher, dass sich der globale Ozean seit 1970 ungemindert erwärmt hat und mehr als 90 Prozent der zusätzlichen Wärme im Klimasystem aufgenommen hat. Seit 1993 hat sich die Geschwindigkeit der Ozeanerwärmung mehr als verdoppelt.“
Aus dem Sonderbericht 1,5 °C globale Erwärmung (SR1.5): „Das verbleibende CO2-Budget für eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, die Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, liegt bei 580 Gigatonnen CO2 und für eine 66-prozentige Wahrscheinlichkeit bei 420 Gigatonnen CO2.“ Diese Zahlen sind mit Unsicherheiten behaftet und berücksichtigen keine Rückkopplungen wie beispielsweise durch auftauende Permafrostböden – auch diese Prognoserisiken macht der Bericht transparent.
Aus dem Fünften Sachstandsbericht (AR5): „Menschliche Aktivitäten haben etwa 1,0 °C globale Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau verursacht, mit einer wahrscheinlichen Bandbreite von 0,8 °C bis 1,2 °C. Die globale Erwärmung erreicht 1,5 °C wahrscheinlich zwischen 2030 und 2052, wenn sie mit der aktuellen Geschwindigkeit weiter zunimmt. Die geschätzte anthropogene globale Erwärmung nimmt derzeit aufgrund von vergangenen und aktuellen Emissionen pro Jahrzehnt um 0,2 °C zu.“
Die kommenden Jahrzehnte
Der IPCC geht von einer linearen Beziehung zwischen der Summe aller menschengemachten CO2-Emissionen und dem weltweiten Temperaturanstieg aus und sieht hier eine Ursache-Wirkung-Beziehung: Die Erderwärmung der künftigen Jahrzehnte hängt von den künftigen Emissionsmengen ab. Der Fünfte Sachstandsbericht schreibt dazu: „Die kumulativen CO2-Emissionen bestimmen weitgehend die mittlere globale Erwärmung der Erdoberfläche bis ins späte 21. Jahrhundert und darüber hinaus. Die meisten Aspekte des Klimawandels werden für viele Jahrhunderte bestehen bleiben, auch wenn die Emissionen von Treibhausgasen gestoppt werden. Dies bedeutet einen unabwendbaren Klimawandel von beträchtlichem Ausmaß über mehrere Jahrhunderte hinweg, der durch vergangene, gegenwärtige und zukünftige Emissionen von CO2 verursacht wird.“
Wie sicher sind die Prognosen?
Die IPCC-Berichte bieten eine Darstellung des bereits erfolgten Klimawandels. Daraus lassen sich die wahrscheinlichen Entwicklungen der kommenden Jahre ablesen. Je weiter man in die Zukunft schaut, um so unsicherer werden die Voraussagen und umso stärker hängen sie von unseren weiteren Emissionen ab.
Oft wird die Wahrscheinlichkeit einer Vorhersage verwechselt mit der Sicherheit, mit der diese Vorhersage gemacht wird. Die Wahrscheinlichkeit, beim Würfeln eine Sechs zu erwürfeln ist ein Sechstel. Obwohl das genau bekannt ist, kann man das Ergebnis eines künftigen Würfelwurfs nicht genau vorhersagen, sondern nur mit einer (genau bekannten) Wahrscheinlichkeit. Die IPCC-Berichte unterscheiden zwischen der Wahrscheinlichkeit einer Aussage (beim Würfeln: ein Sechstel) und der Sicherheit, mit der diese Aussage getroffen wird, also das Vertrauen in die Aussagekraft eines Befundes. Dass man mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Sechstel eine Sechs würfeln wird, wäre beispielsweise „praktisch sicher“.
Auch wenn mit einer 66-prozentigen Wahrscheinlichkeit der Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius bleibt, ist das Risiko von einem Drittel für ein Überschreiten nicht besonders beruhigend, wenn man die dramatischen Folgen einer solchen Überschreitung betrachtet. Ein Aufzugsseil muss auf das Zwölffache der maximalen Last ausgelegt sein. Ein Flugzeug, das nur mit einer 66-prozentigen Chance nicht abstürzt, würde auch keiner besteigen. Beim Klima scheint hingegen selbst eine 33-prozentige Chance, dass die Menschheit überlebt, akzeptabel zu sein.
Den Unterschied zwischen den Folgen einer 1,5-Grad-Erwärmung und einer 3-Grad-Erwärmung kann man auf der Webseite „Carbonbrief“ für alle Regionen der Welt ansehen.
Zusammenfassung
Alle Berichte des IPCC belegen, dass es allerhöchste Zeit ist für eine Verminderung der Treibhausgasemissionen. Die bereits unübersehbaren menschenverursachten Klimaveränderungen werden sich fortsetzen und zu einer weiteren Erderwärmung sowie einer nicht umkehrbaren weltweiten Klimaveränderung führen. Wie schlimm diese Zukunft sein wird, hängt entscheidend von den Emissionsmengen der kommenden 10 bis 20 Jahre ab. Ich schließe daher mit einem Zitat von Chemienobelpreisträger und Entdecker des Ozonlochs Sherwood Rowland: „Wozu ist die Entwicklung wissenschaftlicher Vorhersagen nütze, wenn wir am Ende nichts anderes machen, als dabei zuzusehen und zu warten, bis die Vorhersagen eingetroffen sind?“
Exkurs: Klimamodelle
Mit dem Klima kann man, anders als in vielen Naturwissenschaften üblich, nicht experimentieren. Um also herauszufinden, welches Klima wir auf der Erde ohne menschliche Treibhausgase hätten oder wie das Klima in 10 bis 20 Jahren aussieht, muss man Berechnungen mit sehr umfangreichen Computermodellen anstellen. Ein Klimamodell arbeitet ähnlich wie eine Wettervorhersage. Teilweise werden sogar dieselben Algorithmen verwendet. Statt über 14 Tage werden mit Klimamodellen jedoch hunderte oder sogar tausende Jahre vorausberechnet.
Zur Verbesserung der Modelle wurde im Jahr 1980 das Weltklimaforschungsprogramm („World Climate Research Programm“, kurz WCRP) gegründet. Es wird getragen von der Weltklimaorganisation und dem Weltsozialrat, unterstützt von der Internationalen Ozeanografischen Kommission der UNESCO. Das Programm finanziert und koordiniert den weltweiten Austausch von Ergebnissen der Klimaforschung. Die Ergebnisse des Weltklimaforschungsprogramms sind ein wesentlicher Input für die IPCC-Berichte.
Die Modelle decken inzwischen die ganze Erdoberfläche mit einer räumlichen Auflösung zwischen 200 und 10 Kilometer ab. Auch die Meere bis in die Tiefe und die höheren Luftschichten werden abgebildet. Die physikalischen Prozesse von Wärmeleitung, Verdunstung, Strahlung sowie CO2-Emission und Absorptionen werden von den Modellen nachgerechnet. Es ist sogar schon gelungen, über mehrere Millionen Jahre im Nachhinein die Entstehung der Zwischeneiszeiten nachzuverfolgen, die sich aus den Schwankungen der Erdumlaufbahn und der Sonnenstrahlung über lange Zeiträume ergeben haben. Andererseits ist die Abbildung von Klimakipppunkten in den Modellen bisher nur unzureichend gelungen.
Es gibt inzwischen weltweit rund 100 etablierte Klimamodelle. Vier davon stammen aus Deutschland: vom Alfred-Wegner-Institut Helmholtz-Zentrum (AWI), vom Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ), vom Deutschen Wetterdienst (DWD) und vom DLR. Sie werden im Rahmen eines WCRP-Projektes überprüft und auf den Teststand gestellt, indem man sie mit denselben Daten füttert und dann die Ergebnisse vergleicht. Die Modelle rechnen hypothetische Situationen durch, wie beispielsweise einen Vulkanausbruch, eine plötzliche Vervierfachung der CO2-Konzentration oder eine jährliche Erhöhung der CO2-Konzentration um 1 Prozent. Die Ergebnisse sind ein wichtiger Input für den sechsten Bericht des IPCC.
Eine wichtige Kenngröße von Klimamodellen ist die errechnete Klimasensibilität („Equilibrium Climate Sensitivity“, kurz ECS). Bisher ging man mit einer Unsicherheit von rund 1,5 Grad davon aus, dass eine Verdopplung der CO2-Menge in der Atmosphäre eine Erwärmung von 3,8 Grad zur Folge haben müsste. Nach einer Auswertung der aktuellen Modelle liegt die Klimasensitivität der meisten Modelle jedoch bei mehr als 4,5 Grad, also deutlich höher als bisher angenommen. Das deutet auf eine höhere Klimaempfindlichkeit hin. Ob es zu einer Verdopplung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre gegenüber der vorindustriellen Zeit kommt, hängt von den Emissionen der kommenden Jahre ab. Läuft alles so wie bisher, so ist das verheerende Ergebnis klar vorgezeichnet.
Es wird immer offensichtlicher: unser politisches System reagiert nicht angemessen auf die Klimabedrohung. Die Zivilgesellschaft nimmt dies nicht weiter hin und sammelt sich in neuartigen und ganz unterschiedlich ausgestalteten Protestbewegungen parallel zu den etablierten Parteiapparaten. weiter lesen
Neue Formen des Klimaprotestes
Es wird immer offensichtlicher: unser politisches System reagiert nicht angemessen auf die Klimabedrohung. Die Zivilgesellschaft nimmt dies nicht weiter hin und sammelt sich in neuartigen und ganz unterschiedlich ausgestalteten Protestbewegungen parallel zu den etablierten Parteiapparaten.
Von Aribert Peters und Louis-F. Stahl
(18. März 2020) Bei der Übergabe eines Briefes an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier als Höhepunkt einer Klimademo vor gut einem Jahr wollte dieser sich als Kohleausstiegsminister feiern lassen. Doch eine Schülerin brachte das auf den Punkt, was tausende Demonstranten dachten: „Sie sind ein Teil unseres Problems, weil Sie nicht für die Menschen oder den Planeten arbeiten, sondern für die Industrie.“ Der zufällig in einem Video aufgefangene Kommentar des Ministers zu seinen Mitarbeitern, bevor er die Bühne unter Buhrufen verlassen musste: „Das war ne Scheißidee!“
Die Reaktion auf eine Politik der kurzfristigen Lösungen im Sinne der Industrie ist die Bildung von neuen Protestbewegungen mit ganz unterschiedlichen Protestformen. Sie fordern sofortige Reaktionen, die sich ohne weitgehende Änderungen in Wirtschaft und Gesellschaft nicht realisieren lassen. Die Mittel der Aktivisten reichen von klassischen Demonstrationen über Klimastreiks bis hin zu zivilem Ungehorsam und gewaltfreiem Widerstand.
Wir führen nachstehend die bekanntesten Gruppierungen auf, ohne die vielen nicht genannten Gruppen abwerten zu wollen:
Fridays for Future (FFF) ist der Name der von Greta Thunberg im August 2018 initiierten Klimastreikbewegung von SchülerInnen und Studierenden, die sich sehr schnell verbreitet hat und zum ersten weltweit organisierten Klimastreik am 15. März 2019 rund 1,8 Millionen Menschen mobilisieren konnte.
Um die SchülerInnen und Studierenden herum haben sich mit der von rund 30.000 Klimaforschern organisierten Bewegung Scientists for Future (S4F), der Elternbewegung Parents for Future, der Künstlerbewegung Artists for Future und der antikapitalistischen Change for Future zahlreiche spezialisierte Unterstützerkreise entwickelt.
Extinction Rebellion (XR), übersetzt „Rebellion gegen das Aussterben“, geht mit ihren Aktionen über klassische Demonstrationen hinaus, da diese von der Politik ignoriert werden. Die im Oktober 2018 in Großbritannien gegründete Umweltschutzbewegung setzt auf Aktionen des gewaltfreien, aber radikalen zivilen Ungehorsams, um die Politik zum Handeln zu zwingen. Die geschätzt 100 Ortsgruppen in Deutschland handeln autonom und selbstorganisiert. Die Aktivisten haben sich den drei Forderungen „Sagt die Wahrheit“, „Handelt jetzt“ und „Politik neu leben“ sowie zehn Prinzipien und Werten der Bewegung verschrieben.
Die Anti-Atom- und Anti-Kohlekraft-Bewegung Ende Gelände ist ein europaweites Bündnis mit rund 60 lokalen Gruppierungen in Deutschland, die Klimacamps, Waldbesetzungen, beispielsweise zum Erhalt des Hambacher Forstes, sowie auch Besetzungen von Kohlekraftwerken organisiert.
Klassisch organisiert wollen unter anderem die Vereine German Zero e.V. und CO2-Abgabe e.V. ihre Forderungen durchsetzen. Der Ansatz von German Zero ist die Erstellung eines Gesetzes, dass Deutschland verpflichtet, bis spätestens zum Jahr 2035 klimaneutral zu werden. Der Verein für eine nationale CO2-Abgabe konzentriert sich auf die Forderung der Einführung dieses Instrumentes zur Wirtschaftslenkung.
Einen anderen Ansatz verfolgen Klimaklagen gegen die Klima-Ignoranz zahlreicher Regierungen. Die Kläger tragen vor, dass grundlegende und verfassungsmäßig verbriefte Menschenrechte verletzt werden. Gerichte sollen Regierungen zum Handeln zwingen. Darauf zielen zahlreiche Klagen, beispielsweise durch vom Klimawandel betroffene Bauern und Fischer. Sie werden unterstützt durch etablierte Organisationen wie Greenpeace, aber auch von selbst klagebefugten Umweltverbänden wie der Deutschen Umwelthilfe.
Hausfriedensbruch notwendig und angemessen
Rund zwei Dutzend Aktivisten der kleinen Klimajugendbewegung Lausanne Action Climat (LAC) veranstalteten im November 2018 in der Schalterhalle einer Filiale der Bank Credit Suisse in Lausanne ein symbolisches Tennismatch. Mit ihrem Protest wollten die Jugendlichen darauf aufmerksam machen, dass die Credit Suisse stark in den Raubbau fossiler Brennstoffe investiert und damit in den Klimawandel involviert ist und das sportliche Saubermann-Image ihres Markenbotschafters und Tennisstars Roger Federer darüber nicht hinwegtäuschen solle.
