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Juristische Diaspora: Die Untiefen der bayerischen Justiz In Bayern ist manches etwas anders als im Rest des Landes. Das ist in vielen Dingen gut so, aber nicht immer - und schon gar nicht, wenn es um so wichtige Fragen geht wie die unaufhörlich steigende Preisspirale bei Gas und Strom.

Juristische Diaspora: Die Untiefen der bayerischen Justiz

In Bayern ist manches etwas anders als im Rest des Landes. Das ist in vielen Dingen gut so, aber nicht immer - und schon gar nicht, wenn es um so wichtige Fragen geht wie die unaufhörlich steigende Preisspirale bei Gas und Strom.

(8. Dezember 2008) - In Bayern hat es etwas länger gedauert, bis die ersten Klagen von und gegen Gasprotestkunden zu den Gerichten gelangt sind. Nun ist es so weit. Leider entschieden die bayerischen Gerichte bislang zu ungunsten der Verbraucher.

Trübe Aussichten für Verbraucher in Bayern / Foto Hanspeter Bolliger Pixelio.de

Schon allein die Frage nach dem zuständigen Gericht bereitet große Schwierigkeiten. Landet der Rechtstreit nach langem Hin und Her dann vor dem zuständigen Gericht, akzeptieren die Richter mehr oder weniger ungeprüft Wirtschaftprüferbescheinigungen als Nachweis für die gestiegenen Bezugskosten. Dies geschieht, obwohl der betroffene Verbraucher mit Recht gegen die Verwertung einer solchen Bescheinigung protestiert hat, denn es handelt sich immerhin um das Gutachten eines vom Energieversorger bezahlten Unternehmens.

Als Zeugen treten meist Mitarbeiter des Energieversorgungsunternehmen auf, die regelmäßig bestätigen, dass die Bezugspreise gestiegen sind. Die Richter verzichten zudem darauf, Originalbezugsverträge, Bilanzen oder sonstige Unterlagen, die Aufschluss über die Preiskalkulation geben könnten, anzufordern. Die Begründung dafür lautet teilweise, dass der Kunde beziehungsweise das Gericht deren Inhalt ja doch nicht verstehen würde. Dies geschieht, obwohl die Gerichte schon bei jedem durchschnittlichen Verkehrsunfall einen neutralen Sachverständigen einschalten, der genau die Fragen klärt, die Juristen mangels eigener Sachkunde nicht beantworten können. Selbst der Bundesgerichtshof hat in seiner berühmten Entscheidung vom 13. Juni 2007 die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers nur gelten lassen, weil der im dortigen Verfahren betroffene Energieverbraucher sich nicht gegen deren Verwertung als Beweismittel gewehrt hat. Im Übrigen sagte der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 2. Juni 2008, dass ein Privatgutachten einen qualifizierten Parteivortrag darstellt. Das Gericht dürfe sich dem nur anschließen und von der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens absehen, wenn es darlegt, dass es aufgrund eigener Sachkenntnis die streitigen Fragen abschließend beurteilen kann (II ZR 67/07).

Manche bayerischen Gerichte vertreten sogar die abenteuerliche Auffassung, dass § 315 BGB für Energiepreise nicht gilt, da die Gerichte die Billigkeit von Gaspreiserhöhungen nicht kontrollieren könne - so zumindest das Amtsgericht Regensburg (Urteil vom 15. September 2008 - Az 10C 1336/08, nicht rechts-kräftig).

Auch die Unterscheidung zwischen den grundversorgten Verbrauchern und Sondervertragskunden spielt für bayerische Gerichte offenbar keine Rolle.

Soll man in Bayern nun aufgeben und reumütig wieder jeden Preis akzeptieren? Nein, sicher nicht. Der bisher eingeschlagene Weg ist richtig. Nur wer sich zur Wehr setzt, auch wenn der Gegner noch so übermächtig erscheint, kann etwas bewegen und langfristig ändern, sowohl rechtlich als auch politisch. Das letzte Urteil zu diesem Thema ist noch nicht gesprochen, weder in Bayern, noch auf Bundesebene.

Cornelia Ahrens
Rechtsanwältin, Nürnberg

letzte Änderung: 19.04.2023