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Verbraucher siegt vor dem Landgericht Mühlhausen Urteil ist rechtskräftig

Stromversorger muss überhöhten Strompreis zurückzahlen

(10. Mai 2005) Ein wegweisendes Urteil hat das Landgericht Mühlhausen am 12. April 2005 verkündet.

Die Stadtwerke Mühlhausen hatten ihre Strompreise erhöht. Konkret ging es im Fall um das Jahr 1998. Ein Unternehmer hat einen Strombezugsvertrag. Die im Jahr 1998 wirksam gewordene Preiserhöhung bezahlte der Unternehmer zunächst vorbehaltslos.

Dann forderte der Unternehmer überzahlte Stromkosten für das Jahr 1998 zurück. Er ist der Ansicht, die Preiserhöhung sei unbillig.

Zunächst kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine behördliche Genehmigung der Tarife einer Anwendbarkeit des § 315 BGB nicht entgegen stünde.

Weiter kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Kunde den Nachweis erbringen muss, dass er ohne Rechtsgrund gezahlt hat. Doch müsse, so das Gericht, der Bereicherungsgläubiger (hier der Kläger auf Rückzahlung), dem insoweit der Beweis einer negativen Tatsche obliegt, nicht jeden theoretisch denkbaren rechtfertigen Grund ausschließen. Es genüge vielmehr der Beweis, dass der vom Schuldner geltend gemachte Rechtsgrund nicht besteht. Dabei treffe den Prozessgegner dann eine erweiterte Behauptungslast, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Gegner über ein derartiges Wissen verfügt und ihm nähere Angaben zumutbar sind; im Rahmen des Zumutbaren kann vom ihm dann insbesondere das substantiierte Bestreiten einer negativen Tatsache unter Darlegung der für die positive Tatsache sprechenden Umstände verlangt werden.

Die Stadtwerke kamen, nach Ansicht des LG Mühlhausen, ihrer Obliegenheit zum substantiierten Bestreiten, nicht nach. Weiter schreibt das LG Mühlhausen: ..." Die Substantiierung der Billigkeit einer Preisbestimmung erfordert daher regelmäßig, dass der Stromlieferant seine Preiskalkulation offen legt (LG Berlin).

Das Gericht verlangte von den Stadtwerken dann genau vorzutragen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die ihr durch die Belieferug des Klägers mit elektrischer Energie entstanden waren, abzudecken waren; ferner welchen Gewinn sie zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des aufgenommenen Kapitals bzw. der Einlagen ihrer Aktionäre mit dem dem Kläger berechneten Preis erzielen wollte.

Nachdem die Stadtwerke den Vortrag unterließen, konnte das Gericht nicht prüfen, inwieweit die Preiserhöhung billig war.

Das Gericht lies auch den Einwand, dass die Preise behördlich genehmigt waren, nicht gelten. Dies u.a. deshalb, weil die Stadtwerke im Prozess die Genehmigungsunterlagen nicht vorgelegt hatten. Das Gericht hatte dann unterstellt, dass die Preiserhöhung nicht billig war!

Weiter hat das LG entschieden, dass § 21 Abs. 2 AVBEltV eine Ausschlussfrist sei, und keine Verfall- oder Verjährungsfrist. § 21 Abs. 2 AVBEltV bedeute nicht, dass ein Fehler binnen zwei Jahren gerichtlich geltend gemacht werden müsse. Das Gericht wendet grundsätzlich die allgemeine Verjährungsfrist (§ 196 n.F. BGB) auf den Fall an. Da der Anspruch nach der alten Fassung des BGB nach 4 Jahren (gem. § 197 BGB a.F.) verjährt wäre - jedoch unter Berücksichtigung von Art 229 § 6 Abs. 4 EGBGB - der Anspruch unter Zugrundelegung des neuen Rechts später verjährt wäre, wendet das Gericht noch die alte Verjährungsfrist (4 Jahre) an. Trotzdem war der Anspruch des Unternehmers nicht verjährt.

Das Gericht sprach dem Unternehmer insgesamt zu: überzahlte Stromkosten: 2553, 97 Euro zzgl Zinsen 5 % über Basiszins; sowie 522 Euro Erstattung eines Sachverständigengutachtens. Anspruchsgrundlage hierfür sei p.V.V. so das LG Mühlhausen.

Die Stadtwerke hätten die Pflicht zur ordnungsgemäßen Preisfestsetzung verletzt. Dies hätte den Kläger geschädigt - er hätte zur Vorbereitung des Verfahrens ein Sachverständigengutachten über die Stromkosten einholen müssen. Auch diese Kosten müssten die Stadtwerke übernehmen. Wörtlich schreibt das LG: ..." Er war insofern auf den Sachverständigen angewiesen. Dem Kläger als Laien war nicht zuzumuten, ohne Unterstützung eines Sachverständigen bzw. ohne Vorbereitung durch einen Sachverständigen den vorliegenden Rechtsstreit zu führen. Zur Vorbereitung des vorliegenden Prozesses bedurfte er daher des Gutachtens."...

Urteil des LG Mühlhausen, Az.: 2 S 83/2004 vom 12.04.2005

Das LG hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen.

letzte Änderung: 19.04.2023