Archiv Energiewende bis 2012
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Die Energiewende ist mehr als der Ausstieg aus der Kernenergie, mahnt der renommierte Energie-Experte Hans-Joachim Ziesing
Radikaler Reformbedarf
Die Energiewende ist mehr als der Ausstieg aus der Kernenergie, mahnt der renommierte Energie-Experte Hans-Joachim Ziesing. Mit der Energiedepesche sprach er über zwei maßgebliche Sektoren, die häufig ausgeblendet werden: Gebäude und Verkehr. Ziesing nimmt auch zu der Diskussion über das EEG Stellung.
(19. Dezember 2012)
Energie-Experte Dr. Hans-Joachim Ziesing
Energiedepesche: 2050 soll der gesamte Gebäudebestand in Deutschland klimaneutral sein. Wie lässt sich dieses Ziel erreichen?
Ziesing: Das ist eine wahre Herkulesaufgabe: Wir müssen in den nächsten 38 Jahren rund 18 Millionen Wohngebäude mit etwa 40 Millionen Wohnungen in einen klimaneutralen Zustand bringen. Die gegenwärtig existierenden politischen Maßnahmen reichen dazu überhaupt nicht aus. Die KfW-Programme sind zwar für sich genommen sehr gut. Sie sind aber viel zu schwach dotiert, um diese Ziele erreichen zu können. Die Mittel aus dem Energie- und -Klimafonds, die für die Sanierung der Gebäude zur Verfügung stehen, reichen bei Weitem nicht aus, um einen wirksamen Beitrag zur Zielerfüllung zu leisten. Dabei sind klimaneutrale Gebäude schon heute machbar und sie sind ökonomisch vielfach äußerst attraktiv. Dennoch: Es bleibt eine Heidenarbeit. Wir müssen uns im Übrigen fragen, ob wir dafür überhaupt genügend Bauunternehmen und Handwerksbetriebe haben.
Blendet die Politik diese Probleme einfach aus?
Ich glaube schon, dass die verantwortlichen Politiker den Handlungsdruck fühlen und wissen, dass für die angestrebten Ziele noch sehr viel mehr politisch zu tun ist und noch etliches mehr an Geld in die Hand genommen werden muss.
Es ist traurig, dass ein Gesetz zur Steuererleichterung von Gebäudesanierungen nun auf der Länderebene scheitert, weil man nicht bereit ist, die Steuereinbußen hinzunehmen. Ich kann zwar die Argumentation der Länder nachvollziehen, aber nicht teilen. Denn auch die Länder bekennen sich immer wieder zu den ganz großen Zielen, da können sie sich nicht einfach wegducken.
Welche Maßnahmen sind nötig, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen?
Es gibt nur wenig Spielraum: Es muss eine Verordnung (EnEV) mit schärferen Vorschriften für Neubauten geben, die auch Erneuerungen im Gebäudebestand vorsieht. Deren Einhaltung muss auch kontrolliert werden. Bislang wird niemand bestraft, der die EnEV nicht erfüllt.
Notwendig ist zudem eine adäquate finanzielle Flankierung. Die Mittel dafür müssen erheblich aufgestockt werden. Es gibt keine Alternative zu einer Mischung aus verschärftem Ordnungsrecht und finanziellen Anreizen über Kredite, steuerliche Erleichterungen und direkten Zuschüssen.
Betroffene Eigentümer und Mieter sehen das vermutlich anders…
Wenn wir Klimaneutralität beim Gebäudebestand herstellen, dann bekommen wir mit hoher Sicherheit ein Verteilungsproblem: Wenn die Heizkosten aufgrund von Gebäudesanierungen steigen, wird es Haushalte geben, die dies wirtschaftlich kaum noch tragen können. Deshalb müssen wir rechtzeitig über Auswege nachdenken, etwa eine Warmmieten-Garantie für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Dafür muss man Ausgleichsmechanismen schaffen oder Abgaben. Auch die Alterung der Bevölkerung muss dabei mit bedacht werden. Doch aus meiner Sicht wird über dieses Problem noch nicht ausreichend nachgedacht. Dabei gibt es finanziell schwache Haushalte genau so wie Industriebetriebe, die es besonders schwer haben, weil sie im internationalen Wettbewerb stehen. Die Industriebetriebe begünstigt man schon heute mit Milliardenbeträgen. Da wird man auf der sozialen Ebene ebenfalls über flankierende Maßnahmen diskutieren müssen.
Wie könnte die Diskussion darüber in Gang kommen?
Normalerweise gibt man in solchen Fällen eine Studie in Auftrag oder bildet eine Enquetekommission. Das ist eine vernünftige Vorgehensweise.
In Berlin wurde unlängst ein sicher nicht perfektes Klimaschutzgesetz vom Wowereit-Senat einfach in die Zukunft verschoben, weil es wegen der absehbaren Mieterhöhungen als nicht durchsetzbar betrachtet wurde. Das war auch fehlender Durchsetzungswillen. Ohne diesen geht es aber nicht.
Wie steht es um den Verkehrssektor?
Da fehlt es im Moment an einer wirklich wirksamen Klimaschutzpolitik.
Was durchaus wirkt, sind niedrige CO2-Grenzwerte auf EU-Ebene. Die setzen die richtigen Anreize für viele Hersteller, sich was einfallen zu lassen. Allerdings sind dadurch nur Neufahrzeuge, aber nicht die Fahrzeugbestände betroffen. Insoweit bleiben die Effekte kurz- und mittelfristig eher sehr begrenzt.
Abgesehen von der Diskussion und der einseitigen Förderung von Elektroautos kann man in Deutschland keine zielorientierten klimaschutzrelevanten Aktivitäten erkennen. Erfreulich ist sicher, dass der Energieverbrauch im Verkehr seit 1999 zurückgegangen ist. Das ist gut, reicht aber für das gesetzte 40-Prozent-Minderungsziel noch nicht aus.
Außerdem schwächelt die Entwicklung der Elektroautos. So lange diese mit fossil erzeugtem Strom fahren, ist ihr Beitrag zur Emissionsfreiheit sehr begrenzt. Deshalb sollte man nicht nur auf Elektroautos setzen, sondern grundsätzlich über Mobilität nachdenken. Es gilt, neue Lösungen zu finden, die die verkehrs- und klimaschutzpolitischen Belange vereinen.
Die USA haben den Spritverbrauch per Gesetz halbiert. Warum geht das bei uns nicht?
In den Vereinigten Staaten geht es offenbar manchmal schneller, ein wirkungsvolles Gesetz zu verabschieden. Aber warten wir mal das Resultat ab. Bei uns ist man da vorsichtiger. Bei der „weißen Ware“ müsste man eigentlich schlechte Geräte mit Effizienzklasse B, C und F gar nicht erst auf den Markt kommen lassen. Das bekommen wir natürlich nicht hin. Auch die Öko-Designrichtlinie auf europäischer Ebene kommt nur recht langsam voran, dabei sind die in diesem Zusammenhang vereinbarten Grenzwerte nicht gerade überambitioniert.
Wie bewerten Sie die Diskussion um das EEG und die Subvention erneuerbarer Energien?
Es geht kein Weg am drastischen Ausbau der Erneuerbaren vorbei. Die Gesellschaft muss auch bereit sein, die Kosten dafür zu tragen. Man sollte aber keine Horrorgemälde an die Wand malen. Die Milliarden an Umlagen sind zwar nicht zu verharmlosen, doch werden sie dramatisch überschätzt. Vielfach wird die Diskussion um das EEG derzeit instrumentalisiert, um Argumente gegen die Energiewende zu finden.
Ich sehe beim EEG ohne Frage einen Reformbedarf. In seinen Grundzügen ist es aber okay. Die Abschaffungseuphorie etlicher Diskutanten kann rational nicht begründet werden, wenn man denn die erneuerbaren Energien für einen notwendigen zentralen Bestandteil der Energiewende hält. Und man muss sie für zentral halten, weil sonst gar keine Chance besteht, die Ziele zu erreichen.
Was halten Sie von der Umstellung auf ein Quotenmodell?
Internationale Erfahrungen zeigen, dass das sogenannte Quotenmodell kein Ersatz für das EEG sein kann. Diese Diskussion brauchen wir nicht fortzuführen. Das EEG-Modell sollte aber besser auf Anreize reagieren und auch auf die regionale Situation. Überdies sollten die Investoren einen Teil ihrer Rendite beisteuern, um die Netze stabil zuhalten.
Vermutlich werden wir das EEG längerfristig ohnehin nicht mehr benötigen, wenn die Erneuerbaren ihre Kosten weiterhin so schnell senken können wie bisher und damit wettbewerbsfähig werden.
Wo klemmt es im Detail?
Wir haben eine Diskrepanz zwischen der raschen Expansion der Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien und dem Netzausbau, der im Vergleich dazu zu langsam erfolgt. Dabei stellt sich auch die Frage, ob die Stromversorger in den vergangenen Jahren ihren Verpflichtungen zum Netzausbau gemäß dem EEG nachgekommen sind. An dieser Stelle ist viel versäumt worden.