Gegen zwölf Demonstranten stellte die Bank Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Überraschend wurden alle Aktivisten vom Lausanner Bezirksgericht freigesprochen. Das Gericht befand am 13. Januar 2020, dass die Aktivisten im Hinblick auf den Klimawandel wegen eines „rechtfertigenden Notstandes“ vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freizusprechen seien. Das Verhalten der Jugendlichen sei angesichts der Klimakatastrophe „notwendig und angemessen“ gewesen, so das Gericht.
Klimaleugner haben die Oberhand. Sie verhindern mit Falschinformationen und Verharmlosungen eine dringend notwendige Politik, die den Klimawandel dämpft. Das Überleben der Menschheit steht auf dem Spiel. Eine Wende wäre noch möglich. weiter lesen
Es wird eng für uns Menschen
Klimaleugner haben die Oberhand. Sie verhindern mit Falschinformationen und Verharmlosungen eine dringend notwendige Politik, die den Klimawandel dämpft. Das Überleben der Menschheit steht auf dem Spiel. Eine Wende wäre noch möglich.
Fakten und Überlegungen von Aribert Peters.
(14. März 2020) Neue Windkraftanlagen werden in Deutschland seit einem Jahr kaum noch errichtet. Der Deckel für den Photovoltaikausbau wurde bisher nicht aufgehoben. Wer selbst erneuerbaren Strom dezentral erzeugen und gemeinschaftlich nutzen möchte, wird mit Auflagen, Abgaben und Umlagen behindert (siehe „Auf dem Weg zum Prosumer“). Die Photovoltaikfabriken sind bereits Ruinen, die Windbranche liegt im Sterben, aber mit Datteln 4 geht im Jahr 2020 in Deutschland ein neues Kohlekraftwerk ans Netz. Die Klimaneutralität ist auf 2050 vertagt.
Offensichtlich haben die Klimaleugner in der Politik die Oberhand. Die Wissenschaft dagegen ruft den globalen Klimanotstand aus, der zu sofortigem Handeln zwingt. Die Kluft zwischen Einsicht und Handeln wird für unsere Gesellschaft und unsere Spezies gefährlich groß.
Konkrete Klimafakten
Zunächst einige Fakten. Beginnen wir mit dem heute bereits Beobachtbaren:
- Durch die Sonnenstrahlung gelangt viel Energie auf die Erde, je Quadratmeter 300 Watt in unseren Breiten – gut für Solaranlagen, schlecht fürs Klima.
- Die globale CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist in den letzten 150 Jahren von 280 auf über 415 ppm angestiegen und steigt beschleunigt weiter an.
- Weltweit wurde im Jahr 2018 mehr CO2 emittiert als jemals zuvor.
- Durch die höhere CO2-Konzentration in der Atmosphäre wird die Wärmestrahlung von der Erde in den Weltraum gebremst. Die Energiebilanz ist gestört und die Erde wärmt sich ständig weiter auf. Die diesem Sachverhalt zugrundeliegende Physik ist seit dem Jahr 1824 bekannt und empirisch vielfach bestätigt.
- Die globale Temperatur ist weltweit gegenüber der vorindustriellen Zeit um 1 °C angestiegen und steigt beschleunigt weiter an.
- Naturkatastrophen nehmen durch die Erderwärmung deutlich zu: Extremwetter, Trockenheit, Unwetter, Feuer, Korallensterben. Erhöhte Windgeschwindigkeiten und Niederschläge von tropischen Wirbelstürmen sowie Zunahmen von extremen Wellen verschärfen in Kombination mit dem Meeresspiegelanstieg Extremwasserstände und Gefahren an Küsten.
- Das Grönlandeis, das Nordmeereis, das Nordpolareis, das Südpoleis und die Gletscher schmelzen.
- Ozeane erwärmen sich und haben mehr als 90 Prozent der zusätzlichen Wärme im Klimasystem aufgenommen. Seit 1993 hat sich die Geschwindigkeit der Ozeanerwärmung mehr als verdoppelt.
- Der Golfstrom hat sich um 15 Prozent abgeschwächt.
- Die Meeresspiegel steigen weltweit mit zunehmender Geschwindigkeit an, verursacht durch abschmelzendes Eis von Nord- und Südpol, von Gletschern sowie durch die Erwärmung und Ausdehnung von Ozeanen.
- Die Permafrostböden schmelzen, und zwar schneller als vorhergesagt.
- Die Ozeane erwärmen sich wesentlich langsamer als das Land. Deshalb folgt aus einer kurzfristigen Temperaturerhöhung von zwei Grad tatsächlich eine verzögerte Erhöhung um drei bis vier Grad.
Erwartbare Entwicklungen
Die Menge an Kohlendioxid, die in den nächsten Jahren ausgestoßen wird, entscheidet darüber, wie stark sich unser Klima verändern wird. Was wir entscheiden zu tun und wie schnell wir den gemeinsamen Willen dafür aufbringen können, ist eine Ungewissheit, die alle anderen Ungewissheiten in den Schatten stellt.
Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ein Klima-Think-Tank haben ein interaktives Werkzeug programmiert, das zeigt, mit welchen Aktionen die Pariser Klimaziele doch noch eingehalten werden können.
en-roads.climateinteractive.org
Die Erde wird sich bis Ende des Jahrhunderts um 2,8 °C erwärmen, wenn die Regierungen bei ihren bisher zugesagten Emissionsminderungen bleiben. Das ist doppelt so viel, wie im Paris-Abkommen vereinbart wurde. Deutschland gehört mit seinem Klimaschutzpaket zu den 16 Ländern mit höchst unzureichenden Emissionsminderungszusagen. Dies hat der vom Bundesumweltministerium geförderte Climate-Action-Tracker (CAT) zusammengestellt (siehe auch Grafik auf Seite 14).
climateactiontracker.org
Paris-Abkommen
Der jüngste Bericht des Weltklimarates IPCC kommt zu folgenden Erwartungen für die kommenden Jahre:
- Die grönländischen und antarktischen Eisschilde verlieren mit zunehmender Geschwindigkeit an Masse.
- Der Meeresspiegel steigt weiter mit zunehmender Geschwindigkeit. Extremwasserstände, die historisch selten sind, werden bis 2050 an vielen Orten mindestens einmal pro Jahr auftreten, insbesondere in tropischen Regionen. Die zunehmende Häufigkeit von Hochwasserständen kann an vielen Orten schwerwiegende Folgen haben.
- Ozeane werden wärmer und sauerstoffärmer. Marine Hitzewellen und extreme El Niño- und La Niña-Ereignisse werden häufiger. Die thermohaline Zirkulation (globale Meeresströmungen) werden sich weiter abschwächen.
Wenn wir mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent unter einer weltweiten Temperaturerhöhung von 1,5 °C bleiben wollen, wie es das Paris-Abkommen vorsieht, dann dürfen wir nach dem jüngsten Bericht des IPCC nur noch eine beschränkte Menge an CO2 emittieren.
Fakten sind nicht verhandelbar
Greta Thunberg erklärte am 23. Juli 2019 vor der französischen Nationalversammlung: „Dieses Budget ist in 8,5 Jahren verbraucht. Viele Wissenschaftler halten diese Budgets für zu hoch, aber immerhin sind sie international anerkannt durch den IPCC: Kein Politiker hat diese Zahlen je erwähnt oder zur Kenntnis genommen. Es scheint, als würden diese Zahlen gar nicht existieren. […] So bleibt die unangenehme Aufgabe bei uns Kindern, diese Zahlen zu verkünden. Dafür werden wir gehasst, bedroht, verspottet, ausgelacht von gewählten Parlamentariern, Journalisten und Geschäftsleuten. Sie alle möchte ich fragen: Haben Sie eine andere Zahl, die uns das Klimaziel erreichen lässt? […] Wenn Sie wissen, wie bald das verbleibende CO2-Budget aufgebraucht sein wird, dass praktisch nichts getan wird und dass nicht einmal die CO2-Budgets zur Kenntnis genommen werden, dann sagen Sie mir bitte, was Sie diesbezüglich tun. […] Weit entfernt liegende Daten für CO2-Freiheit zu
verkünden, schadet mehr, als es hilft. Denn in keinem Land werden dazu konkrete Schritte unternommen. Das größte Problem ist nicht das Nichtstun, sondern Aktionen, die Änderungen vortäuschen, ohne wirklich etwas zu ändern.“
Video: Greta Thunberg speech in Assemblée Nationale
Klimaleugner und Klimaskeptiker
„Klimaleugner und eine Mehrheit von Politikern verharmlosen die Folgen der Temperaturerhöhung nach dem Motto: ‚Es wird schon nicht so schlimm werden, wir werden das schon schaffen.‘ Das ist eben leider nicht so. Wir sehen, wie dramatisch schon die Folgen der gegenwärtigen Temperaturerhöhungen sind“, so der Klimaforscher Prof. Stefan Rahmstorf in einem Video-Interview. „Der Mensch verdrängt gerne unangenehme Wahrheiten, zum Beispiel wenn ein Schuldgefühl ausgelöst wird. Oder, wenn Ohnmachtsgefühle aufkommen. ‚Dieses Problem ist so groß und unlösbar, da will ich mich lieber gar nicht damit beschäftigen. Weil ich ja gar nichts daran ändern kann‘. Und es gibt hartnäckige Leugner der Fakten, mit denen man nicht reden kann. Die meisten Menschen sind einfach nur verunsichert, sind aber grundsätzlich für Argumente offen.“
„Die Skeptiker kommen in den Medien im Vergleich zu ihrer Bedeutung in der Wissenschaft weit überproportional zu Wort. Sie werden oft auch unwidersprochen wiedergegeben und damit salonfähig gemacht. Natürlich kann jeder seine eigene Meinung haben. Aber es gibt kein Recht auf eigene Fakten. Medien sind der Wahrheit verpflichtet wie die Wissenschaft auch. Die meisten Menschen denken, die Wissenschaft sei gespalten in der Frage, ob es einen menschengemachten Klimawandel gibt. Tatsächlich sind sich 99 Prozent der Klima-forscher in dieser Frage einig. Dass dies nicht in der Öffentlichkeit ankommt, hat mit der Medienberichterstattung zu tun, die immer wieder diese Scheinkontroversen hochhält, sodass viele Menschen glauben, das sei in der Forschung noch umstritten“, konstatiert Prof. Rahmstorf.
Glaube oder Realitätsverklärung?
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am 23. Januar 2020 auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos: „Wie versöhne ich diejenigen, die an den Klimawandel einfach nicht glauben wollen, die so tun, als wäre es eine Glaubensfrage? Für mich gibt es eine völlig klare Evidenz durch wissenschaftliche Daten. Wir müssen die Fakten mit den Emotionen versöhnen.
Das setzt zumindest voraus, dass man miteinander spricht. Die Unversöhnlichkeit und Sprachlosigkeit, die zum Teil herrscht zwischen denen, die den Klimawandel leugnen und denjenigen, die ihn sehen und darum kämpfen, ihn zu beherrschen, die macht mir Sorge und die muss überwunden werden. Die Sprachlosigkeit ist größer als im Kalten Krieg.“
Damit liegt Frau Merkel richtig, auch wenn sie die mit dem Paris-Abkommen übernommenen Verpflichtungen Deutschlands ignoriert und die Auslöschung der deutschen Solarindustrie und der Windkraftindustrie zu verantworten hat.
Kipppunkte und Klimanotstand
Die Idee weltweiter Kipppunkte wurde vom IPCC schon vor 20 Jahren definiert. Diese großmaßstäblichen abrupten und nicht umkehrbaren Änderungen klimabestimmender Faktoren (kurz ‚Kipppunkte‘, englisch ‚Tipping--Points‘) wurden damals nur bei einer Erwärmung um mehr als 5 °C für wahrscheinlich gehalten. In den neuesten IPCC-Berichten wird nunmehr selbst bei einer Erwärmung zwischen 1 und 2 °C das Überschreiten von Kipppunkten für möglich gehalten. Da wir bereits heute eine Erwärmung von 1 °C beobachten und die menschenverursachten CO2-Emissionen weiter jährlich zunehmen, ist selbst das 2-Grad-Ziel nicht mehr einzuhalten.
Was also vor zwei Jahren im bekannten „Hothouse-Artikel“ noch als „Worst-Case--Szenario“ bezeichnet wurde, wurde in einem Artikel derselben Autoren vor einem Jahr schon durchaus für möglich gehalten.
Bei aller Vorsicht in den Formulierungen („könnte“, „möglicherweise“) schreiben die Autoren in der Zeitschrift Nature im November 2019: „Das weltweit verbleibende Emissionsbudget für eine 50:50 Chance, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, könnte bereits fast vollständig aufgebraucht sein“.
Das Tückische an den Kipppunkten ist, dass sich die Änderungen, einmal überschritten, nicht mehr beeinflussen oder rückgängig machen lassen. Die Prozesse verstärken und beschleunigen sich von selbst. Die Kipppunkte sind nicht unabhängig, sondern beeinflussen sich gegenseitig wie fallende Dominosteine.
Ein Beispiel: Der brennende Amazonas setzt CO2 frei, was zu einer zusätzlichen Erwärmung führt, was wiederum andere Kipppunkte wie schmelzende Permafrostböden oder Eisschmelzen beeinflusst. Das schnelle Schmelzen des grönländischen Eisschildes und die weitere Abschwächung des Golfstroms könnten den westafrikanischen Monsun destabilisieren und Dürren in der afrikanischen Sahelzone auslösen. Die Wissenschaftler sprechen von einer „globalen Kaskade“.
Handeln, statt zu zweifeln!
Weitere 30 Kippelemente mit Einfluss auf das Klima sind in der wissenschaftlichen Literatur analysiert worden. Die Wissenschaftler konstatieren dazu: „Einige Ergebnisse der neuesten Klimamodelle deuten auf eine wesentlich höhere Klimasensitivität hin als in früheren Modellen. Aus unserer Sicht deuten die Beweise aus den Kipppunkten darauf hin, dass wir uns in einem Zustand des planetarischen Notstands befinden: Sowohl das Risiko als auch die Dringlichkeit der Situation sind akut. Wir sind der Auffassung, dass die verbleibende Interventionszeit, um ein Kippen zu verhindern, bereits gegen null geschrumpft sein könnte.“ Mit anderen Worten: Sofortiges Handeln ist möglich und notwendig.
