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Abhängigkeitsverhältnis

Euskirchen: Widerstand gegen Erhöhung der Gaspreise

(18. Juni 2005) "Ich bin ein bekennender Gas-Rebell", sagte Rechtsanwalt Uwe Carsten Glatz am Mittwochabend im katholischen Jugendheim an der Weilerswister Triftstraße. Dennoch: Die Informationsveranstaltung, in der sich alles um den Widerstand gegen die Erhöhung der Gaspreise drehte, ging sehr sachlich über die Bühne. Uwe Carsten Glatz und sein Kollege Jan Claudius Fabritius ließen sich auf politische Diskussionen gar nicht erst ein. Die beiden Anwälte aus Pulheim zeigten vielmehr auf, wie man sich gegen die Preiserhöhung wehren kann.

Über 100 Zuhörer waren zu der Veranstaltung gekommen, die Peter Hansen und Lambert Schauen auf die Beine gestellt hatten. Die beiden Weilerswister hatten vor rund einem Monat eine Bürgerinitiative gegen die Gaspreis-Erhöhungen ins Leben gerufen. Wie Uwe Carsten Glatz berichtete, haben Gasversorger in der ganzen Bundesrepublik die Preise zum Jahresbeginn angezogen. Die Steigerungen, so der Anwalt, lagen zwischen 2,5 und 20 Prozent. Die Regionalgas Euskirchen GmbH liegt in diesem Spektrum etwa in der Mitte: Das Unternehmen, das rund 60 000 Kunden im Kreis Euskirchen und im linksrheinischen Teil Rhein-Sieg-Kreises betreut, erhöhte die Preise um rund 12,5 Prozent. Gegen diesen Anstieg wurden verstärkte Proteste laut.

Abhängigkeitsverhältnis

Zwischen dem Versorger und dem Kunden, so Glatz, liegt ein besonderes Geschäftsverhältnis vor: Der Versorger legt den Preis einseitig fest, der Abnehmer muss ihn im Grunde akzeptieren. Denn er kann auf keine anderen Anbieter zurückgreifen. Das bürgerliche Gesetzbuch sieht allerdings vor, das eine solche einseitige Preisanpassung nur nach "billigem Ermessen" geschehen darf. Das heißt: Die Preise dürfen nicht willkürlich erhöht werden, in irgendeiner Form muss eine Begründung erfolgen.

Hier, so Uwe Carsten Glatz, liegt der Ansatzpunkt, um sich gegen den Versorger zur Wehr zu setzen: Zuerst gelte es, mit dem Verweis auf die "Unbilligkeit" des Vorgehens Widerspruch gegen die Forderungen einzulegen. Wichtig sei es, dann auch die Einzugsermächtigung entsprechend anzupassen und die Forderungen nicht in vollem Umfang zu begleichen. Der Musterbrief sieht eine Zahlung des alten Abschlags mit einem Sicherheitszuschlag von zwei Prozent vor. Mit der Jahresrechnung verlangt der Versorger dann in der Regel die Begleichung der offenen Beträge. "Wer keine Rechtsschutzversicherung hat, sollte das Geld erst einmal unter Vorbehalt zahlen", sagte Jan Claudius Fabrizius. Wer die Rückendeckung einer Versicherung hat, sollte die Forderungen erneut zurückweisen. Für den Versorger bliebe dann letzten Endes nur der Klageweg. Dann trage der Anbieter die Beweislast: Er müsse vor Gericht nachweisen, dass er in "billigem Ermessen" gehandelt hat. "Dann ist der Energieversorger allerdings verpflichtet, seine Kalkulation offenzulegen", sagte Rechtsanwalt Glatz. Die Anbieter müssten quasi ihre "Betriebsgeheimnisse" offenbaren. "Es wird spannend sein zu sehen, ob die Anbieter diesen Schritt wirklich gehen", sagte Glatz. Präzedenzfälle gebe es noch nicht: Keines der Widerspruchsverfahren ist schon so weit fortgeschritten, dass die Gerichte involviert wären.

Kritik an Ölpreisbindung

Die Gasversorger, so die Anwälte, verweisen bei kritischen Nachfragen zur Preisgestaltung gerne auf die Ölpreisbindung. "Diese Regelung fußt aber auf einer politischen Entscheidung, die derzeit sowohl in Deutschland als auch in Europa diskutiert wird", erklärte Glatz. Außerdem sei völlig unklar, nach welcher Klausel sich der Gaspreis aus dem Ölpreis ergebe. Fakt aber sei, dass die Versorger erhebliche Gewinne erwirtschaften. "Die jüngsten Preiserhöhungen sind auch deswegen unverständlich, weil der Einkaufspreis auf dem Weltmarkt 2004 sogar gesunken ist", ergänzte Fabritius.

Die Anwälte rieten den Zuhörern davon ab, selbst Klage gegen das Versorgungsunternehmen einzureichen: Der Kunde trüge dann die Beweislast. Er müsste dem Unternehmen nachweisen, dass es "unbillig" gehandelt haben. Ein solcher Beweis sei aber kaum zu leisten, weil dazu der Einblick in die Unternehmensdaten erforderlich sei.

Die Sorge, dass gleich der "Mann mit dem Kuckuck" vor der Tür stehe, wenn man die Zahlungen verweigere, konnten die Anwälte den Zuhörer nehmen. Nicht rechtens sei auch die Drohung, den Gashahn abzudrehen. "Dagegen kann man sich mit einer einstweiligen Verfügung wehren", meinte Glatz.

Eine Zuhörerin regte an, eine Demonstration gegen das Versorgungsunternehmen auf die Beine zu stellen. Peter Hansen griff die Anregung auf: "Die Informationsveranstaltung war sicher nicht die letzte Aktion unserer Bürgerinitiative."

VON PATRIK REINARTZ, 17.06.05, 07:15h

letzte Änderung: 19.04.2023