Aber wenn die dezentrale Einspeisung steigt, benötigen wir doch insgesamt weniger Netze?
Die Erneuerbaren hängen aber nach wie vor am Stromnetz. Nur bei Anlagen, die nicht ans Stromnetz angeschlossen sind und einen eigenen Speicher haben, ist das Erreichen der Gridparity von Belang, also wenn die eigenen Herstellungskosten den Bezugskosten aus dem Netz entsprechen. So lange aber die Anlage im Netz ist, muss für diesen Netzanschluss auch bezahlt werden.
Angesichts steigender Energiepreise ist die Ökosteuer wieder in Kritik. Sollte man sie halbieren oder gar ganz abschaffen?
Das ist eine kontraproduktive Diskussion. Statt vorhandene Anreize abzuschaffen, sollte man eher darüber nachdenken, zusätzliche Anreize zu setzen. Ich denke, es ist der falsche Weg, Luft aus den Preisanreizen zu nehmen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Energieverbraucher das anders oder zumindest zwiespältig sehen.
Lässt Sie der Gedanke an die Energiezukunft noch ruhig schlafen?
Einerseits kann ich mir vorstellen, dass die Energiewende gelingt. Es ist eine tolle Vision, mit der man gut leben kann. Wenn ich dann anderseits die Realität sehe, denke ich: Es geht viel zu langsam voran.
Wir brauchen nicht nur einen Konsens über die Ziele, sondern auch einen Konsens über die Maßnahmen. Das Argument, das sei nicht durchsetzbar, muss irgendwann vom Tisch, denn es ist eine Ausrede, um nichts zu tun. Wir brauchen einen Konsens auch mit denen, die von bestimmten Maßnahmen betroffen sind.
Vielen Dank für das Gespräch!
Volle Kraft voraus für die Energiewende
Kaum ein Experte kennt sich im Energiebereich besser aus als Hans-Joachim Ziesing. Geboren im Jahr 1943, studierte Hans-Joachim Ziesing von 1963 bis 1969 an den Universitäten in Köln und Berlin (Freie Universität) und promovierte 1983 an der Technischen Universität Berlin zum Dr. rer. oec mit einem Thema zur ökonomischen Bewertung erneuerbarer Energien. Von 1969 bis 2006 arbeitete Dr. Hans-Joachim Ziesing für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Zuletzt leitete er dort die Energieabteilung. Seit 1994 ist er Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e. V., die die Energiebilanzen für die Bundesrepublik Deutschland erarbeitet. Dr. Hans-Joachim Ziesing ist eines von vier Mitgliedern der im Oktober 2011 gegründeten Kommission, die im Auftrag der Bundesregierung den Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ begleitet.
Dr. Hans-Joachim Ziesing war Mitglied in zahlreichen Beratungsgremien, etwa von 2000 bis 2002 der Enquete-Kommission „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Liberalisierung und Globalisierung“ des 14. Deutschen Bundestages, Mitglied des „Nationalen Begleitkreises“ zur Internationalen Konferenz für erneuerbare Energien 2004 in Bonn, von 1989 bis 2006 Vorsitzender des Berliner Energiebeirates und seit 2007 Mitglied des Berliner Klimaschutzrates, von 2005 bis 2011 Delegierter in der Beratenden Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss.
Am 30. Oktober erschien dank der Unterstützung tausender die Anzeige „Kosten der Energiewende gerecht verteilen!“ in der Süddeutschen Zeitung, organisiert von Campact, deutscher Umwelthilfe und deutschem paritätischen Wohlfahrtsverband.
Ein Aufruf, dem sich bisher 91.000 Unterzeichner angeschlossen haben unter www.campact.de:
Die Gefahren der Atomkraft und der Klimawandel erfordern dringend und weltweit den konsequenten Umstieg auf Erneuerbare Energien. Deutschland kann zum Vorbild für die Energiewende werden. Doch deren Akzeptanz ist gefährdet, solange die Kosten nicht fair verteilt werden.
Die Regierung befreit immer mehr Großunternehmen von den Kosten der Energiewende – und bürdet sie uns Bürger/innen auf. Damit muss Schluss sein! Wir fordern deshalb: Die Kosten für die Energiewende müssen solidarisch verteilt werden. Die überwiegend durch Privathaushalte und kleine und mittelständische Unternehmen finanzierten Geschenke an Teile der Industrie müssen gestoppt werden.
Haushalte mit niedrigem Einkommen müssen einen Ausgleich für steigende Strompreise und eine Unterstützung für mehr Energieeffizienz erhalten.
Die Energiewende sei teuer und unsozial – verkünden ihre Gegner. Die Fakten sehen anders aus.
Lügen der Energiewende-Gegner
Die Energiewende sei teuer und unsozial – verkünden ihre Gegner. Die Fakten sehen anders aus.
(17. Dezember 2012) Gegner der Energiewende – und leider auch manche mangelhaft informierte Befürworter – überziehen das Land seit fast einem Jahr mit einer unangemessenen, zum Teil verlogen geführten Preisdebatte, die erkennbar auch dazu dient, die Unterstützung der Energiewende durch die Bevölkerung zu unterminieren.
Die Bundesregierung ist in Gestalt ihres Wirtschaftsministers und einiger führender Koalitionspolitiker Teil und Treiber dieser Kampagne. Sie heizt sie an, in dem sie Teile der Industrie zu Lasten von privaten Stromverbrauchern, kleinen Gewerbetreibenden und Mittelstand mit immer neuen Privilegien ausstattet. Diejenigen, die am lautesten über die Lasten der Energiewende jammern, gehören in Wahrheit zu ihren Profiteuren. Dabei ist – von Ausnahmen abgesehen – nicht die absolute Höhe der Belastungen auf der einen und der Entlastungen auf der anderen Seite das wesentliche Problem. Das zentrale Problem besteht vielmehr im Signal der Ungerechtigkeit, das von der unfairen Lastenteilung ausgeht, die sich inzwischen eingestellt hat. Dieses Signal ist geeignet die gesellschaftliche Unterstützung der Energiewende zu gefährden.
Armuts-Lüge: „Die Preiserhöhungen durch Erneuerbare verursachen Energiearmut“
Die Energiekostenrechnung privater Haushalte ist in den vergangenen Jahren massiv und deutlich stärker als die allgemeine Inflationsrate angestiegen. Dabei spielte der Anteil des Stroms relativ und noch mehr absolut nur eine untergeordnete Rolle. Noch viel mehr gilt das für die Kosten der Energiewende inkl. EEG-Umlage. Die Energiepreisentwicklung reflektiert insgesamt den Abschied vom Zeitalter billiger Energie. Das fossile Erbe, das Teilen der Menschheit einen ungeheuren Zivilisationsschub ermöglicht hat, wird knapp.
Die Zahnarzt Lüge: Die Zahnärzte investieren in Solaranlagen und die alte Oma zahlt die Super-Rendite von ihrer Rente.
Auch konventionelle Kraftwerke werfen sehr gute Renditen ab. Für 2012 erwarten RWE und E.on einen Gewinn von insgesamt über 19 Milliarden Euro – an die regenerativen Anlagenbetreiber wurden 2011 16,4 Milliarden Euro, also deutlich weniger, bezahlt. Zwischen 2002 und 2009 haben die drei größten Stromkonzerne einen Gewinn von 108 Milliarden Euro verbucht. Kraftwerke werden nur gebaut, wenn sie finanziert werden und auch Rendite abwerfen. Die Oma hat also die Atom- und Kohlkraftwerke der Vergangenheit bezahlt und auch die Gewinne der Konzerne. Vom Ausbau der Erneuerbaren profitieren aber in Zukunft alle.
Die Hunderte-Milliarden-Euro-Lüge: Die Energiewende kostet viele hundert Milliarden Euro.
Richtig: In die Förderung von Atom und Kohle wurde bisher wesentlich mehr investiert, als für Erneuerbare. Für Erneuerbare 67 Milliarden Euro, für Steinkohle 311 Milliarden Euro und für Atomkraft 213 Milliarden Euro. Die Energiewende ist nicht die Ursache hoher Energiekosten, sondern die Antwort darauf. Denn die Kosten der Erneuerbaren sinken und die Kosten konventioneller Stromerzeugung steigen.
Ist die EEG-Umlage der Kostentreiber bei den Strompreisen? Was hat der Verbraucher von der Energiewende?
Energiewende kritisch hinterfragt
Ist die EEG-Umlage der Kostentreiber bei den Strompreisen? Was hat der Verbraucher von der Energiewende? Wieviel Strom wird aus dem Atomkraftland Frankreich importiert? Die Energiedepesche beantwortet die häufigsten Fragen rund um das Thema Energiewende.
(8. September 2012)
Wenn die Umlage für Erneuerbare auf über fünf Cent je Kilowattstunde steigt, ist diese Umlage teurer als die Herstellung des Stroms und kostet fast so viel, wie der Transport des Stroms durchs Leitungsnetz. Warum sind die Kosten für Erneuerbare dermaßen stark angestiegen?