Die Sonne schickt uns genug Energie, damit wir schon bald die fossilen Energien nicht mehr brauchen. Die Sonne droht uns aber auch zu verderben, wenn wir das nicht sofort tun. Dringender denn je müssen die erneuerbaren Energien ausgebaut und die Energieeffizienz erhöht werden. Weiter wie bisher geht nicht, ist nicht akzeptabel.
Wikipedia: Leugnung der menschengemachten globalen Erwärmung
Argumente der Klimaleugner widerlegt
„Das Klima hat sich schon immer geändert“
Richtig, aber durch unser Handeln erwärmen wir das Klima in wenigen Jahren stärker, als es jemals der Fall war, seit es Menschen gibt. Und wir kippen wichtige Klimastabilisatoren, was zu gravierenden und unumkehrbaren Klimaänderungen führt, siehe Klimageschichte und unten.
„Wir können ja doch nicht schnell genug klimaneutral werden“
Falsch! Prof. Volker Quaschning dazu im Interview mit „Jung und Naiv“: „Wir kennen eine Lösung, mit der wir in 15 Jahren klimaneutral werden können. Und diese Lösung ist auch bezahlbar. Dann lasst uns doch einfach diese Lösung umsetzen.“
„Wir Deutschen können ja doch nichts ändern ohne die anderen Länder“
Richtig, aber wir müssten zumindest unsere mit dem Paris-Abkommen eingegangenen Verpflichtungen einhalten, was wir derzeit nicht tun. Und es gibt selbst unter den entwickelten OECD-Staaten 21 Länder, die mehr und teilweise auch viel mehr tun als Deutschland.
Jede freigesetzte Tonne CO2 verstärkt den Klimawandel und verursacht volkswirtschaftliche Folgekosten, deren konkrete Höhe unter Experten heftig umstritten ist. Es gibt allerdings auch Klimaschutzmaßnahmen, die unabhängig von ihrem Klimaschutzeffekt volkswirtschaftlich einen Gewinn erwirtschaften. weiter lesen
Klimaschutz zum Nulltarif
Jede freigesetzte Tonne CO2 verstärkt den Klimawandel und verursacht volkswirtschaftliche Folgekosten, deren konkrete Höhe unter Experten heftig umstritten ist. Es gibt allerdings auch Klimaschutzmaßnahmen, die unabhängig von ihrem Klimaschutzeffekt volkswirtschaftlich einen Gewinn erwirtschaften – und dennoch nicht umgesetzt werden.
Von Louis-F. Stahl
(14. Februar 2020) Selbst die klimaskeptische Expertenkommission der US-Regierung streitet den Fakt nicht ab, dass die Freisetzung von Klimagasen globale Schäden nach sich zieht und bezifferte diese Kosten auf umgerechnet rund 40 Euro pro Tonne. Die Experten des Weltklimarates kommen auf rund 170 Euro pro Tonne und das Umweltbundesamt errechnete jüngst 180 Euro pro Tonne.
Vermeidungskosten
Statt über die Folgekosten von CO2-Emissionen zu streiten, lässt sich auch berechnen, was die Vermeidung der Freisetzung einer Tonne CO2 durch Klimaschutzmaßnahmen kostet. Das Ergebnis ist verblüffend: Viele Klimaschutzmaßnahmen kosten volkswirtschaftlich betrachtet nichts, sondern haben einen positiven Effekt für die Wirtschaft. Selbst dann, wenn man die (dadurch eingesparten) CO2-Emissionen unberücksichtigt lässt. Zu diesem Ergebnis kommt eine bisher kaum beachtete Studie von Prognos und der Boston Consulting Group.
Hebelwirkung
Besonders wirksam wäre die „Verkehrsmittelverlagerung“ von der Straße auf Bahn, Binnenschiffe und Fahrräder. Allein dies würde volkswirtschaftlich, zusätzlich zur CO2-Vermeidung, rund 170 Euro pro vermiedener Tonne CO2 sparen – die Kosten für neue Infrastrukturen schon abgezogen. Weitere Maßnahmen mit sofortigem volkswirtschaftlichem Gewinn sind laut der Studie der Ausbau der Windkraft sowie Effizienzmaßnahmen in der Industrie (siehe Nummern 1 bis 9 in der Grafik).
Nulltarif
Berücksichtigt man die Folgekosten von CO2-Emissionen und rechnet diese gegen die „Vermeidungskosten“, zeigt sich, dass selbst bei konservativ angenommenen Folgekosten in Höhe von 40 Euro pro Tonne CO2 die Maßnahmen bis einschließlich Nummer 15 in der Grafik zum Nulltarif zu haben sind. Hält man die vom Weltklimarat und dem Umweltbundesamt angesetzten Folgekosten von 170 bis 180 Euro je Tonne CO2 für realistisch, dann wäre die Umsetzung aller dargestellten Maßnahmen nicht nur ein Gewinn für das Klima, sondern auch volkswirtschaftlich von Vorteil! Bleibt nur eine Frage: Wann kommt diese Information bei den politischen Entscheidern an?
Klimawandel und Energieverknappung: Zwei unentrinnbare existenzielle Herausforderungen für die Menschheit. weiter lesen
Menschheit ohne Plan(et) B
Klimawandel und Energieverknappung: Zwei unentrinnbare existenzielle Herausforderungen für die Menschheit. Doch die Menschheit bleibt untätig und alle aktuellen Anstrengungen bleiben weit hinter dem zurück, was notwendig wäre. Strategien für den Umgang mit Klimafolgen fehlen.
Von Aribert Peters
(24. Januar 2020) Der Klimawandel schreitet viel schneller voran als von der Wissenschaft bisher vorhergesagt. Der Klimawandel hat eine Eigendynamik gewonnen, die ihn unabhängig von menschlichem Zutun weiter verstärkt. Jede Gegenmaßnahme, die wir heute ergreifen, muss dieser Entwicklung Rechnung tragen und umso drastischer ausfallen. Doch unternommen wird nichts. Die menschlichen Klimagasemissionen nehmen noch rascher zu als je zuvor, in erster Linie durch fossile Energien. Es spricht daher eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine weltweite Klimakatastrophe, die das Überleben der Menschheit fraglich erscheinen lässt. Die Möglichkeit einer Klimakatastrophe, eines Zusammenbruchs der weltweiten Infrastruktur und eines Versiegens von Fossilenergien wird verdrängt. Vorkehrungen für diesen Fall werden nicht getroffen, weder intellektuell noch geistig oder gar faktisch.
Klimawandel außer Kontrolle
Der Klimawandel hat schon heute eine Intensität und eine Geschwindigkeit erreicht, die eine Eigendynamik für eine immer weitere Verstärkung geschaffen hat – weitgehend unabhängig von unseren Emissionen.
Wenn die Eisdecken an den Polen abschmelzen, wird die Sonnenstrahlung dort nicht mehr vom Eis ins All zurückreflektiert, sondern erwärmt die Pole zusätzlich. Aus einem Kühlschrank wird eine globale Heizung. Im September 2018 konnte erstmals ein Containerschiff ohne Eisbrecher das Nordpolarmeer durchqueren (siehe ED 2/2019, S. 5). Weitere Kipppunkte des Klimas sind die Tropenwälder und die Meeresströmungen. Wenn die Tropenwälder durch die weltweite Erwärmung sterben, oder wie bisher vom Menschen abgeholzt werden, dann wird sehr viel zusätzliches CO2 freigesetzt und der Klimawandel enorm beschleunigt.
Klimawissenschaft im Irrtum
Die Klimawissenschaft hat das Ausmaß und das Tempo des Klimawandels gravierend unterschätzt. Was vor 20 Jahren noch als Gefahr für das Ende dieses Jahrhunderts als möglich betrachtet wurde, ist inzwischen Tatsache. Die kanadischen Permafrostböden tauten 70 Jahre eher, als das bisher von Wissenschaftlern für möglich gehalten wurde.
Die Irrtümer der Klimawissenschaft erklären sich, so die Harvard-Professorin Naomi Oreskes, einerseits aus dem Zwang zur Einigkeit, aber auch aus einer Furcht, als Panikmacher beschuldigt zu werden und einer generellen Zurückhaltung bei Prognosen.
Besonders deutliches Symbol dieses Irrtums ist der norwegische Saatgut-Tresor. Er wurde im Jahr 2008 in einem vermeintlich absolut sicheren Gebiet gebaut, um im ewigen Eis alle Katastrophen zu überdauern. Das Eis taut nun allerdings wesentlich schneller, als man es selbst im schlimmsten Szenario für möglich gehalten hatte. Der Bunker musste aufwendig vor dem eindringenden Tauwasser seines einstigen Eisschildes gesichert werden.
Regierungen handeln unzureichend
Die menschenverursachten CO2-Emissionen steigen weltweit noch immer weiter an, statt abzunehmen. Obwohl die Gefahr des Klimawandels seit Jahrzehnten bekannt ist, haben die CO2-Emissionen seit Beginn der Weltklimakonferenzen um 50 Prozent zugenommen. Selbst bei einer Umsetzung sämtlicher Zusagen aller Staaten nach dem Paris-Abkommen werden die weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 weiter ansteigen.
Rund drei Grad und mehr sind zu erwarten. Das hat eine Untersuchung der nationalen Emissionsminderungspläne ergeben (siehe Grafik). Was das für die Erde für Folgen hat, darüber gibt es im neuen IPCC-Sonderbericht drastische Worte.
Auch für Deutschland und seine Klimapolitik sieht es nicht viel besser aus. Trotz Kohleausstieg auf dem Papier werden aktuell noch neue Kohlekraftwerke genehmigt (siehe „Datteln 4: Neues Kohlekraftwerk genehmigt“).
Die vielversprechende Solar- und Windindustrie wurde in Deutschland hingegen von der Politik sehenden Auges zerstört (siehe ED 3/2019, S. 5). Auch die aktuellen Ziele der Bundesregierung liegen weit unter dem, was zur Erreichung des weltweiten 1,5-Grad-Ziels notwendig wäre. Noch dramatischer ist die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Emissionen und den notwendigen Minderungen.
bdev.de/wasDEtunMUSS
„Was die Zukunft anbelangt, so haben wir nicht die Aufgabe, sie vorherzusehen, sondern sie zu ermöglichen.“
Antoine de Saint-Exupéry, 1948
Hunger, Armut und Gerechtigkeit
Die Klimafolgen sind schon jetzt zu spüren. Die Lebensmittelernten haben in Europa im vergangenen Jahr durch die Trockenheit um 20 Prozent abgenommen. Vier Fünftel der Emissionen werden verursacht von Ländern, die sich den Folgen des Klimawandels zunächst noch weitgehend entziehen können. Die Entwicklungsländer im Süden sind zuerst betroffen durch Hitze, Überschwemmungen und Trockenheit. Sie tragen nach Schätzungen der Weltbank 70 bis 80 Prozent der Klimafolgeschäden, die sie am wenigsten verursacht haben. Was tun wir, wenn viele hundert Millionen Menschen in ihrer Heimat nicht mehr bleiben können, weil es dort zu heiß zum Überleben ist, die Gebiete überflutet sind oder dort kein Wasser und keine Lebensmittel mehr zur Verfügung stehen?
Weltkrieg gegen Klimawandel
Der australische Klimawissenschaftler David Spratt hält weitere CO2-Emissionen für unverantwortlich: Es stehe kein weiteres „Emissionsbudget“ zur Verfügung, wenn man die weitere Erwärmung mit einer vernünftigen Erfolgsaussicht stoppen will. Spratt fordert eine Mobilisierung der gesamten Gesellschaft, ähnlich wie in einem Krieg: „Wenn wir die Klimakrise nicht lösen, werden alle übrigen Probleme der Gesellschaft irrelevant. Wenn das Schiff sinkt, geht es nur noch ums blanke Überleben. Der Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg zeigt, welche Anstrengungen nötig und möglich sind, wenn es um existenzielle Bedrohungen geht. Im Jahr 1942 haben die USA 31 Prozent, Großbritannien 52 Prozent, Deutschland 64 Prozent und Japan 33 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für den Krieg eingesetzt. Es ist die Geschichte von Fähigkeit von Gesellschaften, auf eine überwältigende Gefahr zu reagieren.“
Klimakrieg schon verloren?
Sowohl die Folgen des Klimawandels als auch des Versiegens fossiler Energien werden geleugnet, nicht wahrgenommen, nicht diskutiert. „Obwohl die meisten Menschen die Zukunft des Planeten pessimistisch sehen, geben sie dies meist nicht zu. Was würde passieren, wenn wir, statt einander zu belügen, die Wahrheit zugeben würden“, konstatiert der Schriftsteller Jonathan Franzen und bleibt skeptisch: „Eine totale Kriegserklärung gegenüber dem Klimawandel wäre nur sinnvoll, wenn dieser Krieg zu gewinnen wäre. Hat man einmal akzeptiert, dass dieser Krieg schon verloren ist, dann sind andere Aktionen sinnvoll“.
Tiefenanpassung
Der Nachhaltigkeitsforscher Professor Jem Bendell aus Großbritannien hat das Konzept der „Tiefenanpassung“ (deep adaptation) entwickelt, um sich auf einen Kollaps der Zivilisation einzustellen. Er verabschiedet sich damit von der Hoffnung, das System zu reformieren und Dinge ändern zu können, bevor sich zerstörerische Konsequenzen des Klimawandels einstellen. Er stellt drei Komponenten heraus:
- Resilienz (resilience): Die Fähigkeit, sich auf Veränderungen einzustellen, sowohl biologisch als auch psychologisch. Ein halbierter Regenwurm lebt weiter. Wie kommen wir ohne Internet, Banken und Tankstellen aus? Wie behalten wir, was wir wirklich behalten wollen?
- Verzicht (relinquishment): Abschied von Werten, Verhaltensweisen und Überzeugungen, die die Situation verschlimmern. Zum Beispiel das Verlassen bedrohter Küstengebiete oder die Vorsorge für das sichere Abschalten der Kernkraftwerke weltweit. Was müssen wir loslassen, um die Situation nicht zu verschlimmern?
- Wiederherstellung (restoration): Einstellungen und Ansätze wiederentdecken, die nützlich und in Vergessenheit geraten sind. Zum Beispiel die Renaturierung von Landschaften. Was für Fähigkeiten müssen wir haben, um in einer Welt ohne Strom und Benzin zu überleben? Was können wir wieder zurückbringen, um mit kommenden Schwierigkeiten und Tragödien fertig zu werden?
