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Ein Teil der zur Förderung erneuerbarer Energien zu zahlenden EEG-Umlage wird zur Subventionierung stromintensiver Großverbraucher verwendet.

EEG: Industriesubventionen verfassungswidrig

Ein Teil der zur Förderung erneuerbarer Energien zu zahlenden EEG-Umlage wird zur Subventionierung stromintensiver Großverbraucher verwendet. Das widerspricht nach Ansicht von Energierechtsexperten dem Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes.
Von Aribert Peters und Louis-F. Stahl

(23. Juni 2018) Die EEG-Umlage für den Ausbau der erneuerbaren Energien zahlen alle Stromverbraucher mit ihrer Stromrechnung. Die Höhe dieser Umlage beträgt im Jahr 2018 rund 6,8 Cent je Kilowattstunde. Für eine Familie mit einem Verbrauch von 3.500 kWh ergeben sich folglich Kosten in Höhe von rund 230 Euro pro Jahr. Jedoch wird ein Teil dieses Betrages nicht für den Ausbau Erneuerbarer Energien verwendet. Stattdessen werden von diesem Geld die sogenannten „energieintensiven Unternehmen“ subventioniert. Denn im Gegensatz zu normalen Verbrauchern zahlen Großverbraucher auf Kosten aller übrigen Verbraucher nur eine deutlich reduzierte EEG-Umlage. Diese Ungleichbehandlung kann die durch energieintensive Unternehmen zu zahlende EEG-Umlage auf bis zu 0,05 Cent je kWh reduzieren.

510 Industrie und Windpark / Foto: Peter Heeling (CC0)

Mehrbelastung für Verbraucher

Die Subventionierung von Großverbrauchern auf dem Rücken von privaten Haushalten sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen steigt von Jahr zu Jahr. Anhand von Zahlen des Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat das Portal www.wie-energiesparen.info ausgerechnet, dass die nicht privilegierten Letztverbraucher im Jahr 2011 0,6 Cent je kWh für die Umverteilung von unten nach oben bezahlt haben. Im Jahr 2015 waren es schon 1,37 Cent je kWh. Nach Berechnungen des Öko-Instituts (PDF, S. 15 bdev.de/oekoeeg2018) beträgt der Effekt der Privilegierung im Jahr 2018 rund 1,57 Cent je kWh. Für einen Haushalt mit einem Verbrauch von 3.500 Euro bedeutet dies inklusive Mehrwertsteuer eine Belastung von rund 65 Euro pro Jahr.

Verfassungswidrige Ungerechtigkeit

Die Befreiung bestimmter Großverbraucher von der EEG-Umlage verstößt als Industriesubvention gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der renommierte Rechtsanwalt und Energierechtsexperte Dr. Peter Becker argumentiert, dass private Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Industrie nicht mitfinanzieren müssen – das sei Sache des Staates (ZNER Heft 1/2018, S. 36-39). Zwar hat der Bundesgerichtshof 2014 festgestellt, dass die EEG-Umlage in Gänze keine „verfassungswidrige Sonderabgabe“ sei (Az. VIII ZR 169/13). Dies bezog sich jedoch nicht auf die Grundrechtsverletzung aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat über diese Frage schlicht noch nicht entschieden.

EEG-Umlage kürzen!

Folgerichtig kürzt ein von Dr. Peter Becker vertretener Solarpark die EEG-Umlage genau um den Subventionsbetrag von 1,37 Cent je kWh. Der Netzbetreiber Amprion antwortete auf die Kürzung lapidar mit dem Hinweis, dass diese nicht akzeptiert werde und sich der Netzbetreiber eine gerichtliche Geltendmachung vorbehält. Passiert ist seitdem jedoch nichts. Es ist kaum zu erwarten, dass auf Zahlung der vollen EEG-Umlage bis hin zu einem öffentlichen Urteil geklagt wird. Das Spiel dürfte hier ähnlich laufen, wie bei den umstrittenen Preiserhöhungen: Bevor ein Gericht zur Entscheidung kommt, ziehen Versorger und Netzbetreiber die Klage zurück, weil sie ein Musterurteil auf jeden Fall vermeiden wollen.

510 Diagramm Zusammensetzung der EEG-Umlage / Datenquelle: www.strom-report.de

Von 2010 bis 2014 hat sich die Höhe der EEG-Umlage verdreifacht. Die tatsächliche Förderung erneuerbarer Energien hat an dieser Kostenexplosion jedoch nur einen kleinen Anteil.

Europäische Ebene

Dafür spricht auch ein Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der Bund der Energieverbraucher e.V. hatte gegen die Ausnahmeregelung für energieintensive Unternehmen Beschwerde bei der EU eingelegt, weil dies eine unerlaubte Subvention sei. In der Folge dieses Verfahrens änderte die EU-Kommission die Regeln für unerlaubte Beihilfen (Beschluss 2015/ 1585 vom 25.11.2014). Danach waren die meisten EEG-Ausnahmen plötzlich zulässig, einige wenige jedoch auch weiterhin nicht. Zugleich stellte die EU-Kommission aber auch fest, dass es sich bei den „Ermäßigungen der EEG-Umlage zugunsten dieser [stromintensiven] Unternehmen um eine staatliche Beihilfe handele“.