Das hat mehrere Ursachen: Immer mehr umweltfreundliche Anlagen erzeugen Strom aus erneuerbaren Quellen, was entsprechend vergütet wird. Zweitens hat der Gesetzgeber Stromgroßverbraucher von der Umlage befreit – die übrigen Verbraucher müssen entsprechend mehr bezahlen. Drittens erzielt erneuerbarer Strom an der Börse geringe Verkaufserlöse. Das liegt daran, dass der Börsenpreis durch Öko-Strom gesunken ist. Die Differenz zwischen der Vergütung für den Produzenten und dem Verkaufserlös steigt und dadurch auch die Umlage. Weil Erneuerbare keine variablen Kosten haben, unterbieten sie an der Strombörse alle konventionellen Kraftwerke und senken den für alle Anbieter gleichen Handelspreis.
Wie profitieren Verbraucher vom Ausbau der Erneuerbaren?
Der schnelle und flächendeckende Ausbau der Erneuerbaren senkt deren Erzeugungskosten. Das kostet zunächst Geld. Mittel- und langfristig sinken die Kosten jedoch wieder. Dann profitieren Verbraucher von günstigeren Tarifen – und zwar dauerhaft.
Übrigens: Die Erneuerbaren haben den gesamten Strompreis an der Strombörse bereits heute um knapp einen Cent je Kilowattstunde gesenkt. Stromanbieter kaufen deshalb dort den Strom billiger, geben diese Kostenersparnis aber nicht an die Privatverbraucher weiter
Weitere Vorteile: Etwa 1,5 Millionen Verbraucher sind selbst zu Stromerzeugern geworden. Viele neue Arbeitsplätze sind in diesem Wirtschaftsbereich entstanden. Zudem zerfällt das Erzeugungsmonopol der großen Konzerne dank der Erneuerbaren.
Was können Verbraucher gegen die hohe EEG-Umlage machen?
Durch Wechsel des Stromanbieters können die meisten Verbraucher ihre Stromrechnung schnell und einfach senken. Aber bitte nicht zum allerbilligsten Anbieter wechseln, denn das wird erfahrungsgemäß am Ende eine teure und unangenehme Überraschung.
Über 40 Prozent aller Verbraucher sind noch im Grundversorgungstarif ihres Stromanbieters. Durch Wechsel zu einem günstigen Anbieter ohne Vorkasse lassen sich im Schnitt sechs Cent je Kilowattstunde sparen, mehr als die EEG-Umlage ausmacht.
Wird die EEG-Umlage weiter steigen?
Nein, jedenfalls nicht wesentlich. Modellrechnungen zeigen, dass in zwei bis drei Jahren die Umlage sogar wieder sinken wird. Experten sehen jedoch die Off-Shore-Windanlagen kritisch: Anders als bei Solaranlagen steigt für Offshore die Vergütung Jahr für Jahr. Die hohen und weiter steigenden Vergütungssätze fließen den Energieriesen zu. An dieser Stelle hat die Politik einen überhöhten Blankoscheck zu Lasten der Verbraucher unterschrieben. Dieses korrupte Schurkenstück der Regierung muss baldmöglichst gestoppt werden.
Wie kann die Politik die hohen Strompreise senken?
Derzeit ist die Großindustrie von der EEG-Umlage befreit. Doch auch die energieintensiven Branchen müssen die Last der Energiewende mitschultern und EEG-Umlage, Ökosteuer und Netzentgelte voll bezahlen. Das entlastet Mittelstand und Privatverbraucher. Zudem gilt es, die gesetzliche Normierung für Sonderverträge endlich als Verordnung zu erlassen. Nur so können Wechselkunden besser abgesichert werden. Außerdem muss die Netzagentur bekanntermaßen unseriöse Anbieter aus dem Verkehr ziehen, bevor weitere Unternehmenspleiten Tausende Verbraucher viel Geld kosten.
Stattdessen gewinnt man den Eindruck, dass der FDP-Wirtschaftsminister ein Blutbad unter den Solarfirmen anrichtet. Die einseitige Klientelpolitik der Regierung bürdet den Verbrauchern unnötige Milliardenbelastungen auf. Am Ende wird Philipp Rösler vermutlich die Schuld für die überhöhten Energiepreise der Energiewende anlasten. Dabei sind die Stromkosten für Verbraucher seit Röslers Amtsantritt steil gestiegen, während die Strombezugspreise der Weiterverteiler um 30 Prozent sanken.
Kann man nicht einfach die EEG-Umlage abschaffen, damit die Strompreise wieder sinken?
Die Abschaffung der EEG-Umlage oder eine Senkung der Stromsteuer wären politisch die völlig falschen Signale. Ein solcher Griff in die Staatskasse hätte die falsche Steuerungswirkung und müsste von allen Verbrauchern bezahlt werden.
Das EEG bewirkt einen kostengünstigen und raschen Ausbau der Erneuerbaren. Es gilt, es von sachlich ungerechtfertigten Sonderlasten zu befreien und die Umlage gerecht zu verteilen. Dann ist das EEG ein hochwirksames und bewährtes Politikinstrument. Selbst Länder wie Großbritannien, die bisher die Erneuerbaren nach einem Quotenmodell gefördert haben, steigen jetzt auf ein EEG-System um. Übrigens sind die Strompreise auch ohne das EEG jährlich um rund acht Prozent gestiegen, ohne dass sich die Erzeugungskosten verteuert hätten. Und ohne das EEG würden die Stromerzeugungskosten durch den Zubau konventioneller Kraftwerke steigen.
Ist es nicht sozial ungerecht, dass Hundertausenden der Strom abgestellt wird, weil sie die Renditen für die PV-Anlagen nicht mehr aufbringen können?
Der Sozialneid gegenüber Investoren in Erneuerbare wird derzeit missbraucht, um Stimmung gegen die Energiewende und die Erneuerbaren zu machen. Genau dieselben Personen, die jetzt so argumentieren, haben jahrelang den unbegründeten Strompreiserhöhungen kommentarlos zugesehen und nichts gegen Energiearmut unternommen. Die Stromsperren sind das Ergebnis einer sozialen Schieflage der Gesellschaft, die das untere Einkommensviertel marginalisiert hat. Dafür darf man nicht diejenigen verantwortlich machen, die durch ihre Investitionen Erneuerbare voranbringen. Schuld ist eine über Jahre verantwortlungslose Energie- und Sozialpolitik. Darf man Herrn Rösler und denjenigen, die seine Argumente überall streuen, das Bedauern über die Stromsperren glauben, die er durch großzügige Geschenke an die Industrie wesentlich mit verursacht hat?
Wie sicher ist die Stromversorgung, wenn zahlreiche Atomkraftwerke vom Netz gehen?
Selbst im extrem kalten Winter 2011/2012 gab es keine systembedingten Stromausfälle. Jedoch war die Situation angespannt. Die Bundesnetzagentur hat deshalb einen Sonderbericht zur leitungsgebundenen Energieversorgung im Winter 2011/12 veröffentlicht. Die höchste zeitgleiche Last in diesem kalten Winter lag bundesweit bei 54,5 Gigawatt am 16. November 2011. Die elektrische Leistung der in Betrieb befindlichen Kraftwerke am 25. April 2012 lag laut Bericht mit 20 Gigawatt Gaskraftwerken, 17 Gigawatt Braunkohle und 21 Gigawatt Steinkohle bei 58 Gigawatt. Kernenergie (12 Gigawatt) Wind (9 Gigawatt) und Kraftwerke mit mehreren Energieträgern (10 Gigawatt) sind hier noch nicht mitgerechnet. Die Zahlen zeigen also, dass es auch ohne Kernkraftwerke genügend Energie gibt.
Stimmt es, dass Deutschland fehlenden Strom einfach von Atomkraftwerken aus dem benachbarten Ausland importiert?
Keineswegs: Per Saldo hat Deutschland zwischen Januar und November 2011 mehr Strom ans Ausland geliefert als von dort bezogen, nämlich drei Terawattstunden. Auch zwischen Januar und März 2012 gab es laut Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen einen Exportüberschuss von acht Terawattstunden.
Wie viele neue Energiespeicher brauchen wir für die Energiewende?
Im Jahr 2011 mussten etwa 150 Gigawattstunden Strom aus erneuerbaren Quellen abgeregelt werden, weil die Netze den Strom nicht aufnehmen konnten. Betroffen war hauptsächlich Windstrom. Das ist weniger als ein Tausendstel des deutschen Stromverbrauchs. Ab 2030 könnte die Überschussmenge auf rund eine Terawattstunde steigen, also zwei Prozent des Gesamtstromverbrauchs. Es bleiben also noch 20 Jahre Zeit, um die dann notwendigen Stromspeicher zu bauen, prognostiziert Professor Dr. Jürgen Schmid, Chef des IWES-Instituts in Kassel. Schmid hat an seinem Institut die Power-to-Gas-Technik entwickelt. Sie kann den überschüssigen Strom über Monate problemlos speichern. Die Energie wird dabei genutzt, um Wasserstoff oder Methan herzustellen, der sich in bestehenden Gasleitungen und Speichern lagern lässt und wie anderes Gas bei Bedarf verstromt werden kann. Für eine Vollversorgung mit Erneuerbaren müssen acht Prozent des Jahresstromverbrauchs gespeichert werden, das sind etwa 40 Terawattstunden.