Die Hoffnung bleibt
Bendell engagiert sich im gewaltfreien Widerstand der „Extinction Rebellion“ und doziert über lokale Währungen. Er plädiert für eine Stärkung und Rückbesinnung auf die wirklich tragenden Werte unserer Gesellschaft. Zum Thema Hoffnung führt Bendell aus: „Dass es zu spät ist, um eine Zerstörung unseres Lebens durch ein Klimachaos zu verhindern, heißt nicht, die Hoffnung aufzugeben. Vielmehr eröffnet dies eine tiefere Agenda: Wie können wir Schmerzen lindern, Wissen bewahren und Bedeutung und Freude an diesem Prozess haben?“ Jeder Einzelne und auch die Gesellschaft insgesamt kann und muss aktiv CO2-Emissionen vermindern. Darüber hinaus müssen wir uns mit den bevorstehenden unausweichlichen Folgen des Klimawandels auseinandersetzen und Strategien dazu entwickeln.
- Übersetzungen von IPCC-Berichten
- www.newclimate.org
- www.jembendell.com
Eine einzige Generation hat die Welt in die Klimakatastrophe geführt. Und nur noch eine einzige Generation lang haben wir Zeit, die Auslöschung der Spezies Mensch abzuwenden. Wir berichten über ein aufrüttelndes Buch von David Wallace-Wells, einem Journalisten aus New York. weiter lesen
Klimakatastrophe: Der Planet schlägt zurück
Eine einzige Generation hat die Welt in die Klimakatastrophe geführt. Und nur noch eine einzige Generation lang haben wir Zeit, die Auslöschung der Spezies Mensch abzuwenden. Wir berichten über ein aufrüttelndes Buch von David Wallace-Wells, einem Journalisten aus New York.
Von Aribert Peters
(2. Juli 2019)
„Ich verspreche Ihnen, dass es schlimmer ist als Sie denken“, schreibt Wallace-Wells. Dieses Buch erschreckt und erschüttert. Es hat mich und viele Menschen verändert, mir die Unschuld des Nichtwissens genommen. In den vergangenen 30 Jahren haben wir bereits so viel Kohlenstoff verbrannt, dass große Teile des Planeten bis zum Ende des Jahrhunderts unbewohnbar sein werden.
Um das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten, die globale Erwärmung auf „deutlich unter 2 Grad Celsius“ zu begrenzen, müssten die globalen CO2-Emissionen künftig dramatisch reduziert werden. Milliarden von Menschen müssten ihren Lebensstil unmittelbar ändern, um die bevorstehende Apokalypse zu verhindern. Aber das geschieht nicht und die Chancen dafür, dass das Nötige passiert, sind gering. Wir wollen nicht sehen und uns vorstellen, was jenseits der Zwei-Grad-Grenze passieren wird. Wallace-Wells öffnet uns die Augen.
Das im Februar 2019 veröffentlichte Buch „The Uninhabitable Earth“ basiert auf dem vielbeachteten gleichnamigen Essay von David Wallace-Wells, das im Juli 2017 im „New York Magazine“ publiziert und unter dem Titel „Der Planet schlägt zurück“ ins Deutsche übersetzt sowie im Meinungsmagazin „der Freitag“ veröffentlicht wurde.
Wallace-Wells schreibt: „Der Text ist das Ergebnis von Dutzenden Interviews mit Klimatologen und Wissenschaftlern. Er berücksichtigt Hunderte Studien und Aufsätze zum Klimawandel. Was Sie hier lesen, ist – nach bestem Wissen und Gewissen – eine Darstellung, worauf unser Planet zusteuert, wenn wir nicht aggressiv gegensteuern. Es ist unwahrscheinlich, dass alle Szenarien vollständig eintreten werden. Vor allem weil die absehbaren Zerstörungen uns aus jeder Bequemlichkeit reißen werden. Dennoch: die Szenarien sind die Zukunft, nicht das heutige Klima. Dabei ist die Gegenwart des Klimawandels erschreckend genug.“
„Ganz egal, wie gut informiert Sie sind, ausreichend alarmiert sind Sie nicht. Einer der Gründe dafür ist die zaghafte Sprache wissenschaftlicher Wahrscheinlichkeiten. Wissenschaftler betreiben ihre Forschung so penibel und gewissenhaft, dass sie nicht mehr deutlich machen können, wie groß die Gefahr wirklich ist“, so Wallace-Wells. Und er beschreibt mit klaren Worten, was die Kohlenstoffverbrennung für Folgen haben wird.
Klimaschutz-Abkommen wirkungslos
Das Kyoto-Protokoll ist wirkungslos: Seit es vor 20 Jahren beschlossen wurde, sind die weltweiten CO2-Emissionen Jahr für Jahr gestiegen. Die Zwei-Grad-Grenze des Paris-Abkommens erscheint schon jetzt als ein optimistisches Szenario: Kein einziges Land ist auf dem Weg, seine Paris-Verpflichtungen zu erfüllen. Selbst wenn diese eingehalten würden, schätzt der Weltklimarat IPCC in seinem aktuellen Bericht die globale Erwärmung bereits auf 3,2 Grad. Das könnte die Permafrostböden in der Arktis auftauen und gewaltige Mengen an Methan freisetzen – was das Klima zusätzlich aufheizen würde. Der arktische Boden enthält, so Wallace-Wells, 1,8 Billionen Tonnen Kohlenstoff, das ist doppelt so viel, wie sich gegenwärtig in der Atmosphäre befindet.
Klimageschichte
War Ihnen dies schon bekannt? „Die Erde hat vor dem, was wir gerade durchleben, bereits fünf Mal ein großes Aussterben erlebt – jedes von ihnen hat den evolutionären Bestand so komplett ausradiert, dass es wirkte, als sei die Uhr des Planeten zurückgesetzt worden,“ schreibt Wallace-Wells. „In der Schule haben Sie wahrscheinlich gelernt, dass diese Massenaussterben das Resultat von Asteroiden waren. Tatsächlich handelte es sich aber bei allen, bis auf jenes, bei dem die Dinosaurier ausgelöscht wurden, um das Resultat von Klimawandel, der durch Treibhausgase verursacht wurde.
Das berüchtigtste ereignete sich vor 252 Millionen Jahren. Es begann, als Kohlendioxid den Planeten um fünf Grad aufgeheizt hatte, beschleunigte sich, als die Erhitzung dazu führte, dass in der Arktis gebundenes Methan freigesetzt wurde, und endete damit, dass 97 Prozent allen Lebens auf der Erde ausgelöscht wurden. Wir aber geben zurzeit wesentlich schneller Kohlendioxid in die Atmosphäre ab.
Der Meeresforscher Wallace Smith Broecker, der den Begriff ‚Erderwärmung‘ geprägt hat, spricht von dem Planeten als ‚wütender Bestie‘. Man könnte ihn aber auch als ‚Kriegsmaschine‘ bezeichnen, die wir jeden Tag weiter aufrüsten.“
Von innen gekocht
Wallace-Wells beschreibt die direkten Hitzefolgen für die Menschen: „Wie alle Säugetiere sind auch Menschen Wärmekraftmaschinen. Zu überleben bedeutet für sie, sich ständig abkühlen zu müssen – wie hechelnde Hunde. Damit das möglich ist, muss die Temperatur so niedrig sein, dass die Luft als eine Art Kühlung fungieren kann, die Hitze von der Haut abzieht, damit der Motor weiterlaufen kann. Bei einer Erderwärmung von sieben Grad würde das für weite Teile des Äquatorbandes und insbesondere für die Tropen, wo die Feuchtigkeit die Sache noch zusätzlich erschwert, unmöglich werden.
In den Regenwäldern Costa Ricas, wo die Feuchtigkeit regelmäßig bei über 90 Prozent liegt, wäre es tödlich, sich einfach nur draußen zu bewegen, wenn das Thermometer über 40,5 Grad Celsius anzeigt. Innerhalb weniger Stunden würde ein menschlicher Körper sowohl von außen als auch von innen zu Tode gekocht werden.“
Innerhalb einer Generation
„Über die Hälfte des Kohlenstoffs, den die Menschheit in ihrer Geschichte in die Atmosphäre geblasen hat, wurde in den vergangenen drei Jahrzehnten ausgestoßen. 85 Prozent des gesamten Kohlenstoffausstoßes durch Menschen geschah in der Periode nach dem Zweiten Weltkrieg. Das bedeutet, dass die Erderwärmung uns binnen einer einzigen Generation an den Rand der Katastrophe geführt hat. Die Geschichte der Kamikaze-Mission der industrialisierten Welt ist die einer einzigen Lebensspanne“, schreibt der Journalist.
Wir emittieren munter weiter
Der weltweite CO2-Ausstoß steigt weiter Jahr für Jahr, statt zu stagnieren oder gar abzunehmen. Wirtschaftswachstum, Flugreisen, Fleischverbrauch sind die Stichworte.
Der sofortige vollständige Umstieg auf erneuerbare Energien wäre möglich. Und zwei Drittel der Energie weltweit werden derzeit noch nutzlos verschwendet. Doch selbst in Deutschland wird die Dekarbonisierung nicht umgesetzt, sondern vertagt. Vom Rest der Welt ganz zu schweigen.
Chaos in zwölf Kapiteln
Das Buch von Wallace-Wells beleuchtet in zwölf Kapiteln die Folgen einer globalen Erwärmung im Detail. Selbst der optimistischste Mensch wird nach dem Lesen jedes einzelnen Kapitels von Panikattacken heimgesucht, gibt Wallace-Wells zu. Aber es geht nicht nur ums Lesen. Wir müssen uns darauf vorbereiten, unter diesen Umständen zu leben. In vielerlei Hinsicht sind wir dort schon angelangt. Die Forschung basiert auf der gegenwärtigen globalen Erwärmung um ein Grad.
Die zwölf Kapitel behandeln im Einzelnen:
- Hitzetote
- Hunger
- Dürre
- Waldbrände
- Wetterkatastrophen
- Trinkwassermangel
- Sterbende Weltmeere
- Vergiftete Luft
- Epidemien
- Wirtschaftlicher Kollaps
- Kriegerische Auseinandersetzungen
- Wechselwirkungen der Chaosbestandteile
Optimismus
„Ich werde oft gefragt, ob es keinen Grund für Optimismus gibt. Ich antworte: Ich bin optimistisch. Denn es könnten auch 6 oder 8 Grad Erwärmung geben. Auch schon 3 Grad würde bisher unvorstellbares Leid über alle Menschen bringen. Aber das ist kein fatalistisches, sondern ein optimistisches Szenario“, so Wallace-Wells.
Wallace-Wells zeichnet ein erschreckendes Bild der Klimafolgen: „Aber dies geschah völlig freiwillig und selbst verschuldet. Wenn wir dem Klimawandel erlauben, uns zu bestrafen, dann haben wir das alle zugelassen. Wir könnten auch einen anderen Weg wählen.
Das stabile Klima hat unsere Zivilisation ermöglicht. Aber es ist so instabil, dass wir es innerhalb weniger Jahre ruinieren konnten. Aber diese Instabilität ist auch ein Ausdruck der menschlichen Möglichkeiten der Veränderung. Wenn Menschen die Katastrophe verursachen können, dann können sie diese wieder beheben.“
Was können wir, jeder Einzelne tun? Nicht mehr auf das Handeln der anderen warten! Jeder kann sich ein Thema suchen, bevor die träge Politik handelt. Weniger Fliegen, weniger Fleisch, weniger Energie verpulvern. Anregungen gibt es genug – es fehlen die Umsetzungen!
Wenn wir unsere Energie und unseren Erfindungsreichtum, mit denen wir diese Fehlentwicklung geschaffen haben, auf neue Ziele lenken, können wir noch einen guten Teil der drohenden Szenarien abwenden. Aber auch nur dann. Das heißt: Jetzt. Die Zeit der Ausreden ist vorbei.
Lässt sich das Paris-Ziel noch erreichen?
Antworten geben die beiden Artikel „Können wir die globale Erwärmung rechtzeitig stoppen?“ und „Wie viel CO2 kann Deutschland noch ausstoßen?“ im Blog SciLogs der Zeitschrift Spektrum.
Um die Zwei-Grad-Grenze zu halten, muss die Wirtschaft weltweit bis 2050 dekarbonisiert sein. Das kann dadurch erreicht werden, dass künftig die fossilen Emissionen jedes Jahrzehnt halbiert werden. An dieser Faustformel kann jedes Land, jede Firma und jeder Haushalt seinen Fortschritt messen.
The Uninhabitable Earth: Life After Warming | Von David Wallace-Wells 19. Februar 2019 320 Seiten | 12,79 Euro | ISBN: 978-1984826589
schließenLösungsvorschläge weiter lesen
Strategien gegen den Klimawandel
Klimawandel – wie kann man ihn aufhalten, ohne wichtige globale Entwicklungsziele aufzugeben? Wir stellen Ihnen hier Gedanken zur Lösung vor. Vom Club of Rome und vom Wuppertal Institut.
Von Aribert Peters
(17. Januar 2019) Vor 50 Jahren, im Oktober 1968, wurde vom Fiat-Manager Aurelio Peccei der „Club of Rome“ gegründet. 30 anerkannte Wissenschaftler sollten, finanziert vom Autokonzern, ein Modell für die künftige Welt entwerfen. Der Bericht „Grenzen des Wachstums“ kam 1972 heraus und erlangte mit einer Auflage von 30 Mio. Exemplaren in 30 Sprachen weltweite Bekanntheit.
Mittlerweile lässt der Club 100 renommierte Wissenschaftler als Mitglieder zu und hat viele nationale Unterorganisationen. Der bisherige Präsident Ernst Ulrich von Weizsäcker – Mitglied im Bund der Energieverbraucher – und sein Ko-Präsident haben ihre Ämter unlängst an zwei Frauen abgegeben, die südafrikanische Medizinerin Mamphela Ramphele und die Belgierin Sandrine Dixson-Declève. Der frühere Generalsekretär des Clubs, der Manager und Banker Graeme Maxton, hält den Wechsel für überfällig: „Der Club hat nicht viel erreicht“. Maxton hat selbst in einem Buch beschrieben, welche Änderungen er für unabdingbar hält – siehe Seite gegenüber.