Einige betroffene Unternehmen hätten die EEG-Umlage nachzahlen müssen. Deshalb klagten die betroffenen Unternehmen vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt. Das Verwaltungsgericht hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob diese Klage zulässig sei. Der Generalanwalt am EuGH hält in seiner Stellungnahme die Klage für unzulässig, weil die Unternehmen direkt gegen die Kommissionsentscheidung hätten klagen müssen, dies aber versäumt hatten. Eine Entscheidung des EuGH steht noch aus. Aber der Generalanwalt schreibt in seiner Stellungnahme (Az. C‑135/16, Dokument 62016CC0135) höchst aufschlussreiches:

Randnummer 80: „Meines Erachtens gewähren die deutschen Behörden energieintensiven Unternehmen einen unbestreitbaren wirtschaftlichen Vorteil, wenn sie die bei ihnen zu erhebende EEG-Umlage ermäßigen […]“

Randnummer 85: „Es sieht nicht so aus, als ob die Strompreise, die diese Unternehmen in Deutschland zu tragen haben, trotz der EEG-Umlage höher seien als die Durchschnittspreise in den Ländern der Union. Der Nachweis für eine angebliche Benachteiligung dieser Unternehmen im Wettbewerb ist mithin nicht erbracht worden.“

Randnummer 87: „Die Begrenzung dieser Kosten für energieverschlingende Betriebe stellt eine Ausnahmeregelung dar, die ihnen einen spezifischen Vorteil verschafft, da sie den Preis verringert, den sie sonst für den von ihnen verbrauchten Strom zahlen müssten.“

Randnummer 94: „Die Klägerinnen führen aus, die Ermäßigung der von ihnen zu entrichtenden EEG-Umlage trage zum Klima- und Umweltschutz sowie zur nachhaltigen Entwicklung und Gewährleistung der Energieversorgung bei. Diese Gründe des allgemeinen Interesses gelten aber allenfalls für die allgemeine Regelung der EEG-Umlage, nicht aber für ihre Ermäßigung zugunsten einer spezifischen Kategorie von Industriebetrieben. Zudem wird durch ihre (teilweise) Freistellung von der allgemeinen Belastung durch die EEG-Umlage für diese Kategorie wirtschaftlicher Akteure gleichzeitig ein Anreiz für einen höheren Stromverbrauch geschaffen, und die Einnahmen, die zur Finanzierung erneuerbarer Energien zur Verfügung stehen, verringern sich.“

Randnummer 96: „[Es] haben weder die Unternehmen noch die deutsche Regierung genaue Angaben zur Stützung der Behauptung gemacht, dass die Zahlung dieser Umlage unter den Voraussetzungen des Beschlusses 2015/ 1585 ihren Fortbestand gefährde. Dieser Mangel an Beweisen reicht aus, um das entsprechende Vorbringen zu entkräften […]“

Rechtfertigung trägt nicht

Mit seiner Auffassung zur Verfassungswidrigkeit der Industriesubventionierung im Rahmen der EEG-Umlagetragung ist Dr. Peter Becker nicht allein. Bereits im Jahr 2006 verfassten die Energierechtler Dr. Volker Oschmann, seinerzeit Referent im Bundesumweltministerium, und Jan Thorbecke einen Aufsatz, der zum gleichen Schluss kam (ZNER Heft 4/2006, S. 304-310): „Dem Argument, das EEG führe zu erheblichen Kosten und belaste die Unternehmen zusätzlich, ist durch neue Untersuchungen der Boden entzogen worden. Denn erneuerbare Energien senken den durchschnittlichen Börsenpreis am Markt in einem Umfang, der über den durch das EEG verursachten Mehrkosten liegt. […] Es kann also festgehalten werden, dass die bislang zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung vom Gesetzgeber herangezogene Argumentation nicht trägt. […] Wie wird die Ungleichbehandlung gegenüber Konkurrenzunternehmen gerechtfertigt, die einen der Schwellenwerte nicht erreichen? Im EEG müssen die nicht von der EEG-Umlage befreiten Konkurrenzunternehmen nicht nur auf die Förderung verzichten, sondern sie werden über den EEG-Ausgleichsmechanismus auch noch zur Finanzierung der Förderung ihrer Wettbewerber herangezogen.“

Fazit

Sie können Ihre Stromrechnung um den Subventionsbetrag in Höhe von 1,37 beziehungsweise 1,57 Cent je kWh mit Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit dieser Subvention kürzen. Sie gehen damit allerdings das Risiko ein, vom Versorger auf Zahlung des vollen Betrags verklagt zu werden oder den Strom gesperrt zu bekommen und im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu unterliegen. Denn mit ihrem Versorger haben sich Verbraucher auf einen Komplettpreis einschließlich EEG-Umlage geeinigt. Und ob Gerichte die Verfassungswidrigkeit als Kürzungsgrund anerkennen, ist fraglich.

Besser ist die Situation für Eigenversorger und Eigenversorgungsgemeinschaften mit beispielsweise einer PV-Anlage oder einem BHKW, die direkt EEG-Umlage an einen Netzbetreiber zahlen. Netzbetreiber werden Urteile in dieser Sache scheuen und die Kürzung unter Protest hinnehmen – so wie bisher im Fall der von Dr. Peter Becker vertretenen Solarbetreibergemeinschaft. Wer also, wie hier empfohlen, die EEG-Umlage kürzt, steht auf relativ sicherem Boden.
Wer eine Rechtsschutzversicherung hat oder in den Prozesskostenfonds des Vereins einzahlt, für den reduziert sich das Kostenrisiko für den Fall eines Rechtsstreits ganz beträchtlich.

Pleisweiler Gespräch am 15. Juli 2018

Unter dem Titel „Demokratische, dezentrale Energieversorgung – gegen den Widerstand der Stromkonzerne und der Medien“ wird Dr. Peter Becker auf dem nächsten Pleisweiler Gespräch am 15. Juli 2018 in Pleisweiler-Oberhofen einen Vortrag halten.

Weitere Informationen und Anmeldung unter bdev.de/beckerpleisweiler

letzte Änderung: 18.11.2021