Derzeit liegt die Speicherkapazität in Pumpspeichern in Deutschland bei gerade 0,04 Terawattstunden. Die Power-to-Gas-Technik kostet rund eine Milliarde Euro je Gigawatt. Ein Atomkraftwerk dieser Leistung würde das Fünffache kosten. Der Wirkungsgrad entlang der gesamten Umwandlungskette liegt bei 36 Prozent. Das heißt, dass man drei Kilowattstunden produzieren muss, um eine Kilowattstunde einzuspeisen. Das gilt aber nur für die acht Prozent des Stromverbrauchs, der gespeichert wird. Um die deutschen Netze stabil zu halten, muss also ein Viertel mehr Strom produziert werden, als verbraucht wird. Nutzt man die Abwärme bei der Elektrolyse, dann kommt man sogar auf einen Gesamtwirkungsgrad von 70 bis 75 Prozent. Das ist etwa auch der Wirkungsgrad eines Pumpspeicherkraftwerks.
Schwieriger als die Technik der Stromspeicherung ist es, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Speicher tatsächlich zur richtigen Zeit gebaut werden, nicht zu früh und nicht zu spät. Derzeit leidet die Wirtschaftlichkeit der Stromspeicher, weil die Erneuerbaren die Stromverknappung und damit Verteuerung zur Mittagszeit abgebaut haben. Das genau war aber die wirtschaftliche Basis für die Pumpspeicher.
Wächst das Stromnetz rasch genug, um den Strom aus Erneuerbaren dorthin zu transportieren, wo er gebraucht wird?
Ein aufwändiges Verfahren plant derzeit den Ausbau der Stromnetze. Der Plan der Übertragungsnetzbetreiber sieht einen Neubau von 4.200 Leitungskilometern vor. Der dafür vorgelegte Rahmenplan trifft auf massive Kritik.
So kritisiert der BUND, dass die Netzbetreiber bei ihren Planungen zum Netzausbau von einer viel zu hohen künftigen Strommenge aus Kohlekraftwerken ausgehen. Die prognostizierten Strommengen aus Kohlekraftwerken für das Jahr 2022 lägen mit fast 250 Terawattstunden bis zu 100 Terawattstunden über den aktuellen Annahmen in den Energieszenarien der Bundesregierung. Rein rechnerisch entspräche dieser Unterschied der Stromproduktion von über 30 Kohlekraftwerken und einem Mehr-Ausstoß von etwa 90 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2022.
Mit diesen Zahlen würden sich die Netzbetreiber weit von der gesetzlichen Vorgabe entfernen, die Netzausbauplanung nach den energiepolitischen Zielen der Bundesregierung auszurichten.
Die beiden Wissenschaftler Lorenz Jarass und Gustav Obermair, die seit vielen Jahren die Wirtschaftlichkeit der deutschen Stromnetze prüfen, kritisieren den Netzentwicklungsplan: Er sei ein Armutszeugnis, überteuert, ineffizient und in Teilen sogar rechtswidrig. Die Wirtschaftlichkeit werde völlig außer Acht gelassen und viel zu viele Leitungen geplant, was die Bürger enorm belaste. Die Leitungen seien so geplant, dass sie zu jedem erdenklichen Zeitpunkt jede erdenkliche Menge an Strom aufnehmen könnten, statt so viel, wie wirtschaftlich zumutbar sei. In folgedessen würde Deutschland viel zu viel Strom produzieren und halb Europa mit billigem Strom fluten.
Gefährden die gigantischen Strommengen von neuen Solarstromanlagen die Netzstabilität?
Tatsächlich ist der Ausbau der Photovoltaik nicht mehr zu bremsen: Im ersten Halbjahr 2012 gingen mit 4.400 Megawatt so viele Anlagen in Betrieb wie nie zuvor. Die Gegner des Solarzeitalters sind grandios gescheitert, allen voran Philipp Rösler, der den Zubau auf 1.000 Megawatt jährlich begrenzen wollte. Ursache sind PV-Erzeugungskosten von 16 Cent je Kilowattstunde, die acht Cent unter den Strombezugskosten aus dem Netz liegen.
Photovoltaikanlagen ersetzen Strom aus Mittel- und Spitzenlastkraftwerken, die gut regelbar sind. PV-Anlagen speisen vorwiegend ins Niederspannungsnetz ein. An sonnigen Tagen kann dort die Einspeisung den Verbrauch übersteigen. Die Transformatoren speisen in diesem Fall den überflüssigen Strom in das übergeordnete Mittelspannungsnetz.
Die PV-Stromerzeugung passt gut zum Zeitprofil der Stromnachfrage im Netz und die Stromnachfrage wird auch bei weiterem Wachstum über den Kapazitäten der Photovoltaik liegen. Die PV-Leistung kann bis 40 Gigawatt wachsen, ohne dass es Probleme mit dem Netz oder den Kraftwerken gibt. Derzeit sind etwa 25 Gigawatt installiert (Stand 2011).
Die dezentrale Einspeisung von Photovoltaikanlagen reduziert die Kosten für den Netzbetrieb im Verteilnetz und Übertragungsnetz. Damit leisten PV-Anlagen einen Beitrag zur Netzstabilität und Netzqualität, bestätigt das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg/Breisgau (Quelle: Fraunhofer ISE: Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland).
Der Letzte macht das Licht aus
In 200 Jahren sind alle fossilen Energieträger erschöpft. Aus dieser Zukunft zurückblickend beschreibt der Physiknobelpreisträger und Stanford-Professor Robert B. Laughlin in seinem neuen Buch die Energiewende. Die ENERGIEDEPESCHE zitiert daraus.
(22. Juni 2012) In ein paar Hundert Jahren werden die Menschen keine Kohle mehr verbrennen und auch kein Öl oder Erdgas. Entweder sind die Vorräte dann vollständig verbraucht, oder es sind Gesetze erlassen worden, damit die Reserven aus Umweltschutzgründen in der Erde bleiben. Die Menge fossiler Energieträger ist nun einmal begrenzt, weshalb die Menschen am Ende gar keine mehr werden verbrennen können.
Abschied von fossilen Brennstoffen
Um die Energiezukunft zu erkennen, müssen wir nicht in die heutigen Streitigkeiten zum Thema Energie einsteigen und uns durch die vielen Minenfelder und das Kreuzfeuer der Meinungen arbeiten. All das können wir hinter uns lassen und uns einfach gedanklich in eine Zeit versetzen, in der keine fossilen Brennstoffe mehr vorhanden sind.
Erde ohne Menschen?
Deshalb wollen wir bequem zu Hause eine Reise in die ferne Zukunft antreten, in der Kohle, Öl und Erdgas der Vergangenheit angehören. Es besteht eine geringe Möglichkeit, dass unser Ausflug scheitert, weil die ganze Menschheit durch eine schon vorher stattfindende Umweltkatastrophe oder einen Krieg ausgelöscht worden sein könnte und wir deshalb keine Menschen mehr antreffen, doch das ist äußerst unwahrscheinlich. Die Menschen sind sehr anpassungsfähige und fruchtbare Wesen, und um uns von einer erneuten Besiedlung der Welt abzuhalten, müsste schon der Allerletzte von uns ausgeschaltet worden sein.
Physik bleibt gültig
Die Energiesituation in so ferner Zukunft können wir deshalb einigermaßen zuverlässig vorhersagen, weil sie durch elementare Sachverhalte umrissen ist. Insofern unterscheidet sie sich beispielsweise vom Wetter oder von den Wahlergebnissen. Wir wissen, dass die Gesetze der Ökonomie immer noch gelten werden, selbst wenn sich die schlimmsten Vorhersagen zur globalen Erwärmung erfüllen sollten, und sogar dann, wenn es in der Zwischenzeit ernste militärische Konflikte geben wird.
Zudem unterscheidet sich Energie von anderen Aspekten menschlichen Lebens wie Marktpräsenz oder Aktienkursen, weil sie überaus grundlegend ist und von einfachen, mächtigen physikalischen Gesetzen beherrscht wird. Wir wissen, dass diese Gesetze lange vor dem ersten auf Erden wandelnden Menschen gültig gewesen sind, und wir sind aus guten Gründen davon überzeugt, dass sie niemals durch künftige Entdeckungen oder technische Neuerungen verändert oder außer Kraft gesetzt werden können.