Neuer Bericht des Club of Rome
Lassen sich die weltweiten Entwicklungsziele, kurz SDG, erreichen und gleichzeitig die globale Umweltsituation stabilisieren? Oder müssen wir uns entscheiden, entweder Klima und Umwelt zu stablisieren oder aber die Entwicklungsziele zu erreichen? In seinem aktuellen Bericht untersucht der Club of Rome diese Frage und kommt zu überraschenden Ergebnissen.
Wenn wir weitermachen wie bisher, dann werden die SDG-Ziele weder 2030, noch 2050 erreicht werden. Beschleunigt man das wirtschaftliche Wachstum, dann werden die Ziele ebenso wenig erreicht, jedoch die Umweltgrenzen werden gefährlich überschritten. Weitet man die Anstrengungen aus, dann kommt man den SDG Zielen näher.
Folgende fünf Maßnahmen können ergriffen werden, um die SDG-Ziele zu erreichen und die Umweltgrenzen einzuhalten:
- Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien, um die CO2-Emissionen alle zehn Jahre zu halbieren.
- Schnelleres Produktivitätswachstum für nachhaltige Nahrungsmittelproduktion.
- Neue Entwicklungsmodelle für arme Länder
- Verminderung der Ungleichheit in bisher ungekanntem Umfang.
- Investition in Bildung für alle, Gleichberechtigung der Geschlechter, Gesundheit und Familienplanung.
In den reichen Teilen der Welt sind auch Verhaltensänderungen erforderlich. In einem komplexen Simulationsmodell wurde errechnet, dass diese Transformationen das Ziel erreichen könnten. Der Bericht wurde vom Stockholm Zentrum für Nachhaltigkeit erarbeitet. Die meisten der Schlussfolgerungen des Berichtes von 1972 gelten noch immer, sagt einer der Hauptautoren der Studie Johan Rockström.
Einer der Club-Mitglieder ist Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Er hat auf über 500 Seiten ausführlich beschrieben, wie „die große Transformation“ geschehen kann. Das Buch trägt den Untertitel: „Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels.“ Wie sieht eine moderne Gesellschaft aus, die ein gutes Leben mit nur einem Fünftel des heutigen Verbrauchs an Material und Energie sichert? Das weiß im Moment niemand; einen Masterplan für eine solche Moderne gibt es nicht“ schreiben Harald Welzer und Klaus Wiegand im Vorwort. Das neue Buch trägt dazu viele Informationen zusammen. Über den Umgang mit den zugrundeliegenden Interessenkonflikten zwischen den Nutznießern und Geschädigten der Transformation erfährt man in dem Buch nur wenig.
schließenWir befinden uns in einer Krisensituation der Klima- und Menschheitsgeschichte. Der Klimawandel wird immer drastischer. weiter lesen
Bericht aus dem Tollhaus
Wir befinden uns in einer Krisensituation der Klima- und Menschheitsgeschichte. Der Klimawandel wird immer drastischer. Dennoch wird durch die Menschen mehr und mehr CO2 ausgestoßen und immer mehr fossile Energie verbraucht. Gleichzeitig geht die Verleugnung des Klimawandels und die Hetze gegen die Energiewende weiter.
Von Aribert Peters
(17. Oktober 2018) Am Klimawandel kann man heute nicht mehr zweifeln. Zu offensichtlich ist er für Jeden spürbar. Die Temperaturen der vergangenen Jahre sprechen eine klare Sprache, die auch ohne jede Klimawissenschaft unmissverständlich ist. Der Klimawandel ist keine Prognose, über die man diskutieren könnte. Sondern unleugbare Realität. Der Klimawissenschaft verdanken wir die Einsicht, dass der menschenverursachte CO2-Ausstoß den Klimawandel verursacht hat.
Die CO2-Emissionen haben weltweit seit 1990 um 53 Prozent zugenommen und steigen ständig an. Selbst im Jahr 2017 sind die Emissionen nach Angaben der Internationalen Energieagentur IEA wieder um 2,1 Prozent angestiegen.
Deutschland als Klimasünder
Die Emissionsminderungen und Effizienzsteigerungen, zu denen sich Deutschland verpflichtet hatte, finden einfach nicht statt. Das belegt das aktuelle Monitoring der Energiewende (siehe Kasten). Die Verbrennung fossiler Energien nimmt Jahr für Jahr deutlich zu. Zwei Drittel des Verbrauchs entfallen auf Öl und Gas. Ebenso steigt folglich auch die Förderung für noch mehr Verbrauch von Erdöl sowie Erdgas.
Wie sieht es mit Ihrer persönlichen CO2-Bilanz aus?
Der CO2-Rechner des Umweltbundesamts sagt es Ihnen in wenigen Minuten: www.uba.co2-rechner.de
Ein Rückgang der weltweiten Ölförderung ist jedoch unvermeidlich, weil es sich um nur begrenzt verfügbare Vorräte handelt. Es spielt keine Rolle, wann diese Verknappung stattfindet, weil sie unvermeidlich ist und mit naturwissenschaftlicher Sicherheit eintreten wird. Damit wird ein rascher Preisanstieg von Öl einhergehen, der weltweit eine Verknappung und Verteuerung von Nahrungsmitteln nach sich ziehen wird – auch der Klimawandel selbst reduziert die Ernten und treibt die Preise. Aber allein schon, um den Klimawandel zu stoppen, dürfen wir die fossilen Energien nicht sämtlich verbrennen.
Wir stehen vor dem globalen Ruin. Warum können wir diese fundamentalen Einsichten nicht wahrhaben und die Konsequenzen daraus ziehen? Warum nutzen wir nicht die letzte Verschnaufpause, den uns die derzeit günstigen Energiepreise und die günstige Wirtschaftssituation bietet, um uns von fossilen Energien zu verabschieden?
Der Tollhauseffekt
Eine gute Antwort gibt das nun auch ins Deutsche übersetzte Buch „Der Tollhauseffekt“ (Originaltitel: „The Madhouse Effect“). Der Klimaforscher Michael Mann und der Karikaturist Tom Toles haben es gemeinsam verfasst, die Cartoons sind integraler Bestandteil des Buches. Die Übersetzer Matthias Hüttmann und Herbert Eppel schreiben über ihre Motivation: „Letztlich geht es bei der Akzeptanz des menschengemachten Klimawandels um nichts weniger, als um die Zukunft aller existierenden Spezies auf dem Planeten Erde und natürlich auch unsere eigene Zukunft. Und wie schon Hans Jonas feststellte: Es gibt weniger ein Recht künftiger Menschen auf Glück, sondern vielmehr eine Pflicht gegenüber der Zukunft der Menschheit“. In dem Buch geht es um die Schmutzkampagnen, die gegen die Klimawissenschaft laufen. Hunderte Millionen Dollar werden jährlich von meist fossilen Interessengruppen ausgegeben, um die Zweifel am Klimawandel zu schüren. Oft von denselben Personen, die bisher die Schädlichkeit des Rauchens als unbewiesen abstritten. „Die Schwemme an bezahlter oder politisch motivierter Propaganda ist nicht nur eine Gefahr für die Demokratie und ein Rückfall hinter die Zeit der Aufklärung. Sie ist eine Gefahr für die Lebensgrundlagen der Menschheit“ schreibt der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmsdorf in seinem Vorwort zu dem Buch. Wir geben nachfolgend wesentliche Inhalte des Buches mit freundlicher Genehmigung in Zitaten wieder:
„Die grundlegenden Fakten sind nun klar und im Wesentlichen unbestritten. Es ist an der Zeit, das Feuer zu löschen. Von Präsidenten über Premierminister bis zum Papst wachen die Menschen endlich auf, um sich der Realität und der Herausforderung zu stellen [...] Aber jedes Mal, wenn wir in der Vergangenheit zu erkennen begannen, dass wir handeln müssten, sind die Urheber von Verwirrung und Verleugnung angetreten, um uns abzubremsen und in die Irre zu führen. Dieses Mal müssen wir den Kurs beibehalten und alles richtig machen. Es wird keine weiteren Gelegenheiten mehr geben [...] Trotz der späten Stunde und der monumentalen Herausforderung glauben wir, dass es noch Zeit und Hoffnung gibt [...] Wenn wir den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen, könnte es unser Schicksal sein, einen unbewohnbaren Planeten mit zerstörten Ökosystemen und einem andauernden, unvorhersehbaren Chaos zu hinterlassen. Aber es gibt eine alternative Zukunft [...] Es ist an der Zeit, endlich dem Tollhaus zu entkommen“.
Erdrückende Beweislast
„Es wird immer Unsicherheiten geben, was aber nicht als Ausrede für Untätigkeit dienen darf. Denn damit würde man sich dem Irrtum hingeben, dass wir nichts wissen, weil wir nicht alles wissen […] Angesichts der überwältigenden Beweise dafür, dass CO2 die Wärme zurückhält, wir auf dem besten Weg sind, die CO2-Konzentration bei Mitte des Jahrhunderts zu verdoppeln und eine beispiellose Veränderung unseres Klimas wahrscheinlich die Folge sein wird, wenn wir so weitermachen, sollte die Beweislast wirklich auf der Seite derjenigen liegen, die das Gegenteil behaupten [...] Die Kritiker sollten beweisen, dass eine Verdopplung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre [...] keine nennenswerten Auswirkungen habe […] Die Kosten der Untätigkeit sind schon längst weitaus höher als die Kosten von Gegenmaßnahmen [...] Die Zeit läuft nun gegen uns“.
„Die Grundlagen der Klimawissenschaft sind eigentlich sehr einfach und waren es schon immer: Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre fängt die Wärme ein und wir fügen der Atmosphäre ständig mehr CO2 hinzu. Der Rest sind Details“.
„Das nächste Mal, wenn Ihnen Ihr streitsüchtiger Onkel, den sie jedes Jahr zu Weihnachten sehen, erklärt, dass der Treibhauseffekt eine ‚umstrittene neue—Wissenschaft‘ ist, dann erinnern Sie ihn daran, dass es sich vielmehr um grundlegende Erkenntnisse der Physik und Chemie handelt, die fast zwei Jahrhunderte zurückreichen. Bereits Joseph Fourier – derselbe Wissenschaftler, der das Gesetz der Wärmeleitung und die Fourier-Reihe der Mathematik entdeckte – erkannte, dass bestimmte Gase in der Atmosphäre, wie etwa CO2, als Wärmefalle fungieren. Wir bezeichnen diesen Sachverhalt deshalb als ‚Treibhauseffekt‘. Und auch Svante Arrhenius – derselbe Wissenschaftler, der uns vor mehr als einem Jahrhundert die Definition von Säure beschert hat – stellte fest, dass wir durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe die Menge an CO2 in der Atmosphäre erhöhen und das als Reaktion darauf die Temperatur der Erde ansteigt […] Vor der industriellen Revolution kamen auf eine Million Teile in der Atmosphäre etwa 280 Teile (ppm) CO2. Heute haben wir die 400 ppm-Marke überschritten. Die Erde hat sich daraufhin um 1 °C erwärmt [...] Beim derzeitigen Tempo, mit dem wir fossile Brennstoffe verbrennen, werden wir die CO2-Konzentration bis Mitte des Jahrhunderts verdoppeln und etwa 550 ppm erreicht haben [...] Arrhenius schätzte, dass diese Verdoppelung die Temperatur auf der Erde um 5 °C erhöhen würde. Wir sehen es ihm nach, dass seine Berechnungen mit Bleistift und Papier nicht so präzise waren wie jene, die auf Klimamodellsimulationen der leistungsstärksten Supercomputer basieren.“
Das Vorsorgeprinzip
„Selbst konservativere Schätzungen lassen den globalen Meeresspiegel bis zum Ende dieses Jahrhunderts um etwa einen Meter ansteigen, wobei 1,5 bis 1,8 Meter nicht auszuschließen sind.“
„Ungewissheit ist ein Grund dafür, definitiver und schneller zu agieren, da die Auswirkungen des Klimawandels aufgrund der Wahrscheinlichkeitsverteilung sogar noch weitaus schlimmer sein können, als wir derzeit vorhersagen. Wir selbst treffen im Alltag ähnliche Vorkehrungen: Denn obwohl die Wahrscheinlichkeit, jemals einen Hausbrand zu erleben, relativ gering ist, schließen wir Feuerversicherungen ab. Im Gegensatz dazu ist es beinahe sicher, dass wir gefährliche und irreversible Veränderungen in unserem Klima erleben werden, wenn wir mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe fortfahren“.
Rückkoppelungen verstärken Klimawirkungen
„Heute geben wir durch die Förderung und Verbrennung fossiler Brennstoffe diesen Kohlenstoff über einen Zeitraum von 100 Jahren wieder an die Atmosphäre ab. Das Ganze geschieht etwa eine Million Mal schneller als das natürliche Einlagern“.
„Wenn man die CO2-Konzentration verdoppelt, liegt der direkte Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt bei etwa 1 °C, was an sich beherrschbar wäre. Allerdings führt die Erwärmung durch die sogenannte Wasserdampfrückführung zu mehr Wasserdampf in der Atmosphäre. Das Problem: Wasserdampf ist ein noch stärkeres Treibhausgas als CO2 und bringt eine zusätzliche Erwärmung von 1,5 °C mit sich. Dazu kommt noch, dass das Abschmelzen des Eises zu einer erhöhten Absorption des Sonnenlichts durch die Erdoberfläche führt. Diese Rückkoppelung bewirkt eine weitere Erhöhung von 0,5 °C. Es sind also diese positiven Rückkoppelungen, die eine bescheidene Erwärmung zu einer potenziell katastrophalen Erwärmung (3 °C) machen“.
