ED 04/12 Eine Welt ohne Öl (S.30-31)
So beschwert sich Europa

So beschwert sich Europa

Experten schätzen die Zahl der jährlichen Beschwerden von Verbrauchern in Europa auf rund 20 Millionen. Sie sind ein Zeichen von Marktversagen. Gerade im Energiebereich sind sie deshalb besonders wichtig. Die EU-Staaten gehen mit Beschwerden von Energieverbrauchern ganz unterschiedlich um.

(18. Dezember 2009) Mehr Rechte für Energieverbraucher - das verspricht das dritte Richtlinienpaket der EU (siehe Scharfes aus Brüssel). So verpflichtet das Paket die Energieversorger dazu, ihre Kunden auf der Strom- und Gasrechnung über ein unabhängiges Streitbeilegungsverfahren zu informieren. Sie müssen zudem ein unabhängiges Verfahren zur Behandlung von Beschwerden und Beilegung von Meinungsverschiedenheiten schaffen sowie eine zentrale Anlaufstelle für Beschwerden einrichten, die Energieverbraucher über ihre Rechte aufklärt.

Empfehlungen der Regulierer

Die Europäischen Regulierungsbehörden (EREG) haben 15 Empfehlungen für die Bearbeitung von Beschwerden und die Streitbeilegung erarbeitet und Erfahrungen mit Beschwerdesystemen in neun Ländern der EU in einem Bericht zusammengestellt (E09-CEM-26-03 vom 17. September 2009).

Bürgerforum Energie

Die Energie- und Verbraucherkommissionen der EU haben im Jahr 2008 gemeinsam ein Bürgerforum Energie ins Leben gerufen. Es soll den Verbrauchern helfen, indem es dazu beiträgt, ihre EU-weit bestehenden Rechte durchzusetzen und ihnen klare, verständliche Informationen über die verfügbaren Auswahlmöglichkeiten beim Kauf von Gas und Strom zu liefern. Das Forum hat in den Jahren 2008 und 2009 je eine Konferenz in London durchgeführt. (EU: Information for consumers)

Österreich

Bei der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control gibt es seit 2002 eine Schlichtungsstelle. Sie kümmert sich um alle Verbraucherbeschwerden bei der Strom- und Gasversorgung. Das Verfahren ist für Verbraucher kostenlos. Sie können sich direkt an die Schlichtungsstelle wenden, ohne sich vorher bei ihrem Versorger beschwert zu haben. Eine Schlichtung wird innerhalb von sechs Wochen angestrebt. Es werden stets einvernehmliche Lösungen gefunden. Pro Jahr werden etwa 160 Beschwerden vorgebracht. Die Schlichtungsstelle veröffentlicht einen Jahresbericht mit Nennung von Unternehmen und einzelnen Streitfällen.

Frankreich

In Frankreich gibt es gleich drei Energie-Beschwerdestellen: Das Wettbewerbsministerium ist bei Wettbewerbsverstößen zuständig, die Regulierungsbehörde bei Netzzugangsbeschwerden und der Ombudsmann Energie (Mediateur national de l'energie) für alle anderen Anliegen. Alle drei Stellen betreiben eine gemeinsame Verbraucher-Informationsstelle. Der Ombudsmann macht innerhalb von zwei Monaten einen gütlichen Streitbeilegungsvorschlag. Der Verbraucher muss sich aber zuerst mit der Beschwerde an seinen Versorger wenden.

Italien

Per Gesetz ist die italienische Regulierungsbehörde auch für Verbraucherbeschwerden im Energiebereich zuständig. Betroffene Verbraucher müssen eine Beschwerde zuerst beim Versorger einreichen, die dort bearbeitet werden muss. Antwortet der Versorger nicht oder nicht zufriedenstellend oder ist die Beschwerde besonders dringend, kann sich der Verbraucher an die Regulierungsbehörde wenden. Diese muss sein Anliegen innerhalb von 40 Tagen bearbeiten. Allerdings darf jeder Verbraucher jährlich nur eine Beschwerde vorbringen. Seit 2005 wurden 15.000 Beschwerden vorgebracht, allein im Jahr 2008 waren es 8.000. Beschwerden sind kostenlos.

Niederlande

Obwohl gesetzlich zuständig, kümmert sich die niederländische Regulierungsbehörde nicht um konkrete Verbraucherbeschwerden und nimmt solche auch nicht entgegen. Verbraucher können die allgemeinen Schlichtungsstellen anrufen.

Großbritannien

Britische Energieverbraucher können ihre Beschwerden an Consumer Direct richten, einer amtlichen Verbraucherhotline, an Consumer Focus oder an den Energy Ombudsman. Die Regulierungsbehörde ofgem bearbeitet selbst keine Beschwerden, sondern hat dafür den Ombudsman eingerichtet. Schutzbedürftige oder von Versorgungssperre bedrohte Verbraucher können sich bei Consumer Focus beschweren. Als erste Beschwerdeinstanz gilt jedoch auch in Großbritannien der Energieversorger selbst. Lösungsvorschläge des Ombudsmans sind für Versorger verbindlich. Die Verbraucher können sie akzeptieren oder sich an ein Gericht wenden. Im Internet kann man die Beschwerden und Lösungen des Ombudsmanns nachlesen.

Deutschland

Verbraucher können sich bei Beschwerden über einen Versorgerwechsel oder die Netzbetreiber an die Bundesnetzagentur wenden. Bei Beschwerden wegen Wettbewerbsverstößen sind die Kartellämter von Bund und Ländern zuständig. Bei allen anderen Beschwerden kann man sich an die Verbraucherzentralen wenden. Dort gibt es jedoch kein Verfahren zur Streitbeilegung oder zur Behandlung von Beschwerden. Oft sind Beratungen der Verbraucherzentralen kostenpflichtig. Die EU-Kommission führt derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik durch, weil Deutschland die Verpflichtungen zur Einrichtung einer Schlichtungsstelle nicht umgesetzt hat.

letzte Änderung: 08.07.2022