Schreckenszenarien
Auch wenn das Ergebnis des Übergangs von fossilen Energieträgern zu anderen letztlich positiv ausfallen dürfte, könnte der Übergang als solcher überaus schrecklich werden. Er wird als großes globales Ereignis verlaufen, etwa wie eine Eiszeit oder ein Asteroideneinschlag, nicht als ein bloßes Planungsdefizit oder eine überfüllte Autobahn – Dinge, die von der Politik durch ein Gesetz weggefegt werden können. Die Menge des Erdöls, das derzeit täglich aus dem Boden strömt (es ist die größte Menge seit Beginn des Ölzeitalters), entspricht dem mittleren Wasserdurchfluss des Rheins bei Mainz in 104 Minuten. Wenn wir die Energieäquivalente von Gas und Kohle noch hinzuaddieren, kommen wir auf fünf Stunden. Auch wenn der wagemutige Einsatz von Kapital entscheidend dafür war, diese Fülle ernten zu können, hat er diesen Überfluss nicht selbst bereitgestellt, und wenn die Fülle zur Neige geht, wird er sie nicht wiederherstellen können.
Schwindende Großstädte
Wenn nichts mehr da ist, wird es für die Menschen nicht einfach nur unbequemer. Eine grundlegende Voraussetzung der modernen Industriezivilisation ist die Fähigkeit der Erde, unvorstellbar große Mengen von Öl, Gas und Kohle auf Nachfrage liefern zu können. Alle großen Städte der Welt sind ausnahmslos zu groß, als dass man sie ohne Hilfe von Maschinen versorgen könnte. Würden morgen die Energievorräte auf katastrophale Weise ausfallen, würde die Großstadt, wie wir sie kennen, nicht länger existieren, und die meisten von uns würden verhungern. Das Schwinden und die abschließende Erschöpfung fossiler Treibstoffe ist also vergleichbar mit dem Wintereinbruch bei einem Volk, das nur den Sommer gekannt hat.
Die Energiewende-Wender
Sie sehen sich als verlängerten Arm der Atomkonzerne: Ein Jahr nach Fukushima arbeitet ein harter Kern schwarz-gelber Koalitionspolitiker gegen die eigenen Beschlüsse zum Atomausstieg und zur Energiewende. Eine bizarre Politik mit Folgen.
Ein Kommentar von Gerd Rosenkranz
(19. Juni 2012) Es ist zweifellos ein anstrengender Spagat. Denn eigentlich kann niemand die Energiewende ständig im Munde führen und sie gleichzeitig Tag für Tag hintertreiben. Doch eine einflussreiche Gruppe von Regierungspolitikern tut genau dies. Unterstützung erhalten die Energiewende-Wender wenig überraschend von Atomkraftwerksbetreibern und aus jenen Sektoren der Industrie, die sich mit den Plänen zur Transformation unseres Energiesystems nie arrangiert haben. Gemeinsam mit deren Sachwaltern aus Wirtschaftswissenschaft und Publizistik bauen sie Barrikaden gegen die Energiezukunft. Ihre Metabotschaft ist immer dieselbe: Es funktioniert nicht. Einen Alternativplan haben sie jedoch nicht.
Gerd Rosenkranz leitet die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
Nehmen wir beispielhaft Philipp Rösler, den Wirtschaftsminister und Noch-Vorsitzenden einer um ihr Überleben ringenden Partei. Rösler sieht die „Energiewende auf gutem Weg“. Neuerdings ist er sogar Herausgeber eines eigenen Newsletters mit dem Titel „Energiewende!“, Ausrufezeichen inklusive. Gleichzeitig bekämpft er in Wort und Gesetz die Sonnenenergie, für die er als Minister gar nicht zuständig ist, und will den jährlichen Zubau der Solarenergie von zuletzt 7.500 Megawatt bis 2016 auf maximal 900 bis 1.900 Megawatt zusammenstauchen.
Nebenbei wehrt sich Rösler beharrlich gegen die von Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) vorgeschlagene EU-Richtlinie, mit der erstmals ein Mechanismus zur Verbesserung der Energieeffizienz für alle Mitgliedstaaten zur Pflicht werden soll. Frech ist insbesondere der Vorschlag, für Deutschland Effizienzfortschritte aus der Vergangenheit als Polster für die Zukunft zu beanspruchen. Hilft das dem Klima? Setzt sich die Bundesregierung mit ihrer Position in Brüssel durch, wird die Richtlinie absehbar zum Papiertiger.
Neben dem Wind gelten Sonne und Energieeffizienz als tragende Säulen des künftigen Energiesystems. Wer beides unter der Fahne der Energiewende bekämpft, will nicht, was er behauptet. Rösler ist damit nicht allein. Unterstützt und getrieben wird er von Unionspolitikern wie Michael Fuchs, Joachim Pfeiffer, Thomas Bareiß und dem Fraktionsvorsitzenden der Union, Volker Kauder. Sie alle stehen verbal fest zur Energiewende – und bekämpfen sie gleichzeitig Tag für Tag. Ein Spiel von Orwellscher Dimension.
Das Trauma Merkel
Die Regierungspolitiker treibt ein nicht verarbeitetes Trauma zu ihrer bizarren Politik. Das Trauma hat einen Namen: Angela Merkel. „Fukushima hat meine Haltung zur Kernenergie verändert“, sprach die Kanzlerin Wochen nach der fernöstlichen Katastrophe im Deutschen Bundestag und ordnete die atompolitische Spitzkehre der Koalition an. Kauder und Co. wollten diese Wende nie. Die Kanzlerin machte sie zu Verlierern der Geschichte, weil sie bis zur dreifachen Kernschmelze von Fukushima zu den glühenden Verfechtern der Laufzeitverlängerung gehörten. Nun heben sie – auf Geheiß der Chefin – die Hand für Atomausstieg und Energiewende und ballen die andere in der Tasche. Um Recht zu behalten, muss die Energiewende scheitern. Daran arbeiten sie.
Einsicht in die Notwendigkeit des neuen Kurses gab es zu keiner Zeit. Auch wenn das – noch – niemand laut ausspricht: In ihrer Weltsicht gibt es bis heute keinen Anlass, die Atomkraft in Frage zu stellen. Fukushima liegt schließlich in Japan, nicht in Baden-Württemberg. Pfeiffer, Bareiß und Fuchs sehen sich als verlängerten parlamentarischen Arm der traditionellen Energiewirtschaft. Sie sind Teil einer extremistischen Minderheit, die erst den Super-GAU im eigenen Land braucht, um zur Raison zu kommen. Nach ihrer Einschätzung haben sie im Sommer 2011 eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg. Dass eine überwältigende Mehrheit der Deutschen Atomausstieg und Energiewende nicht erst seit Fukushima wollen, hat sie dabei nie gestört.
Restrisiko Stromausfall
Manchmal merkt man, wie sie ticken. Der Fraktionsvize der Union, Michael Fuchs, etwa fürchtet einen nationalen Stromausfall in Deutschland ungleich mehr als eine weitere Kernschmelze – wegen der Kosten eines solchen Blackouts, die er im Bundestag auf 30 Milliarden Euro pro Tag hochjazzte. „Wenn das passiert, dann werden wir alle hier anders diskutieren!“, schleuderte Fuchs den Gegnern der Atomenergie entgegen. Man spürt die Vorfreude auf den Tag X. Den großflächigen Stromausfall nennen sie jetzt „das neue Restrisiko“. Eine bodenlose Gleichsetzung von Super-GAU und Blackout.
Als im kalten Winter publizistische Helfer wahrheitswidrig kolportierten, nur der Einsatz österreichischer Reservekraftwerke habe Deutschland vor einem Blackout bewahrt, waren daran natürlich der „Turbo-Ausstieg“ und der Widerstand gegen Stromtrassen schuld. Selbst als sich herausgestellte, dass gleichzeitig eine Reihe süddeutscher Gaskraftwerke gar nicht erst hochgefahren worden waren, wurde weiter an der Österreich-Legende gestrickt. Als ähnlich verlogen erweisen sich bei näherem Hinsehen andere Kampagnen: Die Unbezahlbarkeit der Energiewende (während der Strompreis an der Leipziger Strombörse unter den Wert von vor Fukushima sinkt), der Atomstromimport aus Frankreich (während Deutschland selbst im Jahr der Kernschmelzen per Saldo mehr Strom exportiert als importiert hat).
Frisch gesäter Zweifel
Das Geschäft der Energiewende-Wender ist der Zweifel. Der Zweifel an der eigenen Politik, an der Politik der Kanzlerin. Sie haben keine Mehrheit, nicht im Bundestag und schon gar nicht in der Bevölkerung. Dass sie dennoch erfolgreich sind, ist Ergebnis eines Trauerspiels. Darin spielte Ex-Umweltminister Norbert Röttgen eine Nebenrolle: Die des Abnickers. Er nickte zu Röslers Treiben und zu dem seiner Parteifreunde wie er zur Laufzeitverlängerung genickt hat und stand – natürlich – fest zur Energiewende.
Und die Kanzlerin? Sie hat jetzt anderes zu tun. Nach der Klimakanzlerin gab sie die Atomkanzlerin, nach Fukushima die Atomausstiegskanzlerin – jetzt rettet sie Europa vor den Griechen. Wie schrieb Jakob Augstein kürzlich: „Sie betreibt eine Form der Politik-Simulation, die nur einem Ziel dient: Dem Amtserhalt.“
Der Artikel stammt aus dem Umweltmagazin „zeo2“, Ausgabe 2/2012
Studie: Energiewende machbar
(11. April 2012) Die Energiewende sei machbar und zahle sich aus, so eine Untersuchung im Auftrag des Bundesumweltministeriums. Dazu entwickelten das DLR, Stuttgart, das Fraunhofer IWES, Kassel und das IfnE in Teltow Szenarien hinsichtlich der Annahmen zur Entwicklung der langfristigen Speicherung überschüssigen Stroms aus erneuerbaren Energien, des Verkehrssektors, der Stromeinsparziele sowie der Klimaschutzziele.