Gut bezahlte Ignoranz
„Nachdem (der Weltklasse-Physiker) Frederick Seitz Ende der 1970er Jahre aus der akademischen Welt ausgeschieden war, erhielt er mehr als 500.000 Dollar vom Tabakgiganten R.J. Reynolds für seine Bemühungen bei der Verharmlosung der Gesundheitsgefahren des Tabaks [...] In seiner anschließenden Funktion als Vorsitzender von GMI kassierte er von anderen Unternehmen, darunter dem fossilen Energiekonzern Exxonmobil, Gelder, um die Bedrohung durch den Klimawandel herunterzuspielen. Was das Geld anbelangt, so bleibt der bekannte Upton-Sinclair-Witz: ‚Es ist schwierig, einen Mann dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn sein Gehalt davon abhängt, dass er es nicht versteht‘ relevant.“
„Dabei geben Journalisten unter Umständen auch abwegigen Minderheitsmeinungen den gleichen Stellenwert wie dem Mainstream-Denken, auch und gerade wenn es um politisch brisante Themen wie den Klimawandel geht. Dabei drückt man sich allerdings davor, im Streit zwischen Wissenschaft und Anti-Wissenschaft Wissen zu vermitteln und Stellung zu beziehen. Denn wenn es um Fragen der Wissenschaft geht, sind eben nicht alle Standpunkte gleich. Es gibt objektive Wahrheiten: die Erde ist nicht flach, die Evolution ist eine beobachtbare Tatsache und der Klimawandel ist real und wird von Menschen verursacht.“
Was ist zu tun?
Die Handlungsempfehlungen der Buchautoren stimmen erstaunlich genau mit denen der deutschen Expertenkommission zur Energiewende überein:
„Die Preisfestsetzung von Kohlenstoff ist keine unfaire, willkürliche Strafsteuer. Sie setzt lediglich einen legitimen Preis für ein ernsthaft gefährliches Abfallprodukt fest, das derzeit kostenlos in unsere gemeinsame Atmosphäre entsorgt wird. Es ist nicht anders, als einen Preis für das Sammeln von Müll zu zahlen, anstatt die Leute ihre Sachen auf die Straße werfen zu lassen. Die Preisfestsetzung von Kohlenstoff ist ein marktorientierter Ansatz zur Lösung des Problems, so dass auch politische Konservative in der Lage sein sollten, ihn zu unterstützen. Unterstützen Sie Erneuerbare Energien und einen Preis für Kohlenstoff und stimmen Sie für Vertreter, die das Gleiche tun werden.“
Der Klimaleugner Trump
„Im August 2017 verursachte der Hurrikan Harvey die schlimmsten Überschwemmungen, die jemals bei einem Sturm in den Vereinigten Staaten registriert wurden. Harvey tauchte Houston bis zu 1,5 Meter tief in Wasser. Er verursachte mit mehr als 150 Milliarden Dollar mehr Schaden als der Hurrikan Katrina oder der Supersturm Sandy“.
„Die Gouverneure der größten US-Staaten, darunter Jerry Brown aus Kalifornien, Andrew Cuomo aus New York und Terry McAuliffe aus Virginia, sowie die Bürgermeister von mehr als 100 Städten, darunter New York, Los Angeles, Philadelphia und Houston, haben sich zur Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Pariser Vertrag bereit erklärt. Tatsächlich scheint es nun so, als könnten die Vereinigten Staaten ihre Pariser Verpflichtungen, mit oder ohne die Unterstützung von Trump erfüllen“.
Fazit des Tollhauseffektes
„Das Bewusstsein der Menschheit für ihre natürliche Umwelt ist wieder wachgerüttelt worden. Die Natur hat uns ihre Kraft und Bedeutung, wie auch an unseren Platz in ihr erinnert. Unsere Erkenntnis, was für ein großartiges, natürliches Zuhause wir auf diesem Planeten haben, kommt sehr spät. Es ist an der Zeit, unser Erbe zu retten“.
Energiewende-Monitoring
Deutschland wird nach Einschätzung eines Expertengremiums nicht nur sein Klimaschutzziel für das Jahr 2020 deutlich verpassen, auch das Ziel für 2030 rückt in immer weitere Ferne. Denn von 2017 bis 2030 müssten die jährlichen Treibhausgasemissionen dreimal stärker gesenkt werden als in den Jahren von 2000 bis 2017“, heißt es in der Stellungnahme der Kommission zum sechsten Monitoring-Bericht der Bundesregierung.
Zwischen 2013 und 2016 nahmen die Treibhausgasemissionen nicht ab, sondern sogar zu! Das schreibt Franzjosef Schafhausen, ein leitender und langjährig für Emissionsminderung verantwortlicher Beamter des Bundesumweltministeriums. Inzwischen im Ruhestand, benennt er in einem Artikel öffentlich auch die Verantwortlichen (ZNER 6/2016, S. 443-446).
„Der Verkehrsbereich hat nicht geliefert, ganz im Gegenteil. Die Energiewirtschaft erbringt die zugesagten Minderungen nicht, sondern verschiebt Minderungsbeiträge auf andere Sektoren. Die skandalösen Vorgänge vom November 2016 sind unvergessen: Ein mühsam in der Regierung abgestimmter Minimalkompromiss wird nach der Verabschiedung von Wirtschaftsminister Gabriel erneut blockiert. Deutschland blamiert sich öffentlich auf der COP22 in Marrakesch. Die letzte Chance auf Glaubwürdigkeit fiel dem Lobbyismus zum Opfer, der auch schon die Regierungspolitik der vergangenen Jahre geprägt hat.“
Deutschland hat einer Studie zufolge bis Ende März schon so viel klimaschädliches Kohlenstoffdioxid (CO2) ausgestoßen, wie nach dem Pariser Klimaabkommen für ganz 2018 erlaubt wäre. Damit stoße Deutschland voraussichtlich auch in diesem Jahr wieder viermal so viele klimaschädliche Gase aus, wie nach dem Pariser Klimaschutzabkommen erlaubt.
Energiewendegegner in Deutschland
Das Buch „Der Tollhauseffekt“ stellt das Wirken der Klimaleugner in den USA dar. In Deutschland heißt der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien und die Minderung von CO2-Emissionen „Energiewende“. Obwohl eine breite Bevölkerungsmehrheit hinter der Energiewende steht, wird sie von konservativen Zeitungen wie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) und „Die Welt“ schlechtgeredet. Das belegt ein Papier des renommierten Rechtsanwaltes Dr. Peter Becker „Mit vollem Rohr dagegen: Die FAZ und die Energiewende“.
Dr. Becker ist Autor des Buches „Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne“, Gründer von Becker Büttner Held, einer führenden energierechtlichen Rechtsanwaltskanzlei und Vorsitzender der Vereinigung von Juristinnen und Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen. Abgenickt vom Herausgeber schreiben die FAZ-Journalisten gegen die Energiewende an. Es vergeht kein Tag, an dem nicht ein Artikel die Energiewende madig macht. Auf derselben Linie argumentiert die Tageszeitung „Die Welt“ gegen die Energiewende. „Damit werden gewichtige Teile der deutschen Wirtschaft und Politik ständig beeinflusst, man kann auch sagen gesteuert“, so Becker.
Fehlinformation und Irreführung
Es ist unübersehbar, dass die Klimaleugner und Energiewendegegner auch in Deutschland sehr aktiv sind und wirksam agieren. Die energiewirtschaftlichen und energierechtlichen Zusammenhänge sind hoch komplex und erfordern viel Sachkunde. Einseitige Berichterstattung fällt deshalb nur wenigen Experten auf. Und tatsächlich ist die Energiewende handwerklich schlecht gearbeitet und wird zu Recht kritisiert. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kempfert beschreibt in ihren Büchern, „Das fossile Imperium schlägt zurück. Warum wir die Energiewende jetzt verteidigen müssen“ und „Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole“, wie die Lobby der Energieversorger und ihre politischen Vertreter uns mit irreführenden Behauptungen und Fehlinformationen überschütten. „Das könnte sogar rechtswidrig sein. Denn nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Presse zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet. Gemessen daran dürfte die Generallinie der Berichterstattung – die Energiewende treibt die Kosten der Stromversorgung in die Höhe – unzulässig sein“, so Peter Becker.
Fazit
Franzjosef Schafhausen (siehe Kasten „Energiewende-Monitoring“) schreibt: „Teile der Union laufen Sturm gegen eine wirksame Klimaschutzpolitik und verbünden sich dabei mit den Wirtschaftsverbänden, den Gewerkschaften und wesentlichen Teilen der SPD. Der Nutzen einer konsequenten Klimaschutzpolitik wird dabei völlig ausgeblendet: Minderung der Energieimporte und damit höhere Versorgungssicherheit, höhere Wertschöpfung im Inland und damit mehr Arbeitsplätze, Vermeidung von Klimaschäden, Anreiz für neue technische Lösungen“.
Um das Erdklima zu stabilisieren, brauchen wir eine fundamentale Umorientierung und Umstrukturierung nationaler und internationaler Institutionen. Zu diesem Schluss kommt auch eine aktuelle Studie zu den Kipppunkten des globalen Klimas.
- Aktuelle Studie zu Klima-Kipppunkten
- Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Auf dem Weg in die "Heißzeit"?
- IEA-Angaben zu CO2-Emissionen
- Informationen über Klimaleugner
- Versteckter Lobbyismus
Der Tollhauseffekt: Wie die Leugnung des Klimawandels unseren Planeten bedroht
Prof. Michael E. Mann, Tom Toles (Autoren) Matthias Hüttmann, Herbert Eppel (Übersetzer) 1. Juli 2018 | 270 Seiten | Verlag Solare Zukunft ISBN: 978-3933634467 | 24,90 Euro
Matthias Hüttmann gewährt Mitgliedern im Bund der Energieverbraucher e.V. einen Rabatt in Höhe von 10 Prozent auf den regulären Buchpreis, wenn sie das Buch direkt bestellen. Dazu müssen Sie lediglich Ihre Mitgliedsnummer angeben. www.dgs-franken.de/bestellungen
Der Golfstrom schwächelt weiter lesen
Der Golfstrom schwächelt
Von Louis-F. Stahl
(24. Juli 2018) Der Golfstrom ist ein entscheidender Motor für die Stabilität des globalen Klimas. Er transportiert im Atlantik rund 1,5 Petawatt Wärme in unsere Richtung – etwa die tausendfache Menge, die weltweit insgesamt an Elektrizität bereitsteht. Für uns in Deutschland ist er eine unverzichtbare Heizung, ohne die im Winter monatelang durchgehend Minustemperaturen herrschen würden. Durch den Wärmetransport hemmt er zudem Luftdruckunterschiede und schwächt somit Stürme.
Zwei in der Aprilausgabe der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studien kommen unabhängig voneinander übereinstimmend zu dem Schluss, dass die Leistung des Golfstroms um rund 15 Prozent nachgelassen habe. Eine Studie stammt von fünf renommierten Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Diese haben festgestellt, dass mit dem Rückgang auch eine Verschiebung des Golfstroms in Richtung der US-Ostküste einhergehe und dies dort zu steigenden Meerwassertemperaturen führe.
Die zweite Studie stammt von Wissenschaftlern des University College London. Im Rahmen dieser Studie wurden nicht tatsächliche Messwerte der Strömung analysiert und zu einem Computermodell aufgebaut, sondern anhand von Bohrkernen die Entwicklung der Strömung über die letzten 1.600 Jahre nachgestellt. Die britische Studie kommt zwar zum gleichen Schluss, sieht den Beginn der Abschwächung aber nicht erst um 1950, sondern bereits 100 Jahre früher.
Einigkeit besteht darüber, dass ein Abschwächen des Golfstroms ein sogenanntes „Kippmoment“ für das weltweite Klima ist und katastrophale Auswirkungen haben könnte. Für Deutschland dürfte dies zunehmend mehr Herbst- und Winterstürme sowie strengere Winter bedeuten.
schließenDer Klimawandel ist keine hypothetische künftige Gefahr. Seine Folgen sind schon jetzt deutlich sichtbar. weiter lesen
Meeresspiegel steigt
(25. September 2017) Der Klimawandel ist keine hypothetische künftige Gefahr. Seine Folgen sind schon jetzt deutlich sichtbar. Eine Auswertung von mehr als 700.000 Tidenhüben weltweit zeigt, dass an den Küsten der Klimawandel längst Realität ist. Hunderte Millionen Menschen sind betroffen.
Die Organisation kritischer Journalisten Correctiv hat, gemeinsam mit Journalisten aus sieben Ländern, einen Datenschatz gehoben und macht ihn erstmals der Öffentlichkeit zugänglich. Seit dem Jahr 1933 hat eine britische Behörde die Fluthöhen von Häfen in aller Welt gesammelt. An mehr als 2.000 Orten haben die Briten Pegelmesser aufgestellt und sie zum Teil im Monatsrhythmus abgelesen. Es wurden 500 Orte ausgewählt, die besonders gut dokumentiert sind, und auf einer Weltkarte visualisiert wurden. bdev.de/corrsea
Kein Kontinent wird dem anschwellenden Wasser entkommen können. So ist das Meer heute im südfranzösischen Marseille 20 Zentimeter höher als vor 30 Jahren. Auf der Nordseeinsel Borkum sind es 18 Zentimeter. Wo man 1980 noch trockenen Fußes stehen konnte, braucht man heute Gummistiefel. Die Top Ten der am stärksten betroffenen Städte liegt vor allem in Asien. Die philippinische Hauptstadt Manila beispielsweise misst 40 Zentimeter höhere Pegel als vor 30 Jahren.
Augenblicklich gehen die Forscher im Weltklimarat IPCC von einem globalen Anstieg des Meeresspiegels zwischen 20 und 80 Zentimetern bis zum Jahr 2100 aus. „Dass der Meeresspiegel in den kommenden Jahrhunderten noch schneller ansteigen wird, ist heute absoluter Konsens – und auch, dass dies an der menschengemachten Erwärmung liegt“, sagt Klimafolgen-Forscher Levermann. bdev.de/corrkarte
Eine Animation zeigt den weltweiten Temperaturanstieg in 35 Sekunden. Es werden NASA-Daten über Anomalien der Durchschnittstemperaturen von über 100 Ländern von 1900 bis 2016 zusammenmontiert: 2016 liegt die Abweichung bereits bei mehr als einem Grad. bdev.de/nasaan
schließenIPCC Bericht weiter lesen
Zwei Grad sind noch zu schaffen
(10. Dezember 2014) Laut dem aktuellen Sachstandbericht des Weltklimarats IPCC ist das Ziel, die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, gerade noch zu schaffen – wenn die globale Energieversorgung bis Mitte des Jahrhunderts weitgehend klimaneutral ist.