Wichtigste Ergebnisse: Die mittel- und langfristigen Regierungsziele bei Erneuerbaren, Energieeffizienz und Klimaschutz sind erreichbar. Außerdem sind die erneuerbaren Energien langfristig deutlich kostengünstiger als eine auf Kohle, Öl und Gas basierte Energieversorgung.
Der Anteil erneuerbarer Energien im Strombereich 2020 liegt in allen Szenarien mit 40% deutlich über den gesetzten 35%. Für 2050 weisen die drei Hauptszenarien einen Anteil der erneuerbaren Energien von 85% bis 87% aus. Auch die Erneuerbare-Energien-Ziele im Bereich Mobilität und Wärme werden erreicht bzw. übertroffen.
Die Forscher erwarten für 2030 bei konsequenter Umsetzung der Ziele durchschnittliche Kosten für Ökostrom von 7,6 Cent je kWh, während sie für Strom aus Steinkohle und Erdgas dann bei über 9 Cent je kWh liegen. Gleichzeitig vermindern sich die Ausgaben für importierte fossile Energieträger, die 2010 noch bei knapp 70 Mrd Euro lagen, bis 2030 durch verstärkte Nutzung erneuerbaren Energien um 30 bis 35 Mrd Euro pro Jahr.
Zustimmung zu Energiewende
(20. März 2012) Die Bürger stünden der Energiewende überaus positiv gegenüber, so eine repräsentative Umfrage von TNS Infratest im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien, Berlin, im Sommer 2011. Nun liegen die Ergebnisse aus den einzelnen Bundesländern vor und können im Internetportal www.foederal-erneuerbar.de eingesehen werden.
In Hessen und Brandenburg sprachen sich die meisten Bürger für den Ausbau der Erneuerbaren aus. Die Zustimmung liegt dort mit 98% ganze 4% über dem Bundesdurchschnitt. Am Ende der Vergleichsliste stehen Sachsen und NRW, wo aber immerhin noch 92% die Energiewende unterstützen. Die neuen Umfrageergebnisse bestätigen die Analysen aus 2007, 2008 und 2009/10 und zeigten, dass die hohe Akzeptanz für Erneuerbare seit Jahren anhalte, so die Berliner Agentur.
Online-Rechenprogramme vermitteln auf spielerische Art, wie sich die Energiewende verwirklichen lässt.
Spielerisch Potenzial entdecken
Viele Menschen können sich gar nicht vorstellen, dass schon allein die Sonne hierzulande auch für nachts und den Winter genügend Energie bereitstellt. Online-Rechenprogramme vermitteln auf spielerische Art, wie sich die Energiewende verwirklichen lässt.
(06. Dezember 2011) Nun ist es eine ziemlich einfache Rechenaufgabe, das zu überprüfen. Denn es ist gut bekannt, wieviel Energie die Sonne je Quadratmeter in Deutschland erbringt: Auf jeden Quadratmeter Boden knallen im Hochsommer 1,3 Kilowatt Leistung. Und über das ganze Jahr kommen auf jedem Quadratmeter rund 1.000 Kilowattstunden Energie an.
Nun kann man die Sonne nicht nur zur direkten Stromerzeugung nutzen. Über Jahrhunderte kam die Menschheit ohne diese Technik aus, obwohl weder Erdöl noch Erdgas zur Verfügung standen. Aber es gab Holz aus den Wäldern, Windmühlen und Wassermühlen und Wasserkraftwerke. Biomasse, Wasserkraft und Windkraft lassen sich heute sogar noch viel besser nutzen. Und sie ergänzen die direkte Nutzung der Sonnenenergie.
Um mit Sonnenkraft genügend Strom für eine Person zu erzeugen, benötigt man etwa 42 Quadratmeter Dachfläche. Alternativ braucht man 218 Quadratmeter Pappelwald oder das Restholz aus 3.500 Quadratmetern Wald.
Aber halt: Bevor Sie zum Taschenrechner greifen, schauen Sie sich bitte mal die Energiewenderechner im Internet an.
Online-Energiewenderechner
Der Solarenergieförderverein Aachen hat ein wunderbares Rechenprogramm entwickelt und stellt es kostenlos im Internet zur Verfügung: www.energiewenderechner.de
Der Energiewende-Rechner des SFV-Aachen macht jeden durch die Schieberegler zum Bundeskanzler. Er sieht die Ergebnisse seiner Entscheidungen.
Wie am Gaspedal eines Autos oder beim Lautstärkeregler kann man selbst an einem Schieberegler wählen, wie viel Prozent von Deutschlands Dachflächen man mit Solarkollektoren oder Solarmodulen belegen will, wie viel Prozent pflanzliche Abfallstoffe man energetisch nutzen möchte oder wie viel Prozent der Freiflächen mit Windkraftanlagen belegt werden sollen. Man sieht sofort, wie viele Kilowattstunden Strom oder Wärme diese Maßnahmen bringen und welchen Anteil am Gesamtstromverbrauch der so erzeugte Strom decken kann.
Anleitung per Video
Ausführliche Kommentare mit Quellenhinweisen informieren über die zugrunde liegenden Zahlen. Jeder Skeptiker kann nun ganz einfach selbst nachrechnen. Ein Einführungsvideo führt in die Handhabung der wichtigsten Schieberegler und Bedienelemente ein.
Neben den erneuerbaren Energiequellen lassen sich auch Effizienzsteigerung und der Anteil an Kraft-Wärme-Kopplung spielerisch verändern: Für den Energiewenderechner zählen nicht nur Strom, sondern auch Wärme aus erneuerbaren Energiequellen. Das gilt nicht nur für den Energiebedarf von Privathaushalten, sondern auch für Autos und Industriebetriebe. Das Rechenprogramm umfasst auch Speicher, die mit Erneuerbaren aufgeladen werden können, um dunkle und windarme Zeiten zu überbrücken.
Regionale Energiewende
Wie hoch ist das Potenzial für Erneuerbare im eigenen Ort? Um das zu erfahren, müsste man Dachflächen und Freiflächen vermessen, Windgeschwindigkeiten messen und Flächen für Windkraftanlagen ausfindig machen, landwirtschaftliche Flächen erfassen und Gewässer kartieren – kurzum, viel Zeit und Geld investieren.
Einen ganz anderen neuen Ansatz verfolgt das Forschungsprojekt „ erneuerbar komm“ unter erneuerbarkomm.de/rechner/.
Es nutzt amtlich vorliegende Geodaten, etwa Informationen über Bevölkerung, Flächennutzung, Schutzgebiete, Windgeschwindigkeiten, Globalstrahlung, Gebäudeflächen und Gefälle der Fließgewässer. Anhand dieser Daten baut das Projekt ein sogenanntes Geographisches Informationssystem (GIS) auf. Die Ingenieurin Professor Dr. Martina Klärle vom Steinbeis-Transferzentrum Geoinformations- und Landmanagement in Weikersheim leitet das Projekt.
Das interaktive System errechnet auf Kommando, welchen Anteil des Strombedarfs man mit welchen Maßnahmen decken kann. Das Ergebnis wird in einem Balkendiagramm angezeigt.
Das Ergebnis der Berechnung zeigt nicht nur das theoretisch vorhandene Potenzial. Vielmehr kann sich jeder Bürgermeister, Gemeinderat oder Bürger mittels Online-Rechner anhand des „Mobilisierungsfaktors“ seinen gewünschten Energie-Mix selbst zusammenstellen und auswählen, welchen Anteil des Potenzials aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasser er jeweils nutzen will.
Der Rechner erneuerbar.komm rechnet die Energiewende für eine einzelne Gemeinde, sofern deren Daten vorher hinterlegt wurden.
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Für eine bestimmte Region gibt das System an, dass sich 100 Hektar der kommunalen Ackerfläche zur Erzeugung von Biomasse eignen. Wählt der Nutzer zehn Hektar davon aus, sieht er auf Knopfdruck, wie viel Strom daraus erzeugt werden kann. Spielerisch kann der Nutzer so erkennen, wie viel Fläche die gewählte erneuerbare Energieform beansprucht. Da die Datenbank auch eine Verknüpfung zur Einwohnerzahl der Gemeinde und zum Stromverbrauch pro Einwohner herstellt, wird zugleich angezeigt, wie viele Einwohner aus dem Ertrag der jeweiligen Fläche mit Strom versorgt werden können.
Per Mausklick Potenzial abrufen
Dabei lässt sich ganz leicht vergleichen, welche Energieform wie viel Fläche benötigt: Wählt der Nutzer beispielsweise 40 Prozent der für Solarenergie geeigneten Dachflächen, sieht er, dass dies 50 Prozent des Strombedarfs der privaten Haushalte decken kann. Während man Biomasse-Energieträger aus 200 Hektar Grünland benötigt, um 4.000 Bürger mit Strom zu versorgen, kann man den gleichen Ertrag bereits mit einer einzigen Windkraftanlage an einem geeigneten Standort erreichen. Für jede Energieform gibt es ein separates Fenster. Es zeigt an, wie viel geeignete Fläche zur Verfügung steht, beziehungsweise wie viele Windkraftanlagen sich theoretisch verwirklichen lassen. Der Nutzer wählt, welchen Anteil er davon bereitstellen will. Wer mit dem Rechner ein paar Beispiele durchspielt, stellt rasch fest, dass es für viele Gemeinden möglich ist, ihren gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Energien zu decken.
Vorreiter Rhein-Main-Gebiet
Pilotprojekt für die Potenzialflächenanalyse war der Regionalverband Frankfurt-Rhein- Main mit 75 Mitgliedsgemeinden. Aktuell wird die ganzheitliche Potenzialflächenanalyse für Worms, die Energieregion 2010 Mittlerer Schwarzwald, den Main-Tauber- Kreis sowie für weitere Kommunen in Baden- Württemberg und Bayern umgesetzt. „erneuerbar komm“ ist bundesweit auf alle Gemeinden übertragbar. Allerdings sind Gebäudeheizung, Industrie und Verkehr im Projekt noch nicht berücksichtigt.
Download Grafik Potenzial Stromerzeugung Erneuerbarer Energie (539x1229 Px)
Deckungsbeitrag der Erneuerbaren zum Stromverbrauch von Privathaushalten. Quelle: Frankfurter Rundschau, 14. April 2011
Kontakt
Prof. Dr. Martina Klärle
E-Mail: martina.klaerle@fb1.fh-frankfurt.de
Telefon: 069 / 1533-2778
ERNEUERBAR KOMM!
Spenden
Der Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. stellt den Energiewenderechner kostenlos zur Verfügung. Jeder kann den Verein mit einer Spende unterstützen:
Pax Bank e.G., Aachen
BLZ: 370 601 93
Kto: 1005 415 019
Monitoring soll Wende überwachen
(05. Dezember 2011) Die Bundesregierung will ihre energiepolitischen Beschlüsse mithilfe eines Monitoring-Prozesses überprüfen. Bundeswirtschafts- und Bundesumweltministerium führen gemeinsam das Monitoring „Energie der Zukunft“ durch. Eine neue Geschäftsstelle bei der Bundesnetzagentur im Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums soll den Prozess organisieren und begleiten. Jährlich soll ein Bericht die Fortschritte dokumentieren.
Der erste Report soll Ende 2012 erscheinen. Ab 2014 folgt alle drei Jahre ein Fortschrittsbericht. Zusätzlich soll eine Kommission aus vier Energieexperten (Andreas Löschel, Uni Heidelberg, Georg Erdmann, TU Berlin, Frithjof Staiß, ZSW, und Hans-Joachim Ziesing, Arge Energiebilanzen) das Monitoring begleiten und Stellung dazu nehmen.
Wunsch und Wahrheit der Wende
War die Energiewende einst ein Traum linker Systemveränderer, avancierte sie mittlerweile zur offiziellen Regierungspolitik. Im Sommer 2011 hat die Bundesregierung klare Ziele definiert. Die Energiedepesche gibt einen Überblick über Vorgaben und tatsächliche Entwicklungen.
(03. Dezember 2011)
Ziel: Verminderung des Primärenergieverbrauchs bis 2020 um 20 Prozent und um 50 Prozent bis 2050 (Basis: 2008).
Fakt: Wenn sich die Entwicklung des Primärenergieverbrauchs zwischen 1998 und 2010 bis 2020 fortsetzt, dann ergibt sich bis 2020 lediglich eine Minderung um vier Prozent und bis 2050 um zehn Prozent.
Ziel: Verminderung der Treibhausgas-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 und um 80 bis 95 Prozent bis 2050 (Basis: 1990).
Fakt: Setzt sich die Entwicklung der CO2-Emissionen zwischen 1998 und 2010 bis 2020 fort, reduziert sich der Ausstoß nur um zehn Prozent bis 2020 und um 25 Prozent bis 2050.
Ziel: Minderung des gesamten Stromverbrauchs um zehn Prozent bis 2020 und um 25 Prozent bis 2050 (Basis: 2008).
Fakt: Schreibt sich der Trend zwischen 1998 und 2010 fort, steigt der Stromverbrauch bis 2020 sogar um zehn Prozent und bis 2050 um 30 Prozent.
Ziel: Anteil erneuerbarer Energien an der Endenergie: 18 Prozent bis 2020 (entsprechend EU-Richtlinie), 30 Prozent bis 2030, 45 Prozent bis 2040 und 60 Prozent bis 2050.
Fakt: 2010 betrug der Anteil der Erneuerbaren 10,9 Prozent. Wenn sich das Wachstum des Anteils zwischen 1998 und 2010 fortsetzt, dann beträgt der Anteil bis 2020 30 Prozent und 2030 84 Prozent.
Ziel: Anteil erneuerbarer Energien an der gesamten Stromerzeugung mindestens 35 Prozent bis 2020, 50 Prozent bis 2030, bis 2040 mindestens 65 Prozent, bis 2050 mindestens 80 Prozent.
Fakt: 2010 stellten regenerative Energiequellen 20,7 Prozent der gesamten Stromerzeugung. Legen die Erneuerbaren weiterhin so rasch zu wie in den vergangenen Jahren, beträgt der Anteil bis 2020 71 Prozent und vor 2023 100 Prozent.
Ziel: Minderung des Gebäudeenergiebedarfs um 20 Prozent bis 2020 und um 80 Prozent bis 2050 (Basis: 2008).
Fakt: Der Absatz von Wärmedämmverbundsystemen stagniert seit den neunziger Jahren.
Fazit: Erneuerbare Energien wachsen deutlich schneller als die beabsichtigten Zielvorgaben der Regierung. Auf der anderen Seite stehen Vorgaben zur Verminderung von Energieverbrauch und Emissionen, die mit der derzeitigen Politik unerreichbar sind.
Zukunft der Stromversorgung
(26. Juni 2009) Die Grünen wollten es genau wissen. Gewährleistet das Energiekonzept "Energie 2.0" der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch, dass an jeder Stunde des Jahres genügend Strom zu Verfügung steht.
Das ISET in Kassel ließ seine Rechner laufen. Das Ergebnis: Das Energiekonzept hat den Test bestanden. Man wollte auch noch wissen: Wie entwickelt sich die Restlast, wenn statt der sehr vorsichtigen Annahmen von 18 Terrawattstunden in "Energie 2.0" Photovoltaikstrom mit 50 Terrawattsunden gerechnet wird, was aus heutiger Sicht für 2020 realistischer erscheint.
Das Ergebnis ist beeindruckend. Der übrige Kraftwerkspark muss extrem flexibel auf die Schwankungen der Wind- und Solarstromerzeugung reagieren. Daraus wird deutlich, dass die Energieversorgungsstruktur sehr schnell umgebaut werden muss. Neue unflexible Großkraftwerke sind inkompatibel. Sie werden zu Investitionsruinen, wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht gestoppt wird. Die Folien sind sehr beeindruckend und sagen mehr als 1000 Worte.
Links:
- Download ISET-Studie zu "Energie 2.0"
- Download "Einfluss von Wind- und Solarstrom auf die Kraftwerksganglinien"
ISET-Betrachtung von Ganglinien eines Kraftwerksparks mit einem hohen Anteil fluktuierender Energieträger
Auch das Wuppertal-Institut hat gerechnet und eine neue Studie vorgestellt:
Herausforderung: Energieversorgung der Zukunft
Impulse für die politische Debatte im Wahljahr 2009
Ressourcenknappheit beim Öl, Überalterung des Kraftwerksparks, wachsende Bedenken hinsichtlich der Versorgungssicherheit bei Gas und allem voran der Zwang, aus Klimaschutzgründen die CO2-Emissionen drastisch zu senken sind gravierende Punkte, die einen Systemwechsel im Energiesektor erforderlich machen.
Nachhaltige, zukunftsorientierte Energieversorgung setzt auf weitgehend solare Energieerzeugung, effiziente -nutzung und effektive -einsparung. Die für einen Wechsel notwendigen Primärenergiepotenziale und die enorme Vielzahl von Nutzungstechniken für Sonne, Wasser, Wind, Biomasse und Geothermie sind seit langem bekannt und können schnell erschlossen werden, wenn der politische Wille da ist und mutige Investoren als Vorreiter fungieren.
Schließlich hat auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen eine Studie vorgestellt:
Aus Sicht des SRU ist es möglich, den Strombedarf in Deutschland langfristig vollständig auf der Basis erneuerbarer Energien zu decken. Hierfür muss jedoch die entsprechende Infrastruktur geschaffen werden. Elektrizitätsnetze müssen erweitert, Leitungen für effiziente Fernübertragung gebaut und Speicherkapazitäten bereitgestellt werden.