Die Folgen des Klimawandels seien bereits heute zu beobachten, vor allem in natürlichen Systemen der Kontinente und Ozeane sowie in sozio-ökonomischen Systemen, heißt es. Um die Risiken langfristig zu mindern, sei ein umfassender Wandel von Gesellschaft und Wirtschaft notwendig. Jedoch könnten nicht alle Schäden vermieden werden und eine Anpassung an den Klimawandel sei in jedem Fall notwendig.
Der Synthesebericht ist der vierte und letzte Teil des 5. Sachstandberichts, den der IPCC seit Herbst 2013 vorgelegt hat. Die ersten drei Teilberichte hatten sich mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels, den Folgen und Anpassungsmöglichkeiten sowie den Klimaschutzoptionen befasst. Der vierte Teil führt die ersten drei zusammen. Seit 2010 arbeiteten mehr als 3.000 Experten aus mehr als 70 Ländern am Gesamtbericht.
schließenDer Bericht beschäftigt sich mit den wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. weiter lesen
Fünfter IPCC-Sachstandsbericht bestätigt Klimawandel
(30. September 2013) Der fünfte Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC hat seinen ersten Teilbericht veröffentlicht. Er beschäftigt sich mit den wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels.
Die Erwärmung der Erdoberfläche seit 1850 ist als konstanter Trend bestätigt. Jede Dekade ist wärmer als die jeweils vorhergehende. Die Periode 1983 bis 2012 war wahrscheinlich die wärmste 30-jahres-Periode der vergangenen 1400 Jahre.
Die Erwärmung unterliegt starken Schwankungen, so der Bericht. Die vergangenen 15 Jahre zwischen 1998 und 2012 zeigten mit 0,05 Grad eine geringere Erwärmung als der Zeitraum seit 1951 mit 0,12 Gad. Es ist extrem wahrscheinlich, so der Bericht, dass der menschliche Einfluss die dominante Ursache der beobachteten Erderwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts darstellt.
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Immer mehr Treibhausgas
(15. Mai 2013) Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre hat den höchsten je gemessenen Stand erreicht, man bewege sich in einem gefährlichen Bereich. Das berichtet das Ozeanografische Institut in San Diego. Messungen der Station Mauna Loa auf Hawaii am 9. Mai hätten Werte im Durchschnitt von über 400 ppm nachgewiesen. 1958, bei der ersten Untersuchungen dort, lag der Wert noch bei 317 ppm.
Die Bemühungen, die Emissionen zu verringern, seien fehlgeschlagen, hieß es. Seit Beginn der Messungen habe die Konzentration in jedem Jahr und immer stärker zugenommen, von Ende der 1950er Jahre um 0,7 ppm pro Jahr bis 2,1 ppm in den letzten zehn Jahren. Vor der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert lag der durchschnittliche globale Wert bei 280 ppm.
Trotz allem Klimaschutzgerede der Regierungen dieser Welt war 2012 mit etwa 34 Milliarden Tonnen CO2 das Jahr mit den höchsten jemals erreichten CO2-Emissionen, weltweit. 1990 wurden im Vergleich dazu nur 22 Milliarden Tonnen emittiert. Auch in Deutschland stieg im Jahr 2012 die CO2-Emissionen um 1,6 Prozent - bis 2050 strebt Deutschland eine Minderung um 95 Prozent an. Es wird also höchste Zeit, dass sich die globalen Klimaschutzstrategien massiv ändern.
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Vorwärts in eine nachhaltige Gesellschaft
Das Klimasystem könnte sich unwiederbringlich erwärmt haben, lange bevor die fossilen Ressourcen aufgebraucht sind. Die Ressourcenverknappung kann uns also nicht vor dem Klimawandel retten.
Die Transformation hin zu einer klimaverträglich wirtschaftenden Gesellschaft ist moralisch ebenso geboten wie einst die Abschaffung der Sklaverei und noch immer die Ächtung der Kinderarbeit.
(02. Dezember 2011, geändert 02. Januar 2012) Unser auf der Nutzung fossiler Rohstoffe basierendes Wirtschaftsmodell ist ein unhaltbarer Zustand: Es gefährdet die Stabilität des Klimas und damit die Existenzgrundlagen künftiger Generationen. Das ist die zentrale Botschaft des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, WBGU. Die Kernaussage lautet: Wir müssen unsere Gesellschaft verändern – und zwar sofort, zum Beispiel mit einem Gesellschaftsvertrag.
Leitplanken gegen gefährlichen Klimawandel
Im Dezember 2010 wurde während des Weltklimagipfels im mexikanischen Cancún das 2°C-Ziel verbindlich von 194 Nationen beschlossen. Dieses Ziel, das gewissermaßen eine Leitplanke des Klimaschutzes darstellt, definiert eine Art Schadensgrenze, innerhalb derer spezifische Risiken des Klimawandels für Gesellschaft und Natur abgeschätzt werden können. Die Überschreitung dieser Grenze könnte drastische Konsequenzen für das Klimasystem haben und zu unkalkulierbaren Risiken für die menschliche Zivilisation führen.
Kippelemente im Erdsystem. (Quelle: Lenton, T., Held, H., Kriegler, E., Hall, J., Lucht, W., Rahmstorf S. and Schellnhuber, H. J. (2008) Tipping elements in the Earth's climate system. PNAS 105, 1786)
Zudem können bei einer Überschreitung der 2°C-Leitplanke wichtige Prozesse im Klimasystem über kritische Grenzen hinaus belastet, die Kippelemente im Erdsystem aktiviert und in einen neuen Zustand versetzt werden. Zu den Kippelementen gehören unter anderem der Grönländische Eisschild, der Amazonas Regenwald, der indische Sommermonsun und das El-Niño-Klimaphänomen.
Allein das geschmolzene Eis des Grönländischen Eisschildes ließe den Meeresspiegel um sieben Meter weltweit ansteigen. Ganze Landstriche würden im Meer versinken und so in einigen küstennahen Regionen zur Zerstörung wertvoller Ackerflächen und somit der Lebensgrundlage vieler Menschen führen.
CO2-Emissionen drosseln
In einem entscheidenden Punkt stimmen alle Klimawissenschaftler miteinander überein: Der Anstieg der Welttemperatur steht in direktem Zusammenhang mit Anstieg der anthropogenen Treibhausgase in unserer Atmosphäre, die durch die Nutzung fossiler Rohstoffe entstanden sind.
Der einzige Weg, die globale Erwärmung auf ein erträgliches Maß zu beschränken, besteht darin, die menschlichen CO2-Emissionen zu begrenzen. Nehmen die globalen Emisionen weiterhin so zu wie in den vergangenen Jahren, lässt sich dieses Ziel nur noch erreichen, indem wir spätestens ab 2020 die CO2-Emissionen jedes Jahr verringern, bis wir schließlich auf dem Niveau von 1950 angelangt sind. Dabei drängt die Zeit, denn innerhalb der nächsten zehn Jahre muss die Trendwende der Treibhausgasemissionen erreicht werden. Andernfalls lässt sich die 2-Grad-Leitplanke nicht mehr einhalten.
Kippt das Klima 2030?
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder gelingt die Absenkung der weltweiten CO2-Emissionen und die Stabilisierung der CO2-Konzentration in unserer Atmosphäre auf 420 ppm (parts per million), also auf das 2°C-Leitplanken-Niveau - oder es gibt weltweit gravierende und nicht umkehrbare Klimaänderungen. Einen Zwischenweg – ein „bisschen“ mehr Erwärmung – schließen die Wissenschaftler aus: Überschreitet man das 2°C-Ziel, würde sich das Klima mit gravierenden Konsequenzen unwiederbringlich verändern. Wir müssen also heute aus Einsicht und auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnis handeln.
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) ist ein neunköpfiges Gutachtergremium, das die Bundesregierung zu globalen Umweltfragen berät. Vorsitzender des WBGU ist Professor Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Professor für theoretische Physik an der Universität Potsdam, External Professor am Santa Fe Institute, sowie Mitglied des Weltklimarats IPCC. Zu den weiteren Mitgliedern zählt Professor Claus Leggewie, Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen. Er hat gerade ein Buch verfasst: „Mut statt Wut“ (Edition -Körber Stiftung, 14 Euro).
Dabei reicht es nicht aus, auf die drohende Verknappung der fossilen Energieträger zu warten – nach dem Motto, wenn Öl-, Gas- und Kohlevorräte aufgebraucht sind, rettet sich das Weltklima von ganz allein. Denn wenn wir alle bekannten und geschätzten Reserven und Ressourcen fossiler Energieträger nutzen, werden bei ihrer Verbrennung 100-mal mehr CO2-Emissionen freigesetzt, als wir uns bis 2050 leisten könnten, wenn wir die globale Erwärmung begrenzen wollen.
Pioniere des Wandels
„Je mehr kleinskalige Maßnahmen greifen und je mehr Pioniere des Wandels aktiv werden, sich vernetzen und beginnen, Veränderungen auf unterschiedlichen Ebenen im Sinne der Transformation anzustoßen, desto eher werden Entscheidungsträger ermutigt, auch vermeintlich unpopuläre, große Weichenstellungen anzupacken. In einem derart dynamischen gesellschaftlichen Umfeld können Maßnahmen, die heute noch als unrealistisch gelten, morgen durchaus umsetzbar sein.“
in: Schellnhuber, H. J. et al. (2011). Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. WBGU-Hauptgutachten, WBGU, Berlin
Das aktuelle Hauptgutachten des WBGU „Welt im Wandel - Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“, erhältlich kostenlos als Download oder als gedruckte Fassung über www.wbgu.de anfordern.
Der Wandel ist möglich
Professor Schellnhuber zählt sieben Kardinal-Innovationen auf, die den Wandel ermöglichen können:
- Integration erneuerbarer Energiequellen (“Supersmart Grids”)
- Plus-Energie-Gebäude (Einfamilien-Kraftwerk“)
- Modulare Elektromobilität („Jenseits der Speicherung“)
- Systemoptimierte Industrieproduktion („Cradle to cradle“)
- Holistische Raumplanung (“Neuerfindung von Urbanität und Ruralität”)
- Nachhaltiges Biomasse-Management („De- und Antikarbonisierung“)
- Regeneratives Wasserdargebot („Solare Entsalzung“)
Und er ermutigt seine Zuhörer bei seinen Vorträgen und betont immer wieder: „Time is on your side – die Zeit spiel für Euch“ und verweist etwa auf die Lernkurven erneuerbarer Energien. Danach wird regenerative Stromerzeugung bald schon deutlich günstiger sein als der Betrieb fossiler Kraftwerke.
Konventionelle Sichtweise: Zustand geringster Kosten stellt sich ein. (Quelle: Schellnhuber, H. J. et al. (2011). Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. WBGU-Hauptgutachten, WBGU, Berlin)
Die „Große Transformation“
Schellnhuber initiierte eine Symposiumsreihe mit Nobelpreisträgern A Nobel Cause – Symposium Series on Global Sustainability, deren Veranstaltungen bereits in Potsdam, London und Stockholm stattfanden. Im Jahr 2007 lud er unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel, erstmals Nobelpreisträger und andere Spitzenforscher nach Potsdam ein, um Grundfragen der Nachhaltigkeit zu diskutieren. Alle Teilnehmer waren sich in Folgendem einig: „Wir stehen an einem geschichtlichen Wendepunkt, wo der Bedrohung unseres Planeten nur mit einer Großen Transformation begegnet werden kann. Diese Transformation muss jetzt beginnen; sie wird von allen Teilnehmern des Nobelpreisträger-Symposiums befürwortet und unterstützt.“.
Der WBGU hat diese Thematik aufgegriffen und in einem 2011 erschienenen Hauptgutachten eingehend untersucht. Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, wie die notwendige große Transformation in Gang gebracht werden kann und welche Akteurskonstellationen für ihr Gelingen erforderlich sind. Aus Sicht des WBGU können diese weitreichenden Veränderungen nur auf Basis eines neuen Gesellschaftsvertrags erfolgen. Dieser verbindet den gestaltenden Staat mit mehr Bürgerbeteiligung. Er erlegt den Bürgerinnen und Bürgern mehr ökologische und soziale Verantwortung auf, schafft aber zugleich mehr und neue Möglichkeiten zur Mitgestaltung, Mitwirkung und Mitentscheidung.
Die Gesellschaft transformiert mit
Eine Transformationsstrategie kann unmöglich auf Zwang setzen und von oben nach unten erfolgen. Sie ist – wie es unser Bild vom neuen Gesellschaftsvertrag beinhaltet – auf die Überzeugung, Mitwirkung und Ausgestaltung von uns allen als Konsumenten, Mietern und Staatsbürgern angewiesen.
Ein zentrales Aktionsfeld einer Transformation zur Nachhaltigkeit sind die Energiesysteme. Schon vor der Atomkatastrophe von Fukushima hatte der WBGU belegt, dass Deutschland seine Energieversorgung bis 2050 auf regenerative Energien umstellen kann. Deutschland sollte die vollständige Dekarbonisierung seiner Energiesysteme bis 2050 verbindlich erreichen.
In seinem Gutachten empfiehlt der WBGU, dieses Ziel auf verschiedenen Ebenen zu verfolgen: verfassungsrechtlich durch eine Statuierung des Staatsziels Klimaschutz, materiell-rechtlich durch ein Klimaschutzgesetz, prozedural durch mehr Informations- und Beteiligungsrechte sowie Rechtsschutz für Bürger und Nichtregierungsorganisationen und institutionell durch ein Klima-Mainstreaming der Staatsorganisation.
Kurzfristige Kosten
Die klassische Wirtschaftswissenschaft postuliert, dass ein optimales Energieversorgungssystem die geringsten Kosten aufweist. Dieses Optimum stellt sich jedoch nicht automatisch ein, da unter anderem viele sogenannte externe Effekte, wie Treibhausgasemissionen nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden. Dieser Tatbestand wird in Grafik 3 veranschaulicht. Danach liegen die gesamtgesellschaftlichen Kosten für eine CO2-freie Energieversorgung zwar niedriger, doch erreicht man ein solches System nur, wenn man vorübergehend höhere Kosten in Kauf genommen werden. Es ist die Aufgabe der Politik, kurzfristige Blockaden zu überwinden, um eine Große Transformation zur Nachhaltigkeit zu ermöglichen.