Eine solche Umstrukturierung erfordert einen starken politischen Gestaltungswillen. In einem Sondergutachten zur Zukunft der Stromversorgung in Deutschland wird der SRU diese Fragen analysieren. Er richtet dabei den Blick auf das Jahr 2050 und erweitert damit den Zeithorizont der aktuellen energiepolitischen Debatte.
Zentrale Thesen und Fragestellungen, die sich aus seinen bisherigen Arbeiten ergeben, stellt der SRU anlässlich der heutigen Veranstaltung zur Diskussion. Das Thesenpapier des SRU "Weichenstellungen für eine nachhaltige Stromversorgung" und das Programm zur Veranstaltung stehen unter www.umweltrat.de zur Verfügung. Weitere Informationen : Thesenpapier: Weichenstellungen für eine nachhaltige Stromversorgung
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat ein konkretes Maßnahmenpaket vorgelegt.
"Energie 2.0" - das grüne Energiekonzept bis 2020
(22. Juni 2007) Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat ein konkretes Maßnahmenpaket vorgelegt, mit dem die CO2-Emission in Deutschland bis zum Jahr 2020 um mehr als 40 Prozent reduziert werden soll. Dies ist ohne jede Änderung am Atomausstieg und weil es keine neuen Kohlekraftwerke geben soll möglich.
Weitere Effekte des grünen Energiekonzeptes "Energie 2.0" sind ein um 19 Prozent reduzierter Energieverbrauch sowie eine Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien an der gesamten Energieversorgung auf 29 Prozent, im Strombereich sogar auf 43 Prozent. Die dazu nötigen Maßnahmen umfassen alle drei Energiesektoren: Strom, Wärme, Verkehr.
Das Wichtigste zum Strom:
- Dynamisierung der Effizienzstandards und der Kennzeichnung,
- Einführung eines Stromsparfonds,
- Optimierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG,
- ein Biogaseinspeisegesetz,
- ein Marktanreizprogramm für den Stromsektor.
- Anstelle bisheriger Stromimporte aus fossilen und atomaren Quellen ein Importkonzept für erneuerbare Energien als Kooperationsangebot für Drittländer auf der Grundlage klarer Nachhaltigkeitskriterien.
Das Wichtigste zur Wärme:
- Deutliche Verschärfung und Kontrolle der Energieeinsparverordnung EnEV,
- Verbesserung des KfW-Gebäudesanierungsprogramms,
- Bessere Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung,
- Einführung eines Erneuerbaren Wärmegesetzes.
Das Wichtigste zum Verkehr:
- Vermeidung und Verlagerung von Verkehr durch Förderung von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr sowie durch nachhaltige Logistikkonzepte im Gewerbe.
- Höhere Effizienz durch CO2-Grenzwerte von 120g/km ab 2012, Umwandlung der KfZ-Steuer in eine CO2-Steuer, Ausweitung der LKW-Maut und Tempolimit.
- Vorfahrt für klimaneutrale Antriebe durch Elektrofahrzeuge inklusive Plug-In-Hybride, nachhaltigkeitsgeprüfte Biotreibstoffe,
- Beenden der Wettbewerbsvorteile für klimaschädlichen Verkehr.
Selbstredend bedeuten diese Maßnahmen einen ambitionierten Umbau der Energieversorgung. Das erfordert eine drastisch erneuerte Energiepolitik.
Es ist höchste Zeit dafür. Deutschland ist nicht nur einer der größten Energieverschwender der Welt, sondern auch eines der bedeutendsten Industrieländer der Welt. Deutschland hat also nicht nur die Pflicht, sondern auch die Kraft dazu, das grüne Energiekonzept "Energie 2.0" in die Tat umzusetzen.
Bundesregierung zum Handeln aufgefordert
Deutscher Naturschutzring stellt Konzept für neue Energiepolitik vor
Bundesregierung zum Handeln aufgefordert
(21. Dezember 2004) - "Die Gesellschaft muss sich mit dem Ende des quantitativen Wirtschaftswachstums auseinandersetzen. Das bedeutet vor allem das Ende des alten Energieregimes. Die Energiefrage ist der Mittelpunkt allen Lebens und muss von der Frage des Wirtschaftswachstums entkoppelt werden. Deshalb braucht Deutschland auch ein Gesamt-Energiekonzept für die Zukunft, das nicht an kleinkariertem Ressortstreit oder an den Einflüssen der Machtspiele von Kapital- und Wirtschaftsinteressen scheitern darf, sondern endlich umgesetzt werden muss", verlangte DNR-Präsident Hubert Weinzierl.
Die Bundesrepublik Deutschland ist infolge Ressortstreitigkeiten und unter dem vielfältigen Druck der Energielobby und der Elektrizitätsmafia bis heute nicht in der Lage ein Gesamtenergiekonzept aufzuweisen. Dies ist vor dem Hintergrund des Atomausstiegs-Szenarios untragbar und unglaubwürdig. Es wäre auch unredlich zu glauben, man könne die derzeitigen Energieorgien dadurch fortsetzen, dass diese von anderen Energieträgern übernommen werden, zumal der Atomstrom nach wie vor maßlos subventioniert wird und die Endlagerfrage ungelöst ist. Es darf daher darüber nachgedacht werden, ob es nicht doch sinnvoller wäre die Energie- und Klimakompetenzen in einem Ministerium zusammenzufassen.
Zukunftsfähige Energiepolitik muss bei der größten Energiequelle, dem Energiesparen und der Energieeffizienz - Beispiel Wärmedämmung und Bausanierung - ansetzen und sie darf sich auch nicht um noch so unpopuläre Instrumente wie die Fortsetzung der Ökosteuer im Kraftverkehrsbereich herumdrücken.
Die wesentlichen energiepolitisch bedeutenden Handlungsfelder bis 2020 sind wie folgt:
"Die Ökosteuer ist mit höheren Steuersätzen weiterzuentwickeln und die Begünstigung der Industrie schrittweise abzubauen. Kohle und Kernbrennstoff sind bei der Stromerzeugung genauso zu besteuern wie Erdgas und Heizöl. Kerosin im Flugverkehr ist endlich zu besteuern", sagte DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen.
Beim Emissionshandel sind für die nächsten Handelsperioden sehr viel weitergehende Begrenzungen der CO2-Emissionen vorzusehen. Sie müssen sich an einer 40%igen Reduzierung der Treibhausgase bis 2020 orientieren. Überfällig ist ein Kurswechsel bei der Energieforschung. Die bisher bei der Energieforschung auf den nuklearen Bereich entfallenden 70% der Budgetmittel des Bundes müssen zukünftig für Energieeinsparung und erneuerbare Energien zur Verfügung stehen.
Im Bereich der Energieversorgung muss die Bundesregierung der oligopolitischen Struktur der Energiekonzerne entgegentreten und die Transportnetze eigentumsrechtlich ausgliedern.
"Bei der Atomenergie ist die Subventionspraxis endlich energisch zu beenden und die derzeit 35 Milliarden Euro Entsorgungsrückstellungen der Atomkraftbetreiber müssen in öffentliche Fonds eingezahlt werden. Spätestens ab 2012 ist die Subventionierung des deutschen Steinkohlebergbaus zu beenden. Der Braunkohleabbau ist schrittweise zu vermindern und spätestens in 30 Jahren zu stoppen"; forderte Prof. Klaus Traube, der energiepolitische Berater des DNR.
Eine große Herausforderung besteht darin, den veralteten Kraftwerksbau in Deutschland weitestgehend durch dezentrale, vorwiegend erdgasbefeuerte KWK-Anlagen zu ersetzen. So ist der bisherige Anteil der KWK an der Stromerzeugung von 11% bis 2010 zu verdoppeln. Ein Zubau von Großkraftwerken auf Steinkohlebasis sollte unterbleiben. Im rheinischen Braunkohlerevier besteht noch ein begrenzter Erneuerungsbedarf.
Die Umweltverbände unterstützen die Zielsetzung der Bundesregierung bei den erneuerbaren Energien, deren Anteil an der Stromversorgung bis 2020 auf mindestens 20% zu erhöhen.
Mittelfristig liegt das bedeutendste Einsparpotenzial bei der Energienachfrage.
So sind die Anforderungen der Energiesparverordnung für Neubauten am Standard von Passivhäusern zu orientieren und die Ausnahmen für elektrische Heizung und die Warmwasserbereitung von Einsparungsanforderungen zu beenden. Ein Energiepass ist auch für Altgebäude vorzusehen. Für Haushaltsgeräte und die Heim- und Büroelektronik sind strenge Energieverbräuche vorzuschreiben, ebenso für die Lüftungs- , Klima- und Beleuchtungstechnik. Große Energieeinsparungen sind auch beim Verkehr zu erreichen, vor allem durch die Erhöhung der Steuer auf Kraftstoffe, eine wirksame LKW-Maut und die Aufhebung der Mehrwertsteuerbefreiung bei Flügen in EU-Ländern.