Erst durch eine Transformation kann der günstigste Zustand erreicht werden. (Quelle: Schellnhuber, H. J. et al. (2011). Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. WBGU-Hauptgutachten, WBGU, Berlin)
Viele Technologien für die Große Transformation sind bereits vorhanden und ihr Einsatz ist finanzierbar. Mit Hilfe der begünstigenden Faktoren, zum Beispiel Einpreisung von Externalitäten (nicht in Rechnung gestellten Umweltschäden) sowie Forschung und Entwicklung, kann der Berg, der Veränderungen erschwert abgeflacht werden und den Weg für die Transformation erleichtern.
Auf der anderen Seite gibt es Hürden, die den Berg zusätzlich erhöhen, etwa Subventionen für fossile Energien in Höhe über 400 Milliarden Euro jährlich, wie die Internationale Energie-Agentur gerade in einem Bericht feststellte. Auch bürokratische Vorschriften erschweren den Weg. Doch sind die entscheidenden Hürden einmal genommen, ist eine große Eigendynamik in Richtung Nachhaltigkeit zu erwarten.
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Gibt es den Klimawandel wirklich?
Die meisten Menschen sind davon überzeugt, dass der Klimawandel eine reale Bedrohung darstellt: Damit unser Planet bewohnbar bleibt, gilt es, die CO2-Emissionen aus Industrie und Landnutzung rasch zu reduzieren - oder? Immer wieder machen Kritiker Schlagzeilen, die eine völlig entgegengesetzte Ansicht vertreten. Sie sprechen von einer „Klimalüge" und einer „Klimahysterie". Ein kritischer Blick auf die Argumente der Klima-Skeptiker.
Von Aribert Peters
(12. September 2010) Es wird weltweit wärmer, und schuld daran ist der Mensch: Die Klimaänderung durch den Menschen gilt seit dem zweiten Sachstandsbericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) von 1995 als erwiesen. Die Berichte und ihre Thesen sind aber nicht unumstritten. So hat zum Beispiel das Nongovernmental International Panel on Climate Change (NIPCC) 2009 einen 868 Seiten starken Gegenbericht veröffentlicht. Grund genug, sich die Sachlage genauer anzusehen.
Die Fakten
- In den vergangenen 50 Jahren hat die mittlere Temperatur der Luft in der Nähe der Erdoberfläche eindeutig zugenommen.
- In den vergangenen 50 Jahren hat sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre um ein Viertel des Wertes vor der Industrialisierung erhöht.
- Mindestens ein großer Teil des Temperaturanstieges ist Folge der erhöhten CO2-Konzentration.
- Dass der Mensch die Zunahme der globalen CO2-Konzentration verursacht, ist wissenschaftlich nicht mehr umstritten.
- Es gibt sehr plausible Theorien und Modellrechnungen, wonach die Temperaturen weltweit weiter ansteigen werden und welche Folgen dies hat.
- Weder der Anstieg der Temperaturen, noch der steigende Meeresspiegel sind historisch einmalige Ereignisse.
Temperaturrekorde mehren sich
Über den globalen Anstieg der Durchschnitts-Temperaturen herrscht Einigkeit. So stellte das National Climate Data Center des US-Handelsministeriums für den Juni 2010 fest, dass die Oberflächentemperatur auf der Erde, Land und Wasser zusammengenommen, mit 16,2 Grad Celsius die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen war. Sie lag 0,68 Grad über dem Mittel des 20. Jahrhundert (15,5 Grad). Die höchste Temperatur davor wurde im Juni 2005 gemessen. Der Juni 2010 war der vierte wärmste Monat in Folge seit Beginn der Aufzeichnungen (März, April und Mai 2010 waren ebenfalls jeweils die wärmsten Monate). Es war damit der 304. Monat in Folge mit einer Temperatur, die über der mittleren Erdtemperatur des 20. Jahrhunderts lag. Der letzte Monat mit einer unterdurchschnittlichen Temperatur war der Februar 1985.
Treibhaus Erde
Ein häufiges Argument der Klimaskeptiker ist die Tatsache, dass der Anteil an CO2, den der Mensch verursacht, klein ist gegenüber den CO2-Mengen (hier als Tonnen Kohlenstoff angegeben), die zwischen den Ozeanen und der Atmosphäre sowie den Pflanzen und der Atmosphäre ständig hin- und hergehen: Biomasse 120 Gigatonnen Kohlenstoff jährlich, Ozeane: 90 Gigatonnen.
Quelle: Hamburger Bildungsserver
Die fossile Verbrennung setzt jährlich 6,4 Gigatonnen Kohlenstoff frei. Schon eine geringfügige Verschiebung der Mengen, die Ozeane, Biomasse und Atmosphäre austauschen, lässt die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ansteigen oder absinken. Zurzeit bleiben jährlich über drei Milliarden Tonnen Kohlenstoff im Jahresmittel zusätzlich in der Atmosphäre.
Erdtemperatur und CO2-Konzentration
Es gibt eine klare Wechselbeziehung zwischen CO2-Konzentration in der Atmosphäre und der globalen Temperatur. Das sieht man aus den Entwicklungen der beiden Größen in der Vergangenheit. Allerdings ist die CO2-Konzentration der Erdtemperatur mit einer Verzögerung von rund 800 Jahren gefolgt.
Ursache könnte die große Menge an CO2 sein, die in den Weltmeeren gespeichert ist: Dort ist etwa 6.000-mal mehr CO2 gespeichert, als die Menschheit zurzeit jährlich ausstößt. Die Speicherfähigkeit der Ozeane ist stark von biogeochemischen Kreisläufen abhängig. Auch die Temperatur übt einen gewissen Einfluss darauf aus.
Schmutzige Wäsche
Die Debatte um den Klimawandel wird sehr emotional und heftig geführt. Befürworter und Kritiker bezichtigen sich gegenseitig der Lüge, der Unwissenschaftlichkeit und der Polemik. Immerhin stehen mit dem weltweiten Emissionshandel die Zweckmäßigkeit von Hunderten Milliarden Euro zur Debatte. Nebenbei: Auch Wissenschaftler, die den von Menschen verursachten Klimawandel nicht in Frage stellen, lehnen den Emissionshandel aus sachlichen Gründen ab.
Hacker haben im November 2009 viele Dokumente und Mails des Klimaforschungszentrums der University of East Anglia ins Internet gestellt (Climategate). Die von den Skeptikern vorgebrachten Verschwörungsthesen ließen sich damit jedoch nicht belegen. Der daraufhin eingesetzte Untersuchungsausschuss des britischen Unterhauses kam zu einem Freispruch für die Klimaforscher.
Sehr umstritten war das „Hockeyschläger-Diagramm" im dritten IPCC-Bericht von 2001. Es zeigt die Klimaabweichungen der vergangenen 1000 Jahre, die die Form eines Hockeyschlägers haben. Demnach erscheint das Klima der vergangenen Jahre deutlich wärmer als in der mittelalterlichen Warmzeit. Das Diagramm fand weite Beachtung und galt vielen als Beleg des Klimawandels. Die Aussagen des IPCC zur Wahrscheinlichkeit des menschlichen Einflusses hängen davon jedoch nicht ab, weil sich diese nur auf Messungen im 20. Jahrhundert bezogen. Andere Wissenschaftler modifizierten jedoch die Berechnungsmethode und Daten des Diagramms. Der vierte IPCC-Bericht schwächt die Aussage des Diagramms deshalb ab. Es ist demnach nicht mehr „sehr wahrscheinlich", sondern nur noch „wahrscheinlich", dass die Temperatur der Nordhalbkugel zurzeit höher ist, als in jeder anderen 50-Jahres-Periode der letzten 1.300 Jahre.
Weitere Informationen:
- www.nierswetter.de: Klimatische Erdgeschichte
- www.globalchange.gov: U.S. Climate Impacts Report - Full Report
- www.klimaskeptiker.info: Gibt es eine Gegentheorie?
- www.pik-potsdam.de: Alles nur Klimahysterie?
- www.agenda21-treffpunkt.de: Klimawandel, Klimaerwärmung, Klimageschichte
- www.bpb.de: Dossier Klimawandel
An einem Strang
Kommentar von Dr. Aribert Peters
Weltweit steigen die Temperaturen: Manche Regionen der Welt ertrinken geradezu, entweder, weil die Weltmeere steigen, oder, weil immer häufiger sintflutartige Regenfälle über sie niedergehen. In anderen Ländern drohen dagegen immer heißere, trocknere Sommer und Wüstenbildung.
So dramatisch sich diese Szenarien lesen: Für die Energiepolitik ist es unerheblich, ob der Mensch den Klimawandel verursacht oder nicht. Es ist eigentlich sogar egal, ob es einen Klimawandel überhaupt gibt: Der rasche Abschied von fossilen Energieträgern ist schlichtweg eine Überlebensfrage für die Menschheit, denn die gewaltigen Öl-, Gas- und Kohlevorkommen, auf denen die heutige Zivilisation basiert, gehen zur Neige.
Energiesparer und Umweltbewusste wissen es schon länger: Dank erneuerbarer Energiequellen ist es möglich, ohne wesentliche Komfort- und Wohlstandsverluste ohne fossile Brennstoffe auszukommen. Der Umstieg von fossilen auf regenerative Energieträger ist eine gewaltige zivilisatorische Leistung, die alle unsere Kräfte erfordert. Wir müssen diesen Wandel rasch vorantreiben, denn wenn die fossilen Energieträger erst knapp werden, wird unsere Gesellschaft in einer Paralyse erstarren: Dann droht ein vollständiger Zusammenbruch der Zivilisation.
Umso besser, dass der Klimawandel ein weiteres Argument für den raschen Umstieg auf die Erneuerbaren bietet. Klimaschützer und die Befürworter der regenerativen Energien ziehen an einem Strang - ein erster Schritt auf dem mühsamen Weg, alle Kräfte zu bündeln, um den Umstieg endlich zu bewältigen.
Für die freundliche Durchsicht des Manuskripts danken wir Herrn Professor Hartmut Grassl, ehemaliger Direktor des Instituts für Physik am GKSS-Forschungs-zentrum bei Hamburg und emeritierter Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI). Seine Forschungsgruppe wurde 1998 mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet.
Der Treibhauseffekt
Die Bezeichnung „Treibhauseffekt" rührt daher, dass die Erdatmosphäre im Prinzip wie das Glasdach eines Treibhauses wirkt: Kurzwellige Sonnenstrahlung durchdringt das Glas von außen nach innen, wandelt sich in langwelligere Wärmestrahlung um, die dann aber nicht mehr von innen nach außen gelangen kann, wodurch sich das Treibhaus aufheizt.
Nach dem gleichen Wirkungsmechanismus wird die Erde und ihre Atmosphäre erwärmt: Kurzwellige Strahlung von der Sonne trifft auf die Erdatmosphäre. Ein Teil wird ins Weltall reflektiert, ein anderer wandelt sich auf dem Weg durch die Atmosphäre in Wärmeenergie um, der Rest gelangt auf die Erde und wird dort teils wieder in die Atmosphäre reflektiert, teils erwärmt er die Erdoberfläche. Durch diese Prozesse wird die Strahlung langwelliger, was die Rückstrahlquote ins Weltall verringert.
Dieser „natürliche Treibhauseffekt" sorgt für eine globale Durchschnitts-Temperatur von ca. 15 Grad Celsius am Erdboden. Ohne ihn würde eine lebensfeindliche Kälte von -18 Grad Celsius herrschen. Zu etwa zwei Dritteln wird der „natürliche Treibhauseffekt" durch den Wasserdampf in der Atmosphäre verursacht.
Wechselvolles Klima
Die Geschichte der Erde ist von extremen Klimaschwankungen und -Änderungen des Meeresspiegels geprägt:
- Vor etwa 50 Millionen Jahren war die Erde völlig eisfrei.
- Vor etwa 600 Millionen Jahren war die Erde völlig mit Eis bedeckt.
- Vor etwa 20.000 Jahren, dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, lag der Meeresspiegel 120 Meter unter dem heutigen Niveau und die Temperatur im globalen Mittel um fünf Grad Celsius unter der heutigen Temperatur.
- Vor rund 40 Millionen Jahren war der Meeresspiegel 60 Meter über dem heutigen Level und es war global drei Grad wärmer als heute.
- In den vergangenen 800.000 Jahren gab es zahlreiche starke Schwankungen der mittleren Erdtemperaturen um rund drei bis fünf Grad. Es hat in der Vergangenheit immer wieder kleinere Eis- und Warmzeiten gegeben. Geologisch gesehen können mindestens fünf große Eiszeitalter mit einer Dauer von jeweils etwa 15 bis 20 Millionen Jahren und dazwischen liegende langdauernde Warmzeiten unterschieden werden. Selbst innerhalb der Eiszeitalter wechselten sich kürzere Kalt- und Warmperioden ab. Während der letzten längeren Warmphase, dem sogenannten Eem-Interglazial, lagen die Durchschnittstemperaturen in Europa über den heutigen.
- Auch die CO2-Konzentration in der Atmosphäre verlief analog zu den Temperaturschwankungen. Allerdings stieg die atmosphärische CO2-Konzentration nie über 280 ppm (parts per million, „Teilchen pro Million") und liegt heute bei 380 ppm. Aus einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 geht hervor, dass der CO2-Gehalt heute um fast ein Drittel höher liegt als jemals zuvor in den vergangenen 2,1 Millionen Jahren. Die Geochemikerin Bärbel Hönisch von der Columbia University und ihr Team gewannen diese Daten aus der chemischen Analyse der Kalkschalen fossiler Kleinstlebewesen.
- Um 1250 war es in England um 1,3 Grad wärmer als heute: Dort wurde sogar Wein angebaut - was auch heute wieder in zunehmenden Maße geschieht. Global gemittelt, liegt die heutige Durchschnittstemperatur jedoch über der von 1250.
- Im 14. Jahrhundert gab es eine kleine Eiszeit, die den Küstenverlauf stark änderte und kalte Sommer, Missernten sowie dramatische Bevölkerungsrückgänge zur Folge hatte.
- Wissenschaftler sagten im Mai 2008 im Fachmagazin Nature für die kommenden zehn Jahre eine Abkühlung auf der Nordhalbkugel voraus.
- .1: CO2.
- .2: Entropie.
- .3: Klimakompensation.
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- .4: Der Null-Energie-Mann.
- .5: Ökosteuer.
- .6: Verschwenden, aber richtig!.